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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / GerichtsaktBeachte
ähnlich Erk. v. 3. März 1982 B156, 157/81Leitsatz
Art144 Abs1 B-VG; eine gerichtlichen Anordnungen entsprechende Amtshandlung von Verwaltungsorganen kein Verwaltungsakt iS dieser Bestimmung Finanzstrafgesetz; keine Bedenken gegen §89; eine Beschlagnahmeanordnung nach §89 Abs1 hat in Bescheidform zu ergehen; keine gesetzliche Grundlage für die bekämpfte BeschlagnahmeSpruch
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die in der Nacht zum 21. Dezember 1980 in Räumen der Volksbank M. reg Genossenschaft mbH von Organen des Finanzamtes Neunkirchen durchgeführte Beschlagnahme der Sparbücher mit Konto-Nummern 602.5258 und 600.3735 samt Schriftstücken richtet.
2. Der Beschwerdeführer ist dadurch, daß ein Organ des Finanzamtes Wiener Neustadt am 27. Feber 1981 in Wiener Neustadt im Finanzstrafverfahren AZ Vr 1661/81 des Kreisgerichtes Wiener Neustadt freigegebene Sparbücher der Volksbank M. reg Genossenschaft mbH mit den Konto-Nummern 602.5258 und 600.3735 samt Schriftstücken beschlagnahmt hat, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1.1. In dem beim Kreisgericht Wiener Neustadt zum AZ Vr 1661/80 anhängigen Strafverfahren gegen J. G. ua. wegen des Verdachtes eines Finanzvergehens fand nachts zum 21. Dezember 1980 zufolge eines journalrichterlichen Hausdurchsuchungsbefehls in den Räumlichkeiten der Volksbank M. reg Genossenschaft mbH eine Hausdurchsuchung statt, die gemäß §197 FinStrG von Organen des Finanzamtes Neunkirchen durchgeführt wurde. Dabei wurden ua. zwei Sparbücher des J. P. mit den Konto-Nummern 602.5258 und 600.3735 samt Schriftstücken in Beschlag genommen, deren Beschlagnahme in der Folge auch der zuständige Untersuchungsrichter mit Beschluß vom 27. Jänner 1981, ONr. 242, bestätigt mit Beschluß der Ratskammer des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 5. Feber 1982, ONr. 308, unter Anordnung gerichtlicher Versiegelung als Beweismittel verfügte (§§143 Abs1, 145 Abs3 StPO).
1.1.2. Diese Beschlagnahme hob der Untersuchungsrichter des Kreisgerichtes Wiener Neustadt in einer Tagsatzung vom 27. Feber 1981 ausdrücklich auf (Punkt 28. - S 36 des Gerichtsprotokolls; ferner Punkte 1.) und 2.) - S 39 dieses Protokolls). Anschließend wurden diese somit vom Gericht freigegebenen Sachen von einem anwesenden Organ des örtlichen Finanzamtes übernommen und sichergestellt; dies in Berufung auf eine dem Kreisgericht vorliegende, vom Finanzamt Wiener Neustadt als Finanzstrafbehörde erster Instanz am 17. Feber 1981 gemäß §89 Abs1 FinStrG erlassene schriftliche "Beschlagnahmeanordnung" (ohne Zl.), die sich auf offensichtlich als Beweismittel in verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren in Betracht gezogene "drei gerichtlich beschlagnahmte ... Pakete, die Unterlagen und Beweismittel etc. in verschiedenen Finanzstrafverfahren beinhalten und im Zuge einer Hausdurchsuchung in einem gerichtlichen Finanzstrafverfahren in der Volksbank M. beschlagnahmt wurden", erstreckte.
1.2. In der an den VfGH gerichteten Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG begehrte J. P. die kostenpflichtige Feststellung, daß er durch die geschilderten finanzbehördlichen Amtshandlungen, und zwar - wie aus Inhalt und Zielsetzung der Beschwerdeschrift zu erschließen ist - sowohl durch die ihm erst am 27. Feber 1981 zur Kenntnis gelangte Beschlagnahme vom 21. Dezember 1980 als auch durch die Beschlagnahme vom 27. Feber 1981, demnach durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden sei, so im Recht auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 des 1. ZP zur MRK) und im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG); hilfsweise wurde die Abtretung der Beschwerde an den VwGH gemäß Art144 Abs2 B-VG in der Fassung vor dem BVG BGBl. 350/1981 beantragt.
2. Über die Beschwerde wurde erwogen:
3. Zur Amtshandlung vom 21. Dezember 1980.
3.1. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (VfSlg. 6815/1972, 7203/1973 ua.) kann eine gerichtlichen Anordnungen entsprechende Amtshandlung von Verwaltungsorganen niemals als Verwaltungsakt iS des Art144 B-VG qualifiziert werden.
3.2. Dabei ist davon auszugehen, daß hier ein gerichtlicher Hausdurchsuchungsbefehl erging und alle in Durchführung einer gerichtlich angeordneten Hausdurchsuchung aufgefundenen Gegenstände, "die für die Untersuchung von Bedeutung sein können oder dem Verfall oder der Einziehung unterliegen" (§143 Abs1 StPO iVm §§195 Abs1, 206 FinStrG), oder "die auf die Begehung einer (von Amts wegen zu verfolgenden) anderen als der strafbaren Handlung schließen lassen, derentwegen die Durchsuchung vorgenommen wird" (§144 StPO iVm §195 Abs1 FinStrG), regelmäßig in Beschlag zu nehmen sind, dh. beschlagnahmt werden müssen. Die - bekämpfte - Beschlagnahme der Sparbücher der Volksbank M. reg Genossenschaft mbH mit den Konto-Nummern 602.5258 und 600.3735 samt Beilagen fand nun unbestritten im Zuge der gerichtlich verfügten Hausdurchsuchung statt, und zwar nach Auffassung des VfGH ersichtlich in Handhabung der §§143, 144 StPO: Das ergibt sich nach Lagerung des Falles insbesondere schon daraus, daß die besagten Urkunden noch mit Gerichtsbeschluß vom 27. Jänner 1981 als Beweismittel beschlagnahmt und erst nach weiterer Prüfung am 27. Feber 1981 freigegeben wurden. Der gegenteiligen Rechtsmeinung des Beschwerdeführers - die insbesondere die schon zitierte Bestimmung des §144 StPO außer acht läßt - vermag der VfGH nicht beizutreten; dies ungeachtet des in der Beschwerdeschrift hervorgekehrten Umstandes, daß sich die belangte Behörde in einer am 21. Dezember 1980 über die Amtshandlung in den Räumen der Volksbank M. aufgenommenen Niederschrift unklar als "Finanzamt des Zuvorkommens" bezeichnete.
Da also die Organe des Finanzamtes Neunkirchen in Vollziehung des richterlichen Hausdurchsuchungsbefehls handelten, die angefochtene Amtshandlung mithin in diesem Gerichtsbeschluß formale Deckung findet, ist insoweit eine Zuständigkeit des VfGH zur Entscheidung über die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG nicht gegeben.
In diesem Umfang mußte daher die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen werden.
4. Zur Amtshandlung vom 27. Feber 1981.
4.1.1. Gemäß Art144 Abs1 Satz 2 B-VG idF der Nov. BGBl. 302/1975 erkennt der VfGH über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person. Darunter fallen Verwaltungsakte, die bis zum Inkrafttreten der B-VG-Nov. BGBl. 302/1975 nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH als sogenannte faktische Amtshandlungen (mit individuell-normativem Inhalt) bekämpfbar waren, wie dies ua. für eine Beschlagnahme, dh. die zwangsweise Entziehung einer Sache zum Zweck der Verwahrung (VfSlg. 4947/1965, 6754/1972, 9099/1981) zutrifft, die nicht auf Grund eines - sie anordnenden - verwaltungsbehördlichen Bescheides stattfand.
4.1.2. Wurde eine Beschlagnahme hingegen bescheidmäßig verfügt, kann sie - wie der VfGH schon wiederholt aussprach - nicht unmittelbar Gegenstand einer Beschwerdeführung nach Art144 Abs1 B-VG sein (vgl. zB VfSlg. 2450/1952, 3848/1960, 4947/1965, 5720/1968, 9099/1981).
4.1.3. Nun muß zwar eine Beschlagnahmeanordnung nach der Vorschrift des §89 Abs1 FinStrG - die bestimmt, daß die Finanzstrafbehörde die Beschlagnahme von verfallsbedrohten Gegenständen und von Gegenständen, die als Beweismittel in Betracht kommen können, anzuordnen hat, wenn dies zur Sicherung des Verfalls oder zur Beweissicherung geboten ist - in Bescheidform ergehen (s. dazu VfSlg. 4219/1962 und VwSlg. 2590 F/1962; VfGH 16. 12. 1981 B101/81 und B102/81), weil damit eine Verwaltungsangelegenheit in einer der Rechtskraft fähigen Weise normativ geregelt, mithin ein Rechtsverhältnis für den Einzelfall bindend gestaltet wird (s. zB VfSlg. 6187/1970; VfGH 27. 2. 1981 B673/80). Als solcher Bescheid - der, da nicht ein Rechtsmittel gesetzlich für unzulässig erklärt wurde, einer Anfechtung mit Administrativbeschwerde gemäß §152 Abs1 FinStrG unterliegt (VfGH 16. 12. 1981 B101/81 und B102/81) - ist jedoch die in Rede stehende "Beschlagnahmeanordnung" nach §89 Abs1 FinStrG nicht anzusehen. Dies deshalb, weil sie sich ihrem Inhalt nach - es fehlt ein Betroffener als Bescheidadressat - nicht an bestimmte (natürliche oder juristische) Personen, insbesondere auch nicht an J. P. oder die - bloß im Zusammenhang mit dem Ort der ursprünglichen Beschlagnahme zufolge gerichtlichen Hausdurchsuchungsbefehls erwähnte - Volksbank M. reg Genossenschaft mbH richtet, also nicht über Rechtsverhältnisse individuell bestimmter Personen abspricht, sich vielmehr der Sache nach in einer - dem Kreisgericht Wiener Neustadt mitgeteilten - behördeninternen Anweisung an Organe des Finanzamtes Wiener Neustadt erschöpft. Allein schon aus diesem Grund mangelt es hier nach der konkreten Fallgestaltung an einem unabdingbaren Bescheid essentiale (vgl. Mannlicher - Quell, Verwaltungsverfahren, 8. Auflage, S 291 ff., Anm. 1).
4.1.4. Daraus folgt, daß die dem Finanzamt Wiener Neustadt als belangter Behörde zuzurechnende Beschlagnahme vom 27. Feber 1981, die - wie dargetan - in der schriftlichen "Beschlagnahmeanordnung" vom 17. Feber 1981 keine bescheidmäßige Deckung findet, iS der einleitenden Ausführungen zu Punkt 4.1.1. als Akt der Befehls- und Zwangsgewalt in der Bedeutung des Art144 Abs1 B-VG idF der Nov. BGBl. 302/1975 zu beurteilen ist.
4.2. Da vorliegend ein Instanzenzug nicht in Betracht kommt und auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, erweist sich die Beschwerde - insoweit - als zulässig.
4.3.1. Die Beschlagnahme von Gegenständen, die - wie hier - wirtschaftlichen Wert (Geldeswert) besitzen (s. dazu VfSlg. 8669/1979), greift jedenfalls in das "Eigentum" in der Bedeutung des Art5 StGG - und zwar den Umständen nach (auch) des Beschwerdeführers J. P. - ein.
4.3.2. Dieser Eingriff wäre dann verfassungswidrig, wenn er auf verfassungswidrigen generellen Normen beruhte oder wenn die Behörde bei ihrer Amtshandlung eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann zuträfe, wenn ihr dabei ein so schwerer Fehler zur Last fiele, daß er mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen ist (s. VfSlg. 7409/1974, 7917/1976, 9020/1981 ua.).
4.3.3. Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, daß die dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrundegelegten Rechtsvorschriften (§89 FinStrG) verfassungswidrig seien.
Auch der VfGH hegt - unter dem Blickwinkel dieses Beschwerdefalls - keine derartigen Bedenken.
4.3.4. Demgemäß hätte die vom Beschwerdeführer behauptete Grundrechtsverletzung nur dann stattgefunden, wenn der Behörde ein der Gesetzlosigkeit gleichkommendes Verhalten anzulasten wäre.
Dies ist der Fall.
Da - wie dargetan - eine bescheidmäßige Beschlagnahmeanordnung der Finanzbehörde, wie sie die von den amtshandelnden Personen herangezogene Vorschrift des §89 Abs1 FinStrG vorsieht und verlangt, hier nicht vorlag, überschritt es die Grenzen denkmöglicher Gesetzeshandhabung, wenn die belangte Behörde die angefochtene Beschlagnahme auf diese Gesetzesstelle stützte. Daß aber die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach §89 Abs2 FinStrG, nämlich für eine Beschlagnahme ohne Anordnung gemäß §89 Abs1 FinStrG wegen Gefahr in Verzug, gegeben gewesen wären, wurde gar nicht geltend gemacht. Der bekämpften Beschlagnahme fehlte damit die behauptete gesetzliche Grundlage.
4.4. Aus den dargelegten Erwägungen wurde der Beschwerdeführer durch die im Spruch näher bezeichnete Amtshandlung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.
Somit mußte spruchgemäß entschieden werden, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen eingegangen zu werden brauchte.
Schlagworte
VfGH / Zuständigkeit, Beschlagnahme, Finanzstrafrecht, Ausübung unmittelbarer Befehls- und ZwangsgewaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1982:B99.1981Dokumentnummer
JFT_10179775_81B00099_00