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44 ZivildienstLeitsatz
Zivildienstgesetz; keine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks ZivildienstleistungSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Der Beschwerdeführer beantragte mit Eingabe an das Militärkommando Wien unter Bezugnahme auf §2 Abs1 des Zivildienstgesetzes - ZDG, BGBl. 187/1974, die Befreiung von der Wehrpflicht und brachte im wesentlichen folgendes vor: Er lehne aus Gewissensgründen die Anwendung organisierter Gewalt oder gar der Waffengewalt prinzipiell ab. Grundlage dieser Ablehnung seien seine politischen, sozialen und ethischen Werthaltungen. Er könne sich keine Umstände vorstellen, auch keinen gerechten oder ungerechten Krieg, unter denen er sich einem Befehl, Waffengewalt anzuwenden oder zu töten, fügen könnte. Das Kriegführen sei mit allen Überlegungen und Begriffen der Menschlichkeit und Gleichheit aller Menschen sowie mit ihrem Recht auf friedliche und ungestörte Entwicklung unvereinbar. Selbstverständlich sei er bereit, anstelle des Wehrdienstes den Zivildienst abzuleisten und seine Zivildienstpflichten gewissenhaft zu erfüllen.
2. Die Zivildienstkommission beim Bundesministerium für Inneres (im folgenden: ZDK) führte sodann Erhebungen über die Person des Beschwerdeführers durch. Sie ergaben, daß er mit Urteil des Gerichtes Cadiz, Spanien, vom 29. Jänner 1975 wegen Suchtgiftschmuggels (Mitführens von 6,2 kg Haschisch) zu einer Gefängnisstrafe von 6 Jahren und einem Tag sowie zu einer Geldstrafe von 30.000 Peseten verurteilt worden war.
In der mündlichen Verhandlung vor der ZDK, Senat 4, bezog sich der Beschwerdeführer auf seinen schriftlichen Antrag und brachte weiters vor, daß er die dort dargelegten Ansichten seit Jahren habe. Er sei beim "Bundesheer-Volksbegehren" engagiert gewesen. Der Beschwerdeführer erklärte weiters, daß er zu Unrecht verurteilt worden sei; das Haschisch sei damals ohne sein Wissen in einer Garage in sein Auto gegeben worden und hätte ihm offenbar nach der Grenze abgenommen werden sollen. Auf die Frage, wie Österreich verteidigt werden solle, gab der Beschwerdeführer an: "Jedenfalls nicht von mir." Er sei gegen Verteidigung mit Waffengewalt; eine andere Alternative stelle sich seiner Meinung nach für Österreich nicht, Österreich könne sich auch mit Waffengewalt nicht verteidigen.
3. Mit Bescheid vom 23. Mai 1977 wies die ZDK, Senat 4, den Antrag des Beschwerdeführers unter Berufung auf §2 Abs1 und 6 Abs1 ZDG ab. Sie bezog sich in der Begründung ihrer Entscheidung auf das Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Eingabe und führte im wesentlichen aus, daß der Beschwerdeführer vor der Kommission nicht vermocht habe, "weitere Gewissensgründe geltend zu machen". Es sei offenkundig geworden, daß ihn Probleme der Landesverteidigung bisher nicht berührt hätten. Beweise für eine Betätigung beim seinerzeitigen Volksbegehren zur Abschaffung des Bundesheeres habe er nicht vorgelegt. Einen weiteren Grund für die Abweisung des Antrages bilde die Verurteilung wegen Mitführens von 6,2 kg Haschisch; die Weitergabe dieser Menge hätte ausgereicht, das Leben zahlreicher Menschen zu gefährden.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verfasssungsgerichtshofbeschwerde, in welcher der Beschwerdeführer die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte unter namentlicher Nennung des Gleichheitsrechtes behauptet und die Bescheidaufhebung begehrt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Vorerst erscheint dem VfGH eine Prüfung des bekämpften Bescheides unter dem Blickpunkt geboten, ob durch ihn das gemäß §2 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung verletzt wurde. Wie der VfGH im Hinblick auf die durch ArtII Z2 der Zivildienstgesetz-Nov. 1980, BGBl. 496, mit Wirksamkeit vom 1. Dezember 1980 (ArtIV Abs1 Z5 dieser Nov.) herbeigeführte neue Fassung dieser Verfassungsbestimmung in einem vergleichbaren Fall schon ausgesprochen hat (VfSlg. 9171/1981), ist ein vor dem Inkrafttreten der zitierten Novellenvorschrift ergangener Bescheid anhand der zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung geltenden Fassung des §2 Abs1 ZDG zu beurteilen; diese Fassung liefert auch den Maßstab für die vorzunehmende Prüfung, ob das durch die bezogene Verfassungsbestimmung gewährleistete Recht verletzt wurde.
Eine Verletzung des durch §2 Abs1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes liegt nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH vor, wenn die Behörde die in dieser Gesetzesstelle umschriebenen materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Wehrpflichtbefreiung unrichtig beurteilt hat, und weiters - im Hinblick darauf, daß die für den Nachweis der Voraussetzungen maßgebende Vorgangsweise der Glaubhaftmachung (Bescheinigung) in den Schutzumfang des Rechtes einbezogen ist - dann, wenn der Behörde wesentliche Verstöße in diesem verfahrensrechtlichen Bereich unterlaufen sind oder wenn sie dem Antragsteller überhaupt die Möglichkeit genommen hat, das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen glaubhaft zu machen.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers vor der ZDK beinhaltet nur Darlegungen darüber, daß er auf Grund bestimmter Erwägungen die (von ihm gemeint: militärische) Anwendung von Waffengewalt gegen Menschen ablehnt; er hat aber für seine Person nicht dargetan, weshalb er im Falle der Anwendung von Waffengewalt in eine schwere Gewissensnot geraten würde. Wie der VfGH in gleichgelagerten Fällen schon ausgesprochen hat (s. das schon erwähnte Erk. VfSlg. 9171/1981 und die dort angeführte Vorjudikatur), ist bei einer solchen Sachlage die ZDK schon auf dem Boden der Behauptungen des Beschwerdeführers gehalten, die von ihm begehrte Befreiung von der Wehrpflicht mangels Erfüllung der materiellen Voraussetzungen des §2 Abs1 ZDG zu verweigern. Ist die Befreiung von der Wehrpflicht aber bereits in Ansehung des eigenen Standpunktes des Antragstellers wegen des Fehlens der materiellen Voraussetzungen abzulehnen, so ist es - wie der VfGH ebenfalls im bezogenen Erk. dargelegt hat - auch unerheblich, ob die belangte ZDK ihren Bescheid etwa unrichtig begründet hat oder ob ihr irgendwelche Verfahrensfehler unterlaufen sind.
Zusammenfassend ist sohin festzuhalten, daß eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Befreiung von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung nicht stattfand.
2. Die vom Beschwerdeführer ausdrücklich behauptete Verletzung des Gleichheitsrechtes könnte gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH nur vorliegen, wenn der Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruhte oder wenn die belangte Behörde Willkür geübt hätte. Es trifft jedoch beides nicht zu.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Gesetzesvorschriften wegen eines Verstoßes gegen das auch den Gesetzgeber bindende Gleichheitsgebot haben sich aus der Sicht dieses Beschwerdefalles nicht ergeben; die Vorschrift des §2 Abs1 ZDG scheidet, da es sich um eine Verfassungsbestimmung handelt, bei dieser Betrachtung von vornherein aus.
Wenn der Beschwerdeführer rügt, daß die ZDK die Geltendmachung "weiterer Gewissensgründe" vermißt habe, so kann dies nach dem Vorgesagten nicht zielführend sein. Bildeten nämlich die vom Beschwerdeführer in seinem schriftlichen Antrag ins Treffen geführten Gründe keinen tauglichen Boden für die von ihm verlangte Wehrpflichtbefreiung, so kam dem von der ZDK hervorgehobenen Umstand durchaus Bedeutung zu, daß er (in der Verhandlung vor dem Senat der ZDK) keine "weiteren Gewissensgründe" geltend machte.
Soweit der Beschwerdeführer jedoch das Vorgehen der belangten Behörde deshalb kritisiert, weil sie im gegebenen Zusammenhang eine Auseinandersetzung des Beschwerdeführers mit Problemen der Landesverteidigung vermißte und ihm die Verurteilung wegen Rauschgiftschmuggels vorwarf, beinhaltet dies nur den Vorwurf einer unrichtigen Wertung der für die Wehrpflichtbefreiung geltend gemachten Gründe unter dem Gesichtspunkt der Beweiswürdigung, mithin den Vorwurf eines dem verfahrensrechtlichen Bereich zuzuordnenden Fehlers. Ob ein solcher jedoch tatsächlich unterlaufen ist, ist hier - wie ebenfalls schon dargetan - wegen der Untauglichkeit der vorgebrachten Gründe für die Wehrpflichtbefreiung belanglos.
3. Da das Beschwerdeverfahren auch nicht ergab, daß der Beschwerdeführer in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in Rechten verletzt wurde, war die Beschwerde abzuweisen.
Schlagworte
ZivildienstEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:B312.1977Dokumentnummer
JFT_10188979_77B00312_00