TE Vfgh Erkenntnis 1981/12/3 B495/78

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Veröffentlicht am 03.12.1981
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Index

L1 Gemeinderecht
L1000 Gemeindeordnung

Norm

B-VG Art83 Abs2
Krnt Allgemeine GemeindeO §25 Abs1
Krnt Allgemeine GemeindeO §57 Abs2

Leitsatz

Allgemeine Gemeindeordnung Ktn.; Beschlußfähigkeit des Gemeindevorstandes; kein Entzug des gesetzlichen Richters

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1. Mit dem Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Kötschach-Mauthen vom 20. August 1976 wurde dem mj. F. L. gemäß den §§3 Abs1., 4 lita, 13 der Ktn. Bauordnung, LGBl. 48/1969 idgF, die Bewilligung zur Errichtung eines Wohnhauses mit Garage auf dem Baugrundstück Nr. 443/6 KG K. unter einer Reihe von Auflagen erteilt. Eine dieser Auflagen enthält die Anordnung, daß "der derzeit vorhandene über die Grundparzelle Nr. 443/7 KG K. führende Zuweg, der lediglich eine Breite von 3,50 m bzw. 3,70 m aufweist", auf mindestens 5,00 m zu verbreitern sei und daß der Vollzug dieser Auflage vor Baubeginn der Baubehörde in geeigneter Form nachzuweisen sei.

In der Begründung des Bescheides wird ausgeführt, daß die Anrainer (die nunmehrigen Beschwerdeführer) folgende Einwendungen vorgebracht hätten: gesetzliche und verfahrensrechtliche Voraussetzungen für die Bewilligung des gegenständlichen Projektes seien nach der Ktn. Bauordnung nicht gegeben; insbesondere sei die Wasserversorgung und Wasserverbringung nicht gewährleistet und die Aufschließung des Baugrundstückes nicht sichergestellt. Weiters sprächen sich die Anrainer gegen die im Bescheid vorgeschriebene Verbreiterung des Zufahrtsweges aus; letztlich würde für das im Eigentum der Anrainer stehende Wohnhaus K. 273 einerseits der Lichteinfall eingeschränkt, andererseits die Feuersgefahr erhöht. Sodann wird eingehend begründet, daß die von den Anrainern erhobenen Einwendungen der Erteilung der Baubewilligung nicht entgegengestanden seien.

2. a) Gegen den Bescheid des Bürgermeisters hat der (im hg. Verfahren beteiligte) Bauwerber Berufung erhoben. Diese richtete sich ausschließlich gegen die Auflage über die Verbreiterung des Zufahrtsweges über die Grundparzelle 443/7 mit der Begründung, daß die derzeitige Breite des Zufahrtsweges für die Erschließung des Baugrundstückes ausreiche.

b) Gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 20. August 1976 haben auch die Beschwerdeführer wegen der Nichtberücksichtigung der Einwendungen Berufung erhoben.

Der Gemeindevorstand der Marktgemeinde Kötschach-Mauthen hat sich in seiner Sitzung vom 20. Dezember 1976 mit den Berufungen des Bauwerbers und der Anrainer befaßt. Da aber (nach der Sitzung) hervorgekommen ist, daß an der Abstimmung ein Mitglied des Gemeindevorstandes teilgenommen hat, das wegen Befangenheit ausgeschlossen war, hat sich der Gemeindevorstand der genannten Marktgemeinde mit den Berufungen neuerdings in seiner Sitzung vom 14. Feber 1977 befaßt.

Auf Grund der Beschlußfassung vom 14. Feber 1977 wurde mit dem Bescheid vom 16. Feber 1977 die von den Anrainern gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 20. August 1976 erhobene Berufung und mit dem Bescheid vom 18. Feber 1977 die vom Bauwerber gegen diesen Bescheid erhobene Berufung als unbegründet abgewiesen.

3. Die Anrainer erhoben sowohl gegen den Bescheid des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde Kötschach-Mauthen vom 16. Feber als auch vom 18. Feber 1977, der Bauwerber gegen den Bescheid vom 18. Feber 1977 Vorstellung an die Ktn. Landesregierung.

Diese hat mit dem Bescheid vom 21. Juli 1978 gemäß §84 der Allgemeinen Gemeindeordnung - AGO, LGBl. 1/1966 idF BGBl. 24/1976 - die Bescheide des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde Kötschach-Mauthen vom 16. Feber 1977 und vom 18. Feber 1977 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Marktgemeinde Kötschach-Mauthen verwiesen.

Dieser Bescheid war im wesentlichen damit begründet, daß Gegenstand des Bescheides des Bürgermeisters vom 20. August 1976 der Parteienantrag auf Erteilung der Baubewilligung gewesen sei. Ein getrennter Abspruch über die gegen diesen Bescheid vom Bauwerber einerseits und von den Beschwerdeführern andererseits erhobenen Berufungen sei gemäß §59 AVG 1950 rechtlich nicht möglich, weil die darin enthaltenen Einwendungen mit dem beantragten Bauvorhaben untrennbar verbunden seien. Der Gemeindevorstand werde neuerlich über die Berufung mit einem Bescheid abzusprechen haben.

Nach den weiteren Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides sei die vom Bauwerber bereits in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters bekämpfte Auflage über die Verbreiterung des Zufahrtsweges rechtswidrig.

Hingegen seien die Einwendungen der Beschwerdeführer als Anrainer in der Sache unbegründet. Zu ihrem Vorbringen sei zunächst festzustellen, daß auf Grund der Aktenlage die Genehmigung des Bezirksgerichtes Innsbruck zur Einbringung des gegenständlichen Bauantrages durch den minderjährigen Bauwerber vorliege. Was die Sicherstellung der Abwasserbeseitigung, der Wasserversorgung und der "Verbindung des Bauvorhabens zu einer öffentlichen Fahrstraße" anlange, so handle es sich hiebei um höchst bedeutsame öffentliche Interessen. Die Interessen seien jedoch von der Behörde von Amts wegen wahrzunehmen. Sie dienten nicht in spezieller Weise dem Schutz der Anrainer (VwGH vom 2. 3. 1976 Z 518/75-10). Ein Mitspracherecht sei den Beschwerdeführern diesbezüglich daher nicht eingeräumt. Gleiches gelte auch für die Wahrung der Interessen des Schutzes des Ortsbildes und der Interessen der Feuersicherheit. Auch der Einwand bezüglich der Beeinträchtigung des Lichteinfalles erweise sich als nicht zielführend. Eine Verletzung des §38 der Ktn. Bauvorschriften liege nicht vor.

4. Gegen den Bescheid der Ktn. Landesregierung vom 21. Juli 1978 richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Sie behaupten, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 B-VG) "und auf Durchführung der gesamten staatlichen Verwaltung nach den bestehenden Gesetzen (Legalitätsprinzip)" verletzt worden zu sein. Es wird der Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, für den Fall der Abwesung auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH gestellt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Soweit in der Beschwerde eine Verletzung des Legalitätsprinzipes nach Art18 B-VG geltend gemacht wird, ist auf die ständige Rechtsprechung des VfGH zu verweisen, nach der durch Art18 B-VG ein subjektives Recht auf gesetzmäßige Führung der Verwaltung nicht begründet wird (vgl. VfSlg. 8925/1980).

2. a) Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird ua. dann verletzt, wenn der angefochtene Bescheid von einer Kollegialbehörde in einer unrichtigen personellen Zusammensetzung erlassen wurde. Ein Verstoß gegen dieses verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht läge auch dann vor, wenn die Aufsichtsbehörde eine unrichtige personelle Zusammensetzung einer Gemeindebehörde, gegen deren Bescheid eine Vorstellung erhoben wurde, oder ein allfälliges Einschreiten einer zur Erlassung eines Bescheides nicht zuständigen erstinstanzlichen Gemeindebehörde nicht wahrgenommen hätte (vgl. VfSlg. 8309/1978).

b) Die Beschwerdeführer begründen die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter damit, daß von der belangten Behörde die unrichtige Zusammensetzung des Gemeindevorstandes bei Erlassung des Bescheides über die Abweisung der von den Beschwerdeführern gegen den erstinstanzlichen Bescheid des Bürgermeisters erhobenen Berufung nicht wahrgenommen worden sei.

3. a) Der Gemeinderat der Marktgemeinde Kötschach-Mauthen setzt sich gemäß §19 Abs1 AGO aus 23 Mitgliedern und der Gemeindevorstand nach §23 Abs1 AGO aus 6 Mitgliedern zusammen.

Der Gemeindevorstand ist beschlußfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder anwesend ist (§53 Abs2 AGO). Die Tagesordnung ist den (allen) Mitgliedern des Gemeindevorstandes nach Tunlichkeit mindestens zwei Tage vor der Sitzung zuzustellen (§53 Abs3 AGO). Ist der Bürgermeister verhindert, an einer Sitzung des Gemeindevorstandes teilzunehmen, so hat er ein seiner Gemeinderatspartei angehörendes Mitglied des Gemeinderates als sein Ersatzmitglied zu bestimmen (§57 Abs1 AGO). Ist ein sonstiges Mitglied des Gemeindevorstandes verhindert, an einer Sitzung des Gemeindevorstandes teilzunehmen, so hat der Bürgermeister das Ersatzmitglied (in dringenden Fällen mündlich oder telefonisch) nach §53 Abs3 iVm §36 Abs2 AGO einzuberufen (§57 Abs2 AGO).

b) Wie aus den Verwaltungsakten hervorgeht, haben an der Sitzung des Gemeindevorstandes vom 14. Feber 1977 drei Mitglieder des Gemeindevorstandes, für das eine - entschuldigt nicht erschienene - Mitglied ein Ersatzmitglied und anstelle des Bürgermeisters, der den erstinstanzlichen Bescheid erlassen hat, ein gemäß §57 Abs1 AGO als Ersatzmitglied bestimmtes Gemeinderatsmitglied teilgenommen. Für jenes Mitglied des Gemeindevorstandes, das an der Sitzung des Gemeindevorstandes vom 20. Dezember 1976 trotz Befangenheit teilgenommen hatte, wurde auch das Ersatzmitglied nicht geladen, da es in der der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides vorausgegangenen Bauverhandlung als technischer Sachverständiger mitgewirkt hatte und somit befangen war.

Da nach §25 Abs1 AGO für jedes Mitglied des Gemeindevorstandes ein Ersatzmitglied zu wählen und nach §57 Abs2 AGO für ein verhindertes Mitglied das Ersatzmitglied einzuberufen ist, ist in diesem Fall die Ladung zu Recht unterblieben; durch das Unterlassen der Ladung dieses Mitgliedes (seines Ersatzmitgliedes) ist eine unrichtige Zusammensetzung des Gemeindevorstandes jedenfalls nicht bewirkt worden.

Bei der Sitzung des Gemeindevorstandes am 14. Feber 1977 waren drei Mitglieder und zwei Ersatzmitglieder anwesend. Gemäß §53 Abs2 zweiter Satz AGO war der Gemeindevorstand daher beschlußfähig. Dabei spielt die Tatsache, daß sich die Ladung für ein Ersatzmitglied, das jedenfalls an der Sitzung teilgenommen hat, nicht in den Verwaltungsakten befindet, keine Rolle.

4. a) Die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird von den Beschwerdeführern auch damit begründet, daß der Bürgermeister als Eigentümer einer an das Baugrundstück angrenzenden Grundfläche im Bauverfahren als Anrainer Partei gewesen sei. Er sei damit wegen Befangenheit zur Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides nicht zuständig gewesen.

b) Selbst wenn die Behauptung der Beschwerdeführer über die Befangenheit des Bürgermeisters zuträfe, läge die von ihnen behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht vor. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. VfSlg. 8544/1979) wird durch das Tätigwerden eines befangenen Organs die Zuständigkeit einer Behörde zur Erlassung eines Bescheides nicht berührt.

Die Beschwerdeführer sind auch aus dem von ihnen vorgebrachten Grund der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides durch ein befangenes Organ im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt worden.

5. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch den angefochtenen Bescheid haben somit nicht stattgefunden. Im Verfahren ist auch nicht hervorgekommen, daß die Beschwerdeführer in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden wären.

Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Gemeinderecht, Gemeindevorstand, Behördenzusammensetzung, Befangenheit, Bürgermeister

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1981:B495.1978

Dokumentnummer

JFT_10188797_78B00495_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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