TE Vfgh Beschluss 1981/10/3 G53/81, B375/81

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Veröffentlicht am 03.10.1981
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Index

66 Sozialversicherung
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
ASVG §269 Abs1 Z2 idF BGBl 13/1962

Leitsatz

Art140 B-VG; Individualantrag auf Feststellung, daß §269 Abs1 Z2 ASVG idF BGBl. 13/1962 verfassungswidrig war; keine Legitimation

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I.1. Der Antragsteller bringt vor, die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung einer Abfindung gemäß §269 Abs1 Z2 ASVG idF BGBl. 13/1962 zu erfüllen, da er mit seiner Ehegattin zum Zeitpunkt ihres Todes - dem 2. Juli 1980 - in ständiger Hausgemeinschaft gelebt habe, unversorgt gewesen sei und überwiegend von ihr erhalten worden sei. Nach der bis zum 31. Mai 1981 geltenden Fassung des §269 Abs1 Z2 ASVG zählten zum Kreis der Anspruchsberechtigten die vom Anspruch auf Witwenpension gemäß §258 Abs2 ASVG ausgeschlossene Witwe, die Kinder, die Mutter, der Vater und die Geschwister des (der) Versicherten, nicht jedoch der Witwer, weshalb der Antragsteller nicht in den Genuß einer Abfindung kommen könne.

In der Nichtanführung des Witwers in der zitierten Bestimmung erblickt der Antragsteller eine verfassungswidrige Diskriminierung nach dem Geschlecht und eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes. Durch die Nichtgewährung der Abfindung sei er in seinen Rechten verletzt, wobei das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder eines Bescheides wirksam geworden sei. Er habe zwar bei der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten einen Antrag auf Abfindung gestellt, gegen den ablehnenden Bescheid vom 13. Oktober 1980 beim Schiedsgericht der Sozialversicherung für Wien Klage eingebracht und gegen dessen abweisendes Urteil Berufung an das Oberlandesgericht Wien erhoben, der mit Entscheidung vom 25. Mai 1981 keine Folge gegeben worden sei, doch stützten sich diese Entscheidungen auf die Nichtanführung des Witwers unter den Anspruchsberechtigten in dem als verfassungswidrig bekämpften §269 Abs1 Z2 ASVG in der im Zeitpunkt des Todes der Gattin des Antragstellers geltenden Fassung. Den Gründen, aus denen das Oberlandesgericht Wien die Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens ablehne, könne vom Antragsteller nicht beigepflichtet werden.

Mit einem auf Art140 Abs1 letzter Satz iVm Abs4 B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller die Feststellung, daß §269 Abs1 Z2 ASVG, BGBl. 189/1955 idF BGBl. 13/1962, verfassungswidrig war. Dieser Antrag ist zur Zahl G53/81 protokolliert.

2. Weiters stellt der Antragsteller das Begehren, "der VfGH möge der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten den Auftrag erteilen, nunmehr unter Berücksichtigung der aufgehobenen Bestimmung des §269 Abs1 Z2 ASVG in der bis 31. Mai 1981 geltenden Fassung BGBl. 13/1962 über den Anspruch des Beschwerdeführers und Antragstellers neu zu entscheiden". Dieser Antrag ist zu B375/81 protokolliert.

II. Der VfGH hat zu G53/81 erwogen:

1. Gemäß Art140 B-VG erkennt der VfGH über die Verfassungswidrigkeit von Gesetzen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Wie der VfGH in seiner mit VfSlg. 8009/1977 beginnenden ständigen Rechtsprechung ausgeführt hat, ist daher grundlegende Voraussetzung für die Antragslegitimation, daß das Gesetz in die Rechtssphäre der betroffenen Person unmittelbar eingreift und diese - im Falle seiner Verfassungswidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem unmittelbar betroffenen Normadressaten aber kommt diese Antragsbefugnis zu. Es ist (wie der VfGH im Beschluß VfSlg. 8009/1977 ausgeführt und in seiner späteren Judikatur mehrfach, zB in VfSlg. 8148/1977, 8241/1978, 8276/1978 und 8485/1979 bestätigt hat) für die Antragslegitimation darüber hinaus auch erforderlich, daß dem Antragsteller ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der von ihm behaupteten Verfassungswidrigkeit nicht zur Verfügung steht.

2. Ein derartiger zumutbarer Weg steht aber dem Antragsteller im gegebenen Fall zur Verfügung: Zur Realisierung des gesetzlichen Anspruchs auf Abfindung gemäß §269 Abs1 Z2 sieht das ASVG ein Verfahren vor der zuständigen Pensionsversicherungsanstalt (§354 iVm §§361 und 367 ASVG) und im Streitfall im Wege einer sukzessiven Zuständigkeit ein Leistungsstreitverfahren (§370 ff. ASVG) vor, in dem ein Rechtsweg gemäß §400 ff. ASVG zum Oberlandesgericht Wien eingerichtet ist.

Vom ASVG ist somit der Weg ausdrücklich vorgezeichnet, den der Antragsteller beschreiten kann, um die von ihm angenommene Verfassungswidrigkeit geltend zu machen. Der VfGH kann auch nicht finden, daß es dem Antragsteller unzumutbar sein sollte, diesen Weg zu beschreiten (vgl. VfSlg. 9170/1981); solches wird vom Antragsteller auch nicht behauptet. Vielmehr weist der Antragsteller darauf hin, daß er den aufgezeigten Weg bereits - allerdings erfolglos - beschritten hat. Die Tatsache, daß das Oberlandesgericht Wien in diesem vom Antragsteller angestrengten Verfahren keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der von ihm angewendeten Gesetzesbestimmungen gehabt hat, bewirkt weder - wie das der Antragsteller zu meinen scheint -, daß das Gesetz nunmehr unmittelbar in seine Rechtssphäre eingreift, noch ergibt sich daraus eine quasi subsidiäre Antragslegitimation.

3. Der Antrag war somit mangels Legitimation des Einschreiters zur Antragstellung als unzulässig zurückzuweisen.

III. Auch der (unter B375/81 protokollierte) Antrag, "der VfGH möge der Pensionsversicherungsanstalt der Angestellten den Auftrag erteilen, nunmehr unter Berücksichtigung der aufgehobenen Bestimmungen des §269 Abs1 Z2 ASVG ... über den Anspruch des Beschwerdeführers und Antragstellers neu zu entscheiden", ist unzulässig. Weder Art144 B-VG noch irgendeine andere Rechtsvorschrift räumt dem VfGH die Kompetenz ein, Verwaltungsbehörden derartige Aufträge zur Bescheiderlassung zu erteilen. Der Antrag war somit wegen offenkundiger Nichtzuständigkeit des VfGH zurückzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:G53.1981

Dokumentnummer

JFT_10188997_81G00053_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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