TE Vfgh Erkenntnis 1981/10/14 B260/78

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Veröffentlicht am 14.10.1981
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Index

40 Verwaltungsverfahren
40/01 Verwaltungsverfahren außer Finanz- und Dienstrechtsverfahren

Norm

B-VG Art83 Abs2
AVG §56
AVG §73 Abs2

Leitsatz

AVG 1950; Abweisung eines Antrages auf Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung gemäß §73 Abs2; kein Entzug des gesetzlichen Richters

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 25. November 1974 wurde den Eigentümern eines an die Liegenschaft der Beschwerdeführerin angrenzenden Grundstückes gemäß §138 Abs1 lita des Wasserrechtsgesetzes 1959 - WRG 1959, BGBl. 215/59 idF BGBl. 207/1969, die Entfernung der von ihnen eigenmächtig auf einer im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Grundparzelle verlegten Kanalrohre innerhalb der Frist eines Monates nach Zustellung des Bescheides aufgetragen.

Des weiteren wurden die genannten Eigentümer mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 17. März 1977 auf Grund der angeführten Vorschriften des WRG 1959 verpflichtet, die Ableitung sämtlicher Abwässer aus ihrem Anwesen über die Grundparzelle der Beschwerdeführerin bis 30. Juni 1977 zu unterbinden.

2. Nach mehreren an das Amt der Nö. Landesregierung gerichteten Eingaben, in denen die Beschwerdeführerin die Vollstreckung des erstangeführten Bescheides des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft begehrt hatte, richtete sie am 4. Juli 1977 an die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten einen Antrag auf Vollstreckung beider angeführter Bescheide. Am 9. November 1977 richtete sie mit der Bemerkung "Vollstreckung der wasserpolizeilichen Aufträge gemäß §138 Abs1 lita WRG 1959" und mit dem neuerlichen Hinweis auf die erwähnten Bescheide des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 25. November 1974 und vom 17. März 1977 unter der Überschrift "Devolutionsantrag" folgendes Schreiben an das Amt der Nö. Landesregierung:

"Wie ich Ihnen wiederholt mitteilte, kommt die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten ihren Pflichten als Vollstreckungsbehörde nicht nach. Mit welchen Mitteln die obgenannten vollstreckbaren Bescheide umgangen werden sollen, habe ich mit Schriftsatz vom 24. 10. 1977 mitgeteilt. Da es sich in diesem Falle nicht nur um die Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte handelt, sondern auch um die Wahrung öffentlicher Interessen durch Reinhaltung des Grundwassers und grobe Verletzung des Wasserrechtsgesetzes 1959, stelle ich hiermit den Antrag, die Oberbehörde möge selbst die unverzügliche Vollstreckung durchführen. Bevor die Vollstreckung nicht vollzogen ist, kann ich den Schaden auf meinem Grund und Boden nicht beheben und die Gefahr im Verzug nicht abwenden. Weitere Erstreckungen, auch nur für Tage, sind nicht mehr zulässig. Die Kosten haben die Sachfälligen zu tragen ..."

3. Mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von NÖ vom 14. April 1978 wurde dem Devolutionsantrag vom 9. November 1977 gemäß §73 AVG 1950 keine Folge gegeben.

In der Begründung des Bescheides wird nach dem Hinweis auf die in der Zwischenzeit von der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten durchgeführten Maßnahmen (Androhung der Ersatzvornahme nach §4 Abs1 VVG 1950) zusammenfassend ausgeführt, daß die Voraussetzungen für eine Devolution nicht gegeben gewesen seien.

4. Gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von NÖ vom 14. April 1978 richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführerin behauptet, durch diesen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden zu sein und beantragt die Aufhebung dieses Bescheides.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid hat der Landeshauptmann von NÖ einen Antrag der Beschwerdeführerin auf Übergang der Entscheidungspflicht von der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten auf den Landeshauptmann als die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde zur Durchführung eines Verfahrens zur Vollstreckung zweier, im Rahmen eines wasserrechtlichen Verfahrens ergangener rechtskräftiger Bescheide gemäß §73 Abs2 AVG 1950 abgewiesen.

Die Abweisung eines solchen Verlangens hat den Charakter eines verfahrensrechtlichen Bescheides. Solche Bescheide, die ihre gesetzliche Grundlage im AVG 1950 haben, unterliegen nach der ständigen Rechtsprechung beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes hinsichtlich des Instanzenzuges grundsätzlich denselben Vorschriften, die für den Instanzenzug in der den Gegenstand des Verfahrens bildenden Verwaltungsangelegenheiten maßgebend sind (vgl. VfSlg. 8628/1979 und die dort angeführte Judikatur).

Der angefochtene Bescheid unterliegt demnach hinsichtlich des Instanzenzuges den Vorschriften, die für den Instanzenzug bei Durchführung eines Vollstreckungsverfahrens maßgebend sind.

Nach §10 Abs3 VVG 1950 geht der Instanzenzug gegen eine in mittelbarer Bundesverwaltung ergangene Vollstreckungsverfügung von der Bezirksverwaltungsbehörde (§1 VVG) an den Landeshauptmann, der endgültig entscheidet. Damit ist gegen den angefochtenen Bescheid ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Der Instanzenzug ist erschöpft; die Beschwerde ist, da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, zulässig.

2. Die Beschwerdeführerin bringt vor, daß sie mit dem angefochtenen Bescheid durch die unbegründete, willkürliche Abweisung ihres Antrages auf Übergang der Zuständigkeit an die belangte Behörde in ihrem "Recht auf den gesetzlichen Richter" verletzt worden sei.

Die Unterbindung der Ableitung der Abwässer vom Nachbargrundstück auf das Grundstück der Beschwerdeführerin hatte nach dem Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 17. März 1977 bis zum 30. Juni 1977 zu erfolgen. Die Beschwerdeführerin hat erstmals am 4. Juli 1977 bei der Bezirkshauptmannschaft St. Pölten einen Antrag auf Vollstreckung beider genannter Bescheide gestellt. Ihr am 9. November 1977 gestellter Antrag auf Devolution ist demnach vor Ablauf der in §73 AVG 1950 normierten sechsmonatigen Entscheidungsfrist an die Oberbehörde gerichtet worden. Damit waren im Zeitpunkt dieser Antragstellung die Voraussetzungen für den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung über den Vollstreckungsantrag an den Landeshauptmann nicht gegeben (vgl. VwGH 10. 11. 1970 Z 1858/70).

Die belangte Behörde hat daher zu Recht eine Sachentscheidung über das von der Beschwerdeführerin gestellte Begehren verweigert und dem Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht keine Folge gegeben.

Die Beschwerdeführerin wurde durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt.

3. Daß die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften verfassungswidrig seien, behauptet die Beschwerdeführerin nicht. Auch der VfGH hegt aus der Sicht dieses Beschwerdefalles keine derartigen Bedenken.

Demnach wurde die Beschwerdeführerin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.

4. Die belangte Behörde hat dem in Rede stehenden Antrag zu Recht keine Folge gegeben. Da eine Entscheidung in der Sache selbst unterblieben ist, ist es auch ausgeschlossen, daß die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde (vgl. zuletzt VfSlg. 9101/1981 und die dort angegebene Vorjudikatur).

5. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Bescheid verfahrensrechtlicher, Devolution, Verwaltungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B260.1978

Dokumentnummer

JFT_10188986_78B00260_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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