TE Vfgh Erkenntnis 1981/10/12 B381/78

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Veröffentlicht am 12.10.1981
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Index

50 Gewerberecht
50/01 Gewerbeordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
StGG Art6 / Erwerbsausübung
GewO 1973 §28 Abs5

Leitsatz

GewO 1973; keine Bedenken gegen §28 Abs5; keine gleichheitswidrige Anwendung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Der Beschwerdeführer richtete mit Schreiben vom 10. November 1977 an den Magistrat der Stadt Wien ein Ansuchen, in dem er "gemäß §28 (1) der Gewerbeordnung um Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis, befristet bis 31. 12. 1979" für die Führung eines - bereits bestehenden - Gast- und Schankgewerbebetriebes im Standort Wien 16, M-gasse 15 ersuchte.

Im Rahmen des von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde zum Ansuchen des Beschwerdeführers von der Fachgruppe der Gast- und Schankbetriebe der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien ein ablehnendes Gutachten abgegeben. Die für Marktangelegenheiten zuständige Magistratsabteilung 59 teilte der für die Erledigung der Gewerberechtsangelegenheiten zuständigen Magistratsabteilung 63 mit, daß der Gasthausbetrieb im angegebenen Standort im Frühjahr 1977 - unmittelbar vor der mit Wirksamkeit 24. Juni 1977 erfolgten Konzessionsrücklegung - eingestellt worden sei.

Nachdem der Beschwerdeführer der nachweislich an ihn gemäß §45 Abs3 AVG 1950 ergangenen Einladung, persönlich vor der Behörde zu erscheinen oder einen mit der Sachlage vertrauten, schriftlich bevollmächtigten Vertreter zu entsenden, um das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens zur Kenntnis zu nehmen, nicht Folge geleistet hatte, erging der Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 10. Feber 1978, mit dem dem Beschwerdeführer "gemäß §28 GewO 1973 ... die bis 31. Dezember 1979 befristete Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis für die Ausübung des Gastgewerbes" im beschriebenen Standort verweigert wurde.

Der Bescheid war damit begründet, daß der Betrieb, dessen Übernahme der Beschwerdeführer beabsichtigte, bereits im Frühjahr 1977 eingestellt worden sei.

Der gegen den angeführten Bescheid vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung hat der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie mit Bescheid vom 17. April 1978 gemäß §28 Abs5 GewO 1973 keine Folge gegeben.

2. Gegen diesen Bescheid des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Der Beschwerdeführer behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Erwerbsfreiheit und auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden zu sein.

Mit der (als Antrag bezeichneten, aber als solche zu wertenden) Anregung, nach Durchführung eines von Amts wegen eingeleiteten Verfahrens zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §28 Abs5 GewO 1973 diese Bestimmung als verfassungswidrig aufzuheben, wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, für den Fall der Abweisung die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. a) Nach §28 Abs1 der Gewerbeordnung 1973 - GewO 1973, BGBl. 50/1974, ist unter den in dieser Bestimmung enthaltenen Voraussetzungen die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis zu erteilen. Nach §28 Abs5 darf die Nachsicht gemäß Abs1 nur dann befristet erteilt werden, wenn es sich um die Fortführung eines bestehenden Betriebes handelt.

b) Der Beschwerdeführer behauptet, daß §28 Abs5 GewO 1973 verfassungswidrig sei. Er führt aus, daß - wie aus VwSlg. 8789 A/1975 hervorgehe - aus dieser Bestimmung ein dem Art18 Abs1 B-VG entsprechender Inhalt zu erschließen sei. Damit sei aber noch nicht die in der Entscheidung vor dem VwGH nicht aufgeworfene und offenbar auch nicht notwendige Frage erörtert, weshalb der Gesetzgeber die Gewährung einer geringeren Ausnahme von der generellen Regelung (nämlich die befristete Nachsicht) gegenüber einer größeren Ausnahme von der generellen Regelung (die unbefristete Nachsicht) "mit einem Mehr an Voraussetzungen" (nämlich das Erfordernis, daß es sich um die Fortführung eines bestehenden Betriebes handelt) belege. Darüber hinaus sei es durchaus denkbar, daß ein Nachsichtswerber sehr wohl die Voraussetzung für eine unbefristete Nachsicht erfülle, aber (aus eigenem oder unter Anleitung der Behörde oder aus Unkenntnis der Gesetzeslage) nur einen Antrag auf befristete Nachsicht stelle, sei es auch nur, weil er den Betrieb nur kurz führen wolle (Fortbetriebsrechte) oder weil er trotz Möglichkeit der unbefristeten Dispens die nach dem Gesetz generell erforderliche Befähigung noch erlangen oder nachweisen wolle. Für den Willen des Gesetzgebers, geringere Ausnahmen von der allgemeinen Regelung an schwerere Voraussetzungen zu knüpfen als gleichartige größere Ausnahmen, sei nach Auffassung des Beschwerdeführers eine sachliche Rechtfertigung nicht zu finden.

c) Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers hat sich der VwGH im angeführten Erk. nicht nur mit der Übereinstimmung der Bestimmung des §28 Abs5 GewO 1973 mit Art18 Abs1 B-VG auseinandergesetzt, sondern auch dargelegt, daß er eine sachliche Rechtfertigung für die unterschiedliche Behandlung der Bewerber um eine befristete Nachsicht und der anderen Nachsichtswerber zu finden vermag, wenn man nur den Begriff des "bestehenden Betriebes" in §28 Abs5 GewO 1973 so interpretiere, daß darunter nicht nur ein von einem Dritten, sondern auch ein auf Grund einer dem Nachsichtswerber selbst erteilten Gewerbeberechtigung von diesem fortgeführter Betrieb verstanden werde. Er hat sich bei dieser Auslegung auch auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur Gewerbeordnung 1973, 395 der Beilagen XIII. GP, gestützt, in denen darauf hingewiesen wird, daß befristete Nachsichten die Behörde in eine gewisse Zwangslage bringen und daher nur in den in §28 Abs5 GewO 1973 angeführten Fällen erteilt werden dürfen.

Auch der VfGH ist der Auffassung, daß dem §28 Abs5 GewO 1973 der angeführte, vom VwGH angenommene Inhalt zukommt. Diese Regelung enthält nicht zusätzliche (wie der Beschwerdeführer meint, ein "Mehr" an) Voraussetzungen, die für die Erteilung einer Nachsicht von einem vorgeschriebenen Befähigungsnachweis erfüllt sein müssen. Vielmehr wird, soferne die Voraussetzungen für die Erteilung der Nachsicht gegeben sind, die Möglichkeit einer befristeten Erteilung einer Nachsicht auf Fälle der Fortführung eines bestehenden Betriebes eingeschränkt.

Diese Regelung ist im Hinblick auf den damit vom Gesetzgeber nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage verfolgten Zweck der Vermeidung von Schwierigkeiten, die nach den Erfahrungen des täglichen Lebens bei einer Befristung der Nachsicht von einem Befähigungsnachweis für die Behörde entstehen können, jedenfalls nicht unsachlich.

Unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles bestehen keine Bedenken, daß §28 Abs5 GewO 1973 wegen eines Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot verfassungswidrig wäre.

d) Soweit der Beschwerdeführer - allerdings ohne Angabe näherer Gründe - behauptet, daß die Regelung des §28 Abs5 GewO 1973 eine Einschränkung der Freiheit der Erwerbsausübung (Art6 StGG) und einen Eingriff in das Eigentumsrecht bedeute, ist - ohne daß geprüft zu werden braucht, ob diese behaupteten Eingriffe überhaupt gegeben sind - lediglich darauf hinzuweisen, daß sowohl das Recht auf freie Erwerbsbetätigung als auch das Eigentumsrecht im Hinblick auf den in Art5 und 6 StGG enthaltenen Gesetzesvorbehalt vom Gesetzgeber verfassungsrechtlich einwandfrei eingeschränkt werden kann, solange dadurch nicht der Wesensgehalt der Grundrechte berührt oder in einer anderen Weise gegen einen den Gesetzgeber bindenden Verfassungsgrundsatz verstoßen wird (vgl. VfSlg. 9173/1981 und die dort angeführte Vorjudikatur). Daß der Gesetzgeber bei der Erlassung des §28 Abs5 GewO 1973 diese ihm gesetzten Schranken nicht überschritten hat, bedarf keiner weiteren Erörterung (vgl. VfSlg. 8095/1977).

Zusammenfassend ergibt sich, daß gegen §28 Abs5 GewO 1973 unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen.

2. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die belangte Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte.

Dem Beschwerdeführer wurde die von ihm begehrte Nachsicht vom Befähigungsnachweis mit der Begründung verweigert, daß ein Betrieb, zu dessen Fortsetzung die Nachsicht vom Befähigungsnachweis vom Beschwerdeführer angestrebt werde, überhaupt nicht bestehe. Bei dieser ihrer Aussage konnte sich die belangte Behörde auf die im erstinstanzlichen Verfahren eingeholte Information, wonach der Betrieb, zu dessen Fortsetzung vom Beschwerdeführer die Nachsicht vom Befähigungsnachweis begehrt wurde, im Zeitpunkt der Antragstellung schon eingestellt worden sei, insbesondere im Hinblick darauf berufen, daß in der Berufung des nunmehrigen Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid nichts Gegenteiliges vorgebracht wurde. Schon allein daraus ergibt sich, daß die Behauptung des Beschwerdeführers, wonach der angefochtene Bescheid ohne Durchführung jeglichen Ermittlungsverfahrens ergangen und dadurch iS der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. VfSlg. 7764/1976) eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz bewirkt worden sei, nicht zutrifft. Wenn der Beschwerdeführer glaubt, daß von der belangten Behörde der Begriff "bestehender Betrieb" so auszulegen wäre, daß auch eine bereits vorhandene Betriebseinrichtung darunter fällt, die der Nachsichtswerber nach Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zur Führung eines befugten Betriebes verwendet, so handelt es sich dabei um die Frage der richtigen Auslegung des Gesetzes, die vom VfGH nicht zu prüfen ist. Ein Umstand, aus dem sich ergäbe, daß die belangte Behörde der Bestimmung des §28 Abs5 GewO 1973 einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hätte oder willkürlich vorgegangen wäre, ist vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden und im Verfahren vor dem VfGH nicht hervorgekommen.

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht verletzt worden.

3. Daß durch ein sonstiges Verhalten der belangten Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht verletzt worden wäre, ist vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden. Im Verfahren vor dem VfGH ist nicht hervorgekommen, daß der Beschwerdeführer in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden wäre.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Gewerberecht, Nachsicht (vom Befähigungsnachweis)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B381.1978

Dokumentnummer

JFT_10188988_78B00381_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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