TE Vfgh Erkenntnis 1981/10/19 B43/81

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Veröffentlicht am 19.10.1981
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Index

L4 Innere Verwaltung
L4005 Prostitution, Sittlichkeitspolizei

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art118 Abs3 Z8
MRK Art8
StGG Art5
Oö PolStG §2 Abs3
ProstitutionsV des Stadtgemeinde Vöcklabruck vom 21.12.79

Leitsatz

Prostitutionsverordnung Vöcklabruck vom 21. Dezember 1979; keine Bedenken gegen §2 Abs3 Oö. Polizeistrafgesetz; Voraussetzungen für die Erlassung der Verordnung nach dieser Gesetzesstelle gegeben; keine denkunmögliche Anwendung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Oö. Landesregierung vom 28. April 1980 (zugestellt am 4. Dezember 1980) wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, dadurch eine Verwaltungsübertretung nach §2 Abs3 des Oö. Polizeistrafgesetzes 1979, LGBl. 36 (Oö. PolStG) iVm der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Vöcklabruck vom 21. Dezember 1979 betreffend das Verbot der Hingabe des eigenen Körpers zur sexuellen Befriedigung anderer Personen zu Erwerbszwecken (PrV Vöcklabruck) begangen zu haben, daß sie in der Zeit vom 21. bis 24. Jänner 1980 in Vöcklabruck, Oberer Buchleitenweg 5, erwerbsmäßig die Prostitution ausgeübt habe, obwohl diese Tätigkeit auf Grund der zitierten Verordnung in diesem Haus verboten ist. Über die Beschuldigte wurde gemäß §10 Abs1 litb Oö. PolStG eine Geldstrafe von S 10.000,-, im Falle der Uneinbringlichkeit eine Arreststrafe in der Dauer von 10 Tagen verhängt.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Die Beschwerdeführerin behauptet, durch den bekämpften Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Achtung des Privatlebens (Art8 MRK) und in ihren Rechten wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung (der PrV Vöcklabruck) verletzt worden zu sein. Sie beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. a) Nach §2 Abs3 Oö. PolStG kann die Hingabe des eigenen Körpers zur sexuellen Befriedigung anderer Personen zu Erwerbszwecken von der Gemeinde für den Bereich bestimmter Gebäude, Gebäudeteile oder Gruppen von Gebäuden durch Verordnung untersagt werden, wenn durch diese Tätigkeit die Nachbarschaft unzumutbar belästigt, das örtliche Gemeinwesen gestört wird oder sonstige öffentliche Interessen, insbesondere solche der Ruhe, Ordnung und Sicherheit und des Jugendschutzes, verletzt werden. Wer einem solchen Verbot zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung.

Die Erlassung einer solchen Verordnung fällt §11 Abs1 leg. cit. zufolge in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde.

Die Strafbestimmungen des §10 sehen für Verwaltungsübertretungen gemäß §2 eine Geldstrafe bis zu S 50.000,- vor.

b) Der Gemeinderat der Stadtgemeinde Vöcklabruck hat am 21. Dezember 1979 beschlossen, folgende Verordnung zu erlassen:

VERORDNUNG

der Stadtgemeinde Vöcklabruck vom 21. Dezember 1979 betreffend das Verbot der Hingabe des eigenen Körpers zur sexuellen Befriedigung anderer Personen zu Erwerbszwecken:

Auf Grund des §2 Abs3 des OÖ. Polizeistrafgesetzes LGBl. Nr. 36/79 wird verordnet:

§1

Die Hingabe des eigenen Körpers zur sexuellen Befriedigung anderer Personen zu Erwerbszwecken im Hause Oberer Buchleitenweg 5 in der Stadtgemeinde Vöcklabruck ist verboten.

§2

Wer dieser Verordnung zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu S 50.000,-

zu bestrafen.

§3

Diese Verordnung tritt mit dem auf den Ablauf der Kundmachungsfrist folgenden Tag in Kraft.

Gleichzeitig tritt die vom Bürgermeister gem. §2 Abs3 des OÖ. Polizeistrafgesetzes LGBl. Nr. 36/1979 in Verbindung mit §60 der OÖ. GemO. LGBl. Nr. 45/1965 i. d. g. F. erlassene und vom Gemeinderat in der Sitzung vom 30. 11. 1979 genehmigte Verordnung vom 1. 9. 1979 Zl. II-1/130-1-1979-Dr.Sa/Ka außer Kraft."

Diese Verordnung wurde durch Anschlag an der Amtstafel in der Zeit vom 22. Dezember 1979 bis 7. Jänner 1980 kundgemacht.

2. a) Die Beschwerdeführerin begründet ihre Behauptung, in den oben unter I.1 erwähnten Rechten verletzt worden zu sein, ausschließlich damit, daß die Verordnung des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Vöcklabruck vom 1. September 1979 gesetzwidrig sei. Auf diesen Vorwurf hat der VfGH nicht einzugehen, da der angefochtene Bescheid nicht auf diese Verordnung vom 1. September 1979, sondern auf die oben unter II.1.b wiedergegebene PrV Vöcklabruck vom 21. Dezember 1979 gestützt wurde. Da die Verordnung vom 1. September 1979 mit der PrV Vöcklabruck vom 21. Dezember 1979 aufgehoben wurde, hatte die belangte Behörde ihren Bescheid auch nicht auf die erstzitierte Verordnung zu gründen: Die der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Tat wurde in der Zeit vom 21. bis 24. Jänner 1980 begangen, also nach dem Inkrafttreten der PrV Vöcklabruck vom 21. Dezember 1979 und nach dem Außerkrafttreten der Verordnung vom 1. September 1979.

Soweit das Vorbringen der Beschwerdeführerin auf die den angefochtenen Bescheid tatsächlich tragende PrV Vöcklabruck vom 21. Dezember 1979 übertragbar ist, läßt es sich wie folgt zusammenfassen:

Die Voraussetzungen des §2 Abs3 Oö. PolStG seien nicht vorgelegen.

Die Verordnung verstoße gegen Art8 MRK. Sexualverhalten, das nicht öffentlich in Erscheinung tritt, gehöre zur Privatsphäre des Menschen (Hinweis auf das Erk. VfSlg. 8272/1978). Im Hinblick auf den Verfassungsrang der MRK habe jedermann Anspruch auf Achtung dieser Sphäre. In diese Sphäre falle auch die in der Öffentlichkeit nicht in Erscheinung tretende geschlechtliche Hingabe; dies gelte selbst dann, wenn sie um einer bedungenen Entlohnung willen erfolge und sich demnach als Prostitution darstelle. Nichts rechtfertige die Annahme, daß die Verordnung zum Schutze der Gesundheit, der Moral oder zum Schutze der Rechte und Freiheiten anderer getroffen wurde.

Im übrigen dürften Regelungen zum Schutze der Gesundheit nur vom Bundesgesetzgeber, nicht aber auch vom Landesgesetzgeber erlassen werden (Hinweis auf Art10 Abs1 Z12 B-VG).

b) Das Oö. PolStG regelt in seinem §2 Abs3 ausschließlich solche Arten der Ausübung der Prostitution, die in der Öffentlichkeit bemerkbar sind. Die Gewerbsmäßigkeit der Ausübung bringt es nämlich notwendigerweise mit sich, daß sie der Öffentlichkeit gegenüber in Erscheinung tritt. Diese Bestimmung zählt daher zur Regelungsmaterie "Sittlichkeitspolizei" iS des Art118 Abs3 Z8 B-VG. Die Sittlichkeitspolizei fällt in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder nach Art15 Abs1 B-VG. Der VfGH hat daher keine Bedenken dagegen, daß die zitierte Gesetzesbestimmung vom Landesgesetzgeber erlassen wurde (vgl. VfSlg. 8445/1978, S 380 f. und die dort zitierte Vorjudikatur). Die hier getroffene Regelung erfolgte nicht unter dem Aspekt des Gesundheitswesens (Art10 Abs1 Z12 B-VG).

Die PrV Vöcklabruck untersagt - in Übereinstimmung mit §2 Abs3 Oö. PolStG - lediglich die gewerbsmäßige Prostitution; die Verordnung erfaßt daher nur solche Formen der Prostitution, die der Öffentlichkeit gegenüber in Erscheinung treten; daraus ergibt sich, daß die Verordnung die dem Schutz des Art8 MRK unterliegende Privatsphäre gar nicht berührt (vgl. VfSlg. 8445/1978, S 381, 8763/1980 und 8907/1980).

Der VfGH hat auch sonst gegen die PrV Vöcklabruck und die weiteren den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. zu den allgemeinen Fragen die hg. Erk. vom heutigen Tage V1/81 und V5/81).

Die PrV Vöcklabruck wird auf §2 Abs3 Oö. PolStG (s.o. II.1.a) gestützt.

Die Oö. Landesregierung hat in ihrer Äußerung vom 8. April 1981 ausführlich - unter Anführung konkreter Vorfälle - dargelegt, daß durch die Ausübung der Prostitution im Haus Vöcklabruck, Oberer Buchleitenweg 5, die Nachbarschaft unzumutbar belästigt worden sei und Interessen des Jugendschutzes verletzt worden seien. Diese Sachverhaltsdarstellung in der Äußerung der Oö. Landesregierung ist von der Antragstellerin unwidersprochen geblieben.

Der VfGH hat keine Bedenken dagegen, daß der Gemeinderat der Gemeinde Vöcklabruck auf Grund dieses Sachverhaltes angenommen hat, durch die Begleitumstände, die mit der Ausübung der Prostitution im erwähnten Gebäude verbunden sind, träten die wiedergegebenen Störungen ein (dies unabhängig davon, wer dort der Prostitution nachgeht), und daß also die Voraussetzungen für eine Verordnungserlassung nach §2 Abs3 Oö. PolStG vorlagen.

Zusammenfassend ist sohin festzuhalten, daß die Beschwerdeführerin nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden ist.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde über die Beschwerdeführerin eine Geldstrafe und eine Ersatzarreststrafe verhängt. Er greift daher in ihre verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Freiheit der Person ein.

Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der bei Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften (s.o. II.2.b) wäre die Beschwerdeführerin in diesen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nur verletzt worden, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte (vgl. zB VfSlg. 8763/1980).

Derartiges ist im Verfahren aber nicht hervorgekommen. Die Beschwerdeführerin erhebt keine in diese Richtung zielenden Vorwürfe.

Die Beschwerdeführerin ist weder in den erwähnten noch in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Gemeinderecht, Wirkungsbereich eigener, Sittlichkeitspolizei, Prostitution

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B43.1981

Dokumentnummer

JFT_10288981_81B00043_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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