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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Art139 Abs1 B-VG; Individualantrag auf Aufhebung der Verordnung des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 30. November 1979, soweit damit die Westseite des Hauptplatzes in Linz zur Fußgängerzone erklärt wird; keine LegitimationSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I.1. Die Liegenschaft Hauptplatz 18, 4020 Linz, dient nach Darstellung der Antragstellerinnen als Standort für den Druckereibetrieb der Erstantragstellerin. Die Zweitantragstellerin ist Miteigentümerin dieser Liegenschaft und einzelzeichnungsberechtigte Gesellschafterin der Erstantragstellerin.
Mit Verordnung des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 30. November 1979 wurde gemäß §76a Abs1 bis 4 StVO idF BGBl. 412/1976 unter anderem
"der Hauptplatz
2.1. an seiner Westseite, begrenzt durch die zwischen Klosterstraße und Hofgasse bestehende Häuserfront, die Verlängerung der Fahrbahn der Klosterstraße, die Stiegenanlage Richtung Straßenbahn mit Dreifaltigkeitssäule und den in Verlängerung der Hofgasse gekennzeichneten Fahrbahnrand;
2.2. an seiner Ostseite ..."
zur Fußgängerzone erklärt; es wurde weiters bestimmt, daß die Ladetätigkeit in der Zeit von 18.30 Uhr bis 10.30 Uhr vorgenommen werden darf. Diese Verordnung wurde noch am 30. November 1979 durch Anbringen von Hinweiszeichen gemäß §53 Z9a und b StVO 1960 kundgemacht.
Die Antragstellerinnen haben zunächst mit Beschwerde zu B11/80 "die faktischen Amtshandlungen und Maßnahmen des Magistrates der Landeshauptstadt Linz im Zusammenhang mit der Eröffnung der sogenannten 'Fußgängerzone Hauptplatz' in Linz am 1. Dezember 1979" angefochten. Der VfGH hat diese Beschwerde mit Beschluß vom 4. Oktober 1980 zurückgewiesen.
2. Gestützt auf Art139 B-VG wird nun folgender Antrag gestellt:
"a) auf Aufhebung der Verordnung des Bezirksverwaltungsamtes des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 30. 11. 1979 Zl. 101-5/79 hinsichtlich des Pkt. 2.1. mit welchem die Westseite des Hauptplatzes in Linz dauernd zur Fußgängerzone erklärt wurde
b) festzustellen, daß die vorgenannte Verordnung des Magistrates der Landeshauptstadt Linz vom 30. 11. 1979 Zl. 101-5/79 hinsichtlich der vorbehaltlosen und dauernden Erklärung der Westseite des Hauptplatzes in Linz zur Fußgängerzone und der allgemeinen Einschränkung der Ladetätigkeit auf die Zeit von 18.30 bis 10.30 gesetzwidrig war."
Außerdem wird begehrt, dem Antragsgegner die Kosten "dieser Beschwerde" aufzuerlegen.
Die Antragstellerinnen erachten sich "durch Sperre der Zu- und Abfahrt während der Hauptbetriebszeit" in näher bezeichneten, verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten unmittelbar verletzt.
Der Magistrat der Landeshauptstadt Linz hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der beantragt wird, den Individualantrag mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen, in eventu als unbegründet abzuweisen und den Antragstellern den Ersatz der Prozeßkosten aufzuerlegen.
Die Oö. Landesregierung hat auf eine Äußerung verzichtet.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Gemäß Art139 B-VG erkennt der VfGH über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auch auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung und ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Anfechtungsberechtigt ist also nur der Normadressat, in dessen Rechtssphäre unmittelbar durch die Verordnung selbst in einer nach Art und Ausmaß in der Verordnung eindeutig bestimmten Weise nicht bloß potentiell, sondern aktuell eingegriffen wird und dem ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der Rechtswidrigkeit nicht zur Verfügung steht; dabei ist von jenen Wirkungen der Norm auszugehen, durch die sich der Antragsteller beschwert erachtet (vgl. die ständige Rechtsprechung zunächst zu Individualanträgen auf Gesetzesprüfung seit VfSlg. 8009/1977 und sodann zur gleichgelagerten Frage bei Verordnungsprüfungen seit VfSlg. 8058/1977, 8060/1977).
2. a) Gemäß §76a Abs1 StVO 1960 idF BGBl. 412/1976 ist in einer Fußgängerzone jeglicher Fahrzeugverkehr verboten, sofern sich aus den folgenden Bestimmungen nichts anderes ergibt; die Bestimmungen des §45 über Ausnahmen in Einzelfällen bleiben ausdrücklich unberührt.
b) Der VfGH hält die Möglichkeit der Erwirkung einer Ausnahmebewilligung iSd §45 StVO für einen zumutbaren Weg zur Geltendmachung der behaupteten Rechtswidrigkeiten.
Die hier wesentlichen Teile der ersten beiden Absätze dieser Vorschrift lauten:
"(1) Die Behörde kann auf Antrag durch Bescheid die Benützung von Straßen mit einem Fahrzeug oder einer Ladung mit größeren als den zulässigen Maßen und Gewichten bewilligen, wenn das Vorhaben im besonderen Interesse der österreichischen Volkswirtschaft liegt, sich anders nicht durchführen läßt und keine erheblichen Erschwerungen des Verkehrs und keine wesentlichen Überlastungen der Straße verursacht. Antragsberechtigt sind der Fahrzeugbesitzer oder die Person, für welche die Beförderung durchgeführt werden soll ...
(2) In anderen als den in Abs1 bezeichneten Fällen kann die Behörde Ausnahmen von Geboten oder Verboten, die für die Benützung der Straße gelten, auf Antrag bewilligen, wenn ein erhebliches persönliches (wie zB auch wegen einer schweren Körperbehinderung) oder wirtschaftliches Interesse des Antragstellers eine solche Ausnahme erfordert, oder wenn sich die ihm gesetzlich oder sonst obliegenden Aufgaben nicht oder nur mit besonderen Erschwernissen durchführen ließen und eine wesentliche Beeinträchtigung von Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nicht zu erwarten ist. Eine solche Bewilligung kann auch für alle Straßenbenützungen des Antragstellers von der annähernd gleichen Art für die Dauer von höchstens zwei Jahren erteilt werden, wenn für die Dauer dieser Befristung eine erhebliche Änderung der Verkehrsverhältnisse nicht zu erwarten ist."
c) Ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmebewilligung vom Fahrverbot in der Fußgängerzone gegeben sind, muß in einem (auf Antrag des Betroffenen eingeleiteten) Verwaltungsverfahren geklärt werden. Sind die Voraussetzungen gegeben, so hat die Behörde durch Erteilung der beantragten Bewilligung die sonst für jedermann eintretende Verkehrsbeschränkung für den Antragsteller aufzuheben. Damit steht diesem ein Mittel zur Verfügung, die Wirkungen der Verordnung von sich abzuwenden oder aber - wenn dieser Weg aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen erfolglos bleiben sollte - in einer Beschwerde gegen den die Ausnahme versagenden (letztinstanzlichen) Bescheid die Frage der Gesetzmäßigkeit des Verbotes an den VfGH heranzutragen. Diesen Weg hält der Gerichtshof für zumutbar (vgl. VfSlg. 8553/1979).
d) Es steht den Antragstellerinnen frei, solche Ausnahmebewilligungen zu beantragen. Im übrigen ist dies in einigen Fällen bereits geschehen. Nach den unwidersprochenen Ausführungen des Magistrates der Landeshauptstadt Linz in seiner Gegenschrift hat diese Behörde der Erstantragstellerin mit Bescheiden vom 11. Jänner 1980 und 28. November 1980 eine Ausnahmegenehmigung erteilt, die sämtlichen LKW und Kombifahrzeugen, die für die Erstantragstellerin Ladetätigkeiten verrichten, gestattet, diese Ladetätigkeit vor dem Hause Linz, Hauptplatz 18, durchzuführen und damit das Befahren der Fußgängerzone Hauptplatz West auch von 10.30 Uhr bis 18.30 Uhr einräumt; danach ist der Erstantragstellerin weiters am 14. März 1980 und 28. November 1980 die Ausnahme bewilligt worden, mit insgesamt vier PKW (zwei der Geschäftsleitung und zwei von Vertretern) jederzeit die Fußgängerzone Hauptplatz West zum Abstellen der Fahrzeuge im Hof des Objektes Hauptplatz 18 und zum Verlassen dieser Liegenschaft zu befahren.
3. Der Antrag war daher mangels Legitimation der Antragstellerinnen zurückzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Straßenpolizei, Fahrverbot, FußgängerzoneEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:V42.1980Dokumentnummer
JFT_10188873_80V00042_00