TE Vfgh Erkenntnis 1982/2/27 B548/78

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Veröffentlicht am 27.02.1982
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8240 Abfall, Müll

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Allg
Oö AbfallG 1975 §10 Abs1

Leitsatz

Oö. Abfallgesetz; keine Bedenken gegen §10 Abs1 sowie gegen §5 der Müllabfuhrordnung der Gemeinde Ottenschlag i. M.; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte

Spruch

I. Die Beschwerde wird abgewiesen.

II. Die in der Beschwerde gestellten Anträge, in der Sache selbst zu erkennen und den Bescheid des Gemeinderates der Gemeinde Ottenschlag i. M. vom 25. April 1978 aufzuheben, werden zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Nach §8 des Oö. Abfallgesetzes, LGBl. 1/1975, hat die Gemeinde zur regelmäßigen Abfuhr des im Pflichtbereich der Gemeinde anfallenden Hausmülls und Sperrmülls eine öffentliche Einrichtung (öffentliche Müllabfuhr) zu errichten, zu erhalten und zu betreiben.

Der Pflichtbereich umfaßt nach §8 Abs3 leg. cit. grundsätzlich das gesamte Gemeindegebiet, sofern nicht nach den näheren Voraussetzungen dieser Bestimmung Grundstücke vom Pflichtbereich der Gemeinde ausgenommen werden.

Nach §9 Abs1 des Oö. Abfallgesetzes sind die Eigentümer der im Pflichtbereich der Gemeinde gelegenen Grundstücke berechtigt und verpflichtet, den auf ihren Grundstücken anfallenden Hausmüll und Sperrmüll durch die öffentliche Müllabfuhr abführen zu lassen.

§9 Abs2 leg. cit. enthält eine nähere Regelung, nach der die in §9 Abs1 festgelegte Verpflichtung nicht besteht.

§10 Abs1 des Oö. Abfallgesetzes (Überschrift: Ausnahme von der Anschlußpflicht) lautet:

"(1) Der Bürgermeister (Magistrat) kann bei Vorliegen eines Berücksichtigungswürdigen Interesses an der privaten Verwertung des Mülls auf Antrag des Grundstückseigentümers über die nach §9 Abs2 bestehenden Ausnahmen hinaus Ausnahmen von der im §9 Abs1 festgelegten Verpflichtung hinsichtlich des auf bestimmten Grundstücken anfallenden Hausmülls und Sperrmülls bewilligen, wenn die ordnungsgemäße Sammlung und Beseitigung des gesamten auf diesen Grundstücken anfallenden Hausmülls und Sperrmülls nach den im §3 angeführten Grundsätzen gewährleistet ist und der Bestand und Betrieb der öffentlichen Müllabfuhr in wirtschaftlicher Beziehung hiedurch nicht gefährdet wird. Die Bewilligung hat erforderlichenfalls die für eine ordnungsgemäße Sammlung, Abfuhr und Beseitigung des Mülls notwendigen Bedingungen und Auflagen zu enthalten und kann nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles auch befristet erteilt oder auf bestimmte Arten des Hausmülls oder Sperrmülls beschränkt werden."

In §16 Oö. Abfallgesetz ist bestimmt, daß der Gemeinderat unter Bedachtnahme auf die in §3 leg. cit. angeführten Grundsätze, den Stand der technischen Entwicklung und die wirtschaftliche Lage der Gemeinde eine Müllabfuhrordnung nach den in der angeführten Regelung enthaltenen näheren Bestimmungen zu erlassen hat.

b) Für die Gemeinde Ottenschlag i. M. wurde die Müllabfuhrordnung mit der Verordnung des Gemeinderates vom 22. März 1977 erlassen. §2 der Müllabfuhrordnung bestimmt, daß der Pflichtbereich für die öffentliche Müllabfuhr "das gesamte Gemeindegebiet Ottenschlag i. M."

umfaßt. In dem mit "Ausnahme von der Anschlußpflicht" überschriebenen §5 ist bestimmt, daß auf Antrag des Grundstückseigentümers der Bürgermeister "bei Vorliegen eines berücksichtigungswürdigen Interesses an der privaten Verwertung des Mülls unter weiteren Voraussetzungen des §10 des Oö. Abfallgesetzes eine Ausnahme von der Anschlußpflicht bewilligen" kann. In einer im Mai des Jahres 1977 von den Bürgermeistern der Gemeinden Reichenau i. M., Haibach i. M. und Ottenschlag i. M. an die Haushalte gerichteten "Information über die Müllabfuhr" heißt es, daß es kaum möglich sein werde, "Ausnahmen von der Müllabfuhr" zuzulassen. "Wer aber trotzdem der Ansicht" sei, "einen außergewöhnlichen Grund für eine Ausnahme von der Müllabfuhr geltend machen zu können", müsse ein schriftliches Ansuchen an den Bürgermeister einbringen.

c) Am 1. Juni 1977 richtete der Beschwerdeführer eine Eingabe folgenden Inhaltes an den Bürgermeister der Gemeinde Ottenschlag i.

M.

"Ich besitze in der Gemeinde Ottenschlag, Ottenschlag 40, ein kleines Wochenendhäuschen.

Dieses Wochenendhäuschen liegt 320 m von der Gemeindestraße entfernt.

Erfahrungsgemäß wird dieses Stück, weil es sich um eine Zufahrt handelt, in der Zeit von Oktober bis Mitte April nicht geräumt.

Ich bin ebenso wie meine Gattin Pensionist und ist es uns unzumutbar, den Zufahrtsweg im Winter geräumt zu halten.

Als Erschwerung kommt noch hinzu, daß es sich bei dem Zufahrtsweg um eine bis zu 13%ige Steigung handelt.

Weder ich noch meine Gattin sind deshalb in der Lage, mit einer gefüllten Mülltonne oder einem schweren Müllsack an der Gemeindestraße den Müll zu deponieren.

Das würde mit sich bringen, daß wir zwar die Müllabfuhr bezahlen müßten, eine Gegenleistung aber praktisch unterbleiben würde.

Ich ersuche Sie mir mitzuteilen, ob in unserem Härtefall die Garantie gegeben werden könnte, daß der Müllabfuhrmann den Müll von unserem Häuschen direkt abholt, bzw. daß für die Wintermonate auf die Einhebung der Müllabfuhrgebühr verzichtet werden kann."

Über diese - als Antrag um Ausnahme von der Einbeziehung in die Müllabfuhr gemäß §10 Oö. Abfallgesetz gewertete - Eingabe erließ der Bürgermeister der Gemeinde Ottenschlag i. M. am 9. September 1977 einen abweisenden Bescheid.

d) Der dagegen erhobenen Berufung gab der Gemeinderat der Gemeinde Ottenschlag i. M. mit Bescheid vom 25. April 1978 keine Folge.

e) Mit Bescheid vom 31. August 1978 wies die Oö. Landesregierung die gegen den Bescheid des Gemeinderates ergriffene Vorstellung ab.

2. Gegen den Bescheid der Oö. Landesregierung erhob der Beschwerdeführer eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der er die Verletzung des Rechtes aller Staatsbürger auf Gleichheit vor dem Gesetz und des Rechtes auf Unverletzlichkeit des Eigentums rügt sowie den Antrag stellt, "die angefochtenen Bescheide aufzuheben und in der Sache selbst zu erkennen", daß der Beschwerdeführer "von der Verpflichtung der Müllabfuhr ausgenommen werde, wenn nicht gleichzeitig der Müll von" seinem "Häuschen weg abgeholt wird"; in eventu "die obgenannten Bescheide aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Ergänzung des Verfahrens an die Erstinstanz zwecks Durchführung eines Lokalaugenscheines zurückzuverweisen". Für den Fall der Abweisung wird ferner die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.

II. Der VfGH hat über die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrages um Ausnahme von der Anschlußpflicht richtet, erwogen:

1. Im Hinblick auf die in der Information an die Haushalte enthaltene Angabe über die Möglichkeit, Ansuchen um Bewilligung einer Ausnahme von der Anschlußpflicht beim Bürgermeister einbringen zu können, und im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid selbst ausführt, zwar "nicht um eine volle Befreiung von der Müllabfuhr, sondern lediglich um eine Befreiung von der Müllabfuhr ... während der Wintermonate" ersucht zu haben, ist der VfGH der Auffassung, daß es sich bei der vom Beschwerdeführer am 1. Juni 1977 eingebrachten Eingabe (I.1.c) ungeachtet der Unklarheit ihres Wortlautes - um einen Antrag auf Ausnahme von der Anschlußpflicht iS des §10 des Oö. Abfallgesetzes und des §5 der Müllabfuhrordnung gehandelt hat, über den in erster Instanz der Bürgermeister abzusprechen hatte (Bescheid vom 9. September 1977). Über die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung hatte der Gemeinderat (Bescheid vom 25. April 1978) und über die gegen den Bescheid des Gemeinderates erhobene Vorstellung die Oö. Landesregierung mit dem angefochtenen Bescheid zu entscheiden.

2. Wie aus dem Wortlaut des §10 Abs1 des Oö. Abfallgesetzes und aus dem auf diese Bestimmung verweisenden §5 der Müllabfuhrordnung hervorgeht, ist das Vorliegen eines berücksichtigungswürdigen Interesses an der privaten Verwertung des Mülls Voraussetzung für die Bewilligung einer Ausnahme von der Anschlußpflicht. Das Vorliegen eines solchen Interesses ist vom Beschwerdeführer überhaupt nicht geltend gemacht worden. Die erstinstanzliche und in der Folge der Gemeinderat als Berufungsbehörde waren allein schon deswegen gehalten, den Antrag des Beschwerdeführers abzuweisen, weil kein privates Interesse des Beschwerdeführers an der Müllverwertung vorlag. Im Hinblick darauf ist es ausgeschlossen, daß der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid, mit dem die Vorstellung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Gemeinderates als unbegründet abgewiesen wurde, in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt worden sein konnte. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides ist der Beschwerdeführer auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Bei diesem Ergebnis brauchte auf das weitere Beschwerdevorbringen nicht weiter eingegangen zu werden. Die Beschwerde war daher abzuweisen.

III. Der in der Beschwerde gestellte Antrag, "in der Sache selbst zu erkennen", war zurückzuweisen, weil der VfGH in einem Beschwerdeverfahren lediglich berufen ist, über die Verletzung von Rechten iS des Art144 Abs1 B-VG zu erkennen und gegebenenfalls den angefochtenen Bescheid aufzuheben. Weder die genannte noch irgendeine andere Rechtsvorschrift räumt dem VfGH die Zuständigkeit ein, den angefochtenen Bescheid durch eine Entscheidung in der Sache selbst zu ersetzen.

Ebenso war der in der Beschwerde gestellte Antrag auf Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates der Gemeinde Ottenschlag i. M. vom 25. April 1978 zurückzuweisen, weil eine Beschwerde nach Art144 Abs1 B-VG nur gegen einen letztinstanzlichen Bescheid erhoben werden kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH ist durch die Regelung über die Erhebung einer Vorstellung gegen (letztinstanzliche) Gemeindebescheide ein Instanzenzug iS des Art144 Abs1 B-VG eingerichtet worden (vgl. VfSlg. 8773/1980). Bei dem Bescheid des Gemeinderates vom 25. April 1978 handelt es sich, da gegen ihn die vom Beschwerdeführer auch erhobene Vorstellung zulässig ist, nicht um einen letztinstanzlichen Bescheid, sodaß die Beschwerde gegen diesen Bescheid zurückzuweisen war.

Schlagworte

Abfallbeseitigung, Abfallwirtschaft, VfGH / Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:B548.1978

Dokumentnummer

JFT_10179773_78B00548_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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