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13 Staatsvertragsdurchführung, KriegsfolgenNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Entschädigungsgesetz CSSR; §29 widerspricht dem GleichheitsgrundsatzSpruch
§29 des Entschädigungsgesetzes CSSR, BGBl. 452/1975, wird als verfassungswidrig aufgehoben.
Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. November 1982 in Kraft.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I.1. Beim VfGH ist zu B252/78 das Verfahren über eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde gegen den Bescheid der Bundesentschädigungskommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 27. Februar 1978 anhängig.
Mit diesem Bescheid hat die Bundesentschädigungskommission das Ansuchen des Beschwerdeführers, ihm für diese Vermögensverluste Entschädigung nach dem Entschädigungsgesetz CSSR, BGBl. 452/1975 (im folgenden kurz: EG-CSSR), zu gewähren, abgelehnt.
Bei diesen behaupteten Vermögensverlusten handelte es sich um den - unbestrittenen - Wegfall von grundbücherlichen Sicherstellungen zugunsten von Geldforderungen, die dem Beschwerdeführer zustanden. Diese Sicherstellungen seien deshalb untergegangen, weil die Liegenschaften, auf denen die Hypotheken verbüchert wurden, durch tschechoslowakische Maßnahmen enteignet wurden.
Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, daß die persönlichen Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. Sie hat ihre ablehnende Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet:
"Gemäß §29 Abs2" (richtig: Z2) "Entschädigungsgesetz CSSR, BGBl. 452/1975, ist Entschädigung für Ansprüche aus Forderungen aller Art nur dann zu leisten, wenn sich diese gegen tschechoslowakische juristische Personen richten, deren Vermögenswerte selbst einer Maßnahme iS des §1 Entschädigungsgesetz CSSR unterzogen worden sind.
Die Finanzlandesdirektion hat daher zu Recht unter Verweisung auf diese Gesetzesstelle abgelehnt.
Was die Ausführungen der anwaltlich vertretenen Antragsteller anlangt, daß iS einer Zuordnung nach §10 leg. cit. de facto Grundvermögen durch Maßnahmen nach §1 leg. cit. betroffen wurden, sodaß eine Entschädigung nach den Bestimmungen für Grundvermögen hätte angeboten werden müssen, so kann diesen nicht gefolgt werden. Es handelt sich im gegenständlichen Fall um Geldforderungen, die grundbücherlich sichergestellt wurden.
§10 ordnet in land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Grundvermögen, Betriebsvermögen und sonstiges Vermögen.
Aus dieser taxativen Aufzählung ist lediglich eine Zuordnung der betroffenen Ansprüche zur Gruppe des sonstigen Vermögens zulässig.
Dieser Zuordnung folgend hat die Finanzlandesdirektion gemäß §29 Entschädigungsgesetz CSSR zu Recht keinerlei Entschädigung zugesprochen."
2. Der VfGH hat aus Anlaß der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gemäß Art140 Abs1 B-VG beschlossen, von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §29 EG-CSSR einzuleiten.
3. Die Bundesregierung hat von der Erstattung einer Äußerung Abstand genommen.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Nach Art1 des am 19. Dezember 1974 in Wien unterzeichneten Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik zur Regelung bestimmter finanzieller und vermögensrechtlicher Fragen, BGBl. 451/1975 (im folgenden kurz: Vermögensvertrag CSSR), verpflichtet sich die CSSR, die Ansprüche der Republik Österreich sowie österreichischer physischer und juristischer Personen gegen die CSSR sowie gegen tschechoslowakische physische und juristische Personen, die bis zum Tag der Unterzeichnung dieses Vertrages dadurch entstanden sind, daß österreichische Vermögenschaften, Rechte und Interessen tschechoslowakischen Konfiskations-, Nationalisierungs- oder ähnlichen gesetzlichen Maßnahmen unterzogen worden sind, global und endgültig zu erledigen. Die Globalentschädigung wird im Art3 näher bestimmt. Nach Art5 des Vermögensvertrages CSSR werden durch die vollständige Leistung der Globalentschädigung die CSSR sowie die tschechoslowakischen physischen und juristischen Personen von den Verpflichtungen gegenüber der Republik Österreich und österreichischen physischen und juristischen Personen, die durch die oben erwähnten tschechoslowakischen Maßnahmen entstanden sind, in dem in der Anlage I genannten Umfang befreit.
Das EG-CSSR regelt innerstaatlich die Weitergabe der auf Grund des Vermögensvertrages von der CSSR zu erbringenden Leistungen.
§5 des Gesetzes räumt bestimmten österreichischen Personen unter bestimmten Voraussetzungen einen individuellen Anspruch auf Entschädigung ihrer Vermögenswerte ein.
Die §§10 ff. EG-CSSR verfügen, für welche Vermögenswerte eine Entschädigung geleistet wird.
§10 Abs1 des Gesetzes lautet:
"Vermögenswerte (Wirtschaftsgüter), für deren Verlust Entschädigung zu leisten ist, sind einer im folgenden angeführten Vermögensart zuzuordnen:
1. Land- und forstwirtschaftliches Vermögen;
2. Grundvermögen;
3. Betriebsvermögen;
4. sonstiges Vermögen."
§29 EG-CSSR definiert das "sonstige Vermögen" wie folgt:
"Zum sonstigen Vermögen gehören nur, wenn sie nicht dem land- oder forstwirtschaftlichen Vermögen, dem Grundvermögen oder dem Betriebsvermögen zuzurechnen sind,
1. Aktien und Anteile an Kapitalgesellschaften, Kuxe bergrechtlicher Gewerkschaften und Anteile an Genossenschaften, wenn diese ihren Sitz im Gebiet der Tschechoslowakei gehabt haben;
2. Ansprüche aus Lieferungen, Leistungen und Forderungen aller Art, wenn sich diese gegen tschechoslowakische juristische Personen richten, deren Vermögenswerte selbst einer Maßnahme (§1) unterzogen worden sind;
3. Brauereigerechtigkeiten;
4. Kunstgegenstände und Sammlungen von musealem Wert;
5. Gegenstände des Hausrates, die in der Anlage zum UVEG" (BGBl. 177/1962) "genannt sind."
2. Der im Anlaßverfahren angefochtene Bescheid, gegen den sich die zulässige Beschwerde wendet, wird vor allem auf §29 EG-CSSR gestützt, der den Inhalt des Begriffes "sonstiges Vermögen" (§10 Abs1 Z4) umschreibt. Auch der VfGH hätte - wenn §29 leg. cit. nicht von ihm aufgehoben würde - im Anlaßverfahren diese Bestimmung anzuwenden, und zwar zur Gänze.
Daraus folgt, daß der gesamte §29 EG-CSSR präjudiziell ist.
Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist das eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.
3. a) Mit Erk. VfSlg. 7659/1975 hat der VfGH (unter Bezugnahme auf das Erk. VfSlg. 5572/1967) eine im §7 Abs2 des Verteilungsgesetzes Polen, BGBl. 75/1974, enthaltene Wendung deshalb als verfassungswidrig aufgehoben, weil damit die Anspruchsberechtigung enger gezogen worden war als im Vermögensvertrag Polen, BGBl. 74/1974. Der VfGH hat es als sachlich nicht gerechtfertigt und sohin als gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitssatz verstoßend erachtet, daß einerseits im Vermögensvertrag Polen die Ansprüche aller Rechtsnachfolger anerkannt und der Berechnung der Globalsumme zugrunde gelegt wurden, die im Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vertrages die österreichische Staatsbürgerschaft besaßen (Österreich sich also legitimiert gefühlt hat, für diese Personen zu sprechen und Ansprüche gegenüber Polen zu stellen, gleichgültig ob die Rechtsnachfolger vor Vertragsabschluß die österreichische Staatsbürgerschaft besessen haben oder nicht) und daß andererseits das Verteilungsgesetz Polen einen Teil der Rechtsnachfolger von der Befriedigung ihrer Ansprüche aus der Globalsumme ausschließt, obgleich diese Rechtsnachfolger zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses österreichische Staatsbürger waren.
Der VfGH hat in den Erk. VfSlg. 8422/1978 und 8786/1980 an dieser Rechtsprechung festgehalten.
Diese Judikatur beruht auf dem Grundgedanken, daß das Verteilungs- oder Entschädigungsgesetz den Kreis der Anspruchsberechtigten nicht enger ziehen dürfe als der Vermögensvertrag.
b) Der VfGH hat in dem dieses Gesetzesprüfungsverfahren einleitenden Beschluß ausgeführt, daß es in Verfolg dieser Rechtsprechung dem Gleichheitsgrundsatz auch zu widersprechen scheine, wenn das Gesetz die Vermögenswerte, für deren Verlust Entschädigungen gewährt werden, enger umschreibt als der Vermögensvertrag, wenn die innerstaatliche gesetzliche Durchführungsregelung also nicht für den Verlust aller jener Vermögenswerte eine Entschädigung vorsieht, für die die Republik Österreich auf Grund des Vermögensvertrages eine (Global-)Entschädigung erhält.
Der VfGH hat im Einleitungsbeschluß das Bedenken geäußert, daß ein derartiger - gleichheitswidriger - Widerspruch zwischen dem Vermögensvertrag CSSR und dem EG-CSSR bestehe. Aus Art1 des Vermögensvertrages scheine sich zu ergeben, daß die im Vertrag vorgesehene Globalentschädigung für alle, bestimmten tschechoslowakischen Maßnahmen unterzogenen österreichischen Vermögenschaften, Rechten und Interessen gewährt wird (ohne daß die Regelung hinsichtlich dieser Vermögenswerte eine Einschränkung erfährt) und daß (im Widerspruch dazu) das EG-CSSR eine Einschränkung der zu entschädigenden Vermögenswerte enthält.
Im übrigen sei dem VfGH - wie es im Einleitungsbeschluß weiter lautet - keine sachliche Rechtfertigung für die durch §29 EG-CSSR anscheinend bewirkte (oben dargelegte) Einschränkung der zu entschädigenden Vermögenswerte erkennbar.
c) Das Verfahren hat nichts ergeben, was geeignet wäre, diese Bedenken zu zerstreuen.
Hypotheken werden ihrer Art nach vom Vermögensvertrag CSSR erfaßt:
Die Nationalisierung von Liegenschaften, die den Untergang von Hypotheken bewirkt hat, ist der Entzug eines Rechtes iS des Art1 des Vermögensvertrages CSSR.
Das EG-CSSR hingegen erfaßt derartige Hypotheken nicht. So fallen Hypotheken nicht unter den Begriff "Grundvermögen" iS des §10 Abs1 Z2 (vgl. §10 Abs2 EG-CSSR, der auf das Bewertungsgesetz 1955, BGBl. 148 - so auch auf dessen den Begriff "Grundvermögen" definierenden §51 -, verweist). Hypotheken lassen sich aber auch nicht unter den Begriff "sonstiges Vermögen" iS des §10 Abs1 Z4 EG-CSSR einreihen. §29 zählt nämlich taxativ auf, was zum "sonstigen Vermögen" gehört. Beim Wortlaut des §29 ist es ausgeschlossen, Hypotheken darunter zu subsumieren.
Zusammenfassend ist festzuhalten, daß wohl der Vermögensvertrag CSSR, nicht aber das EG-CSSR Hypotheken erfaßt (und daher für ihren Verlust keine Entschädigung vorsieht). Diese Einschränkung, die das EG-CSSR gegenüber dem Vermögensvertrag vornimmt, verletzt - wie sich aus der in der vorstehenden lita wiedergegebenen Judikatur, die auf den Kreis der Vermögenswertarten, für die eine Entschädigung zu leisten ist, übertragbar ist, ergibt - das auch den Gesetzgeber bindende Gleichheitsgebot.
Die festgestellte Verfassungswidrigkeit kann nur durch Aufhebung des gesamten §29 EG-CSSR beseitigt werden.
Diese Bestimmung war daher zur Gänze wegen Widerspruchs zum Gleichheitsgrundsatz aufzuheben.
d) Die übrigen Aussprüche gründen sich auf Art140 Abs5 und 6 B-VG.
Schlagworte
EntschädigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1981:G53.1980Dokumentnummer
JFT_10188790_80G00053_00