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74 Kirchen, ReligionsgemeinschaftenNorm
B-VG Art139 Abs1 / IndividualantragLeitsatz
Art139 Abs1 und 140 Abs1 B-VG; Individualanträge auf Aufhebung der §§1 bis 3 des Kirchenbeitragsgesetzes, GBlÖ 543/1939, und der §§1 bis 3 der 1. Durchführungsverordnung zum Kirchenbeitragsgesetz, GBlÖ 718/1939 idF GBlÖ 1408/1939; keine LegitimationSpruch
Die Anträge werden zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. In dem auf Art139 und Art140 B-VG gestützten Antrag begehren die Antragsteller die Überprüfung der Verfassungs- und Gesetzwidrigkeit von Gesetzen und Verordnungen, die den Kirchenbeitrag regeln. Sie erachten sich durch die genannten Vorschriften, insbesondere durch die §§1 bis 3 des Kirchenbeitragsgesetzes, GBlÖ 543/1939, und durch die §§1 bis 3 der 1. Durchführungsverordnung zum Kirchenbeitragsgesetz, GBlÖ 718/1939 idF der Verordnung GBlÖ 1408/1939, direkt und ohne Bescheid oder gerichtliche Entscheidung betroffen. Nach den Ausführungen der Antragsteller ergebe sich die Verpflichtung zur Kirchenbeitragszahlung dem Grunde nach ohne weiteres aus den genannten Vorschriften. Gegen diese werden insbesondere Bedenken aus dem Gesichtspunkte des Gleichheitssatzes, der Unverletzlichkeit des Eigentums und der Glaubens- und Gewissensfreiheit geäußert.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. a) Die §§1 bis 3 des Gesetzes über die Erhebung von Kirchenbeiträgen im Lande Österreich, GBlÖ 543/1939, haben folgenden Wortlaut:
"§1. Die katholische Kirche, die evangelische Kirche Augsburgischen und Helvetischen Bekenntnisses und die altkatholische Kirche in der Ostmark sind berechtigt, nach Maßgabe von ihnen zu erlassender Kirchenbeitragsordnungen zur Deckung des kirchlichen Sach- und Personalbedürfnisses Kirchenbeiträge zu erheben.
§2. (1) Kirchenbeitragspflichtig sind die volljährigen Mitglieder der im §1 angeführten Kirchen. Das Nähere regeln die Beitragsordnungen dieser Kirchen.
(2) Wird die Zugehörigkeit zu einer dieser Kirchen aufgehoben, so endet die Kirchenbeitragspflicht drei Monate nach dem Monatsersten, der auf den Austritt folgt. Stirbt der Kirchenbeitragspflichtige, so endet die Kirchenbeitragspflicht am letzten Tage des Sterbemonats.
§3. (1) Die Kirchenbeiträge werden von den Kirchen festgesetzt und erhoben. Für die Geltendmachung des Anspruches auf Kirchenbeiträge ist der Rechtsweg zulässig.
(2) Die Kirchenbeitragsordnungen und die die Kirchenbeiträge festsetzenden Beschlüsse bedürfen der staatsaufsichtlichen Genehmigung."
Die Verordnung des Reichskommissars für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich, wodurch Vorschriften zur Durchführung und Ergänzung des Gesetzes über die Erhebung von Kirchenbeiträgen im Lande Österreich erlassen werden, GBlÖ 718/1939, enthält in den §§1 bis 3 Bestimmungen über die Zuständigkeit zur Erlassung der Kirchenbeitragsordnungen iS des §1 des Gesetzes GBlÖ 543/1939 sowie über den Inhalt der Kirchenbeitragsordnungen (in diesem Zusammenhang insbesondere auch über die Grundsätze, nach denen die Kirchenbeiträge festgesetzt werden). Die Zweite Verordnung des genannten Reichskommissars, GBlÖ 1408/1939, kann im gegebenen Zusammenhang außer Betracht bleiben.
b) Nach Art139 Abs1 und Art140 Abs1 B-VG erkennt der VfGH über die Gesetz- bzw. Verfassungswidrigkeit von Verordnungen und Gesetzen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetz- bzw. Verfassungswidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung oder das Gesetz ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Anfechtungsberechtigt ist also nur der Normadressat, in dessen Rechtssphäre unmittelbar durch das Gesetz (die Verordnung) in einer nach Art und Ausmaß im Gesetz (in der Verordnung) eindeutig bestimmten Weise nicht nur potentiell, sondern aktuell eingegriffen wird und dem ein anderer zumutbarer Weg zur Geltendmachung der Rechtswidrigkeit nicht zur Verfügung steht (vgl. VfSlg. 8009/1977 und 8058/1977 und die seitherige ständige Rechtsprechung).
Allein schon aus dem Inhalt der angefochtenen Bestimmungen ergibt sich, daß dadurch nicht unmittelbar in die Rechtssphäre einer Person eingegriffen wird. Der VfGH vertritt in langjähriger Rechtsprechung (VfSlg. 3039/1956, 9199/1981) die Rechtsauffassung, daß die Kirchenbeitragsschuldigkeiten zivilrechtliche Verpflichtungen sind. Ein aktueller Eingriff in die Rechtssphäre einer Person iS der Art139 Abs1 und Art140 Abs1 B-VG erfolgt erst durch eine gerichtliche Entscheidung, die auf Grund einer nach den angefochtenen Bestimmungen erlassenen Kirchenbeitragsordnung gefällt wird.
Der Verordnungs- und Gesetzesprüfungsantrag war daher wegen des Fehlens der Antragsberechtigung zurückzuweisen, ohne daß geprüft zu werden braucht, ob nicht auch andere Gründe für die Zurückweisung des Antrages vorliegen.
Bei diesem Ergebnis konnte auch die Frage dahingestellt bleiben, ob nicht die angefochtenen Bestimmungen der Verordnung GBlÖ 718/1939 durch das Rechts-Überleitungsgesetz, StGBl. 6/1945, in der österreichischen Rechtsordnung formell als Gesetz in vorläufige Geltung gesetzt worden sind (vgl. die Rechtsprechung seit VfSlg. 1695/1948) und ob daher die Voraussetzungen für ein Verfahren nach Art139 B-VG überhaupt gegeben sind (vgl. VfSlg. Anhang 9/1952).
Schlagworte
Kultusrecht, Kirchenbeiträge, VfGH / IndividualantragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:V3.1981Dokumentnummer
JFT_10188873_81V00003_00