Index
50 GewerberechtNorm
GewO 1973 §28 Abs1Leitsatz
GewO 1973; keine Bedenken gegen §28; keine Verletzung der Berufswahlfreiheit und der ErwerbsausübungsfreiheitSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 19. Feber 1979 wurde dem Beschwerdeführer gemäß §§28 und 346 Abs1 Z2 der Gewerbeordnung 1973 - GewO 1973, BGBl. 50/1974 (idF vor der Nov. BGBl. 233/1978) die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis zur Ausübung des Gastgewerbes in einem bestimmten Standort verweigert.
Der Bescheid war im wesentlichen damit begründet, daß das durchgeführte Ermittlungsverfahren, insbesondere das eingeholte Gutachten der Fachgruppe der Gast- und Schankbetriebe der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol ergeben habe, daß der Beschwerdeführer über keinerlei fachlich einschlägige Praxis im Gastgewerbe verfüge. Auch die von ihm vorgelegte Bestätigung über eine Beschäftigung in einem Gasthaus in einer der Nachbargemeinden könne nicht als gastgewerbliche Praxis angesehen werden, weil darin nur auf seine Tätigkeit als Musiker hingewiesen werde. In der vom Beschwerdeführer zu diesem Gutachten abgegebenen Äußerung habe er lediglich auf Art18 StGG verwiesen, wonach es jedermann freistehe, einen Beruf zu wählen und sich für denselben auszubilden, wie und wo er wolle.
Da es nicht Sache der Behörde sein könne, die Verfassungsmäßigkeit eines Bundesgesetzes zu prüfen, und da der Beschwerdeführer in der Sache selbst nichts vorgebracht habe und auch nicht in der Lage gewesen sei, einen Nachweis seiner vollen Befähigung zu erbringen, sei die erbetene Nachsicht mangels Vorliegens der geforderten Befähigung zu verweigern gewesen.
Im übrigen werde noch bemerkt, daß auch nach Ansicht der Behörde die Tatsache der Ausübung eines Handelsgewerbes (der Beschwerdeführer betreibt einen Kiosk gemäß §103 Abs1 Z25 GewO 1973) noch nicht jene Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen zu vermitteln vermöge, die zur Ausübung des angestrebten Gewerbes erforderlich seien.
2. Der gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 19. Feber 1979 vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung hat der Bundesminister für Handel, Gewerbe und Industrie mit dem Bescheid vom 25. April 1979 gemäß §66 Abs4 AVG 1950 und §28 Abs1 GewO 1973 keine Folge gegeben. Nach der Begründung dieses Bescheides sei der erstinstanzliche Bescheid aus seinen zutreffenden Gründen, die durch die Berufungsausführungen nicht entkräftigt worden seien, zu bestätigen gewesen.
3. Gegen den Bescheid des Bundesministers für Handel, Gewerbe und Industrie vom 25. April 1979 richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer behauptet, durch den angefochtenen Bescheid "in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf freie Berufsausübung und Berufswahl verletzt" worden zu sein.
Es wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. In der Beschwerde wird ausgeführt, daß durch Art18 StGG gewährleistet sei, "daß jedermann seine Berufsausbildung frei wählen" könne. Darunter müsse "aber auch eine Ausbildung verstanden werden, die sich jemand selbst, also auf autodidaktische Weise" aneigne. Dem Beschwerdeführer werde "nunmehr zu Unrecht die Berufswahl als Gastwirt" verweigert und ein "Ausbildungsstand ... nämlich eine Konzessionsprüfung" vorgeschrieben. Die Gewerbeordnung 1973 sei insbesondere in bezug auf die besonderen Voraussetzungen für ein Gewerbe und die Nachsicht für die Voraussetzungen für die Ausübung von Gewerben verfassungsrechtlich bedenklich. In Österreich bestehe vollkommene Gewerbefreiheit, was aus dem Art18 StGG 1867 eindeutig hervorgehe.
2. Die vom Beschwerdeführer begehrte Nachsicht vom Befähigungsnachweis wurde im angefochtenen Bescheid auf Grund des §28 Abs1 GewO 1973 verweigert. Diese Bestimmung lautet:
"Sofern eine Verordnung gemäß §22 Abs4 nichts Gegenteiliges bestimmt, ist die Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis - ausgenommen vom Erfordernis der Zusatzprüfung gemäß §99 oder §102 - zu erteilen, wenn nach dem Bildungsgang und der bisherigen Tätigkeit des Nachsichtswerbers angenommen werden kann, daß er die für die Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt und
1. a) ihm die Erbringung des vorgeschriebenen Befähigungsnachweises wegen seines Alters, seiner mangelnden Gesundheit oder aus sonstigen, in seiner Person gelegenen wichtigen Gründen nicht zuzumuten ist, oder
b) wenn besondere örtliche Verhältnisse für die Erteilung der Nachsicht sprechen, und
2. keine Ausschließungsgründe gemäß §13 vorliegen."
Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, §28 GewO 1973 sei mit Art18 StGG unvereinbar, ist darauf zu verweisen, daß es nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH dem Art18 StGG nicht widerspricht, wenn durch gesetzliche Vorschriften für die Antretung gewisser Berufe ein bestimmter Gang beruflicher Vorbereitung gefordert wird (vgl. VfSlg. 7859/1976). Schon daraus ergibt sich, daß die Behauptung des Beschwerdeführers, wonach in Österreich vollkommene Gewerbefreiheit bestehe, nicht zutrifft. Es steht daher die Regelung, wonach die Gewährung einer Nachsicht vom Befähigungsnachweis für den Antritt eines Gewerbes nur unter bestimmten Voraussetzungen vorgesehen ist, zu Art18 StGG nicht in Widerspruch.
Durch die auf diese Vorschriften gestützte Verweigerung der Nachsicht vom Befähigungsnachweis für die Ausübung des vom Beschwerdeführer angestrebten Gastgewerbes ist der Beschwerdeführer in dem durch Art18 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Berufswahl nicht verletzt worden.
Der Beschwerdeführer behauptet zwar ausdrücklich nur eine Verletzung des durch Art18 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes, doch ist dem Beschwerdevorbringen zu entnehmen, daß diesem auch die Behauptung zugrunde liegt, durch den angefochtenen Bescheid in dem durch Art6 StGG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung verletzt worden zu sein.
Dieses Grundrecht wird nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH durch einen in die Erwerbstätigkeit eingreifenden Bescheid verletzt, wenn dieser entweder ohne jede gesetzliche Grundlage erlassen worden ist oder sich auf ein verfassungswidriges Gesetz stützt oder wenn bei Erlassung des Bescheides eine gesetzliche Bestimmung in denkunmöglicher Weise angewendet worden ist (vgl. VfSlg. 8096/1977).
Daß die bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften, insbesondere §28 Abs1 GewO 1973 aus einem anderen Grunde als wegen des behaupteten Widerspruchs zu Art18 StGG verfassungswidrig seien, ist vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht worden.
Beim VfGH sind verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Regelungen unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles nicht entstanden (vgl. auch das bereits zitierte Erk. VfSlg. 8096/1977).
Eine denkunmögliche Anwendung des Gesetzes ist der belangten Behörde vom Beschwerdeführer nicht zum Vorwurf gemacht worden. Im Verfahren vor dem VfGH hat sich kein Anhaltspunkt ergeben, aus dem auf eine denkunmögliche Gesetzesanwendung bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides geschlossen werden könnte.
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Erwerbsbetätigung nicht verletzt worden.
4. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes ist vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden. Im Verfahren vor dem VfGH ist nicht hervorgekommen, daß der Beschwerdeführer in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden wäre.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Gewerberecht, Nachsicht (vom Befähigungsnachweis), Gastgewerbe Berufswahl- und Berufsausbildungsfreiheit, ErwerbsausübungsfreiheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:B290.1979Dokumentnummer
JFT_10188977_79B00290_00