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13 Staatsvertragsdurchführung, KriegsfolgenNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Entschädigungsgesetz CSSR; keine Bedenken gegen §13 Abs1 und 2; kein Eingriff in das Eigentum; keine GleichheitsverletzungSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Die Bundesentschädigungskommission beim Bundesministerium für Finanzen hat dem Beschwerdeführer nach dem Entschädigungsgesetz CSSR, BGBl. 452/1975 idF der Nov. BGBl. 557/1979 (im folgenden kurz: EG-CSSR), mit Bescheid vom 29. Mai 1980 eine Entschädigung für Vermögensverluste iS dieses Gesetzes in der Höhe von S 640.000,-
gewährt.
Die Behörde nimmt in diesem Bescheid an, daß der Beschwerdeführer vor dem Jahre 1945 Eigentümer der "Herrschaft Kammerburg" in Chozerady/CSSR war, deren Wert der Beschwerdeführer mit Kc. 37,610.346,20 (Stichtag 1937) beziffert.
Im Bescheid wird ausgeführt:
"Bei der Entscheidung war davon auszugehen, daß dem Antragsteller im Hinblick auf den Umfang des in der CSSR verlorenen Vermögens eine Entschädigung auf der Basis der Höchstbemessungsgrundlage gebührt. Durch das Bundesgesetz vom 18. 12. 1979, BGBl. Nr. 557, wurde die dem Geschädigten gebührende Entschädigung mit 100.000 RE, d.s. S 640.000,-, begrenzt. Die Zuerkennung einer höheren Entschädigung ist nach der Gesetzeslage nicht zulässig."
2. Gegen diesen Bescheid vom 29. Mai 1980 wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. a) Nach dem am 19. Dezember 1974 in Wien unterzeichneten Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik zur Regelung bestimmter finanzieller und vermögensrechtlicher Fragen, BGBl. 451/1975 (im folgenden kurz: Vermögensvertrag CSSR), leistet die CSSR eine Globalentschädigung für österreichische Vermögenschaften, Rechte und Interessen, die bis zum Tage der Unterzeichnung des Vertrages tschechoslowakischen Konfiskations-, Nationalisierungs- oder ähnlichen gesetzlichen Maßnahmen unterzogen worden sind. Nach Art5 des Vermögensvertrages CSSR werden durch die vollständige Leistung der im Art3 genannten Globalentschädigung die CSSR sowie die tschechoslowakischen physischen und juristischen Personen von den Verpflichtungen gegenüber der Republik Österreich und österreichischen physischen und juristischen Personen, die durch die oben erwähnten tschechoslowakischen Maßnahmen entstanden sind, in dem in der Anlage
I genannten Umfang befreit.
Die zitierte Anlage I lautet:
"Durch diesen Vertrag werden alle österreichischen Vermögenschaften, Rechte und Interessen, die durch tschechoslowakische Maßnahmen iS des Artikels 1 in Anspruch genommen wurden, bis zu einem Umfang entschädigt, als der für steuerliche Zwecke maßgebliche Wert im Einzelfall - bezogen auf die Sache und auf die Person - am 8. Mai 1945 eine Million - ausgedrückt in tschechoslowakischer Krone (Währungseinheit 1945) - nicht überstiegen hat."
b) Das EG-CSSR regelt innerstaatlich die Entschädigung für Vermögensverluste, die durch Maßnahmen, wie sie im Vermögensvertrag CSSR genannt werden, eingetreten sind.
Die §§10 ff. regeln die Ermittlung der Entschädigung. Nach §11 Abs3 sind die Bemessungsgrundlagen in Rechnungseinheiten (RE) auszudrücken. Der Anlage 1 zum EG-CSSR zufolge sind 100 RM gleich 100 RE und 100 tschechoslowakische Kronen (alte Währung vor 1. Juni 1953) gleich 10 RE.
Die §§22 ff. enthalten besondere Bestimmungen für die Ermittlung der RE für Betriebsvermögen von Unternehmungen mit dem Sitz oder dem Standort im Gebiet der CSSR.
§13 Abs1 EG-CSSR idF der Nov. BGBl. 557/1979 lautet:
"Für die Ermittlung der Höhe der Entschädigung in Schilling sind die für sämtliche Vermögensverluste eines Geschädigten festgestellten RE in Schilling umzurechnen. Die einem Geschädigten gebührende Entschädigung ist mit 100.000 RE, ds. 640.000 S, begrenzt."
§13 Abs2 leg. cit. bestimmt, wie die RE in Schilling umzurechnen sind. Die Umrechnungstabelle sieht acht verschiedene Umrechnungssätze vor; sie beginnt bei Vermögensverlusten bis einschließlich 5.000 RE (hiebei ist jede RE mit S 12,- umzurechnen) und endet bei Vermögensverlusten von 35.001 RE bis einschließlich 100.000 RE (hiebei ist jede RE mit S 5,- anzusetzen).
2. Der Beschwerdeführer behauptet zunächst, im Eigentumsrecht verletzt worden zu sein. Seine Vorwürfe richten sich offenkundig nur gegen das Gesetz.
Das Eigentumsrecht könnte nur durch einen Eingriff in private Vermögensrechte verletzt werden. Mit der Verteilung der Globalsumme durch das EG-CSSR hat die Republik Österreich einer übernommenen völkerrechtlichen Verpflichtung entsprochen. Dadurch, daß der Gesetzgeber einen öffentlich-rechtlichen Entschädigungsanspruch nicht einräumt, hat er private Vermögensrechte nicht berührt; es ist daher ausgeschlossen, daß er damit eine den Art5 StGG verletzende Regelung getroffen hat (vgl. zB VfSlg. 6701/1972 und 8786/1980 sowie die jeweils dort zitierte Vorjudikatur).
3. a) Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, im Gleichheitsrecht verletzt worden zu sein. Er begründet diese Behauptung wie folgt:
"Das Entschädigungsgesetz CSSR begrenzt den Ersatz für ein einzelnes Wirtschaftsgut mit 100.000 Rechnungseinheiten (§11 Abs4) und setzt die einem einzelnen Geschädigten gebührende Entschädigung mit höchstens S 640.000,- fest (§13 Abs1). Die Umrechnungswerte je Rechnungseinheit sind degressiv gestaffelt (§13 Abs2).
Durch diese Regelung werden alle Geschädigten, deren Vermögenswert das Äquivalent von 5000 Rechnungseinheiten übersteigt, benachteiligt. Diese Differenzierung ist sachlich in keiner Weise gerechtfertigt. Die Höhe des seinerzeitigen Verlustes sagt auch nichts über die derzeitige Lage des Geschädigten aus; die Höhe der Gesamtentschädigung, die die Republik Österreich zu leisten hat, steht mit den von der CSSR zu erbringenden Leistungen und mit den Erlösen, die die Republik Österreich aus der Abwicklung der von tschechoslowakischen konfiskatorischen Maßnahmen betroffenen Vermögenswerte erzielt, in keinem ersichtlichen Zusammenhang. Die Begrenzung ist willkürlich und liegt - mangels einer durch die Verwendung aller dafür zur Verfügung stehenden Mittel erzwungenen Beschränkung - auch nicht in der Natur der Sache."
b) Der Gleichheitssatz wird vom Gesetzgeber verletzt, wenn er Gleiches ungleich behandelt. Das Gleichheitsgebot verwehrt es dem Gesetzgeber nicht, sachlich gerechtfertigte Differenzierungen vorzunehmen.
Wie in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend den Vermögensvertrag CSSR (1479 BlgNR XIII. GP) zu Art5 und zu Anlage I zutreffend festgehalten wird, stellt Art5 des Vermögensvertrages fest, in welchem Umfang die CSSR sowie die tschechoslowakischen physischen und juristischen Personen von den durch die im Art1 genannten Maßnahmen entstandenen Verpflichtungen gegenüber der Republik Österreich und österreichischen physischen und juristischen Personen befreit werden, nämlich durch Hinweis auf Anlage I. Diese Anlage I ergänzt Art5 des Vertrages. Nach seinem Wortlaut und Sinn erfaßt der Vertrag somit Klein- und Mittelvermögen, jedoch Großvermögen nur bis zum Umfang von Mittelvermögen. Daher leistet die Republik Österreich auch für Großvermögen, das über den in der Anlage I angegebenen Umfang (am 8. Mai 1945 1 Million tschechoslowakische Kronen, ds. nach Anlage 1 zum EG-CSSR gleich 100.000 RE) hinausgeht, keinen Forderungsverzicht. Diese Meinung wird durch den auf S 1976 und 1977 des BGBl. 451/1975 wiedergegebenen Briefwechsel zum Vermögensvertrag CSSR ausdrücklich bestätigt.
Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das EG-CSSR (1584 BlgNR XIII. GP) motivieren §13 Abs1 letzter Satz wie folgt:
"Die Festsetzung der Obergrenze entspricht den Bestimmungen des Vermögensvertrages (Anlage I im Zusammenhang mit Briefwechsel 10). Diese Abgrenzung war erforderlich, um das Ausmaß der Vermögenswerte, für die die Entfertigungserklärung (Art5 des Vertrages) gilt, von dem darüber hinausreichenden Ausmaß, für das der Interventionsverzicht abgegeben wurde (Art6 des Vertrages), festzulegen. Entschädigt wird somit das Klein- und Mittelvermögen, das Großvermögen jedoch nur bis zum Ausmaß des Mittelvermögens."
Wenn das EG-CSSR innerstaatlich für Verluste von Großvermögen (über 100.000 RE), für die nach dem Vermögensvertrag die CSSR keine Entschädigung leistet (über 1 Million Kronen, ds. gleichfalls 100.000 RE) ebenso keine Entschädigung vorsieht, ist dies nicht unsachlich. Diese Regelung hat letzten Endes in der Tatsache der Begrenzung der Leistung seitens der CSSR ihre objektive Begründung (vgl. VfSlg. 6701/1972).
Auch die durch den Umrechnungsschlüssel des §13 Abs2 EG-CSSR bewirkte Degression der Entschädigungsleistungen ist sachlich zu rechtfertigen. Da der zur Verteilung an die Geschädigten zur Verfügung stehende Gesamtbetrag (die Globalsumme nach Art3 Abs1 Satz 2 und Abs2 Vermögensvertrag CSSR) nicht hinreicht, um alle Vermögensverluste voll zu entschädigen, stellt die getroffene Regelung keinesfalls eine Überschreitung des dem Gesetzgeber zustehenden rechtspolitischen Gestaltungsrahmens dar: Es ist sachlich rechtfertigbar, die Verteilung auf die vom EG-CSSR vorgesehene Weise zu treffen, also derart, daß zwar im Wege der Degression eine relative Privilegierung jener Personen bewirkt wird, die Verluste an Kleinvermögen erlitten haben, daß aber dadurch erreicht wird, daß diese Personen nicht bloß mit Bagatellbeträgen zu entschädigen sind.
c) Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften (insbesondere gegen §13 Abs1 letzter Satz EG-CSSR) auch nicht aus anderen Gründen das Bedenken, daß sie den Gleichheitsgrundsatz verletzen (vgl. VfGH 3. 12. 1981 B241/81).
Das Verfahren hat keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß die belangte Behörde Willkür geübt hat. Auch der Beschwerdeführer macht Derartiges nicht geltend.
Der Beschwerdeführer ist sohin auch nicht im Gleichheitsrecht verletzt worden.
4. a) Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, es sei verfassungswidrig, daß sich die Republik Österreich im Vermögensvertrag CSSR verpflichtet habe, keine Ansprüche österreichischer Personen mehr zu vertreten oder zu unterstützen, die Vermögensverluste in der CSSR erlitten haben, obwohl auf Grund des Vertrages weitaus nicht alle Vermögensverluste durch die CSSR entschädigt werden.
b) Soweit sich diese Behauptung darauf bezieht, daß die Republik Österreich (auch) auf Ansprüche wegen Verlustes von Großvermögen verzichtet habe, so geht er - wie sich aus den vorstehenden Ausführungen unter II.3. ergibt - von einer verfehlten Prämisse aus.
Soweit sich das Beschwerdevorbringen auf jene Ansprüche bezieht, hinsichtlich derer die Republik Österreich tatsächlich gegenüber der CSSR eine Verzichtserklärung abgegeben hat, ist ihm zunächst zu erwidern, daß ihm auf Grund von - sachlich gerechtfertigten (s.o. II.3.) - Bestimmungen des EG-CSSR eine Entschädigung gebührt. Mit seinen weiteren Ausführungen stellt der Beschwerdeführer die Verfassungsmäßigkeit der für die Höhe der Entschädigung maßgebenden Bestimmungen des Vermögensvertrages CSSR in Frage. Es kann dahingestellt bleiben, ob nach Art9 B-VG transformierte Regeln des Völkerrechtes Maßstab für die Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes oder eines auf Gesetzesstufe stehenden Staatsvertrages sein können, weil den Staat gegenüber seinen Bürgern bei Entschädigungsverträgen für Konfiskationsmaßnahmen völkerrechtlich keine Schutzpflicht dermaßen trifft, daß er zur Erreichung eines bestimmten Erfolges verpflichtet wäre (vgl. VfSlg. 8872/1980).
Der Beschwerdeführer kann auch durch den Hinweis auf Art27 des Staatsvertrages von Wien nichts gewinnen; der hier allein in Betracht kommende §1 verpflichtet nur die Vertragspartner der Republik Österreich, enthält aber keinerlei Verpflichtung Österreichs gegenüber seinen Staatsbürgern.
5. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Anhaltspunkte dafür, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in einem Recht verletzt wurde, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Entschädigung CSSREuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:B455.1980Dokumentnummer
JFT_10188797_80B00455_00