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32 SteuerrechtNorm
StGG Art5Leitsatz
EStG 1972; einkommensteuerliche Behandlung einer Höherversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung; keine Bedenken gegen §16 Abs1 und §18 Abs1; keine denkunmögliche und keine gleichheitswidrige AnwendungSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Der Beschwerdeführer, welcher im Jahr 1973 als Konditormeister ausschließlich Einkünfte aus seinem Gewerbebetrieb erzielte, beantragte in der Einkommensteuererklärung für dieses Jahr die Anerkennung in bestimmter Höhe geleisteter Beiträge für seine freiwillige Höherversicherung in der (Gewerblichen Selbständigen-)Pensionsversicherung als Werbungskosten für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit mit der Begründung, daß diese Beiträge der Erwerbung künftiger Lohneinkünfte (Pensionsbezüge) dienten. Diesen Antrag wies die Finanzlandesdirektion für Sbg. mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 7. November 1975 unter Bezugnahme auf Bestimmungen im §16 Abs1 erster Satz und im §18 Abs1 EStG 1972 ab und begründete ihre Entscheidung im wesentlichen folgendermaßen: Nach Lehre und Rechtsprechung müsse bei Werbungskosten ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Einnahmen und den Aufwendungen gegeben sein; Anschaffungen für die Einkunftsquelle führten grundsätzlich zu keinen Werbungskosten. Durch die nunmehr im EStG 1972 expressis verbis enthaltene Regelung, daß Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten seien, sei lediglich der Entwicklung im Bereich der gesetzlichen Sozialversicherung Rechnung getragen und kein neues Recht geschaffen worden. Das gleiche gelte auch für den im Einleitungssatz des §18 Abs1 Z2 EStG 1972 enthaltenen Nebensatz "soweit diese Beiträge und Versicherungsprämien weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind", denn auf Grund der Systematik des Einkommensteuergesetzes hätten auch nach den vor dem EStG 1972 geltenden Einkommensteuergesetzen als Sonderausgaben nur Ausgaben abgesetzt werden können, bei denen es sich weder um Betriebsausgaben noch um Werbungskosten handelte; das EStG 1972 unterscheide sich hier von den früheren gesetzlichen Regelungen nur dadurch, daß es diesen Umstand ausdrücklich erwähne. Dadurch seien aber Ausgaben, die ihrer Natur nach keine Werbungskosten seien, nicht zu Werbungskosten geworden.
2. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den VfGH, in welcher der Beschwerdeführer (ausdrücklich) eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums sowie (der Sache nach) eine Verletzung des Gleichheitsrechtes deshalb behauptet, weil die Behörde dem Gesetz fälschlicherweise einen verfassungswidrigen (nämlich einen gleichheitswidrigen) Inhalt unterstellt habe. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und - hilfsweise - die Beschwerdeabtretung an den VwGH.
II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:
1. Der Beschwerdeführer behauptet nicht, daß der in meritorischer Hinsicht auf Vorschriften des EStG 1972 - im folgenden gebrauchte Paragraphenangaben ohne nähere Bezeichnung beziehen sich stets auf dieses Gesetz in der damals maßgebenden Fassung der Nov. BGBl. 493/1972 - gestützte Bescheid auf verfassungswidrigen Gesetzesvorschriften beruhe; auch der VfGH hegt in dieser Richtung keine Bedenken. Er regt in der Beschwerde jedoch an, von Amts wegen ein Verordnungsprüfungsverfahren bezüglich des zweiten Satzes im letzten Absatz des Abschnittes (2) zu §16 Abs1 Z4 der Lohnsteuererläuterungen 1972 - LStE 1972 (Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen vom 5. Dezember 1972, AÖFV 309/1972) einzuleiten, in dem - unter Berufung auf je eine Entscheidung des VwGH und des VfGH - ausgeführt wird, daß bestimmte Beiträge, insbesondere Beiträge für eine Höherversicherung oder Weiterversicherung im Rahmen der gesetzlichen Sozialversicherung, unter die Versicherungsbeiträge gemäß §18 Abs1 Z2 zu rechnen sind.
Am Eingang der LStE 1972 wird bemerkt, daß sie "zum Großteil die zum EStG 1953 bzw. 1967 ergangene Rechtsprechung des VfGH und VwGH insoweit wieder(geben), als das formell neue EStG 1972 in seinen Bestimmungen mit der überholten Rechtslage im Einklang steht. Im übrigen teilen die LStE bei Fehlen einer Rechtsprechung der Höchstgerichte die Rechtsauffassung des Bundesministeriums für Finanzen mit". Ferner wird hier bezüglich der Begründung finanzbehördlicher Entscheidungen ausgesagt, daß sie "ausschließlich aus dem Gesetz abzuleiten und zutreffendenfalls durch Hinweise auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte zu erhärten" sei.
Der VfGH hat zu insoweit vergleichbaren Erlässen des Bundesministeriums für Finanzen (etwa in VfSlg. 8858/1980 zum Durchführungserlaß zum Umsatzsteuergesetz 1972 oder in VfSlg. 8613/1979 zu den Vermögenssteuerrichtlinien 1971 jeweils mit weiteren Judikaturnachweisen) den Standpunkt eingenommen, daß keine Verordnung vorliegt, wenn die Behörde bloß ihre Rechtsansicht mitteilt. Dieser Standpunkt, auf dem der VfGH bleibt, trifft auch für die vom Beschwerdeführer kritisierten LStE 1972 zu.
Da beim VfGH auch sonst keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Rechtsgrundlagen des bekämpften Bescheides entstanden sind, liegt in dieser Beziehung kein im verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren wahrzunehmender Mangel dieses Bescheides vor.
2. Bei der gegebenen verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte die vom Beschwerdeführer geltend gemachte Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH nur vorliegen, wenn die belangte Behörde die von ihr herangezogenen Rechtsvorschriften in einer denkunmöglichen Weise angewendet hätte. Dies trifft jedoch - wie die folgenden Ausführungen nachweisen - ebensowenig zu wie die vom Beschwerdeführer (offenbar unter dem Blickpunkt des Gleichheitsgebotes) behauptete nicht verfassungskonforme Gesetzeshandhabung durch die belangte Finanzlandesdirektion.
a) Der Beschwerdeführer meint, daß bei verfassungskonformer Gesetzesanwendung auch freiwillige Beiträge zu einem Träger der gesetzlichen Pensionsversicherung (voll abzugsfähige) Werbungskosten darstellten, weil durch diese Beiträge (nach Pensionsanfall) steuerbare Einkünfte herbeigeführt würden.
Mit einer gleichartigen Argumentation hatte sich der VfGH schon im Erk. VfSlg. 8472/1978 zu befassen, das insbesondere darauf Bezug nimmt, daß die aus einer freiwilligen Weiterversicherung resultierende Pension in gleicher Weise bereits ab dem Anfall der Einkommenbesteuerung unterliegt (§25 Abs1 Z3) wie eine solche, die aus Beiträgen zu einer Pflichtversicherung folgt. Bei dieser (einkommensteuerlichen) Gleichbehandlung handelt es sich jedoch - wie der VfGH aussprach - um die Rechtsfolgen dieser Vorgänge (im Bereich der gesetzlichen Pensionsversicherung), die als solche verfassungsrechtlich zu beurteilen seien; ein Rückschluß von ihnen auf die verfassungsrechtliche Wertung der Einkommenbesteuerung der zum Erwerb dieser Ansprüche erbrachten Leistungen sei nicht zulässig.
Aus dieser Ansicht, an welcher der VfGH festhält, ergibt sich entsprechend für den vorliegenden Beschwerdefall, daß die Betrachtungsweise des Beschwerdeführers verfehlt ist, weil auch sie auf die Rechtsfolgen seiner Beitragsleistung abstellt.
Das gleiche gilt für die Kritik des Beschwerdeführers, daß im Fall der freiwilligen Höherversicherung die (späteren) Pensionsbezüge in voller Höhe besteuert werden und nicht etwa bloß jener Bezugsanteil, der über den Wert der hingegebenen Aufwendungen hinausgeht, sowie für seinen Einwand, daß eine einkommensteuerliche Schlechterstellung gegenüber privaten Versicherungen vorliege (bei denen eine Einkommenbesteuerung bloß nach Maßgabe des kapitalisierten Wertes der Rentenverpflichtung iS des §29 Z1 vorgenommen wird).
b) Wenn der Beschwerdeführer weiters die Auffassung der belangten Behörde kritisiert, es müsse zwischen Aufwendungen zur Erzielung künftiger Einnahmen und diesen ein enger zeitlicher Zusammenhang bestehen, um sie als Werbungskosten anzuerkennen, so wirft er damit bloß eine Frage der richtigen Rechtsanwendung auf; er weist damit aber keineswegs eine denkunmögliche Gesetzesanwendung nach.
c) Soweit jedoch der Beschwerdeführer die Rechtsauffassung der belangten Finanzlandesdirektion sonst als denkunmöglich beanstandet, ist ihm in sinngemäßer Wiederholung des bereits im Erk. VfSlg. 8472/1978 vom VfGH eingenommenen Standpunktes folgendes entgegenzuhalten:
Es kann dahingestellt bleiben, ob die - auch von der belangten Behörde eingenommene - Argumentationsbasis, es sei im Hinblick auf künftige Pensionsleistungen eine Wertung unter dem Gesichtswinkel der geltend gemachten Werbungskosten vorzunehmen, in Ansehung der gewerblichen Tätigkeit des Beschwerdeführers überhaupt am Platz ist. Selbst wenn man sich nämlich auf diese Argumentationsbasis stellt, erweist sich die Annahme des Beschwerdeführers deshalb als nicht zielführend, weil seine gesamten umfangreichen Ausführungen nicht nachweisen, daß sich die von ihm vorgeschlagene Auslegung als die einzige in Betracht kommende aus dem Gesetz ableiten läßt. Allein schon die in Z4 des §16 Abs1 festgelegte Einschränkung der Beiträge des Versicherten auf solche zur Pflichtversicherung erlaubt es, die im Eingangssatz des §16 Abs1 gegebene allgemeine Umschreibung der Werbungskosten dahin zu deuten, daß ihr nach der Absicht des Gesetzgebers keine anderen als Pflichtbeiträge, mithin nicht auch anläßlich einer freiwilligen (Höher-)Versicherung entrichtete Beiträge zu unterstellen sind.
3. Im übrigen ist zur Beschwerde, die ihre eingehenden Ausführungen selbst als "relativ umfangreich" bezeichnet, festzuhalten, daß der VfGH im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nach Art144 B-VG ausschließlich zur Wahrnehmung einer Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte oder einer Rechtsverletzung infolge der Anwendung rechtswidriger genereller Rechtsnormen berufen ist. Der restliche Teil der Beschwerdeausführungen betrifft nämlich bloß Fragen der richtigen Rechtsanwendung, die vom VwGH zu beantworten wären.
4. Zusammenfassend ergibt sich, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid weder in den - ausdrücklich oder implizit - geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt wurde. Da der VfGH auch weder die Verletzung eines anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes noch eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm findet, war die Beschwerde abzuweisen.
Schlagworte
Verordnungsbegriff, Einkommensteuer, WerbungskostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:B6.1976Dokumentnummer
JFT_10188979_76B00006_00