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82 GesundheitsrechtNorm
LMG 1975 §74 Abs6Leitsatz
Lebensmittelgesetz 1975; keine Bedenken, daß §74 Abs6 im Widerspruchzu Art11 Abs2 B-VG steht; keine denkunmögliche GesetzesanwendungSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Über den Beschwerdeführer wurde mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den 9. Bezirk, vom 23. Jänner 1979, Z MBA 9-12/064/8/Str., wegen der Verwaltungsübertretung nach §1 Abs1 der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973, BGBl. 627 - LMKV 1973, iVm §74 Abs1 des Lebensmittelgesetzes 1975, BGBl. 86 - LMG 1975, gemäß der eben zitierten Gesetzesstelle eine Geldstrafe von S 500,-, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Arreststrafe in der Dauer von 50 Stunden verhängt, weil er es zu verantworten habe, daß am 2. November 1977 von der "C. C., Großhandel mit Lebens- und Genußmitteln und Handelsvertretung, L. K. und O. R. OHG" von der Firma T. verpackte Lebensmittel "KOO Orangen-Jam" nicht mit einer den Bestimmungen des §3 Z18 LMKV 1973 entsprechenden Kennzeichnung (es fehlte auf der Dose das Verzeichnis der Bestandteile in absteigender Reihenfolge ihres Anteiles oder ihrer Bedeutung) geliefert wurden.
1.2. Aufgrund der vom Beschwerdeführer dagegen eingebrachten Berufung wurde gemäß §66 Abs4 AVG 1950 das angefochtene Straferkenntnis dahin gehend abgeändert, daß der Spruch zu lauten hat:
"Der Beschuldigte M. L. hat es als Geschäftsführer der OHG. C. C. Großhandel mit Lebens- und Genußmitteln und Handelsvertretung L. K. und O. R. zu verantworten, daß diese Gesellschaft am 2. November 1977 in Wien 10, Südbahnhof, durch Lieferung an die Firma T. in Wien 6, K-gasse 5, verpackte Lebensmittel, und zwar Dosen mit 'KOO Orangen-Jam', in Verkehr gesetzt hat, die insofern nicht entsprechend den Bestimmungen der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung 1973 - LMKV 1973, BGBl. Nr. 627, gekennzeichnet waren, als die Angabe des Kennzeichnungselementes nach §13 Z18 (das Verzeichnis der Bestandteile) in deutscher Sprache fehlte; er hat dadurch eine Verwaltungsübertretung nach §1 Abs1, §2 Abs1 und §4 Abs1 Z6 LMKV 1973 begangen.
Gemäß §74 Abs5 Z1 in Verbindung mit §77 Abs1 Z19 des Lebensmittelgesetzes 1975 - LMG 1975, BGBl. Nr. 86, wird gegen den Beschuldigten eine Geldstrafe von 300,- S verhängt. Im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe tritt an deren Stelle eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von 30 Stunden."
1.3.1. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
1.3.2. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die Abweisung der Beschwerde begehrt.
2. Der VfGH hat erwogen:
2.1. Der Beschwerdeführer bekämpft den angefochtenen Bescheid wegen Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums ausschließlich mit der Behauptung, daß seiner Bestrafung Verfolgungsverjährung gemäß §31 Abs2 VStG 1950 in der zur Tatzeit geltenden Fassung der Nov. BGBl. 101/1977 entgegengestanden wäre, da §74 Abs6 LMG 1975 mit Verfassungswidrigkeit belastet sei. Gemäß Art11 Abs2 B-VG sei eine von den Vorschriften der allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetze abweichende Regelung nur zulässig, wenn sie in dem das einzelne Gebiet der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetz zur Regelung des Gegenstandes erforderlich ist. Eine Notwendigkeit zur abweichenden Regelung lasse sich aus den Materialien zum LMG 1975 nicht entnehmen; gegen die Zulässigkeit einer von §31 Abs2 VStG 1950 abweichenden Regelung spreche auch, daß der Gesetzgeber bei Novellierung des VStG 1950 mit Bundesgesetz vom 28. Feber 1977, BGBl. 101, eine einheitliche Verlängerung der Frist zur Verfolgungsverjährung als hinreichend angesehen habe.
2.2. Es handelt sich dabei im wesentlichen um das gleiche Vorbringen, das vom Beschwerdeführer bereits in seiner Beschwerdesache B102/79 vorgetragen und mit Erk. des VfGH vom 3. Oktober 1981 als unbegründet erachtet wurde; auf die Begründung dieses Erk. wird verwiesen.
Hinzuzufügen ist, daß die LMKV 1973, auf deren §§1 Abs1, 2 Abs1, 3 Z18 und 4 Abs1 Z6 sich der angefochtene Bescheid in materiellrechtlicher Hinsicht stützt, dem Lebensmittelrecht zuzurechnen ist.
Dem Beschwerdeführer ist wohl beizupflichten, daß eine Nichtbefolgung der nach den angewendeten Bestimmungen der LMKV 1973 angeordneten Kennzeichnungspflicht, wie sie dem Beschwerdeführer angelastet wird, schon optisch festgestellt werden kann, wohingegen die Feststellung anderer Übertretungen des Lebensmittelrechtes meist zeitaufwendiger Untersuchungshandlungen bedarf. Wenn es der Gesetzgeber dennoch unterlassen hat, die Verjährung strafbarer Handlungen nach den einzelnen Deliktstypen des Lebensmittelrechtes unterschiedlich zu regeln, kann ihm daraus kein Vorwurf gemacht werden, da er sich hiebei am Hauptinhalt des Gesetzes orientiert hat; er hat sich damit bei Erlassung der lex specialis von gleichen Gesichtspunkten leiten lassen wie bei der Erlassung der lex generalis. Die vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Bedenken gegen §74 LMG 1975 werden vom VfGH auch aus dieser Sicht nicht geteilt.
2.3. Bei der Unbedenklichkeit der den angefochtenen Bescheid sonst tragenden Rechtsgrundlagen (Bedenken wurden weder vorgebracht noch sind solche entstanden) könnte der Beschwerdeführer in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur im Falle einer denkunmöglichen Anwendung des Gesetzes verletzt worden sein. Auch hiefür bestehen keinerlei Anhaltspunkte.
2.4. Da sich auch nicht ergeben hat, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Lebensmittelrecht, Verwaltungsstrafrecht, Verjährung,BedarfskompetenzEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:B543.1980Zuletzt aktualisiert am
13.08.2010