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32 SteuerrechtNorm
StGG Art5Leitsatz
EStG 1972; keine Bedenken gegen §22 Abs1 Z1; denkmögliche Annahme einer Tätigkeit iS des 23 Z1; BAO; keine Bedenken gegen §28Spruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Der Beschwerdeführer war bis Juli 1978 als Buchhalter tätig. Seine Einkünfte aus dieser Tätigkeit wurden zur Einkommensteuer veranlagt.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Sbg. vom 9. November 1978 wurde der Beschwerdeführer betreffend das Kalenderjahr 1975 zur Gewerbesteuer und betreffend das Kalenderjahr 1976 zur Umsatz-, Einkommen- und Gewerbesteuer veranlagt. Die Veranlagung zur Gewerbesteuer begründete die Finanzlandesdirektion im wesentlichen damit, die Tätigkeit des Beschwerdeführers als Buchhalter sei nicht als selbständige Tätigkeit iS des §22 Abs1 Z1 EStG 1972 zu bewerten. Der Beschwerdeführer erledige für verschiedene Auftraggeber Buchhaltungsarbeiten und erfülle damit alle Kriterien eines Gewerbebetriebes iS des §28 BAO. Er übe nur Tätigkeiten aus, welche von Unternehmern im Rahmen ihrer kaufmännischen Tätigkeit entweder selbst oder von einem Angestellten besorgt würden; seine Tätigkeit sei der eines Wirtschaftstreuhänders daher nicht gleichzusetzen.
2. Gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion - soweit er die Vorschreibung von Gewerbesteuer betrifft - richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher sich der Beschwerdeführer in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt erachtet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Gemäß §1 Abs1 GewStG unterliegt der Gewerbesteuer jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. Unter Gewerbebetrieb ist ein gewerbliches Unternehmen iS des Einkommensteuergesetzes zu verstehen.
Nach §23 Z1 EStG 1972 werden Einkünfte aus Gewerbebetrieb als solche definiert, die aus einer selbständigen, nachhaltigen Betätigung erzielt werden, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung der Land- und Forstwirtschaft noch als selbständige Arbeit anzusehen ist. §28 BAO enthält eine wortgleiche Definition des Begriffes Gewerbebetrieb iS der Abgabenvorschriften.
Laut §22 Abs1 Z1 EStG 1972 sind Einkünfte aus selbständiger Arbeit ua. solche aus einer wissenschaftlichen, künstlerischen, schriftstellerischen, unterrichtenden oder erzieherischen Tätigkeit, aus der Berufstätigkeit der Ärzte, Tierärzte, Dentisten, Rechtsanwälte, Patentanwälte und Notare, der staatlich befugten und beeideten Ziviltechniker, der Architekten, der Wirtschaftstreuhänder, der Bildberichterstatter, Journalisten, Dolmetscher, Übersetzer und aus einer ähnlichen freiberuflichen Tätigkeit.
2. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, das Gleichheitsrecht werde "durch die Anknüpfung des §1 Abs1 Satz 2 GewStG an die ertragssteuerliche Beurteilung" deshalb verletzt, weil diese Anknüpfung im Bereich der Gewerbesteuer zu sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierungen führe. Der selbständig tätige Buchhalter werde in einem Teilbereich des Wirtschaftstreuhänders tätig, ohne den Tätigkeitsbereich des Wirtschaftstreuhänders zu überschreiten. Der relevante Unterschied bestehe also bloß in der Berufsprüfung. Sei die Anknüpfung an die fehlende Berufsprüfung als sachliche Rechtfertigung für eine Steuerbelastung an sich schon bedenklich, so müsse eine Differenzierung gerade aus dem Gesichtspunkt der Gewerbesteuer und dem mit der Gewerbesteuer verbundenen Zweck verfassungswidrig erscheinen. Rauchende Fabriksschlote und andere Belastungen der Infrastruktur, welche die Gemeinden zur Tragung verschiedener Lasten verpflichten, könnten als sachliche Rechtfertigung für die Gewerbesteuer angesehen werden, nicht aber die Tätigkeit eines Buchhalters Anlaß zur Steuererhebung sein, dessen Wohnung zugleich auch Betriebsstätte sei und welche die Infrastruktur auch im Verhältnis zu den in §22 Abs1 EStG 1972 ausdrücklich genannten Berufsgruppen in einem wesentlich geringeren, wenn nicht überhaupt zu vernachlässigenden Ausmaß belaste. Wenn das entscheidende sachliche Kriterium dafür, daß bestimmte Tätigkeiten der Gewerbesteuer unterliegen und andere nicht, darin liege, daß in erster Linie geistiges Vermögen durch persönliche Arbeitskraft eingesetzt werde, dann werde damit die Anknüpfung des Gewerbesteuergesetzes an die ertragssteuerliche Beurteilung selbst gleichheitswidrig.
Im Erk. VfSlg. 4709/1964 (betreffend die Beschwerde eines Dolmetsch) hat der VfGH unter Hinweis auf die Vorerkenntnisse VfSlg. 3192/1957 und 4099/1961 zum Ausdruck gebracht, daß gegen die Verfassungsmäßigkeit der Bestimmungen des §18 Abs1 EStG 1953 - dem Vorläufer des §22 Abs1 Z1 EStG 1972 - und des §28 BAO keine Bedenken bestehen. Von dieser Voraussetzung ist der VfGH auch nach Inkrafttreten der EStG-Nov. BGBl. 187/1964 in vergleichbaren Fällen (vgl. VfSlg. 6905/1972 betreffend die Beschwerde einer Textilzeichnerin sowie VfSlg. 8565/1979 betreffend einen Beschwerdeführer, der sich mit Planung und Raumgestaltung befaßte) ausgegangen.
Auch aus der Sicht des vorliegenden Beschwerdefalles besteht kein Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzurücken. Der VfGH hat daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides (zur denkmöglichen Heranziehung dieser Bestimmungen durch die Behörde siehe die folgenden Ausführungen unter Pkt. 3.a).
3. Im Hinblick auf die Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte der Beschwerdeführer durch den in sein Eigentum eingreifenden Bescheid nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. zB VfSlg. 8083/1977) im Eigentumsrecht nur dann verletzt worden sein, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte.
Das behauptet der Beschwerdeführer in zweifacher Hinsicht:
a) Die Behörde hätte in denkunmöglicher Weise eine selbständige Tätigkeit des Beschwerdeführers angenommen. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers unterscheide sich nicht von der eines angestellten Buchhalters; ebenso wie ein angestellter Buchhalter sei er seinen Auftraggebern gegenüber zeit- und weisungsgebunden, der Beschwerdeführer sei daher Dienstnehmer iS des Angestelltengesetzes. Seine Tätigkeit unterscheide sich von einem Angestelltenverhältnis nur dadurch, daß er sie "ohne Vorlage einer Lohnsteuerkarte ausgeübt habe".
Den Verwaltungsakten ist zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer der Finanzverwaltung gegenüber als selbständig Tätiger aufgetreten ist und als solcher entsprechende Erklärungen abgegeben hat. Auch Erhebungen der Behörde bei den Firmen, für die der Beschwerdeführer als Buchhalter tätig war, haben nichts Gegenteiliges ergeben. Der Beschwerdeführer hat dem Finanzamt mit Schreiben vom 21. Juli 1978 mitgeteilt, daß er "ab sofort jegliche Tätigkeit als freiberuflicher Buchhalter eingestellt" habe. Auch hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid erwähnt, daß er eine "Büroangestellte" habe und hat in der berichtigten Gewinn- und Verlustrechnung 1976 Beträge für Gehälter und den gesetzlichen Sozialaufwand ausgeworfen.
Es besteht daher kein Zweifel, daß die Behörde auf Grund dieser Umstände denkmöglich davon ausgehen konnte, daß der Beschwerdeführer selbständig tätig ist.
b) Der Beschwerdeführer sieht auch die von der Behörde getroffene Annahme einer gewerblichen Tätigkeit als denkunmöglich an. Seine Tätigkeit entspreche nämlich inhaltlich der eines Wirtschaftstreuhänders, sei also iS des §22 Abs1 Z1 EStG 1972 der eines Wirtschaftstreuhänders ähnlich. Es sei dem Beschwerdeführer trotz vergleichbarer Tätigkeit mit einem freiberuflich Tätigen Gewerbesteuer vorgeschrieben worden. Wenn die belangte Behörde einwende, daß die Tätigkeit eines Bilanzbuchhalters deshalb nicht unter §22 Abs1 Z1 EStG 1972 fallen könne, weil die gleiche Qualifikation wie bei einem Wirtschaftstreuhänder gegeben sein müsse, dann widerspreche eine solche Auslegung auch dem offenkundigen Gesetzeszweck. Sie würde nämlich dazu führen, daß nur solche Tätigkeiten als ähnliche freiberufliche Tätigkeiten anerkannt werden, die bereits die Voraussetzungen einer bestimmten freiberuflichen Tätigkeit erfüllen. Nicht die Ähnlichkeit, sondern die Identität wäre dann Voraussetzung für die Subsumierung unter §22 Abs1 Z1 EStG 1972; das aber sei denkunmöglich.
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH (s. VwSlg. 5073 F/1977) liegt eine ähnliche Tätigkeit iS des §22 Abs1 Z1 EStG 1972 dann vor, wenn sie ungeachtet des Fehlens wenigstens einer der nach dem einschlägigen Berufs- oder Standesrecht geforderten Voraussetzungen in allen nach der Verkehrsauffassung unter Einbeziehung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise wesentlichen Momenten mit dem typisierten Bild (Berufsbild) jenes freien Berufes übereinstimme, der als Maß einer Ähnlichkeit in Betracht komme und in der Aufzählung des Gesetzes enthalten sei. Ähnlichkeit iS des §22 Abs1 Z1 EStG 1972 setze jedenfalls eine tatsächliche Tätigkeit voraus, die den wesentlichen und typischen Teil der Tätigkeiten umfasse, zu denen die einschlägigen Vorschriften über den freien Beruf, zu dem Ähnlichkeit angenommen werden soll, berechtigten. Selbst wenn man zum Vergleich den Steuerberater - also die nach dem Berufsrecht der Wirtschaftstreuhänder mit den geringsten Befugnissen ausgestattete Berufsgruppe - heranziehe, seien die wesentlichen und typischen Teile der Tätigkeit eines Steuerberaters oder eines Buchhalters nicht gleich.
Der VwGH hat hiezu im Erk. vom 28. Jänner 1980, Z 2158/78 folgendes ausgeführt:
"Als wesentlicher und typischer Teil der Tätigkeit des Steuerberaters ist die 'Steuerberatung' anzusehen, das ist eine Tätigkeit, die im wesentlichen der 'Beratung und Hilfeleistung auf dem Gebiete des Abgabenrechtes' iS des §33 Abs1 litc WTBO entspricht. Ohne eine solche Steuerberatung kann eine einem Steuerberater ähnliche Tätigkeit nicht angenommen werden. Keinesfalls vermag eine nicht in einer Rechtsberatung bestehende, wenn auch in §33 WTBO angeführte Tätigkeit, wie zB die laufende Buchführung, für sich allein eine dem Steuerberater ähnliche freiberufliche Tätigkeit zu begründen (s. das hg. Erk. vom 6. Juli 1971, Zl. 333/69, Slg. Nr. 4262/F, und das dort angeführte Vorerkenntnis)."
Die Behörde konnte auf Grund des Akteninhalts denkmöglich davon ausgehen, daß der Beschwerdeführer als Buchhalter tätig ist, aber keine rechtsberatende Tätigkeit ausübt. Sie hat daher in durchaus denkmöglicher Weise das Vorliegen einer Tätigkeit iS des §23 Z1 EStG 1972 beim Beschwerdeführer angenommen.
c) Der behauptete Verstoß gegen das Eigentumsrecht liegt somit nicht vor.
4. Eine Verletzung des Gleichheitsrechtes kann im Hinblick auf die Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. VfSlg. 7996/1977) nur dann vorliegen, wenn die Behörde Willkür geübt oder wenn sie dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hätte.
Das ist aber weder vom Beschwerdeführer behauptet worden noch im Verfahren beim VfGH hervorgekommen.
5. Im Verfahren ist auch nicht hervorgekommen, daß der Beschwerdeführer in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden wäre.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Schlagworte
Einkommensteuer, Einkunftsarten Gewerbebetrieb (Einkommensteuer)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:B9.1979Dokumentnummer
JFT_10188986_79B00009_00