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L0 Verfassungs- und OrganisationsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Art67 und 68 Abs2 des Staatsvertrages von St. Germain; Art7 §4 - Art8 des Staatsvertrages von Wien; Art14 MRK; Art3 des 1. ZP zur MRK; Wertentscheidung des Verfassungsgesetzgebers zugunsten des Minderheitenschutzes; Ktn. Landesverfassungsgesetz 1974; keine Bedenken gegen Art7 (Zahl der Mitglieder des Landtages); Ktn. Landtagswahlordnung 1974; keine Bedenken gegen §§2 und 2a idF LGBl. 49/1979 (Wahlkreiseinteilung)Spruch
Der Anfechtung der Wahl des Landtages von Ktn. vom 7. Oktober 1979 wird nicht stattgegeben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Das Landesverfassungsgesetz vom 5. Juli 1974, LGBl. 190/1974, mit dem die Verfassung für das Land Ktn. erlassen wird (Landesverfassung für das Land Ktn. - L-VG), bestimmt in Art7, daß der Landtag aus 36 Mitgliedern besteht.
Zum Zwecke der Wahl in den Landtag wird das Land gemäß der Landtagswahlordnung 1974, LGBl. 191/1974 idF des Gesetzes LGBl. 49/1979 - im folgenden LWO -, in folgende vier Wahlkreise eingeteilt (§2), die in die Wahlkreisverbände Ost (gebildet aus den Wahlkreisen 1 und 2) und West (gebildet aus den Wahlkreisen 3 und 4) zusammengefaßt werden (§2a):
Wahlkreis 1; er umfaßt den Bereich der Landeshauptstadt Klagenfurt und den Bereich des politischen Bezirkes Klagenfurt Land ohne den der Politischen Expositur Feldkirchen der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt;
Wahlkreis 2; er umfaßt den Bereich des politischen Bezirkes St. Veit an der Glan, den Bereich des politischen Bezirkes Völkermarkt sowie den Bereich des politischen Bezirkes Wolfsberg;
Wahlkreis 3; er umfaßt den Bereich der Stadt Villach und den Bereich des politischen Bezirkes Villach Land;
Wahlkreis 4; er umfaßt den Bereich des politischen Bezirkes Hermagor und den Bereich des politischen Bezirkes Spittal an der Drau sowie den Bereich der Politischen Expositur Feldkirchen der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt.
An die Stelle des Bereiches der Politischen Expositur Feldkirchen der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt (die schon seit 1903 besteht) tritt mit Wirkung vom 1. Jänner 1982 der Bereich des politischen Bezirkes Feldkirchen (Verordnung der Landesregierung LGBl. 84/1980).
Die Zahl der Abgeordneten ist auf die Wahlkreise im Verhältnis der Bürgerzahl zu verteilen (Art95 Abs3 B-VG), und zwar auf die in §2b LWO näher geregelte Weise.
Bei der Landtagswahl am 7. Oktober 1979 entfielen auf Grund des Ergebnisses der Volkszählung vom 12. Mai 1971 von den 36 zu vergebenden Mandaten auf den
Wahlkreis 1 (125.959 Staatsbürger) ........... 9 Mandate
Wahlkreis 2 (159.169 Staatsbürger) ........... 11 Mandate
Wahlkreis 3 (109.056 Staatsbürger) ........... 7 Mandate
Wahlkreis 4 (123.402 Staatsbürger) ........... 9 Mandate
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Summe 517.586 Staatsbürger ........... 36 Mandate
Die "Ktn. Einheitsliste - Koroska enotna lista (KEL)" hat gemäß §40 LWO rechtzeitig Wahlvorschläge für die Wahlkreise 1 bis 3 und gemäß §48a LWO rechtzeitig Wahlvorschläge für das zweite Ermittlungsverfahren (Verbandswahlvorschläge) für die beiden Wahlkreisverbände Ost und West vorgelegt.
Bei der Landtagswahl am 7. Oktober 1979 entfielen auf die KEL 4.279 gültige Stimmen, sodaß sie kein Mandat erhalten konnte. In den einzelnen Wahlkreisen zeigte sich folgendes Bild:
Wahlberechtigte gültige Stimmen KEL Wahlzahl
Wahlkreis 1 ........ 95.125 77.020 1.394 7.703
Wahlkreis 2 ........ 107.397 90.939 1.999 7.579
Wahlkreis 3 ........ 79.615 64.999 886 8.125
Wahlkreis 4 ........ 84.262 68.709 0 6.871
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366.399 301.667 4.279
2. Die Wählergruppe "Ktn. Einheitsliste - Koroska enotna lista (KEL)" ficht die Wahl in den Ktn. Landtag vom 7. Oktober 1979 gemäß Art141 B-VG wegen Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens an.
Sie erblickt die Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens nicht in der Vollziehung des L-VG und der LWO durch die Wahlbehörden, sondern ausschließlich darin, daß die landesrechtlichen Bestimmungen über die Zahl der Mitglieder des Landtages, über die Wahlkreise und über die Wahlkreisverbände - insbesondere Art7 L-VG sowie §§2 und §2a LWO in der Fassung der Nov. 1979 - gegen Bundesverfassungsrecht verstießen.
Die anfechtende Wählergruppe verweist auf die in Verfassungsrang stehenden Bestimmungen des Art67 und Art68 Abs2 des Staatsvertrages von St. Germain, StGBl. 303/1920, des Art7 §4 und Art8 des Staatsvertrages von Wien, betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich, BGBl. 152/1955, des Art3 und Art5 des (ersten) Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten in Verbindung mit Art14 dieser Konvention, BGBl. 210/1958.
Diese Rechtsnormen verböten es, durch die Normierung einer zu geringen Anzahl von Mandaten und durch die Grenzziehung von Wahlkreisen und Wahlkreisverbänden ein Wahlrecht zu schaffen, welches es der slowenischen Minderheit in Ktn. unmöglich mache, auch nur einen einzigen der Minderheit angehörenden Vertreter in den Ktn. Landtag zu wählen.
Keine der drei im Landtag vertretenen Parteien habe einen Angehörigen der slowenischen Minderheit an wählbarer Stelle als Kandidaten aufgestellt.
Die Grenzen der durch die Landtagswahlordnungs-Nov. 1979 geschaffenen Wahlkreise und der Wahlkreisverbände seien bewußt so gezogen worden, daß das zweisprachige Gebiet Ktn. (iS des Ausführungsgesetzes LGBl. 44/1959 zum Minderheiten-Schulgesetz) auf alle vier Wahlkreise aufgeteilt und so die Erreichung der Wahlzahl durch eine Liste der Minderheit völlig unmöglich gemacht worden sei.
Dagegen lasse sich nicht einwenden, daß die anfechtende Wählergruppe bei der Landtagswahl vom 7. Oktober 1979 auch dann kein Mandat errungen hätte, wenn das Land Ktn. - wie vor der Landtagswahlordnungs-Nov. 1979 - einen einzigen Wahlkreis gebildet hätte. Durch die Zersplitterung des zweisprachigen Gebietes und die hiedurch bewirkte völlige Aussichtslosigkeit, einen eigenen Vertreter in den Landtag zu bringen, seien nämlich ganz offenkundig viele Slowenen davon abgehalten worden, der anfechtenden Wählergruppe ihre Stimme zu geben, obwohl sie KEL gewählt hätten, wenn diese eine Erfolgschance gehabt hätte. Nur so lasse sich erklären, daß die anfechtende Wählergruppe, die bei der Landtagswahl 1975 immerhin
6.130 Stimmen erreichen habe können, bei der Landtagswahl 1979 nur noch 4.279 Stimmen erzielt habe.
Dazu komme, daß die Zahl der Landtagsmandate mit 36 zu niedrig angesetzt sei, um eine Vertretung im Landtag für die Minderheit erreichbar zu machen.
Vorbehaltlich aller Einwände gegen die Volkszählung 1971 habe die Wohnbevölkerung der Slowenen in Ktn. nach dieser Volkszählung 17.014 (ohne Windische) bzw. 20.972 (mit Windischen) betragen. Daraus errechne sich, wenn man die Quote der Stimmberechtigten innerhalb der Wohnbevölkerung in der gleichen Höhe wie für ganz Ktn. annehme (70,79Z), eine Zahl von 12.044 (ohne Windische) bzw. 14.846 (mit Windischen) Angehörigen der slowenischen Minderheit in Ktn., die bei der Landtagswahl 1979 stimmberechtigt gewesen seien.
Die Wahlzahlen in den einzelnen Wahlkreisen bei der Landtagswahl 1979 hätten betragen:
Wahlkreis 1 ..... Wahlzahl 7.703 Wahlkreis 3 ..... Wahlzahl 8.125
Wahlkreis 2 ..... Wahlzahl 7.579 Wahlkreis 4 ..... Wahlzahl 6.871
Diese Ziffern zeigten, daß es durchaus möglich sei, ein Wahlsystem so zu gestalten, daß die Minderheit eine reelle Chance habe, ein Mandat zu erreichen.
Dabei verkenne die anfechtende Wählergruppe nicht, daß seit dem Burgenland-Erk. des VfGH G11/78 (VfSlg. 8321/1978) klargestellt sei, daß die Bundesverfassung auch bei Landtagswahlen eine Mehrheit von Wahlkreisen verlangt.
Es müsse dann eben durch eine entsprechende Grenzziehung der Wahlkreise und durch eine Erhöhung der Mandatszahl, die zu einer Senkung der Wahlzahlen führe, für eine entsprechende Vertretung der Minderheit im Landtag vorgesorgt werden. Auf diese Weise könne in Ktn. ein Wahlrecht geschaffen werden, das im Einklang mit der Bundesverfassung stehe.
Die eingangs angeführten bundesverfassungsrechtlichen Normen ordneten zwingend an, der slowenischen Minderheit in Ktn. die Möglichkeit einer Repräsentation im Landtag durch eine entsprechende Gestaltung des Wahlrechtes einzuräumen.
Art67 des Staatsvertrages von St. Germain gebe der Minderheit - rechtlich und faktisch - Anspruch auf dieselbe Behandlung wie die anderen österreichischen Staatsangehörigen. Dieser Verfassungsbefehl lasse sich nicht durch den banalen Hinweis darauf entkräften, daß jeder Ktn. slowenischer Zunge das gleiche aktive und passive Wahlrecht habe "wie ein Angehöriger des Staatsvolkes". Die Minderheitsschutzbestimmungen seien ja nicht nur dazu da, den einzelnen vor Diskriminierung zu schützen, sondern auch dazu, der Minderheit als solcher ihren Bestand und ihre Selbstverwirklichung im Rahmen des Staatsganzen unter Wahrung ihrer kulturellen Besonderheiten zu gewährleisten.
Mit voller Klarheit komme dieses Verfassungsziel in Art68 Abs2 des Staatsvertrages von St. Germain zum Ausdruck, wonach in Städten und Bezirken, wo eine verhältnismäßig beträchtliche Anzahl österreichischer Staatsbürger wohne, die der Minderheit angehören, dieser Minderheit - also der Minderheit in ihrer Gesamtheit - ein angemessener Teil von allen Beträgen, die "etwa" - also:
beispielsweise, aber nicht ausschließlich - für Erziehungs-, Religions- oder Wohltätigkeitszwecke aus öffentlichen Mitteln in Staats-, Gemeinde- oder anderen Budgets - also auch im Landesbudget - ausgeworfen werden, zu Nutzen und Verwendung gesichert werde. Über die Verwendung der Mittel des Landesbudgets entscheide der Landtag. Stehe der Minderheit ein Anteil an der Verwendung der Landesmittel zu, so sei sie nicht bloß Empfänger von Budgetmitteln, die die Mehrheit vergebe, sondern sie habe einen Anspruch darauf, als Minderheit an den Entscheidungen mitzuwirken, die der Landtag über die Verwendung solcher Mittel treffe. Eine derartige Mitwirkung an der Verwendung von Budgetmitteln könne und müsse der Minderheit aber nur dadurch eingeräumt werden, daß das Landtagswahlrecht ihr die Möglichkeit einer entsprechenden Repräsentation im Landtag als Minderheit biete.
Wenn ferner Art8 des Staatsvertrages von Wien allen Staatsbürgern ein freies, gleiches und allgemeines Wahlrecht sowie das Recht einräume, ohne Unterschied etwa auch der Sprache zu einem öffentlichen Amte gewählt zu werden, so könne diese Verfassungsnorm wiederum nicht bloß individualistisch-formal mit dem Hinweis abgetan werden, daß jeder einzelne Angehörige der Minderheit ohnehin das aktive und passive Wahlrecht genieße. Aus Art7 Ziffer 5 des Staatsvertrages von Wien, wonach die Tätigkeit von Organisationen zu verbieten sei, die darauf abzielten, der kroatischen oder slowenischen Bevölkerung ihre Eigenschaft und ihre Rechte als Minderheit zu nehmen, sei nämlich ganz klar zu erkennen, daß der Staatsvertrag von Wien der slowenischen Bevölkerung in Ktn. ihre Eigenschaft und ihre Rechte "als Minderheit", also als Gruppe und nicht bloß jedem einzelnen von ihnen, sichern wolle.
Nur so könne auch das in Art7 Ziffer 4 des Staatsvertrages von Wien verankerte Recht der Minderheit in Ktn. verstanden werden, an den kulturellen, Verwaltungs- und Gerichtseinrichtungen auf Grund gleicher Bedingungen wie andere österreichische Staatsangehörige teilzunehmen. Eine Teilnahme der Minderheit an den Verwaltungseinrichtungen des Landes Ktn. setze eine entsprechende Repräsentation im Landtag voraus, der die mit der Verwaltung betraute Landesregierung zu wählen habe.
Wenn schließlich Art3 des (ersten) Zusatzprotokolls zur MRK die Republik Österreich verpflichte, in angemessenen Zeitabständen freie und geheime Wahlen unter Bedingungen abzuhalten, die die freie Äußerung der Meinung des Volkes bei der Wahl der gesetzgebenden Organe gewährleisteten, dann könne auch diese Verfassungsnorm im Hinblick auf den durch Art5 des Zusatzprotokolls hergestellten Konnex zu Art14 MRK sich nicht darin erschöpfen, daß die Angehörigen der Minderheit bei der Landtagswahl Parteien wählen dürften, die keinen einzigen Slowenen an wählbarer Stelle aufgestellt hätten, sondern es dürfe eine Benachteiligung der Minderheit auch nicht in der Weise stattfinden, daß ihr - im ganzen gesehen - eine Vertretung im Landtag auch nur durch einen einzigen Abgeordneten geradezu unmöglich gemacht werde.
Die anfechtende Wählergruppe regt an, Art7 L-VG sowie §2 und §2a LWO in Prüfung zu ziehen und als verfassungswidrig aufzuheben, und stellt den Antrag, die am 7. Oktober 1979 abgehaltene Wahl zum Ktn. Landtag zur Gänze aufzuheben.
3. Die Landeswahlbehörde für das Land Ktn. hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie sich auf ein beigelegtes Rechtsgutachten des Verfassungsdienstes beim Amt der Ktn. Landesregierung zur Verfassungsmäßigkeit der Ktn. Landtagswahlordnung und der Verfassung des Landes Ktn. bezieht, und beantragt, die Anfechtung der Wahl des Ktn. Landtages am 7. Oktober 1979 abzuweisen.
4. Die öffentliche mündliche Verhandlung fand am 24. Juni 1980 statt und wurde vertagt. Zur Vorbereitung der fortzusetzenden Verhandlung wurde die Ktn. Landesregierung um die Vorlage von Unterlagen ersucht, aus denen folgende Fragen beantwortet werden können:
"1. Welche Gesichtspunkte waren für die Einteilung des Landes Ktn. in die 4 Wahlkreise nach §2 der Landtagswahlordnung 1974 idF LGBl. 49/1979 und in die 2 Wahlkreisverbände nach §2a leg. cit. maßgeblich?
2. Inwieweit ist diese Wahlkreiseinteilung (die an die bestehende Einteilung in politische Bezirke - ausgenommen den Bereich der Politischen Expositur Feldkirchen - anknüpft) durch historische, geographische, sprachliche, religiöse, wirtschaftliche, ethnographische und kulturelle Momente vorgezeichnet?
3. Inwieweit stellt das Siedlungsgebiet der slowenischen Minderheit (das sich nach der von der anfechtenden Wählergruppe beigebrachten Kartenskizze über alle 4 Wahlkreise erstreckt) eine Einheit in historischer, geographischer, religiöser, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht dar? Sind aus der Entwicklung der slowenischen Minderheit für die Beantwortung dieser Frage Anhaltspunkte zu gewinnen?"
Die Ktn. Landesregierung hat hiezu unter der Bezeichnung "Wahlkreiseinteilung und slowenische Volksgruppe, Zur Frage der Sachlichkeit der Wahlkreiseinteilung in der Landtagswahlordnungs-Nov. 1979" von ihrem Verfassungsdienst erarbeitete Unterlagen vorgelegt.
In Erwiderung hierauf hat die anfechtende Wählergruppe am 16. Jänner 1981 ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Theodor Veiter beigebracht.
5. In der fortgesetzten öffentlichen mündlichen Verhandlung am 24. Juni 1981 stellte der Vertreter der anfechtenden Wählergruppe zunächst auf Befragen klar, daß das von dieser beigebrachte Rechtsgutachten nur zum Beweis von Tatsachen angefordert worden sei und sich das Vorbringen der Wählergruppe in rechtlicher Hinsicht auf die Äußerungen in den Schriftsätzen beschränke. Zu den von der Ktn. Landesregierung vorgelegten Unterlagen erklärte er ausdrücklich, daß sich die anfechtende Wählergruppe damit "im Tatsachenbereich weitgehend identifiziere"; im übrigen wurden die in den Unterlagen dargelegten Tatsachen in keinem Punkt bestritten.
Als neues rechtliches Argument wurde vorgebracht, daß Art19 StGG durch Art149 B-VG rezipiert worden sei und lediglich dem zweiten Absatz, der die Gleichberechtigung aller landesüblichen Sprachen anerkannt habe, durch Art8 B-VG derogiert worden sei. Der Staatsvertrag von St. Germain habe nach dem Einfließen dieser Bestimmung in das B-VG keine derogatorische Wirkung haben können. Die zum Teil auch in der Lehre vertretene Meinung, dem Art19 StGG sei derogiert worden, stütze sich hauptsächlich auf das Erk. VfSlg. 2459/1952, auf das auch das Erk. VfSlg. 4221/1962 hinweise. Dagegen habe es das Erk. VfSlg. 3509/1959 ausdrücklich dahingestellt sein lassen, ob Art19 StGG heute noch eine normative Bedeutung habe. Art19 StGG räume den Volksstämmen Rechte, also Gruppenrechte, ein. Auch die neuere Gesetzgebung (Volksgruppengesetz BGBl. 396/1976) kenne den Ausdruck Volksgruppen.
Der Vertreter der Landeswahlbehörde führte aus, daß die Minderheitenrechte nicht nur Individualrechte, sondern auch Gruppenrechte umfaßten, daß aber die österreichische Rechtsordnung keinen Auftrag an den Gesetzgeber enthalte, die Repräsentation von Minderheiten zu gewährleisten.
Die Änderung der Landtagswahlordnung sei durch das Erk. VfSlg. 8321/1978 ausgelöst worden. Schon vorher habe ein Trend zu wenigen Wahlkreisen bestanden. Bei der Einteilung der Wahlkreise sei von den bestehenden politischen Bezirken ausgegangen worden, deren Grenzen nicht geschnitten werden sollten. In Ktn. sei ein stark ausgeprägtes Bezirksbewußtsein vorhanden.
Die slowenische Volksgruppe bilde in sich keine geschlossene Einheit. Ein gemeinsames Auftreten finde nur zur Durchsetzung volkstumspolitischer Ziele statt. Die anfechtende Wählergruppe repräsentiere nur einen Teil und bekomme nur von einem Teil der slowenischen Volksgruppe ihre Stimme. Bei den Slowenen sei eine sozialistische Mehrheit. Es fänden sich auch Slowenen auf den Gemeinderatslisten der Sozialistischen Partei Österreichs.
Eine Zusammenfassung der von Slowenen bewohnten Gemeinden in Südkärnten zu einem Wahlkreis würde das genaue Gegenteil einer sachlichen Einteilung bewirken, auf diese Weise könne sich keinesfalls ein homogener Wahlkreis gestalten lassen.
II. Der VfGH hat erwogen:
A) Gemäß §67 Abs2 VerfGG 1953 idF BGBl. 18/1958 sind zur Anfechtung
von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern jene Wählergruppen berechtigt, die bei der Wahlbehörde Wahlvorschläge rechtzeitig vorgelegt haben.
Die Wahlanfechtung muß gemäß §68 Abs1 VerfGG 1953, wenn nicht in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen 4 Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens eingebracht sein.
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Wahlanfechtung ist zulässig.
B) Die anfechtende Wählergruppe erklärt ausdrücklich, die Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens nicht in der Vollziehung des L-VG und der LWO durch die Wahlbehörden zu erblicken, sondern ausschließlich darin, daß die landesrechtlichen Bestimmungen über die Zahl der Mitglieder des Landtages, über die Wahlkreise und über die Wahlkreisverbände - insbesondere Art7 L-VG sowie §2 und §2a LWO - gegen Bundesverfassungsrecht verstoßen, u. zw. sowohl gegen staatsvertragliche, in Verfassungsrang stehende Rechtsnormen, die zwingend anordnen, der slowenischen Minderheit in Ktn. die Möglichkeit einer Repräsentation im Landtag durch eine entsprechende Gestaltung des Wahlrechtes einzuräumen, wie auch gegen die innerstaatliche Verfassungsnorm des Art19 StGG.
Der VfGH ist bei Prüfung der von der anfechtenden Wählergruppe als verfassungswidrig bezeichneten landesrechtlichen Bestimmungen auf ihre Verfassungsmäßigkeit nicht an das Vorbringen der Anfechtungswerber gebunden, er kann vielmehr diese Bestimmungen in jeder Richtung untersuchen. Aus Art141 Abs1 zweiter und dritter Satz B-VG sowie aus den §§67 Abs1, 69 Abs2 und 70 Abs1 VerfGG 1953 (die erstgenannte Bestimmung idF BGBl. 18/1958) ergibt sich zwar, daß der VfGH das Wahlverfahren nur in den Grenzen der behaupteten Rechtswidrigkeit zu überprüfen hat und daß er darüber hinaus die Gesetzmäßigkeit des Wahlverfahrens von Amts wegen einer weiteren Überprüfung nicht unterziehen darf (vgl. VfSlg. 1904/1950, 2937/1955, 6339/1970, 7070/1973, 8321/1978, 8700/1979). Die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens liegt nun darin, daß die landesrechtlichen Bestimmungen über die Zahl der Mitglieder des Landtages, über die Wahlkreise und über die Wahlkreisverbände verfassungswidrig seien. Die Behauptung der Verfassungswidrigkeit, nicht aber der Maßstab, an dem nach Meinung der anfechtenden Wählergruppe diese Behauptung zu messen ist, begrenzt die Prüfungsbefugnis des VfGH. Der Gerichtshof hält sich in diesen Grenzen, wenn er die Verfassungsmäßigkeit jener Normen, in deren Verfassungswidrigkeit die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gesehen wird, auch an bundesverfassungsgesetzlichen Normen mißt, die von der anfechtenden Wählergruppe nicht als Maßstab geltend gemacht worden sind. Im Wahlverfahren ist nämlich - wie dargelegt - die Prüfungsbefugnis des VfGH in anderer Weise als im Gesetzesprüfungsverfahren begrenzt, in dem der VfGH die Prüfung im Rahmen der von den Antragsberechtigten geltend gemachten Bedenken vorzunehmen hat (VfSlg. 5636/1967, 6563/1971, 7758/1976, 8215/1977, 8253/1978).
Zunächst geht der VfGH im einzelnen auf die von der anfechtenden Wählergruppe genannten Verfassungsnormen ein, gegen welche nach Auffassung der Anfechtungswerberin die landesrechtlichen Bestimmungen über die Zahl der Mitglieder das Landtages, über die Wahlkreise und über die Wahlkreisverbände verstoßen.
1. Als derartige verfassungsrechtliche Normen werden zunächst Art67 und Art68 Abs2 des Staatsvertrages von St. Germain, StGBl. 303/1920 (in Verfassungsrang gemäß Art149 Abs1 B-VG), angesehen.
Diese lauten (in der im StGBl. kundgemachten deutschen Übersetzung; maßgeblich ist gemäß Art381 des Vertrages der französische Text, vgl. VfSlg. 7400/1974):
Art67: "Österreichische Staatsangehörige, die einer Minderheit nach Rasse, Religion oder Sprache angehören, genießen dieselbe Behandlung und dieselben Garantien, rechtlich und faktisch, wie die anderen österreichischen Staatsangehörigen; insbesondere haben sie dasselbe Recht, auf ihre eigenen Kosten Wohltätigkeits-, religiöse oder soziale Einrichtungen, Schulen und andere Erziehungsanstalten zu errichten, zu verwalten und zu beaufsichtigen mit der Berechtigung, in denselben ihre eigene Sprache nach Belieben zu gebrauchen und ihre Religion frei zu üben."
Art68 Abs2: "In Städten und Bezirken, wo eine verhältnismäßig beträchtliche Anzahl österreichischer Staatsangehöriger wohnt, die einer Minderheit nach Rasse, Religion oder Sprache angehören, wird diesen Minderheiten von allen Beträgen, die etwa für Erziehung, Religions- oder Wohltätigkeitszwecke aus öffentlichen Mitteln in Staats-, Gemeinde- oder anderen Budgets ausgeworfen werden, ein angemessener Teil zu Nutzen und Verwendung gesichert."
Art67 sichert österreichischen Staatsangehörigen, die einer Minderheit nach Rasse, Religion oder Sprache angehören (Les ressortissants autrichiens, appartenant a des minorites ethniques, de religion ou de langue), eine Gleichstellung mit anderen österreichischen Staatsangehörigen und enthält somit das Verbot der Minderheitendiskriminierung (VfSlg. 8145/1977, 8146/1977). Er stellt (wie der VwGH im Erk. VwSlg. 5577 A/1961 festgestellt hat) auf physische Personen ab. Solchen Staatsangehörigen kommt somit auch das aktive und passive Wahlrecht in gleichem Umfang und Inhalt wie allen anderen Staatsangehörigen zu. Es braucht hier nicht untersucht zu werden, ob es sich bei Art67 lediglich um individuellen Minderheitenschutz oder auch und gegebenenfalls inwieweit um einen Schutz der Minderheiten als solche handelt. Jedenfalls ist damit nicht eine Verpflichtung des Gesetzgebers normiert, einer Minderheit nach Rasse, Religion oder Sprache durch besondere Vorkehrungen die Möglichkeit einer eigenen Repräsentation im Landtag einzuräumen.
Durch Art68 Abs2 wird verhältnismäßig beträchtlichen Minderheiten nach Rasse, Religion oder Sprache in Städten und Bezirken ein Anspruch auf einen angemessenen Teil der aus öffentlichen Mitteln in Staats-, Gemeinde- oder anderen Budgets zu bestimmten Zwecken etwa ausgeworfenen Beträge (des sommes, qui pourraient etre attribuees) zu Nutzen und Verwendung (dans le benefice et laffectation) gesichert. Auch wenn hier den Minderheiten als solchen ein (materieller) Anspruch eingeräumt ist (vgl. Ermacora, Handbuch der Grundfreiheiten und der Menschenrechte, 1963, S 548; Veiter, Das Recht der Volksgruppen und Sprachminderheiten in Österreich, 1970, S 507), erstreckt sich dieser nur darauf, daß von den für die genannten Zwecke in den Budgets ausgeworfenen öffentlichen Mitteln ein angemessener Teil den Minderheiten gewährleistet ist. Aus der Bestimmung kann aber nicht abgeleitet werden, daß damit den Minderheiten ein (formeller) Anspruch darauf eingeräumt wäre, bei der Erstellung der Budgets selbst mitzuwirken, also etwa - worauf die Wahlanfechtung hinausläuft - ein Anspruch darauf, daß - da die Erstellung des Landesvoranschlages dem Landtag obliegt (Art53 der Landesverfassung für das Land Ktn. LGBl. 190/1974) - den Minderheiten eine eigene Repräsentation im Landtag gewährleistet sein müsse.
2. Als weitere verfassungsrechtliche Normen, die nach Ansicht der anfechtenden Wählergruppe zwingend anordnen, der slowenischen Minderheit in Ktn. die Möglichkeit einer Repräsentation im Landtag einzuräumen, werden Art7 §4 und Art8 des Staatsvertrages von Wien betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich, BGBl. 152/1955 (in Verfassungsrang gemäß BVG BGBl. 59/1964 ArtII Z3), genannt.
Diese lauten (in dem gemäß Art38 des Vertrages auch authentischen deutschen Text):
Art7 §4: "Österreichische Staatsangehörige der slowenischen und kroatischen Minderheiten in Ktn., Burgenland und Steiermark nehmen an den kulturellen, Verwaltungs- und Gerichtseinrichtungen in diesen Gebieten auf Grund gleicher Bedingungen wie andere österreichische Staatsangehörige teil."
Art8: "Österreich wird eine demokratische, auf geheime Wahlen gegründete Regierung haben und verbürgt allen Staatsbürgern ein freies, gleiches und allgemeines Wahlrecht sowie das Recht, ohne Unterschied von Rasse, Geschlecht, Sprache, Religion oder politische Meinung zu einem öffentlichen Amte gewählt zu werden."
Zu Art7 heißt es in den Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zum Staatsvertrag (II. Besonderer Teil, zu 517 BlgNR VII. GP, S 3) zunächst allgemein, daß diese Bestimmungen, soweit sie eine Gleichstellung der Minderheiten in allen Belangen aussprechen, nur eine Wiederholung der bereits bestehenden allgemeinen Staatsbürgerrechte darstellen, daß aber §4 im besonderen den österreichischen Staatsangehörigen slowenischer oder kroatischer Minderheiten Rechte gewährleiste, die über die bisherigen Vorschriften hinausgehen. Wie immer diese (unter der Überschrift "Rechte der slowenischen und kroatischen Minderheiten" stehenden) Bestimmungen zu verstehen sind, aus der hiemit verfassungsgesetzlich gesicherten Möglichkeit der Teilnahme "an den kulturellen, Verwaltungs- und Gerichtseinrichtungen" in Ktn. als solche kann die Sicherung einer eigenen Repräsentation der Minderheit im Landtag keinesfalls abgeleitet werden.
Art8 verbürgt (unter der Überschrift "Demokratische Einrichtungen") allen Staatsbürgern eine formelle Gleichberechtigung (so auch Veiter, aaO, S 534). Auf diese Bestimmung kann ein Anspruch der Minderheit als solcher auf eine eigene Repräsentation im Landtag nicht gegründet werden.
3. Schließlich beruft sich die Wahlanfechtung auf Art3 und 5 des (ersten) Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten in Verbindung mit Art14 dieser Konvention, BGBl. 210/1968 (in Verfassungsrang gemäß BVG BGBl. 59/1964 ArtII Z7).
Art3 und 5 des (ersten) Zusatzprotokolls lauten (in der im BGBl. kundgemachten deutschen Übersetzung; gemäß den Schlußklauseln der Konvention und des Zusatzprotokolls sind maßgeblich die Texte in englischer und französischer Sprache, vgl. VfSlg. 5100/1965 und 6275/1970):
Art3: "Die Hohen Vertragschließenden Teile verpflichten sich, in angemessenen Zeitabständen freie und geheime Wahlen unter Bedingungen abzuhalten, die die freie Äußerung der Meinung des Volkes bei der Wahl der gesetzgebenden Organe gewährleisten."
Art5: "Die Hohen Vertragschließenden Teile betrachten die Bestimmungen der Artikel 1, 2, 3 und 4 dieses Protokolls als Zusatzartikel zur Konvention; alle Vorschriften der Konvention sind dementsprechend anzuwenden."
Gemäß Art14 der Konvention (der gemäß Art5 des Zusatzprotokolls auch in dessen Bereich anzuwenden ist) ist der Genuß der in der Konvention festgelegten Rechte und Freiheiten ohne Benachteiligung zu gewährleisten, die insbesondere im Geschlecht, in der Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, in den politischen oder sonstigen Anschauungen, in nationaler oder sozialer Herkunft, in der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, im Vermögen, in der Geburt oder im sonstigen Status begründet ist.
Das in Art3 des Zusatzprotokolls enthaltene verfassungsgesetzliche Gebot, in angemessenen Zeitabständen freie und geheime Wahlen unter den genannten Bedingungen abzuhalten, in Zusammenhang mit dem in Art14 der Konvention enthaltenen Verbot der Diskriminierung nationaler Minderheiten begründet zwar eine Verpflichtung des Gesetzgebers, für solche Wahlen entsprechende Vorsorge zu treffen, nicht aber eine Verpflichtung, besondere Vorkehrungen dafür zu treffen, daß einer nationalen Minderheit als solcher eine eigene Repräsentation in dem zu wählenden gesetzgebenden Organ gewährleistet ist.
4. Der in der mündlichen Verhandlung zusätzlich zur Stützung der in der Wahlanfechtung enthaltenen Behauptungen herangezogene Art19 Abs1 des Staatsgrundgesetzes, RGBl. 142/1867 (in Verfassungsrang gemäß Art149 Abs1 B-VG), lautet:
Art19 Abs1: "Alle Volksstämme des Staates sind gleichberechtigt, und jeder Volksstamm hat ein unverletzliches Recht auf Wahrung und Pflege seiner Nationalität und Sprache."
Im vorliegenden Zusammenhang erübrigt es sich, auf die von der anfechtenden Wählergruppe aufgeworfene Frage einzugehen, inwieweit dem Art19 StGG in der Rechtsordnung der Republik Österreich ein Anwendungsbereich zukommt (vgl. hiezu VfSlg. 2459/1952 mit 4221/1962 sowie 3509/1959). Die Frage kann deshalb offen bleiben, weil aus Art19 StGG keinesfalls abgeleitet werden könnte, daß einer Minderheit als solcher eine eigene Repräsentation in einer zu wählenden Volksvertretung gewährleistet sein müsse.
5. Aus diesen Darlegungen ergibt sich, daß keine der von der anfechtenden Wählergruppe angeführten, im Verfassungsrang stehenden Rechtsnormen eine zwingende Anordnung enthält, der slowenischen Minderheit in Ktn. müsse eine eigene Repräsentation im Landtag gesichert sein.
C) Allen diesen angeführten Rechtsnormen, die jede für sich dem Minderheitenschutz unter einem bestimmten Aspekt dienen, ist gemeinsam, daß sie eine Wertentscheidung des Verfassungsgesetzgebers zugunsten des Minderheitenschutzes enthalten. Auf diese sich aus der Zusammenschau der einzelnen Verfassungsnormen ergebende Wertentscheidung wird bei der Beurteilung einfachgesetzlicher Normen auf ihre Verfassungsmäßigkeit unter jeglichem Gesichtspunkt Bedacht zu nehmen sein. So insbesondere auch bei der Beurteilung der sachlichen Rechtfertigung von Normen unter dem Gesichtspunkt des auch den Gesetzgeber - u. zw. nicht nur im Zeitpunkt der Erlassung, sondern während der ganzen Geltungsdauer eines Gesetzes - bindenden Gleichheitsgebotes (vgl. aus jüngerer Zeit VfSlg. 7720/1975 S 454, 7973/1976 S 537 sowie 7844/1976 S 428). Die vom Verfassungsgesetzgeber dem Minderheitenschutz zugemessene Bedeutung verlangt bei Regelungen, die die Stellung einer Minderheit innerhalb anderer gesellschaftlicher Gruppen betreffen, eine sehr differenzierende Abwägung. Eine mehr oder minder schematische Gleichstellung von Angehörigen der Minderheiten mit Angehörigen anderer gesellschaftlicher Gruppen wird der verfassungsgesetzlichen Wertentscheidung nicht immer genügen können. Je nach dem Regelungsgegenstand kann es der Schutz von Angehörigen einer Minderheit gegenüber Angehörigen anderer gesellschaftlicher Gruppen sachlich rechtfertigen oder sogar erfordern, die Minderheit in gewissen Belangen zu bevorzugen.
Von diesen grundsätzlichen Überlegungen muß der VfGH auch bei der Prüfung der von der anfechtenden Wählergruppe für verfassungswidrig erachteten landesrechtlichen Bestimmungen über die Zahl der Mitglieder des Landtages (Art7 L-VG) sowie über die Wahlkreise und die Wahlkreisverbände (§§2 und 2a LWO) ausgehen.
Der Gerichtshof hat zu untersuchen, ob die sich aus der Zusammenschau der einzelnen in Verfassungsrang stehenden Rechtsnormen (s. vorstehende Punkte B. 1. bis 4.) ergebende Wertentscheidung des Verfassungsgesetzgebers zugunsten des Minderheitenschutzes die Beurteilung der getroffenen Regelungen unter den Gesichtspunkten der Grundsätze des Verhältniswahlrechtes und des aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließenden Sachlichkeitsgebotes zu beeinflussen vermag.
1. Die im Land Ktn. geltenden Bestimmungen über die Zahl der Mitglieder des Landtages sowie über die Wahlkreise und Wahlkreisverbände stehen in folgendem rechtlichem Gesamtzusammenhang:
a) Die bundesverfassungsgesetzliche Grundlage für die Bestimmung der Zahl der Mitglieder der Landtage ist in Art95 B-VG enthalten.
Durch die Zweite Bundes-Verfassungsnov. BGBl. 392/1929 wurde (durch Anfügung eines neuen Abs4 in Art95 B-VG) eine Höchstzahl festgelegt,
u. zw. bei Ländern mit einer Bürgerzahl von 250.001 bis 500.000 mit 36 Mitgliedern (dazu gehörte damals Ktn.; vgl. Adamovich - Froehlich,
Die österreichischen Verfassungsgesetze des Bundes, 3. Aufl. 1931, S 95). Durch das BVG BGBl. 37/1959 wurden die ersten beiden Unterteilungen zusammengefaßt und die Höchstzahl bei Ländern mit einer Bürgerzahl bis zu 500.000 mit 36 Mitgliedern und bei Ländern mit einer Bürgerzahl bis zu 1,000.000 mit 48 Mitgliedern festgelegt. Durch das BVG BGBl. 539/1977 wurde mit Wirkung vom 1. Jänner 1978 die bundesverfassungsgesetzliche Festlegung einer Höchstzahl für die Mitglieder der Landtage aufgehoben.
Ktn. hatte nach den vom Österreichischen Statistischen Zentralamt veröffentlichten Ergebnissen der Volkszählungen vom 1. Juni 1951 (Vdg. BGBl. 81/1951) eine Wohnbevölkerung von 474.764 (davon 451.124 Staatsbürger) Personen, vom 21. März 1961 (Vdg. BGBl. 20/1961) eine Wohnbevölkerung von 495.226 (davon 487.474 Staatsbürger) Personen und vom 12. Mai 1971 (Vdg. BGBl. 319/1970) eine Wohnbevölkerung von
525.728 (davon 517.586 Staatsbürger) Personen.
Wenn in Art7 L-VG die Zahl der Mitglieder des Landtages von Ktn. mit 36 festgelegt ist, war dies bei den Ergebnissen der Volkszählungen von 1951 und 1961 die höchstzulässige Zahl. Erst nach den Ergebnissen der Volkszählung von 1971 wäre bis zum 31. Dezember 1977 eine Zahl von 48 Mitgliedern des Landtages möglich gewesen, und ab 1. Jänner 1978 hätte - ohne Bedachtnahme auf eine bestimmte Bürgerzahl - auch eine höhere Zahl von Mitgliedern des Landtages festgelegt werden können.
b) Bezüglich der Einteilung des Landes in Wahlkreise, die gemäß dem Erk. VfSlg. 8321/1978, S 371, für die Wahlen zu den Landtagen angeordnet ist, ist davon auszugehen, daß für die Wahlen zu den Landtagen keine verfassungsrechtlich vorgebildete Gestaltung der Wahlkreise besteht (VfSlg. 8700/1979) und daß auch die Schaffung von Wahlkreisen verschiedener Größe verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen ist (VfSlg. 8852/1980).
In der Entwicklung der republikanischen Rechtsordnung war das Land zum Zwecke der Wahl in den Landtag zunächst in 2 Wahlkreise (Oberkärnten und Unterkärnten) eingeteilt (Gesetz betreffend die Wahlordnung für den verfassungsgebenden Landtag, LGBl. 21/1919 1, Gesetz über den verfassungsgebenden Landtag von Ktn., LGBl. 36/1921, Wahlordnung 1). Sodann bildete gemäß dem Landesverfassungsgesetz über den Landtag von Ktn., LGBl. 56/1923, Wahlordnung 2, das Land zum Zwecke der Vornahme der Wahl in den Landtag einen Wahlkreis. Diese Regelung wurde beibehalten in der Landtags-Wahlordnung LGBl. 37/1949, der Landtagswahlordnung LGBl. 57/1957, der Landtagswahlordnung LGBl. 207/1963 und der Landtagswahlordnung 1974, LGBl. 191/1974, jeweils 2.
Erst mit dem Gesetz, mit dem die Landtagswahlordnung 1974 geändert wird, LGBl. 49/1979 - welches der angefochtenen Wahl vom 7. Oktober 1979 zugrunde lag -, wurde das Land zum Zwecke der Wahl in den Landtag in 4 Wahlkreise eingeteilt. Diese in §2 LWO getroffene Wahlkreiseinteilung knüpft - mit alleiniger Ausnahme des Gebietes der seit 1903 bestehenden Politischen Expositur Feldkirchen der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt - an die historisch gewachsene Gliederung in politische Bezirke an; jeder Wahlkreis umfaßt mehr als eines dieser Gebiete (s. vorstehenden Punkt I.1.). Der Gesetzgeber hat sich dabei an die Regelung in §9 des Gesetzes vom 5. September 1902, LGuVBl. 14/1902, angelehnt, nach der das Land für die Wahl der Abgeordneten der allgemeinen Wählerklasse in vier Wahlbezirke gegliedert war.
Die seit 1979 geltende Einteilung des Landes in 4 Wahlkreise ist ergänzt durch eine Zusammenfassung dieser Wahlkreise in die beiden Wahlkreisverbände Ost und West (§2a LWO).
2. Grundgedanke des Verhältniswahlrechtes ist es (vgl. die ständige Rechtsprechung, aus jüngster Zeit die Erk. VfSlg. 8700/1979 und 8852/1980), allen politischen Gruppen des Staates eine verhältnismäßige, dh. ihrer ziffernmäßigen Stärke entsprechende Vertretung zu sichern, wobei es für das Verhältniswahlrecht auch charakteristisch ist, eine solche Vertretung nur Wählergruppen (Parteien) von zahlenmäßig erheblicher Bedeutung zu sichern. Dem VfGH obliegt es (vgl. das erstgenannte Erk.), die vom einfachen Gesetzgeber vorgenommene Gestaltung des Wahlrechtes dahin zu prüfen, ob es in seiner Gesamtheit - in seinen einzelnen Komponenten und in dem Zusammenspiel dieser Komponenten (Wahlkreiseinteilung, Zuweisung der Mandate an die Wahlkreise, Zuteilung der Mandate an die Parteien) - in einer Weise geregelt ist, daß diesem Grundgedanken des Verhältniswahlrechtes entsprochen ist. Minderheiten welcher Art immer sind unter diesen Gesichtspunkten nur insoweit beachtlich, als sie in Form von Wählergruppen (Parteien) in Erscheinung treten. Dies gilt auch für die slowenische Minderheit.
Der VfGH kommt auf Grund der nachstehenden Überlegungen zu der Auffassung, daß die in Art7 L-VG und in §§2 und 2a LWO enthaltenen Regelungen über die Zahl der Mitglieder des Landtages und die Einteilung des Landes in Wahlkreise und Wahlkreisverbände verfassungsrechtlich unbedenklich sind.
a) Für die Beurteilung eines als Verhältniswahl deklarierten Wahlsystems ist davon auszugehen, daß die Zahl der Mitglieder des zu wählenden Vertretungskörpers und die Gliederung des Gebietes, für das der Vertretungskörper bestimmt ist, in Wahlkreise in einer untrennbaren Wechselbeziehung stehen. Der VfGH hat im Erk. VfSlg. 8700/1979 darauf hingewiesen, daß, je kleiner die Zahl der in einem Wahlkreis zu wählenden Abgeordneten ist, desto größer die Disproportion zwischen Wählerstimmen und Mandaten werden kann, sodaß die Auswirkung schließlich auf einen Systemwechsel von der Verhältniswahl zur Mehrheitswahl hinauslaufen kann.
Es ist also an sich nicht undenkbar, daß eine im Hinblick auf die Zahl der Repräsentierten zu geringe Zahl von Repräsentanten - insbesondere auch unter Gesichtspunkten des Minderheitenschutzes - in Extremfällen den Grundsätzen der Verhältniswahl widersprechen kann. Die im L-VG getroffene Festlegung einer Zahl von 36 Mitgliedern des Landtages von Ktn. bei einer Bürgerzahl in der Größenordnung von rund 500.000 gibt aber zu derartigen Bedenken nicht den geringsten Anlaß. Die von der anfechtenden Wählergruppe aufgestellte Behauptung, diese Zahl sei zu gering, um der slowenischen Minderheit eine Repräsentation im Landtag zu sichern, kann daher nur im Zusammenhalt mit der Art der Gliederung des Landes in Wahlkreise und Wahlkreisverbände beurteilt werden.
b) Bei der Einteilung des Landes in Wahlkreise (§2 LWO) ist der Landesgesetzgeber dem Erk. VfSlg. 8321/1978 nachgekommen, gemäß dem durch Art95 Abs3 B-VG für die Wahlen zu den Landtagen die Teilung des Landesgebietes in mehrere Wahlkreise angeordnet ist. Da auch ein zweites Ermittlungsverfahren eingeführt wurde und der Gesetzgeber aus dem genannten Erk. in Verbindung mit der Judikatur zum Begriff der Wahlkreise (insbesondere VfSlg. 1381/1931 und 6563/1971) ableitete, daß hiezu die Gliederung des Landes in mindestens zwei Wahlkreisverbände erforderlich sei (erst im Erk. VfSlg. 8700/1979 wurde die Rechtslage bezüglich der Wahlkreisverbände in anderem Sinne klargestellt), hielt er es für notwendig, für das erste Ermittlungsverfahren mindestens vier Wahlkreise einzurichten (s. die dem VfGH vorgelegten Erläuterungen zur Landtagswahlordnungsnovelle).
Der Landesgesetzgeber hat nun an die Gliederung des Landes in politische Bezirke angeknüpft, die auf die im Gefolge der Reichsverfassung RGBl. 150/1849 geschaffene Verwaltungsgliederung (LGuRBl. 36/1850) zurückgeht. Mit Verordnung des Ministers des Inneren, RGBl. 101/1868, wurden auf Grund des Gesetzes RGBl. 44/1868 ua. für Ktn. mit Wirksamkeit vom 31. August 1868 die noch heute bestehenden Bezirkshauptmannschaften geschaffen; daneben bildete Klagenfurt als Stadt mit einer eigenen Gemeindeordnung (LGuRBl. 355/1850 und LGuVBl. 15/1895), die als Statut iS des ArtXXII des Reichsgemeindegesetzes RGBl. 18/1862 zu gelten hatte, einen eigenen Verwaltungssprengel. Seit 1903 besteht die Expositur der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt in Feldkirchen (LGuVBl. 30/1903). Eine Änderung der Grenzen politischer Bezirke in Ktn. brachten die durch den Staatsvertrag von St. Germain, StGBl. 303/1920, geschaffenen Änderungen der Staatsgrenzen mit sich. 1932 schließlich wurde die Stadt Villach Statutarstadt und damit eigener politischer Bezirk (LGBl. 50/1931).
Es sind keine Anhaltspunkte für die Annahme gegeben, daß diese seinerzeitige Gliederung des Landes in politische Bezirke von Überlegungen beeinflußt gewesen wäre, die auf eine Benachteiligung von Minderheiten (Volksstämmen, Volksgruppen) hinausgelaufen wären. Wenn nun der Gesetzgeber bei der Gliederung des Landes in Wahlkreise an die Gliederung in 9 politische Bezirke und 1 politische Expositur (die ab 1. Jänner 1982 ein eigener politischer Bezirk wird) anknüpft, kann dieser Umstand für sich zu keinen Bedenken Anlaß geben. Es ist also nur zu untersuchen, ob gegen Einzelheiten dieser Anknüpfung Bedenken bestehen.
Bezüglich der tatsächlichen Feststellungen, auf die im folgenden Bezug genommen wird, stützt sich der VfGH auf die von der Ktn. Landesregierung vorgelegten, im Verfahren unbestritten gebliebenen und im übrigen auch unbedenklichen Unterlagen.
Die mehr als ein Jahrhundert alte Gliederung des Landes in Bezirke hat in der Folge, sofern sie nicht überhaupt auf schon bestehenden Regionaliserungsansätzen aufbaute, zu einer Regionsbildung mit der Bezirkshauptstadt als natürlichem Zentrum und zur Ausbildung eines "Bezirksbewußtseins" geführt; die Bezirkseinteilung ist so mehr als eine bloß administrative Gliederung geworden. Es haben auch andere staatliche Behörden und andere als staatliche Einrichtungen und Organisationen, deren Betätigungsfeld sich über das ganze Land erstreckt, ihre territoriale Organisation überwiegend der Bezirkseinteilung angepaßt.
Zu dieser regionalen Gliederung kommt hinzu die historisch noch ältere Zweiteilung des Landes in einen westlichen und einen östlichen