TE Vfgh Erkenntnis 1982/2/26 B536/78, B552/78

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Veröffentlicht am 26.02.1982
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Index

60 Arbeitsrecht
60/02 Arbeitnehmerschutz

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
KJBG §11
SchulzeitG §1

Leitsatz

Kinder- und Jugendlichen-Beschäftigungsgesetz; keine Bedenken gegen §11; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte

Spruch

Die Beschwerden werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit zwei Straferkenntnissen der Bezirkshauptmannschaft Steyr-Land vom 25. April 1977 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, bei Verwendung zweier jugendlicher Arbeitnehmerinnen in ihrem gastgewerblichen Betrieb mehrere Übertretungen nach dem Bundesgesetz über die Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen, BGBl. 146/1948 in der Fassung der Nov. BGBl. 390/1976 (KJBG), begangen zu haben.

Den gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen gab der Landeshauptmann von OÖ mit Berufungsentscheidungen vom 24. Juli 1978 und vom 15. September 1978 zum Teil statt, zum Teil bestätigte er die bekämpften Straferkenntnisse.

2. Gegen den die Beschäftigung der jugendlichen Arbeitnehmerin J. K. betreffenden Berufungsbescheid vom 24. Juli 1978 richtet sich die unter B536/78, gegen den die Beschäftigung der jugendlichen Arbeitnehmerin I. P. betreffenden Berufungsbescheid vom 15. September 1978 die unter B552/78 protokollierte Beschwerde an den VfGH. In beiden, jeweils auf Art144 B-VG gestützten Beschwerden wird die Gleichheitswidrigkeit der der Bestrafung zugrunde liegenden Gesetzesbestimmungen gerügt und die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unverletzlichkeit des Eigentums behauptet. Es wird beantragt, die bekämpften Bescheide kostenpflichtig aufzuheben, in eventu die Beschwerden an den VwGH abzutreten. Die belangte Behörde hat in Gegenschriften die Abweisung der Beschwerden beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin behauptet, in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums dadurch verletzt worden zu sein, daß sich der Bescheid unter anderem auf §11 Abs1 KJBG stütze, der wegen eines Verstoßes gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz verfassungswidrig sei.

§11 KJBG bestimmt in der einleitend genannten, für die in Rede stehenden Sachverhalte maßgeblichen Fassung, daß die tägliche Arbeitszeit von Jugendlichen grundsätzlich - soweit im Gesetz selbst nichts anderes bestimmt ist - 8 Stunden, die Wochenarbeitszeit 40 Stunden nicht überschreiten darf.

Die Beschwerde führt aus, daß es die Intention des KJBG sei, Jugendliche vor gesundheitsschädlicher körperlicher und psychischer Überbelastung im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit zu schützen. Diesem Gesetzeszweck dienten auch die Bestimmungen über die höchstzulässige Arbeitszeit. Während aber der Gesetzgeber der Heranziehung von Jugendlichen zu Arbeiten im Rahmen eines Dienstvertrags die angeführten zeitlichen Grenzen setze, tue er dies im Falle der gleichwertigen Belastung im Rahmen der berufsbildenden Schulen nicht, obwohl die ergonomische Belastung bei Besuchern der berufsbildenden Schulen, allein von der Unterrichtszeit her betrachtet, mindestens die gleiche sei. Der Gesetzgeber lege im Schulzeitgesetz die Höchstanzahl der Unterrichtsstunden für vergleichbare Schüler in der 9. Schulstufe mit höchstens 10 Stunden täglich fest; eine Begrenzung der Wochenarbeitszeit werde überhaupt nicht vorgenommen.

In beiden zeitrechtlichen Bestimmungen, also sowohl im KJBG als auch im Schulzeitgesetz, treffe der Gesetzgeber Regelungen über die zeitliche Inanspruchnahme von Jugendlichen, um eine gesundheitliche Beeinträchtigung durch berufliche bzw. schulische Verwendung hintanzuhalten. Unter Zitierung mehrerer arbeitswissenschaftlicher Untersuchungen behauptet die Beschwerde, daß die durchschnittliche Belastung in einem Betrieb und einer berufsbildenden mittleren Schule gleichzusetzen sei. Die Bestimmung des §1 des Schulzeitgesetzes regle daher ohne entsprechenden sachlichen Grund die Höchstbeschäftigungszeit anders als §11 Abs1 KJBG. Damit verstoße diese Bestimmung gegen das Gleichheitsgebot. Diese Gleichheitswidrigkeit werde auch bei der Betrachtung der durchschnittlichen Wochenarbeits- bzw. Schulzeit deutlich: Diese betrage in zahlreichen berufsbildenden mittleren Schulen 50 Wochenstunden und mehr, wobei es sich um die reine Schulzeit handle; darüber hinaus müsse der Jugendliche noch Hausaufgaben leisten.

2. Der VfGH vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß der Gesetzgeber nicht gehalten ist, bei der Regelung verschiedener Rechtsinstitute und verschiedener Verwaltungsmaterien gleichartig vorzugehen (vgl. etwa VfSlg. 8938/1980 mit Hinweisen auf Vorjudikatur). Bei der Regelung verschiedener Rechtsinstitute ist aber jedes Rechtsinstitut für sich am Gleichheitsgrundsatz zu messen.

Der VfGH hält es von dieser Judikatur ausgehend nicht für gleichheitswidrig, wenn der Gesetzgeber die Begrenzung der Belastung von Kindern und Jugendlichen im Arbeitsrecht und im Schulrecht unterschiedlich regelt. Die beiden von der Beschwerdeführerin zum Vergleich herangezogenen Regelungssysteme entfalten ihre Schutzfunktion, die in der Begrenzung der (physischen und psychischen) arbeitsmäßigen Belastung von Kindern und Jugendlichen gelegen ist, in durchaus unterschiedlichen Sachbereichen, so daß es sich tatsächlich um unterschiedliche Verwaltungsmaterien handelt, deren gleichartige Regelung dem Gesetzgeber nicht vorgeschrieben ist. So hat der Gesetzgeber in der Tat im Arbeitsrecht und im Schulrecht den gleichen Zweck unterschiedlich zu erreichen gesucht. Während er im Arbeitsrecht die Belastung durch eine Begrenzung der Arbeitszeit und eine Regelung des Freizeitmindestmaßes (durch Regelung von Ruhepausen und Ruhezeiten, durch Zeiten der Nachtruhe, der Sonn- und Feiertagsruhe und der Wochenfreizeit) zu begrenzen gesucht hat, hat er im Schulrecht ein anderes System vorgesehen: Dabei wird zwar eine wesentlich höhere Zeit der wöchentlichen Beschäftigung akzeptiert, die Belastung aber durch eine großzügige Ferienregelung, durch eine besondere Pausenregelung und durch Variation in der Beschäftigungsart (Vielzahl und Unterschiedlichkeit der Unterrichtsgegenstände) begrenzt.

Eine solche unterschiedliche Behandlung ist dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen nicht verwehrt. Denn der Gesetzgeber hat dabei einerseits an die unterschiedliche Art der Belastung von Personen, die im Arbeitsleben stehen, und solchen, die in einer schulischen Ausbildung stehen, angeknüpft und andererseits auf die bestehenden Erfordernisse des Wirtschaftslebens bzw. der Schulorganisation Bedacht genommen.

Daß innerhalb des Rechtsinstituts der arbeitszeitlichen Begrenzung der Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen durch das KJBG Regelungen getroffen worden wären, die am Gleichheitssatz gemessen verfassungsrechtlich bedenklich wären, behauptet die Beschwerdeführerin ebensowenig wie andere Verfassungswidrigkeiten der den Bescheid tragenden Rechtsgrundlagen. Auch sind diesbezügliche Bedenken beim VfGH aus Anlaß der gegenständlichen Beschwerdefälle nicht entstanden (vgl. auch VfSlg. 8416/1978).

3. Eine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte bei Vollziehung der Gesetze wird von der Beschwerdeführerin ebenfalls nicht vorgebracht. Auch sind Anhaltspunkte für eine derartige Verletzung im verfassungsgerichtlichen Verfahren nicht hervorgekommen.

Das Verfahren hat somit nicht ergeben, daß die Beschwerdeführerin in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm in einem Recht verletzt wurde.

Die Beschwerden waren daher abzuweisen.

Schlagworte

Arbeitsrecht, Kinder- und Jugendlichenbeschäftigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:B536.1978

Dokumentnummer

JFT_10179774_78B00536_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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