TE Vfgh Erkenntnis 1981/11/30 B452/78, G98/78

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.11.1981
beobachten
merken

Index

L3 Finanzrecht
L3400 Abgabenordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
VfGG §19 Abs3 Z3 idF BGBl 353/1981
WAO §182

Leitsatz

Wr. Abgabenordnung; keine Bedenken gegen §182; kein Eingriff in das Eigentum; keine Gleichheitsverletzung

Spruch

1. Die Beschwerde wird abgewiesen.

2. Hinsichtlich des Antrages, §149 Abs1 der Wr. Abgabenordnung, LGBl. für Wien 21/1962 idF 4/1974, insoweit als verfassungswidrig aufzuheben, als durch diese Gesetzesstelle "die Abgabe durch die Einreichung der Erklärung als festgesetzt gilt", wird das Verfahren eingestellt.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Abgabenberufungskommission der Stadt Wien, ausgefertigt von der Magistratsdirektion, Rechtsmittelbüro, vom 21. Juni 1978, Z MDR-H 3/78, wurde ein von der Beschwerdeführerin unter ausdrücklichem Hinweis auf §182 der Wr. Abgabenordnung, LGBl. für Wien 21/1962 idF 4/1974, (WAO) gestelltes Ansuchen um Nachsicht des von ihr bei der Selbstbemessung zu hoch ermittelten und entrichteten Betrages an Anzeigenabgabe abgewiesen. In der Begründung des Bescheides wird nach dem Hinweis auf §182 WAO ausgeführt, aus den Berufungsausführungen gehe hervor, daß die unrichtige Abrechnung der Anzeigenabgabe durch Verschulden des Steuerberaters erfolgt sei. Er und die Rechtsmittelwerberin (die nunmehrige Beschwerdeführerin) hätten die Möglichkeit gehabt, sich bei der zuständigen Magistratsabteilung über die Art und Weise der Berechnung der Anzeigenabgabe zu informieren. Dies hätte die Beschwerdeführerin und der sie vertretende Steuerberater unterlassen und sich damit durch eigenes Verschulden in jene Lage gebracht, durch welche sie sich unbilligerweise belastet fühlten.

Überdies sei für die Berufungswerberin schon deshalb keine Unbilligkeit gegeben, da sie an ihren Steuerberater Schadenersatzansprüche stellen könne und somit für sie kein finanzieller Nachteil vorliege. Nachteile, die ihren Steuerberater träfen, hätten außer Betracht zu bleiben, da 182 WAO auf den Abgabenschuldner abstelle.

2. Gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission vom 21. Juni 1978 richtet sich die Beschwerde, die nach der Bezeichnung der ersten Seite des Schriftsatzes "gem. Artikel 140/1 letzter Satz B-VG,

Artikel 144 B-VG" erhoben wird.

Unter der Überschrift "II. Beschwerdepunkt" wird ausgeführt:

"1.) Hinsichtlich unserer Beschwerde gem. Artikel 140/1 letzter Satz B-VG erachten wir uns beschwert:

Durch die Bestimmung des §149/1 WAO, daß durch die Einreichung der Erklärung (Selbstbemessung) die Abgabe als festgesetzt gilt, in unserem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83/2 B-VG), in unserem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz durch die Bestimmung des §149/3 WAO, welche gegen die Bestimmung des Art18/1 B-VG verstößt, daß die gesamte Verwaltung nur auf Grund des Gesetzes ausgeübt werden darf.

Die vorstehend als verfassungswidrig bezeichneten Gesetzesstellen haben uns in unserem Recht verletzt, zu Unrecht bezahlte materiellrechtlich nicht bestehende Abgabenbeträge zurückzuerhalten.

2.) Den Bescheid MDR-H 3/78 vom 21. 6. 1978 der Magistratsdirektion der Stadt Wien fechten wir an, weil wir durch die Ablehnung der Nachsicht gem. §182 WAO in unserem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz und der Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt sind, dadurch daß uns die Rückzahlung nicht bestehender, aber bezahlter Abgaben verweigert wurde."

Es wird der Antrag gestellt, der VfGH "möge §149/1 WAO insoweit als verfassungswidrig aufheben, als durch diese Gesetzesstelle die Abgabe durch die Einreichung der Erklärung als festgesetzt gilt". Ferner wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, für den Fall der Abweisung die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.

II. Der mit der Beschwerde gestellte Antrag, "§149/1 WAO insoweit als verfassungswidrig aufzuheben, als durch diese Gesetzesstelle 'die Abgabe durch die Einreichung der Erklärung als festgesetzt gilt'", wurde mit Schriftsatz vom 26. November 1981 zurückgezogen. Das Verfahren war daher einzustellen.

III. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides ist ausschließlich über das von der Beschwerdeführerin gestellte Ansuchen um Nachsicht einer fälligen Abgabenschuldigkeit nach §182 WAO abgesprochen worden.

2. §182 WAO lautet:

(1) Fällige Abgabenschuldigkeiten können auf Antrag des Abgabenpflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

(2) Abs1 findet auf bereits entrichtete Abgabenschuldigkeiten sinngemäß Anwendung. Ein solcher Antrag ist nur innerhalb der Frist des §184 zulässig.

(3) Die Bestimmungen des §181 Abs2 und 3 gelten auch für die Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten.

Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift sind von der Beschwerdeführerin nicht vorgebracht worden. Im Verfahren vor dem VfGH sind solche Bedenken nicht entstanden. Soweit in der Beschwerde verfassungsrechtliche Bedenken gegen §149 Abs1 WAO geltend gemacht wurden, war darauf nicht einzugehen, weil diese Bestimmung bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides weder angewendet wurde noch anzuwenden war.

3. Zu der behaupteten Verletzung des Eigentumsrechtes wird darauf verwiesen, daß nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH den Schutz des Art5 StGG nur private Vermögensrechte genießen. Bei der Entscheidung über ein Nachsichtsbegehren nach §182 WAO handelt es sich um eine Entscheidung über einen öffentlich-rechtlichen Anspruch; in das Eigentum wird dadurch nicht eingegriffen (vgl. VfSlg. 6357/1971).

4. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte die Beschwerdeführerin im Gleichheitsrecht nur verletzt worden sein, wenn die belangte Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte.

Eine Begründung für die behauptete Gleichheitsverletzung ist in der Beschwerde nicht enthalten.

Im Verfahren vor dem VfGH ist kein Umstand hervorgekommen, aus dem auf ein eine Gleichheitsverletzung bewirkendes Vorgehen der belangten Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides geschlossen werden könnte. Insbesondere liegt eine Willkür indizierende denkunmögliche Auslegung des Begriffes der Unbilligkeit deshalb nicht vor, weil die unrichtige Berechnung der zuviel eingezahlten Abgabe auf der Auskunft eines Steuerberaters beruhte.

Die Beschwerdeführerin ist im Gleichheitsrecht nicht verletzt worden.

5. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes ist von der Beschwerdeführerin nicht behauptet worden. Im Verfahren vor dem VfGH hat sich nicht ergeben, daß die Beschwerdeführerin in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides ist die Beschwerdeführerin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Finanzverfahren, Nachsicht (von Abgabenschuldigkeiten)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B452.1978

Dokumentnummer

JFT_10188870_78B00452_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten