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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
KFG 1967; keine Bedenken gegen §103 Abs1; keine denkunmögliche und keine willkürliche Anwendung; kein Entzug des gesetzlichen RichtersSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 15. Mai 1979 wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, dadurch, daß er am 5. April 1979 um 8.20 Uhr in Wien 2, Schüttelstraße nächst Stadionbrücke, als Zulassungsbesitzer des LKWs W ... dem J. S. das Lenken dieses LKWs überließ und der LKW mit 4.640 kg überladen war, eine Verwaltungsübertretung nach §103 Abs1 KFG begangen zu haben, wofür über ihn gemäß §134 KFG eine Geldstrafe von S 3.000,-, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Arreststrafe verhängt wurde.
1.2. Auf Grund der dagegen vom Beschwerdeführer eingebrachten Berufung wurde dieses Straferkenntnis mit Berufungsbescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 15. November 1979, Z MA 70-IX/H 377/79/Str., gemäß §66 Abs4 AVG 1950 mit der Abänderung bestätigt, daß der erste Teil des Spruches dahin laute, daß der Beschuldigte am 5. April 1979 um 8.20 Uhr als Zulassungsbesitzer des LKWs mit dem polizeilichen Kennzeichen W ... nicht dafür gesorgt habe, daß das Fahrzeug und die Ladung den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen entsprochen habe, da dieser LKW, den er an J. S. zum Lenken in Wien 2, Schüttelstraße nächst Stadionbrücke, überlassen habe, mit 4.640 kg überladen war.
2.1. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, allenfalls die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.
2.2. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und die Abweisung der Beschwerde begehrt.
3. Der VfGH hat erwogen:
3.1.1. Zur behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter führt der Beschwerdeführer aus, der angefochtene Bescheid laste ihm an, daß es seine Aufgabe gewesen wäre, Stichproben zu machen, um festzustellen, ob Überladungen vorlägen; da im Verfahren erster Instanz hievon nie die Rede gewesen sei, habe die belangte Behörde eine Entscheidung ohne ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter getroffen; mangels Erörterung der nunmehr geforderten Stichproben sei "der Grundsatz des Parteiengehörs vor dem zuständigen Richter verletzt".
3.1.2. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (vgl. zB VfSlg. 8828/1980). Daß im Verwaltungsstrafverfahren die zuständigen Behörden entschieden haben, ist nicht zweifelhaft; dies wird durch das Vorbringen des Beschwerdeführers auch nicht in Frage gestellt. Sollte das unklare Vorbringen des Beschwerdeführers darauf abzielen, daß mit dem angefochtenen Bescheid der Berufungsgegenstand ausgetauscht worden wäre, ist ihm zu erwidern, daß die belangte Behörde lediglich die von beiden Instanzen als erwiesen angenommene Tat neu umschrieben hat; der Neuformulierung des Schuldspruches kommt nur die Bedeutung einer Klarstellung zu, worin eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht erblickt werden kann (vgl. VfSlg. 7305/1974). Soweit die Verletzung dieses Grundrechtes wegen einer Nichtgewährung des Parteiengehörs behauptet wird, ist darauf zu verweisen, daß mit den Beschwerdeausführungen ein Verfahrensmangel behauptet wird, der offensichtlich nicht in die Verfassungssphäre reicht. Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter liegt somit nicht vor.
3.2.1. Die behaupteten Verletzungen der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz werden im wesentlichen damit begründet, daß es nicht Aufgabe eines Beschuldigten sei, "initiativ nachzuweisen, daß alles geschehen sei", um eine Überladung zu verhindern, sondern daß es Aufgabe der Strafbehörde sei, das Vorliegen eines strafbaren Verhaltens zu erweisen. Der Beschwerdeführer könne, wenn 100 ihm gehörige Fahrzeuge gleichzeitig unterwegs seien, auch bei Stichproben nur durch Zufall feststellen, daß eines der Fahrzeuge überladen sei. Da alle seine Dienstnehmer angewiesen seien, die Kraftfahrzeuge nicht zu überladen, seien nur sie bei Nichteinhaltung der gesetzlichen Vorschriften verantwortlich. Der Beschwerdeführer habe seinen Fahrdienstleiter beauftragt, die weiteren Einteilungen zu treffen, sodaß dieser also auch für die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften verantwortlich sei. Da seine Rechtfertigung, daß er seine Dienstnehmer angewiesen habe, die Kraftfahrzeuge nicht zu überladen, unwiderlegt sei, werde ihm ein Delikt angelastet, das er nicht begangen habe. Die belangte Behörde gehe offenbar von der verfehlten Annahme aus, daß bei der in Frage stehenden Verwaltungsübertretung er als Zulassungsbesitzer der Kraftfahrzeuge für das Verschulden der Kraftfahrzeuglenker mithafte. Dies würde jedoch gemäß §7 VStG 1950 voraussetzen, daß von ihm vorsätzlich die Begehung der Verwaltungsübertretung veranlaßt oder erleichtert worden sei. Da von ihm die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen jedoch ausdrücklich angeordnet worden sei, könne ihm weder Anstiftung noch Beihilfe angelastet werden.
3.2.2. Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8428/1978) durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nur verletzt werden, wenn dieser auf einer mit dem Gleichheitsgebot in Widerspruch stehenden Rechtsgrundlage beruht oder wenn die Behörde Willkür geübt hat.
Der angefochtene Bescheid stützt sich auf §103 Abs1 KFG 1967. Da diese Bestimmung eine besondere Regelung über das Verschulden nicht enthält und das durch ihre Verletzung gesetzte Verwaltungsdelikt weder den Eintritt eines Schadens noch einer Gefahr zur Voraussetzung hat, ist davon auszugehen, daß die Strafbarkeit unter den Voraussetzungen des §5 Abs1 VStG 1950, also dann eintritt, wenn vom Beschuldigten nicht bewiesen wird, daß ihm eine Einhaltung der Vorschrift ohne Verschulden unmöglich war.
Bedenken gegen diese den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften wurden weder vom Beschwerdeführer vorgebracht noch sind solche aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles entstanden (vgl. VfSlg. 7210/1973).
Bei der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften könnte die behauptete Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur dann vorliegen, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet oder wenn sie Willkür geübt hätte. Auch dies trifft jedoch nicht zu.
Die belangte Behörde beruft sich mit ihrer Ansicht, daß es Aufgabe des Beschwerdeführers gewesen wäre, initiativ nachzuweisen, daß von ihm alles geschehen sei, um die Einhaltung der in Betracht kommenden Rechtsvorschrift zu gewährleisten, auf die Rechtsprechung des VwGH, insbesondere dessen Erk. vom 6. 11. 1974, Z 1779/73. Dieser Rechtsansicht folgend verweist sie darauf, daß es Aufgabe des Beschwerdeführers ist nachzuweisen, daß von ihm alles geschehen ist, um die Einhaltung der in Betracht kommenden Rechtsvorschrift zu gewährleisten, also - beispielsweise - auch Stichproben zu machen, um festzustellen, ob allenfalls Überladungen vorliegen. Die Durchführung solcher Stichproben sei vom Beschwerdeführer weder behauptet noch glaubhaft gemacht worden.
Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet darzutun, daß die auf diese Überlegungen gegründete Anwendung des §5 VStG 1950 denkunmöglich ist. Die Pflicht, die den Zulassungsbesitzer nach §103 Abs1 erster Satz KFG trifft, ist vom Gesetz dahin umschrieben, daß er dafür zu sorgen hat, daß ua. die Beladung des Kraftfahrzeuges den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes entspricht. Das Kraftfahrgesetz sieht somit nicht bestimmte formelle Maßnahmen vor, die der Zulassungsbesitzer zu treffen hat. Den Zulassungsbesitzer trifft vielmehr die "Sorgepflicht", daß er die je nach den Umständen in Betracht kommenden wirksamen Maßnahmen trifft. Wenn die belangte Behörde inhaltlich ihrer Ausführungen davon ausgegangen ist, daß der Beschwerdeführer nicht alle innerbetrieblichen Maßnahmen getroffen hat, mit denen er bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit eine Überladung des LKWs verhindern hätte können, kann ihr nach der Aktenlage weder angelastet werden, daß sie in Beurteilung des Sachverhaltes die gesetzlichen Bestimmungen denkunmöglich angewendet hätte, noch kann ihr unterstellt werden, daß sie nicht bemüht gewesen sei, dem Gesetz zu dienen. Der Beschwerdeführer behauptet in Wahrheit mit seinen Ausführungen nur, daß die belangte Behörde die gesetzlichen Bestimmungen unrichtig angewendet habe; ob das zutrifft, hat aber der VfGH nicht zu prüfen.
Eine Auseinandersetzung mit den Bedingungen der Strafbarkeit nach §7 VStG 1950 erübrigt sich schon deshalb, weil diese Bestimmung im Verwaltungsstrafverfahren gar nicht angewendet wurde.
Es ergibt sich zusammenfassend, daß der Beschwerdeführer offenkundig weder durch eine denkunmögliche Anwendung der den Bescheid tragenden Rechtsgrundlagen noch durch ein willkürliches Vorgehen der belangten Behörde in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit verletzt worden ist.
3.3. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte haben somit nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm in seinen Rechten verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Auslegung eines Bescheides, KraftfahrrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:B31.1980Dokumentnummer
JFT_10188990_80B00031_00