TE Vfgh Erkenntnis 1981/10/10 B89/79, B298/79

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Veröffentlicht am 10.10.1981
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Index

81 Wasserrecht, Wasserbauten
81/01 Wasserrechtsgesetz 1959

Norm

B-VG Art83 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
WRG 1959 §32 Abs2 litd

Leitsatz

WRG 1959; Erteilung von wasserrechtlichen Bewilligungen zur Einleitung von Abwässern in ein öffentliches Gewässer gemäß §§9, 12, 15, 21, 32, 99, 111 und 112; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte

Spruch

Die Beschwerden werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Die Solvay-Werke in Ebensee erzeugen aus den Rohstoffen Steinsalz (Sole) und Kalkstein die Produkte Soda, Ätznatronlaugen und Reinkarbonat, wobei als Abfallprodukt Chloride in gelöster Form und ungelöste Stoffe als Schlamm anfallen. Diese Abfallprodukte werden nach Verdünnung mit Seewasser in den Traunsee geleitet. Die wasserrechtliche Bewilligung für diese Abwassereinleitung war mit Bescheid des Landeshauptmannes von OÖ vom 15. Dezember 1969 befristet bis 31. Dezember 1974 erteilt worden.

Mit Bescheid vom 27. Feber 1976 hat der Landeshauptmann von OÖ der Ebenseer Solvay-Werke Solvay & Cie. KG auf Grund der Bestimmungen der §§9, 12, 15, 21, 32, 99 und 111 des Wasserrechtsgesetzes 1959, BGBl. 215, idF der Nov. BGBl. 207/1969 (WRG), die wasserrechtliche Bewilligung zur Einleitung der in ihrem Sodaerzeugungsbetrieb in Ebensee anfallenden betrieblichen Abwässer sowie zur Errichtung und zum Betriebe der hiezu dienenden Anlagen befristet bis zum 30. Juni 1986 unter Setzung einer Reihe von Bedingungen und Auflagen erteilt.

Auf Grund von Berufungen der vier Beschwerdeführerinnen sowie der Ebenseer Solvay-Werke Solvay & Cie. KG hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft mit Bescheid vom 22. Dezember 1978 die erteilte Bewilligung mit 30. Juni 1996 befristet, hinsichtlich der Punkte 1, 3, 4, 5 und 7 der erteilten Auflagen und Bedingungen Änderungen des erstinstanzlichen Bescheides vorgenommen und im übrigen den Berufungen keine Folge gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu B89/79 protokollierte Beschwerde der vier Beschwerdeführerinnen, in welcher die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht und die Aufhebung des Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.

2. Mit Bescheid vom 14. Juli 1978 erteilte der Landeshauptmann von OÖ der Republik Österreich, Österreichische Salinen, auf Grund der §§9, 12, 15, 21, 32, 99, 111 und 112 WRG unter Bezugnahme auf ein zwischen der Bewilligungswerberin und den Solvay-Werken abgeschlossenes Übereinkommen die Bewilligung zur Ableitung der im Betrieb der Saline Steinkogl, Gemeinde Ebensee, anfallenden häuslichen Abwässer, Kühlwässer und betrieblichen Abwässer sowie Niederschlagswässer in die Traun bzw. den Traunsee unter gleichzeitiger Setzung einer Reihe von Bedingungen und Auflagen. Die wasserrechtliche Bewilligung wurde auf eine Zeit von 15 Jahren ab Rechtskraft des Bewilligungsbescheides beschränkt.

Auf Grund von Berufungen der Beschwerdeführerinnen und des Vereines der Wasserrechtsinteressenten an der mittleren und unteren Traun hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft mit Bescheid vom 11. Mai 1979 eine der im erstinstanzlichen Bescheid enthaltenen Auflagen ergänzt und im übrigen den Berufungen keine Folge gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu B298/79 protokollierte Beschwerde der vier Beschwerdeführerinnen, in welcher ebenfalls die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird. Überdies regen die Beschwerdeführerinnen an, diese Beschwerde mit jener zu B89/79 gemeinsam zu verhandeln.

II. Der VfGH hat über die zu gemeinsamer Entscheidung verbundenen - zulässigen - Beschwerden erwogen:

1. In beiden Beschwerden wird eine Verletzung des Parteiengehörs behauptet (in der Beschwerde zu B89/79 deshalb, weil die Befristung der wasserrechtlichen Bewilligung im Berufungsverfahren offenbar auf Grund einer Stellungnahme der Solvay-Werke zum Gutachten des Amtssachverständigen der belangten Behörde erfolgt sei, den Beschwerdeführerinnen aber keine Gelegenheit zur Stellungnahme hiezu gegeben worden sei, und in der Beschwerde zu B298/79 deshalb, weil den Beschwerdeführerinnen die zwischen den Österreichischen Salinen und den Solvay-Werken getroffenen Vereinbarungen nicht zugänglich gemacht worden seien, sodaß die Beschwerdeführerinnen sich in Gegenwart von Amtssachverständigen nicht hätten äußern können).

Zu diesem Vorbringen ist darauf hinzuweisen, daß nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. VfSlg. 8828/1980 und die dort angeführte Vorjudikatur) das behauptete Verhalten der Behörde eine Verletzung einfachgesetzlicher Verfahrensvorschriften (§37 AVG), nicht aber eine Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes, insbesondere nicht die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter zur Folge hat.

2. Zur Beschwerde B89/79:

a) Die Beschwerdeführer machen geltend, die Berufungsbehörde hätte die Geltungsdauer der wasserrechtlichen Bewilligung deshalb nicht verlängern dürfen, weil die Solvay-Werke in ihrer Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid die Befristung der Bewilligung bis 30. Juni 1986 gar nicht angefochten hätten. Die Berufungsbehörde dürfe nur über die "Sache" des Berufungsverfahrens absprechen, also nur hinsichtlich jener Angelegenheit, welche den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterinstanz gebildet habe, soweit diese Angelegenheit mit Berufung angefochten worden sei. Durch die Erweiterung des Verhandlungsgegenstandes im Berufungsverfahren seien die Beschwerdeführerinnen in ihrem Recht, "den gesamten Entscheidungsumfang letzter Instanz" in allen Instanzen verhandeln zu können, somit im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden; durch die "begrifflich unmögliche Erweiterung des Verhandlungsgegenstandes im Berufungsverfahren" sei das Gesetz auch denkunmöglich angewendet worden.

Den Verwaltungsakten ist zu entnehmen, daß die Bewilligungswerberin im erstinstanzlichen Verfahren ursprünglich eine Bewilligungsdauer von "mindestens" 15 Jahren beantragt und sodann auf Grund einer Vorbesprechung mit der Behörde mit Schreiben vom 10. November 1975 erklärt hat, sich "im Augenblick" mit "einer Laufzeit von zehn Jahren begnügen" zu können. Im Rahmen des Berufungsverfahrens vor der belangten Behörde hat die Bewilligungswerberin auf Grund (neuer) Sachverständigengutachten mit Schreiben vom 4. September 1978 die Erteilung einer unbefristeten Bewilligung beantragt.

Dieses Gesamtverhalten der Bewilligungswerberin im Rahmen des Verwaltungsverfahrens zeigt, daß die Bewilligungswerberin keinesfalls eine Befristung der Bewilligung auf welche Zeit immer anstrebt. Ihr jeweiliges Vorbringen hinsichtlich einer bestimmten Dauer der Befristung kann nur so verstanden werden, daß sie auf Grund der jeweils gegebenen Umstände allerdings bereit wäre, sich mit einer bestimmten Dauer der Befristung zu begnügen und nicht dagegen anzukämpfen, keinesfalls aber so, daß sie eine Befristung wünscht.

Die belangte Behörde war auf Grund dessen daher auch berechtigt, die erteilte Bewilligung bis 30. Juni 1996 zu befristen.

Der behauptete Verstoß gegen verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte liegt somit schon deshalb nicht vor.

b) Hinsichtlich einzelner im angefochtenen Bescheid enthaltener Auflagen und Bedingungen machen die Beschwerdeführerinnen nicht in die Verfassungssphäre reichende Rechtswidrigkeiten geltend; ein Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Gleichheitsrecht wird allerdings insoweit behauptet, als die Solvay-Werke "mit den gleichen Maßnahmen verhalten werden" müßten, wie dies in anderen Fällen, etwa bei der Beschwerdeführerin Steyrermühl Papierfabriks- und Verlags AG oder bei der Beschwerdeführerin Papierfabrik Laakirchen AG anläßlich der Erteilung wasserrechtlicher Bewilligungen verfügt worden sei.

Zunächst ist festzuhalten, daß die Behörde ein umfangreiches Ermittlungsverfahren durchgeführt hat und daß dem Bescheid Gutachten zugrunde liegen, welche die Konsequenzen der Abwässer der Solvay-Werke für den Traunsee unter verschiedenen Gesichtspunkten (wasserbautechnisch, hydrographisch, medizinisch und Fragen der Korrosion betreffend) behandeln.

Schon im Hinblick darauf kann keine Rede davon sein, daß die Behörde Willkür geübt hätte. Ebensowenig kann davon die Rede sein, daß sich die Behörde in denkunmöglicher Weise über die Gutachten hinweggesetzt hätte, was ein Indiz für Willkür wäre.

Zu dem behaupteten Verstoß gegen das Gleichheitsgebot genügt - abgesehen von der zutreffenden Feststellung in der Gegenschrift, daß es sich hiebei um voneinander völlig verschiedene Produktionsunternehmen und somit auch in keiner Weise vergleichbare Abwässer handelt - der Hinweis auf die ständige Rechtsprechung des VfGH, daß dann, wenn im Verhalten der Behörde gegenüber den Beschwerdeführern für sich betrachtet eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes nicht gesehen werden kann, für die Beschwerdeführer auch nichts gewonnen werden könnte, wenn vergleichbare Fälle gegeben wären und die Behörde dabei nicht durchwegs gesetzmäßig vorgegangen wäre (s. VfSlg. 8266/1978 und die dort angeführte Vorjudikatur).

3. Zur Beschwerde B298/79:

Von den Beschwerdeführerinnen wird gerügt, daß die Behörde einzelne (näher beschriebene) Ermittlungsschritte unterlassen habe.

Auch hier gelten die oben unter Punkt 2.b) angestellten Erwägungen, wonach der Behörde weder Willkür noch eine Willkür indizierende denkunmögliche Anwendung des Gesetzes angelastet werden kann. Auch im vorliegenden Fall hat die Behörde ein Ermittlungsverfahren durchgeführt, Untersuchungen veranlaßt und Sachverständigengutachten eingeholt. Das Verfahren vor dem VfGH hat keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, daß die Beschwerdeführerinnen in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht (etwa im Gleichheitsrecht) verletzt worden sind. Die einzelnen Argumente in der Beschwerde und in der Gegenschrift betreffen ausschließlich Fragen der richtigen Anwendung des Gesetzes.

4. Zusammenfassend gesagt, hat das Verfahren somit nicht ergeben, daß die Beschwerdeführerinnen durch die beiden angefochtenen Bescheide in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden sind.

Ob die Bescheide dem Gesetz entsprechen, hat der VfGH nicht zu beurteilen.

Die Beschwerden sind daher abzuweisen.

Schlagworte

Wasserrecht, Wasserbenutzung, VfGH / Prüfungsmaßstab

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B89.1979

Dokumentnummer

JFT_10188990_79B00089_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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