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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Wr. Bauordnung iVm Wr. Garagengesetz; Erteilung einer Baubewilligung zur Errichtung einer Garage an der Grundgrenze auf einem im Industriegebiet liegenden Grundstück; Abweisung von Anrainereinwendungen; keine denkunmögliche und keine gleichheitswidrige GesetzesanwendungSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die beteiligten Parteien dieses verfassungsgerichtlichen Verfahrens haben am 1. Juli 1976 beim Magistrat der Stadt Wien um baubehördliche Genehmigung zur Errichtung eines Gebäudes angesucht. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 7. November 1977 wurde den beteiligten Parteien gemäß §71 der Bauordnung für Wien, LGBl. 11/1930, (im folgenden kurz: Wr. BO) idF vor dem Inkrafttreten der Nov. LGBl. 18/1976 (s. ArtII dieser Nov.) in Anwendung des Wiener Garagengesetzes, LGBl. 22/1957, idF der Nov. LGBl. 7/1975, die Bewilligung erteilt, auf der Liegenschaft EZ 2278 ua., KG Landstraße in Wien III., Erdberger Mais 2278 ein unterkellertes zweigeschoßiges Betriebsgebäude und eine ebenerdige PKW-Garage errichten zu lassen. An die Erteilung der Baubewilligung wurde eine Reihe von Auflagen geknüpft.
Der Einwand des Anrainers (der Beschwerdeführerin dieses verfassungsgerichtlichen Verfahrens) dagegen, "daß die PKW-Garage unmittelbar an seiner Grundgrenze errichtet werden soll", wurde als im Gesetz nicht begründet abgewiesen.
2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.
3. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Nach der ständigen Judikatur des VfGH (vgl. zB VfSlg. 7591/1975) greift ein Baubewilligungsbescheid nicht in private Vermögensrechte des Anrainers ein.
Es ist daher ausgeschlossen, daß die Beschwerdeführerin durch den bekämpften Bescheid im Eigentumsrecht verletzt wurde.
2. Die Beschwerdeführerin macht auch geltend, im Gleichheitsrecht verletzt worden zu sein. Dieser Vorwurf trifft nicht zu:
a) Der angefochtene Bescheid bestätigt den die Anrainereinwendungen, daß der Abstand zur Nachbargrenze nicht eingehalten werde, abweisenden erstinstanzlichen Bescheid mit der Begründung, daß die zu verbauende Liegenschaft im Industriegebiet liege; keine Bestimmung der Wr. BO (insbesondere auch nicht §76 Abs3 in der für dieses Verfahren maßgeblichen Fassung vor dem Inkrafttreten der Nov. LGBl. 18/1976 - vgl. deren ArtII) und des Wr. GaragenG verbiete es, im Industriegebiet liegende Liegenschaften bis zur Grundgrenze zu verbauen.
b) Die Beschwerdeführerin begründet ihre Behauptung, im Gleichheitsrecht verletzt worden zu sein, damit, daß eine "Suspendierung sämtlicher in der Wr. BO gewährleisteten subjektiv-öffentlichrechtlichen Nachbarrechte" nur dann sachlich gerechtfertigt werden könne, wenn die zu verbauende Liegenschaft tatsächlich im Industriegebiet liege, nicht aber auch dann, wenn es sich - wie hier - um ein Gebiet handelt, in dem auch Wohnhäuser liegen.
Die Beschwerdeführerin bringt weiters vor, daß "die Ausschließung der Bestimmung des §7 Abs1 lita des Wr. GaragenG" (in Betracht kommt richtig wohl nur §6 Abs1 dieses Gesetzes idF der Nov. LGBl. 7/1975) "nicht gerechtfertigt erscheine, da eine Gefährdung der Beschwerdeführerin jedenfalls gegeben sei, unabhängig davon, ob die Flächenwidmung für Industriegebiet vorgesehen ist oder nicht".
c) aa) Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
bb) Unbestritten und durch die dem VfGH vorgelegten Planunterlagen belegt ist die Tatsache, daß die zu verbauenden Grundstücke als "Industriegebiet" gewidmet sind.
Die Behörde hat - denkmöglich - angenommen, daß keine Norm der Wr. BO verbietet, im Industriegebiet liegende Grundstücke bis zur Grundgrenze zu verbauen.
Der VfGH hegt gegen das Gesetz, auch wenn es diesen Inhalt hat, keine verfassungsrechtlichen Bedenken, insbesondere nicht solche unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes:
Flächenwidmungs- und Bebauungspläne geben nicht die derzeitige Nutzung der von ihnen erfaßten Liegenschaften wieder, sondern legen deren künftige Nutzung (etwa als Industriegebiet) fest. Es ist - was im übrigen auch die Beschwerdeführerin nicht bezweifelt - sachlich gerechtfertigt, die Rechte der Anrainer (etwa auf das Einhalten eines bestimmten Abstandes von der Nachbargrenze) im Industriegebiet anders (und eingeschränkter) zu gestalten als im Wohngebiet, da es die verschiedenen widmungsgemäßen Nutzungsarten nahelegen, die Interessen der Anrainer, durch die Bebauung des Nachbargrundstückes nicht beeinträchtigt zu werden, verschieden zu berücksichtigen. Daß hier die Flächenwidmung unsachlich erfolgt wäre, hat das Verfahren nicht ergeben, mag es auch in Einzelfällen zu Härten kommen (vgl. zB VfSlg. 8056/1977).
cc) Die Behörde ist auch nicht willkürlich vorgegangen. Weder haben sich Anhaltspunkte dafür ergeben, daß sie die Beschwerdeführerin aus unsachlichen Gründen benachteiligt hätte, noch hat sie das Gesetz derart verfehlt angewendet, daß dies Willkür indizieren könnte.
Es war jedenfalls vertretbar anzunehmen, daß sich §76 Abs3 Wr. BO in der damals maßgeblichen Fassung (der sich im VIII. Abschnitt "Bauliche Ausnützbarkeit der Bauplätze" fand) nicht auf Industriegebiet bezog; so sprach der den zitierten Gesetzesabschnitt einleitende §75 Abs1 nur von Wohngebieten und gemischten Baugebieten, nicht aber auch von Industriegebieten.
Die belangte Behörde hat bei Lösung der Frage, ob die geplante Anlage zum Einstellen von Kraftfahrzeugen geeignet ist, auf die im §6 Abs1 des Wr. GaragenG angegebene Art auf die Nachbarschaft einzuwirken, auch auf den Abstand von der Grundgrenze Bedacht genommen, diese Frage allerdings verneint. Die Überlegungen, die die Behörde zu diesem Ergebnis geführt haben - daß nämlich im Hinblick auf die Lage im Industriegebiet einer allfälligen Belästigung der Nachbarn iS der zitierten Gesetzesbestimmung weniger Gewicht beizumessen sei -, sind zumindest nicht denkunmöglich, zumal diese Gesetzesbestimmung ausdrücklich auf die "festgesetzte Widmung" Bezug nimmt.
dd) Die Beschwerdeführerin ist sohin auch nicht im Gleichheitsrecht verletzt worden.
3. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.
Das Verfahren hat nicht ergeben, daß die Beschwerdeführerin in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm in einem Recht verletzt wurde.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Baurecht, Raumordnung, Nachbarrechte, Garagen, FlächenwidmungsplanEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1982:B4.1978Dokumentnummer
JFT_10179774_78B00004_00