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L0 Verfassungs- und OrganisationsrechtNorm
B-VG Art141 Abs1 litaLeitsatz
Art141 B-VG; Anfechtung von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern; über die Rechtmäßigkeit eines einen Teilakt des Wahlverfahrens bildenden wahlbehördlichen Bescheides ist nicht nach Art144 B-VG zu erkennen; Stmk. Gemeindewahlordnung 1960; keine Anwendung der Verwaltungsverfahrensgesetze bei der Durchführung von Gemeinderatswahlen; der Zustellungsbevollmächtigte muß während des gesamten Wahlverfahrens unmittelbar erreichbar seinSpruch
Die Beschwerde und die Wahlanfechtung werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I.1. Die Landeswahlbehörde für die Gemeinderatswahlen 1980 für die Stmk. wies mit Bescheid vom 15. April 1980 den von Dr. F. Z. namens der Wählergruppe "Biene Maja Wahlblock-BMW" als deren zustellungsbevollmächtigter Vertreter wegen behaupteter Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erhobenen Einspruch gegen das Ergebnis der Gemeinderatswahl in der Gemeinde Oberaich vom 23. März 1980 zurück. Sie begründete ihre Entscheidung unter Berufung auf Bestimmungen der Gemeindewahlordnung 1960 - GWO 1960 (Anlage zur Wiederverlautbarungskundmachung LGBl. 6/1960; zuletzt geändert durch die Gemeindewahlordnungs-Nov. 1979, LGBl. 10/1980) im wesentlichen damit, daß dem Einschreiter die Aktivlegitimation fehle, da der nicht rechtzeitig eingebrachte Wahlvorschlag von der Gemeindewahlbehörde zu Recht zurückgewiesen worden sei.
Der an den Zustellungsbevollmächtigten adressierte Bescheid wurde am 12. Mai 1980 durch die Post zugestellt, und zwar durch Ersatzzustellung an die Ehegattin des Adressaten.
2. Mit dem am 23. Juli 1980 zur Post gegebenen Schriftsatz erhebt die Wählergruppe unter ausdrücklicher Berufung auf Art144 B-VG Beschwerde gegen den Bescheid der Landeswahlbehörde und ficht überdies unter ausdrücklicher Berufung auf Art141 B-VG die Gemeinderatswahl an; sie begehrt einerseits die Aufhebung des Bescheides der Landeswahlbehörde und anderseits die Nichtigerklärung des Wahlverfahrens zur Gemeinderatswahl.
Zur Frage der Rechtzeitigkeit dieser Anträge führt die Wählergruppe aus, daß Dr. Z. den seiner Ehegattin zugestellten Bescheid (erst) am 29. Juni 1980 in Empfang genommen habe. Sie legt Postnachsendungsanträge ihres zustellungsbevollmächtigten Vertreters vom 20. April 1980 und vom 26. April 1980 (in Ablichtung) vor, wonach er sich vom 20. bis 25. April 1980 sowie (unmittelbar daran anschließend) vom 26. April bis 12. Mai 1980 an angegebenen Anschriften vorübergehend in Wien aufgehalten hat. (Dieser Zeitraum - 20. April bis 12. Mai 1980 - folgt unmittelbar der vorangehenden Ortsabwesenheit des Zustellungsbevollmächtigten, welcher sich - wie aus dem Vorbringen in mehreren anderen anhängigen Wahlanfechtungssachen wie zB WI-5/81 hervorgeht - vom 7. bis 19. April 1980 in der Schweiz befunden hat.)
II.1. Wie der VfGH schon ausgesprochen hat (s. zB VfSlg. 8973/1980), steht zur Anfechtung von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, mithin auch einer Gemeinderatswahl, vor dem VfGH ausschließlich der Weg nach Art141 B-VG offen. Dies trifft auch dann zu, wenn die heranzuziehende Wahlordnung die Entscheidung einer Wahlbehörde über einen wegen Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens zu erhebenden Rechtsbehelf vorsieht (vgl. §68 Abs1 VerfGG); eine solche Entscheidung der Wahlbehörde bildet nämlich einen Teilakt des Wahlverfahrens. Der VfGH ist demnach nicht berufen, auf Grund einer gemäß Art144 B-VG erhobenen Beschwerde über die Rechtmäßigkeit eines wahlbehördlichen Bescheides dieser Art zu erkennen.
Die vorliegende Beschwerde war daher schon wegen der Nichtzuständigkeit des VfGH zurückzuweisen, sodaß sich ihre Prüfung unter dem Blickpunkt anderer Prozeßvoraussetzungen, insbesondere ihrer Rechtzeitigkeit, erübrigte.
2. Wie die folgenden Ausführungen nachweisen, ist auch die Wahlanfechtung keiner inhaltlichen Erledigung zugänglich, da sie erst nach Ablauf der in §68 Abs1 VerfGG festgelegten, ab Zustellung des in letzter Instanz ergangenen (wahlbehördlichen) Bescheides zu berechnenden vierwöchigen Frist eingebracht wurde.
a) Wie die Anfechtungswerberin richtig erkennt, finden (ua.) bei der Durchführung von Gemeinderatswahlen die Verwaltungsverfahrensgesetze, mithin auch das AVG, keine Anwendung (ArtII Abs6 litb EGVG). Die GWO 1960 bestimmt diesbezüglich nichts anderes; sie enthält vielmehr (s. ihren insbesondere die Berechnung von Fristen betreffenden §95) inhaltlich abweichende Regelungen. Entgegen der Tendenz der anfechtenden Wählergruppe geht es daher nicht an, die Wirksamkeit der Bescheidzustellung an ihren zustellungsbevollmächtigten Vertreter unter sinngemäßer Heranziehung im AVG festgelegter Grundsätze zu beurteilen.
b) Nach der GWO 1960 hat der Wahlvorschlag insbesondere die Bezeichnung des zustellungsbevollmächtigten Vertreters, darunter seine Wohnungsanschrift, zu enthalten (§42 Abs3 Z3); ist keiner angeführt, so gilt als zustellungsbevollmächtigter Vertreter der jeweils an 1. Stelle des Wahlvorschlages stehende Bewerber (§44 Abs1). Die GWO 1960 trifft nähere Regelungen über die jederzeit mögliche Ersetzung des zustellungsbevollmächtigten Vertreters, insbesondere für den Fall, daß er seiner Ersetzung nicht zustimmt oder daß er nicht mehr in der Lage ist, die Partei zu vertreten, und erleichtert die Ersetzung dann, wenn die Unterschriften von Bewerbern nicht beigebracht werden können (§44 Abs2).
Die Gemeindewahlbehörde hat die (zustellungsbevollmächtigten) Vertreter zu einer Besprechung zu laden, wenn Wahlvorschläge dieselben oder schwer unterscheidbare Parteibezeichnungen tragen (§43 Abs1) oder wenn bei Namenslisten der Name des Listenführers dem einer anderen Parteiliste gleicht oder von diesem schwer unterscheidbar ist (§43 Abs3). Der Zustellungsbevollmächtigte ist von den Entscheidungen der Gemeindewahlbehörde zu verständigen, daß der Wahlvorschlag als nicht eingebracht gilt oder daß Bewerber im Wahlvorschlag gestrichen werden (§45 Abs2). Ihm obliegen die Erstattung von Ergänzungsvorschlägen (§46) und die Namhaftmachung von Wahlzeugen (§54). Dem zustellungsbevollmächtigten Vertreter steht die Befugnis zu, gegen die ziffernmäßigen Ermittlungen einer Gemeindewahlbehörde und wegen behaupteter Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens Einspruch an die Landeswahlbehörde zu erheben (§81); er ist somit (auch) Vertreter der Wählergruppe im Einspruchsverfahren, dessen Abschluß Voraussetzung für die Einberufung der konstituierenden Sitzung des Gemeinderates und die Wahl des Gemeindevorstandes ist.
Nach Ansicht des VfGH folgt aus einer zusammenschauenden Wertung der dargestellten Regelungen über den Zustellungsbevollmächtigten, daß dieser für die Wahlbehörden, welche die Wahl nach einem festen Zeitplan mit verhältnismäßig kurzen Fristen durchzuführen haben, während des gesamten Wahlverfahrens einschließlich des allfälligen Einspruchsverfahrens ohne wesentliche Verzögerung verläßlich erreichbar, vor allem zur Empfangnahme von die Wählergruppe betreffenden Schriftstücken bereit sein muß. Verhält sich ein Zustellungsbevollmächtigter in einer diesem Erfordernis wesentlich widersprechenden Weise, so darf daraus keine Beeinträchtigung des geordneten Ablaufs des Wahlverfahrens resultieren. Aus diesen Erwägungen folgt weiters, daß irgendwelche Zustellmängel, die sich aus einem solchen Verhalten des zustellungsbevollmächtigten Vertreters einer Wählergruppe ursächlich ergeben, den Fortgang und Abschluß des Wahlverfahrens nicht hindern können, vielmehr der durch ihren Zustellungsbevollmächtigten repräsentierten Wählergruppe zur Last fallen. Jedenfalls dann, wenn der Zustellungsbevollmächtigte einer Wählergruppe, die Einspruch wegen behaupteter Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erhoben hat, während des einen Teil des Wahlverfahrens bildenden Einspruchsverfahrens für mehr als einige Tage seinen Wohnsitz verläßt, ohne dies der Wahlbehörde mitzuteilen und ihr gegenüber Vorsorge für seine unmittelbare Erreichbarkeit zu treffen, muß eine an die Wohnungsanschrift des Zustellungsbevollmächtigten gerichtete Erledigung im Fall der Empfangnahme durch eine zur Familie des Adressaten gehörende erwachsene Person oder der postamtlichen Hinterlegung auch dann als wirksam zugestellt gelten, wenn diese Zustellung entgegen den Bestimmungen der Postordnung erfolgt sein sollte. Im Hinblick auf die hier gegeben gewesene Ortsabwesenheit des zustellungsbevollmächtigten Vertreters von insgesamt mehr als einem Monat braucht die Frage nicht beantwortet zu werden, ob ein an das Postamt gerichteter Nachsendungsantrag überhaupt ein taugliches Mittel zur Herbeiführung des der Wahlordnung entsprechenden Zustandes der unmittelbaren Erreichbarkeit des Zustellungsbevollmächtigten ist.
c) Für das Verfahren über die vorliegende Wahlanfechtung ist sohin die erwähnte Anfechtungsfrist bereits ab 12. Mai 1980 zu berechnen, sodaß die Anfechtung verspätet und daher zurückzuweisen ist.
Schlagworte
Wahlen, Anwendbarkeit AVGEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:B379.1980Dokumentnummer
JFT_10188995_80B00379_00