TE Vfgh Erkenntnis 1982/2/27 B553/78

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Veröffentlicht am 27.02.1982
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/04 Sprengmittel, Waffen, Munition

Norm

B-VG Art20 Abs1
B-VG Art83 Abs2
StGG Art5
WaffenG 1967 §6 Abs2 Z6
WaffenG 1967 §20 Abs1. WaffenG 1967 §35

Leitsatz

Waffengesetz 1967; keine Bedenken gegen §6 Abs2 Z6, §20 Abs1 und §35; keine gleichheitswidrige und keine denkunmögliche Anwendung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Schwechat vom 18. April 1978 wurde dem Beschwerdeführer gemäß §20 Abs1 iVm §6 Abs2 Z6 des Waffengesetzes 1967, BGBl. 521/1967 (dieses Gesetz in der Fassung der Waffengesetz-Nov. 1971, BGBl. 109/1971, der Waffengesetz-Nov. 1973, BGBl. 168/1973, der Waffengesetz-Nov. 1975, BGBl. 91/1975 - im folgenden WG 1967), die von der Bundespolizeidirektion Sbg. am 30. Dezember 1970 erteilte Waffenbesitzkarte Nr. 061084 entzogen.

In der Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, es sei im amtsärztlichen Gutachten des Polizeiamtsarztes festgestellt worden, daß beim Beschwerdeführer die in §6 WG 1967 vorgeschriebene Verläßlichkeit zum Besitz von Faustfeuerwaffen mangels geistiger Eignung nicht gegeben sei. Diese amtsärztlichen Feststellungen seien auch durch die Einsichtnahme in die vom Beschwerdeführer beigebrachten Gutachten eines Facharztes für Innere Medizin sowie eines Facharztes für Neurologie und Psychologie nicht widerlegt worden.

b) Die vom Beschwerdeführer gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Schwechat erhobene Berufung wurde mit dem Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland NÖ vom 11. August 1978 gemäß §66 Abs4 AVG 1950 als unbegründet abgewiesen.

2. Gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion vom 11. August 1978 richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer behauptet eine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte, insbesondere der Artikel 2, 5, 6, 8, 10, 10a, 11, 13 des St.G.G. 1867, der "§§1 und 6 des Gesetzes z. Schutz der persönl. Freiheit 1862", der "§§2 u. 4 des Ges. z. Schutz des Hausrechts 1862", des "BVG 1920 in letzter Fassung Art7" und weist überdies auf die Artikel 3, 5, 6, 8, 10, 13, 14 MRK hin.

Der Beschwerdeführer stellt den Antrag, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben, in eventu die Beschwerde dem VwGH abzutreten.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Der auf die Bestimmungen des §20 Abs1 in Verbindung mit §6 Abs2 Z6 WG 1967 gestützte Inhalt des angefochtenen Bescheides beschränkt sich auf den Ausspruch, daß dem Beschwerdeführer die Waffenbesitzkarte entzogen wird. Bei diesem Inhalt ist es ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer durch diesen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten nach Art6 (Aufenthaltsfreiheit, Freiheit des Liegenschaftsverkehrs, Erwerbsfreiheit), Art8 (in Verbindung mit dem Gesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit, RGBl. 87/1862), Art9 (in Verbindung mit dem Gesetz zum Schutz des Hausrechtes, RGBl. 88/1862), Art10 (Briefgeheimnis), Art10a (Fernmeldegeheimnis), Art11 (Petitionsrecht) und Art13 StGG (freie Meinungsäußerung) verletzt worden sein kann. Der VfGH braucht sich mit der Behauptung über die Verletzung dieser Rechte nicht weiter auseinanderzusetzen.

Ebenso ist beim angeführten Inhalt des angefochtenen Bescheides eine Verletzung der Rechte nach den Art3, 5, 6, 8, 10 und 13 MRK ausgeschlossen (zu Art13 MRK siehe VfGH 28. 2. 1981 B573/80, VfGH 1. 10. 1981 B207/79).

Der VfGH braucht sich mit der Behauptung über die Verletzung dieser Rechte nicht weiter auseinanderzusetzen.

2. Der Beschwerdeführer behauptet, daß bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides "verfassungswidrige Gesetze und gesetzwidrige Verordnungen angewandt worden" sein dürften. In seiner Äußerung zu der von der Finanzprokuratur für die belangte Behörde erstatteten Gegenschrift wird sodann ausgeführt, daß ein Widerspruch zum Gleichheitsgrundsatz deswegen vorliege, weil in den Angelegenheiten der Entziehung einer Waffenbesitzkarte eine Berufungsmöglichkeit gegen Bescheide der Sicherheitsdirektion an das zuständige Bundesministerium nicht bestehe. Es wird damit geltend gemacht, daß die Regelung des Instanzenzuges im §35 WG 1967 gleichheitswidrig sei.

Der VfGH hat in dem Erk. VfSlg. 7768/1976 dargelegt, daß gegen die Regelung des Instanzenzuges in §35 WG 1967 verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen. Von verfassungsrechtlichen Bestimmungen über die Einrichtung des Instanzenzuges über eine oder mehrere Instanzen, wie zB Art103 Abs4 B-VG, abgesehen, bleibt dem einfachen Gesetzgeber bei der Regelung einer Materie die Entscheidung überlassen, ob ein Instanzenzug überhaupt eingerichtet wird und ob er über zwei oder mehrere Instanzen bis zum zuständigen Bundesminister geht.

Beim VfGH sind unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles auch andere Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften nicht entstanden.

Daraus folgt, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten nicht verletzt worden ist.

3. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde dann verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (vgl. VfSlg. 8735/1980).

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß die Sachentscheidung über die Entziehung der Waffenbesitzkarte in erster und zweiter Instanz von der zuständigen Behörde gefällt worden ist. Schon daraus folgt, daß er dem gesetzlichen Richter nicht entzogen und damit im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt worden ist. Die Frage, ob der Ausspruch über die Entziehung der Waffenbesitzkarte auch in richtiger Anwendung sowohl der verfahrensrechtlichen Vorschriften hinsichtlich der Durchführung des Ermittlungsverfahrens, insbesondere der Heranziehung von Sachverständigen, als auch der materiellrechtlichen Vorschriften über das Vorliegen der Voraussetzungen zur Entziehung der Waffenbesitzkarte erfolgt ist, berührt nicht die Zuständigkeit einer Behörde und damit auch nicht das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter. Ebensowenig wird durch die nach Art20 Abs1 B-VG verfassungsrechtlich zulässige Erteilung von Weisungen an Verwaltungsorgane die Frage der Zuständigkeit einer Behörde zur Fällung einer Entscheidung berührt (vgl. VfSlg. 6671/1972).

Die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Erlassung des angefochtenen Bescheides ist auch keineswegs durch den vom Beschwerdeführer behaupteten Umstand ausgeschlossen worden, daß eine vom Beschwerdeführer in einem anderen Zusammenhang erstattete Anzeige nicht beachtet und diese Sache und damit auch der Beschwerdeführer als Anzeiger "dem gesetzlichen (Straf-)Richter entzogen und Psychiatern überantwortet" worden sei.

Damit ergibt sich zusammenfassend, daß die behauptete Verletzung des Beschwerdeführers im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht vorliegt.

4. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnte der Beschwerdeführer im Gleichheitsrecht nur verletzt worden sein, wenn die Behörde den bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte (vgl. VfSlg. 8735/1980 und das bereits zitierte Erk. VfSlg. 7768/1976).

Der Beschwerdeführer empfindet "die Hinterlegung des Bescheides statt Zurücksendung an die Bundespolizeidirektion Schwechat, obwohl" seine "vorübergehende Abwesenheit der Post bekannt war, ... als Ungleichheit vor dem Gesetz".

Zu diesem Vorbringen genügt es, den Beschwerdeführer auf die die Zustellung regelnden Bestimmungen des AVG 1950 (§§21 ff. leg. cit.) hinzuweisen.

Der VfGH vermag einen Anhaltspunkt, nach dem der belangten Behörde zum Vorwurf gemacht werden könnte, den bei der Erlassung des Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt zu haben oder willkürlich vorgegangen zu sein, nicht zu finden.

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht verletzt worden.

In diesem Zusammenhang ist zu der vom Beschwerdeführer behaupteten Verletzung des Art14 MRK zu bemerken, daß durch diese Konventionsbestimmung ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz nicht begründet wird (vgl. VfGH 27. 2. 1981 B512/80 und die dort zitierte Vorjudikatur).

5. Ein Bescheid, mit dem eine Waffenbesitzkarte entzogen wird, greift - wie ein Bescheid, mit dem ein Waffenpaß entzogen wird (vgl. VfSlg. 7768/1976) - in das Eigentum nicht wegen des Entzuges der Urkunde, der ein Vermögenswert nicht zukommt, wohl aber im Hinblick auf die Auswirkungen ein, die sich aus der Entziehung der Waffenbesitzkarte für den Besitz und die Verfügungsmöglichkeit über Waffen ergeben.

Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der dem Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums nur verletzt worden sein, wenn die Entziehung der Waffenbesitzkarte denkunmöglich den Bestimmungen des Waffengesetzes, auf die sich die belangte Behörde beruft, unterstellt werden könnte. Dies wäre nur dann der Fall, wenn der belangten Behörde bei der Erlassung des Bescheides ein Fehler unterlaufen wäre, der mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Im Verfahren vor dem VfGH hat sich nichts ergeben, was den Vorwurf, einen solchen Fehler begangen zu haben, rechtfertigen könnte. Dabei ist auch in diesem Zusammenhang - wie bereits erwähnt - nicht zu prüfen, ob die belangte Behörde in richtiger Anwendung des Gesetzes die Schlußfolgerung gezogen hat, daß beim Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Entziehung der Waffenbesitzkarte gegeben sind.

Der Beschwerdeführer ist im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht verletzt worden.

6. Im Verfahren vor dem VfGH ist nicht hervorgekommen, daß der Beschwerdeführer in einem sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden wäre.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Instanzenzug, Verwaltungsverfahren, Waffenrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:B553.1978

Dokumentnummer

JFT_10179773_78B00553_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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