Index
27 RechtspflegeNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
GEG 1962; rechtswidrige Verweigerung einer Sachentscheidung durch Zurückweisung eines Berichtigungsantrages Gebührenanspruchsgesetz 1975; keine Bedenken gegen §22 Abs1; rechtmäßige Zurückweisung eines Rechtsmittels gegen die Bestimmung einer ZeugengebührSpruch
Der Bescheid des Präsidenten des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 5. April 1979 wird aufgehoben.
Die gegen den Bescheid des Vorstehers des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom 10. Mai 1979 gerichtete Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Der Beschwerdeführer war Kläger im Verfahren 2 C 550/78 des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt.
Mit Zahlungsauftrag vom 1. Feber 1979 wurde dem Beschwerdeführer als zahlungspflichtiger Partei vom Kostenbeamten gemäß §1 Z6 litb des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes 1962 (GEG 1962), Anlage zur Kundmachung der Bundesregierung vom 18. September 1962, mit der das Gerichtliche Einbringungsgesetz 1948 wiederverlautbart wurde, BGBl. 288/1962, die Gebühr eines vom Gericht geladenen Zeugen zuzüglich einer Einhebungsgebühr vorgeschrieben.
a) Dem gegen den Zahlungsauftrag gemäß §7 Abs1 GEG 1962 vom Beschwerdeführer eingebrachten Berichtigungsantrag gab der Präsident des Kreisgerichtes Wiener Neustadt mit Bescheid vom 5. April 1979 "nicht Folge". Zu den im Berichtigungsantrag vorgebrachten Einwendungen (der Gebührenanspruch sei vom Zeugen verspätet vorgebracht worden und sei auch überhöht) stellte der Präsident des Kreisgerichtes Wiener Neustadt fest, diese Einwendungen seien einem Rechtsmittel "nicht mehr zugänglich". Gegenstand einer Berichtigung könnten wohl die mangelnde Übereinstimmung der bestimmten mit der nunmehr zur Einhebung gelangenden Gebühr der Höhe nach oder die für den Berichtigungswerber nicht bestehende Zahlungspflicht sein. Diesbezüglich aber erweise sich der Zahlungsauftrag als ordnungsgemäß erlassen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu B190/79 protokollierte Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz sowie auf billiges Gehör nach Art6 Abs1 MRK geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
b) Gegen die Bestimmung der Zeugengebühr durch den Kostenbeamten erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den Vorsteher des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt. Dieser wies die Beschwerde mit Bescheid vom 10. Mai 1979 in Anwendung des §22 Abs1 Gebührenanspruchsgesetz 1975 (GebAG 1975), BGBl. 136/1975, als unzulässig zurück.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu B222/79 protokollierte Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gleichheit vor dem Gesetz sowie auf billiges Gehör nach Art6 Abs1 MRK geltend macht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
2. Gegenschriften wurden nicht erstattet.
II. Der VfGH hat über die - zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen - Beschwerden erwogen:
1. Gemäß §22 Abs1 GebAG 1975 kann gegen die Entscheidung über die Zeugengebühr nur der Zeuge Beschwerde (hier an den Leiter des Gerichtes) erheben.
Wenn der Zahlungspflichtige die geschuldeten Beträge nicht sogleich erlegt oder diese nicht aus einem Kostenvorschuß berichtigt werden können, wird gemäß §6 Abs1 GEG 1962 die Einbringung dieser Beträge vom Kostenbeamten veranlaßt.
Nach §78 Abs1 GEG 1962 ist gegen den an den Zahlungspflichtigen ergangenen Zahlungsauftrag des Kostenbeamten ein Rechtsmittel nicht zulässig. Der Zahlungspflichtige kann aber, wenn er sich durch den Inhalt des Zahlungsauftrages beschwert erachtet, binnen 14 Tagen dessen Berichtigung verlangen, in Ansehung von Beträgen, die in Durchführung einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichtes in den Zahlungsauftrag aufgenommen wurden, jedoch nur dann, wenn die Zahlungsfrist unrichtig bestimmt wurde oder wenn der Zahlungsauftrag der ihm zugrundeliegenden Entscheidung des Gerichtes nicht entspricht.
2. Die Erlassung eines Zahlungsauftrages ist eine Angelegenheit der Justizverwaltung. Der Zahlungsauftrag ist ein Bescheid (vgl. VfSlg. 5207/1966, 5851/1968, 6484/1971 ua.). In der Regelung des §7 GEG 1962, daß der Zahlungspflichtige die Berichtigung des Zahlungsauftrages verlangen kann, liegt ein Instanzenzug iS des Art144 B-VG (VfSlg. 5851/1968, 6484/1971). Die Entscheidung über einen Berichtigungsantrag ist ein Bescheid, gegen den ein Rechtsmittel ausgeschlossen ist (§7 Abs3 und 7 GEG 1962), ebenso die Entscheidung über die Beschwerde gegen die Bestimmung der Zeugengebühr (§22 Abs2 und 3 GebAG 1975).
Die Prozeßvoraussetzungen für die Anrufung des VfGH und für seine Zuständigkeit sind daher hinsichtlich beider Beschwerden gegeben.
3. In den Beschwerden wird eingeräumt, daß die angefochtenen Bescheide der Rechtslage entsprächen, es werden aber verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Rechtsgrundlagen der Bescheide geltend gemacht.
Gegen die Regelung des §22 Abs1 GebAG 1975, wonach nur dem Zeugen, dessen Gebühr bestimmt wird, nicht aber dem Zahlungspflichtigen ein Rechtsmittel eingeräumt wird, wäre dann nichts einzuwenden, wenn der zahlungspflichtigen Partei im Einhebungsverfahren nach dem GEG 1962 die Möglichkeit offenstünde, dem Regreß des Bundes jene Einwendungen entgegenzusetzen, welche dieser im Bestimmungsverfahren nicht geltend gemacht hat. §1 Z6 litb GEG 1962 knüpfe aber die Einbringung bei der ersatzpflichtigen Partei nur daran, ob Kosten - insbesondere Zeugengebühren - aus Amtsgeldern berichtigt wurden. Im Zusammenhang mit den korrespondierenden Anordnungen des GEG 1962 erscheine §22 Abs1 GebAG 1975 als gleichheitswidrig, weil diese Bestimmung der letztlich zahlungspflichtigen und daher von einem Eingriff in ihr Eigentumsrecht betroffenen Partei jede Möglichkeit nehme, die Gesetzwidrigkeit der Gebührenbestimmung geltend zu machen und in irgendeinem Verfahren überprüfen zu lassen. Eine solche Regelung verstoße gegen das auch den Gesetzgeber bindende Gleichheitsgebot, weil sie - im Umweg über den Bundesschatz - eine Vermögensverschiebung von einer Person (der zahlungspflichtigen Partei) an eine andere (den Zeugen) in einem zweistufigen Verfahren ermögliche, in welchem in unsachlicher Weise zwar der Begünstigte, nicht aber der Belastete Parteirechte geltend machen könne.
So gesehen erweise sich die bekämpfte Regelung auch unter dem Blickwinkel des Art6 Abs1 MRK als verfassungswidrig, wonach jedermann billiges Gehör im Verfahren über seine zivilrechtlichen Ansprüche - um solche handle es sich hier - gewährleistet sei.
Hätte nun die ersatzpflichtige Partei in dem zur Bestimmung der Zeugengebühr führenden Justizverwaltungsverfahren Parteistellung, so könnte sie in der Folge auch beide Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes gegen die ergangene Entscheidung anrufen und Art6 Abs1 MRK wäre nicht verletzt.
Es wäre allerdings auch vertretbar, der zahlungspflichtigen Partei im Regreßverfahren des Bundes nach dem GEG 1962 jene Einwendungen zu gewähren, die der Bund dem Zeugen gegenüber geltend zu machen rechtswidrigerweise unterlassen habe.
4. Der Beschwerdeführer hat in einem ergänzenden Schriftsatz auf das Erk. des VwGH vom 27. Juni 1979, Z 1484/78 hingewiesen, welches einen rechtsähnlichen Fall zum Gegenstand habe.
In diesem Erk. (ergangen über einen Berichtigungsbescheid eines Landesgerichtspräsidenten betreffend eine Zeugengebühr) hat der VwGH den Standpunkt eingenommen, der in §22 Abs1 GebAG 1975 zum Ausdruck kommende Grundsatz der Prozeßökonomie könne keineswegs dazu führen, daß die Partei im Verfahren nach dem GEG 1962, für das zwar keine besonderen Vorschriften bestünden, in dem aber doch "die allgemein gültigen Grundsätze eines den Grundsätzen eines Rechtsstaates entsprechenden ordentlichen Verwaltungsverfahrens" zu beachten seien, bei Vorliegen eines nur das Verhältnis zwischen dem Zeugen und der Behörde betreffenden rechtskräftigen Bescheides einer Verwaltungsbehörde gemäß §§20 oder 22 GebAG 1975 sich nicht Gehör verschaffen und nicht ohne die - nur für rechtskräftige Entscheidungen des Gerichtes geltenden - Beschränkungen des §7 Abs1 GEG 1962 die Berichtigung des Zahlungsauftrages verlangen könnte.
Dieser Auffassung des VwGH ist nicht nur aus dem Grund einer verfassungskonformen Auslegung der Bestimmungen des §6 Abs1 und des §7 Abs1 GEG 1962 in ihrem Zusammenhang beizupflichten. Bereits aus dem Wortlaut des §7 Abs1 ergibt sich eindeutig, daß die Einschränkung des Berichtigungsantragsrechtes in Ansehung von Beträgen, die in Durchführung einer Entscheidung des Gerichtes in den Zahlungsauftrag aufgenommen wurden, sich nur auf Beträge bezieht, die auch der Höhe nach durch eine gerichtliche Entscheidung - und nicht im Verwaltungsweg - bestimmt wurden, die dem in den gerichtlichen Verfahrensvorschriften vorgesehenen Rechtszug unterliegt (sodaß dort für den Zahlungspflichtigen die Möglichkeit besteht, seine Einwendungen gegen die Höhe der Gebühr vorzubringen).
Wenn es sich aber - wie im vorliegenden Fall - um einen Gebührenbetrag handelt, dessen Höhe von einem Verwaltungsbeamten festgesetzt wurde, greifen die Rechtsmittelbeschränkungen des §7 Abs1 GEG 1962 nicht Platz. Damit ist aber den verfassungsrechtlichen Bedenken des Beschwerdeführers der Boden entzogen, weil die von ihm aufgestellte Prämisse (daß in unsachlicher Weise zwar der Begünstigte, nicht aber der Belastete Parteirechte geltend machen könne) nicht zutrifft.
5. Für die beiden angefochtenen Bescheide ergeben sich daraus folgende Schlußfolgerungen:
a) Zum unter B190/79 angefochtenen Bescheid:
Der Präsident des Kreisgerichtes Wiener Neustadt hat - vgl. oben unter Pkt. I.1.a) - über die im Berichtigungsantrag des Beschwerdeführers enthaltenen Einwendungen keine Sachentscheidung gefällt, sondern sich auf die Feststellung beschränkt, die bereits rechtswirksam bestimmte Zeugengebühr sei einem Rechtsmittel aus Gründen, wie sie im Berichtigungsantrag vorgebracht würden, nicht mehr zugänglich. Aus den dargelegten Gründen hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer damit zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert, worin nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. zB VfSlg. 8741/1980) ein Verstoß gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter liegt.
Der Bescheid des Präsidenten des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 5. April 1979 ist daher aufzuheben.
b) Zum unter B222/79 angefochtenen Bescheid:
Der Vorsteher des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt hat die Beschwerde gegen die Bestimmung der Zeugengebühr durch den Kostenbeamten deshalb zu Recht zurückgewiesen, weil nach der verfassungsrechtlich unbedenklichen Bestimmung des §22 Abs1 GebAG 1975 (s. die oben unter Pkt. 4. angestellten Erwägungen) dem Zahlungspflichtigen kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung über die Gebühr zusteht.
Da die Beschwerde vom Vorsteher des Bezirksgerichtes zu Recht zurückgewiesen worden ist, ist der Beschwerdeführer im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt worden. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der die Zurückweisung tragenden Rechtsvorschriften ist es damit auch ausgeschlossen, daß er in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden wäre (vgl. zB VfSlg. 8741/1980).
Die Beschwerde gegen den Bescheid des Vorstehers des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom 10. Mai 1979 ist daher abzuweisen.
Schlagworte
Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren, Zeugengebühr, VfGH / InstanzenzugserschöpfungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:B190.1979Dokumentnummer
JFT_10188793_79B00190_00