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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
UStG 1959; keine denkunmögliche und keine willkürliche Nichtanwendung der Begünstigungsbestimmung des §4 Abs1 Z13 auf Einkünfte der Beschwerdeführerin als GebrauchsgraphikerinSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Beschwerdeführerin bezog im Jahr 1972 neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch Einkünfte als Gebrauchsgraphikerin, die sie als Einkünfte aus selbständiger Arbeit erklärte. Das Finanzamt behandelte im Umsatzsteuerbescheid 1972 diese Einnahmen als steuerpflichtigen Umsatz und unterzog ihn der Umsatzsteuer.
In der dagegen erhobenen Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, daß ihre Arbeiten künstlerisch wertvoll seien und nahm die Befreiungsbestimmung des §4 Abs1 Z13 UStG 1959 in Anspruch, derzufolge Umsätze aus der Tätigkeit als Künstler steuerfrei sind, soweit sie im Kalenderjahr 60.000 S nicht übersteigen. Die Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Burgenland holte auf Grund von Arbeitsproben ein Gutachten der Sachverständigenkommission zur Beurteilung der künstlerischen Tätigkeit von Gebrauchsgraphikern beim Bundesministerium für Unterricht und Kunst ein. Die Sachverständigenkommission bejahte das Vorliegen einer künstlerischen Tätigkeit mit folgender Begründung: "Die vorgelegten Arbeiten übersteigen bei weitem das allgemein erlernbare Maß und sind als künstlerisch zu qualifizieren."
Die Finanzlandesdirektion wies sodann die Berufung mit Bescheid vom 10. Juni 1977 ab und begründete dies im wesentlichen folgendermaßen:
Für die Entscheidung sei ausschlaggebend, ob die Beschwerdeführerin hinsichtlich ihrer im Jahr 1972 erbrachten beruflichen Leistungen als Künstlerin betrachtet werden könne. Bei der Beurteilung dieser Frage habe der Senat zunächst auf das Gutachten der Sachverständigenkommission Bedacht zu nehmen gehabt, welchem der Charakter eines Beweismittels iS der §§166 ff. BAO zukomme. Das Gutachten sei auf seine Schlüssigkeit zu prüfen und zu untersuchen, ob es den Gesetzen des richtigen Denkens entspreche, die bei der Beurteilung der Frage des Vorliegens einer künstlerischen Tätigkeit angewendet werden müßten. Anhand der vorgelegten Arbeitsproben sei festzustellen, daß sich die Beschwerdeführerin im Rahmen ihrer beruflichen Betätigung zum weitaus überwiegenden Teil auf Schriftgestaltung und Photomontagen beschränke und daß sie sich darüber hinaus bei ihren werbegraphischen Entwürfen durchwegs einfacher Ausdrucksmittel bedient habe. Gerade diese Tätigkeiten müßten aber als erlernbar betrachtet werden, weshalb das Gutachten, welches sich darauf stütze, daß das allgemein erlernbare Maß bei weitem überschritten worden sei, die Schlüssigkeit vermissen lasse.
Aus diesem Grunde sei nach der den Grundsatz der freien Beweisführung verankernden Bestimmung des §167 Abs2 BAO dem Gutachten die Beweiskraft abzusprechen. Unter diesen Umständen seien die vorgelegten Arbeitsproben von der Berufungsbehörde selbst zu beurteilen. Bei der Anwendung der Begünstigungsvorschrift des §4 Abs1 Z13 UStG 1959 sei zwar nicht zwischen zweckfreier und angewandter Kunst, dafür aber zwischen Kunst und Handwerk zu unterscheiden. Als Künstler sei nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH derjenige anzusehen, der eine persönliche eigenschöpferische Tätigkeit in einem Kunstzweig auf Grund künstlerischer Befähigung entfalte; dabei reiche aber das Moment des Eigenschöpferischen und Persönlichen allein für die Begründung der Künstlereigenschaft nicht aus; wäre dies nämlich der Fall, so müßte auch der in seinem Gewerbe eigenschöpferisch tätige Kunsthandwerker als Künstler angesehen werden, was jedoch aus einleuchtenden Gründen nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden könnte. Es müsse vielmehr zu einer persönlich gehaltenen und eigenschöpferischen Tätigkeit noch das Element des auf einer höheren Ebene liegenden Künstlerischen hinzutreten, damit die Annahme der vom VwGH geforderten Betätigung in einem Kunstzweig gerechtfertigt erschiene.
Auf Grund dieser Überlegungen sei auch auf dem Spezialgebiet der Graphik eine strenge Unterscheidung zwischen künstlerischer und (erlernbarer) kunstgewerblicher Tätigkeit zu treffen. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sowie nach eingehender Prüfung der vorgelegten Arbeiten sei die Berufungsbehörde zur Auffassung gelangt, daß diese Arbeiten auf Grund ihrer bereits beschriebenen Beschaffenheit nicht als Ergebnis einer künstlerischen Betätigung zu beurteilen seien, sondern zweifelsfrei der gewerblichen Graphik zugerechnet werden müßten.
2. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den VfGH, in welcher die Beschwerdeführerin (ausdrücklich) eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Unversehrtheit des Eigentums sowie (der Sache nach durch den Vorwurf von Willkür) eine Verletzung des Gleichheitsrechtes behauptet und die Aufhebung dieses Bescheides, allenfalls die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführerin äußert keinen Zweifel daran, daß der angefochtene Bescheid auf verfassungsrechtlich einwandfreien Rechtsgrundlagen beruht; auch der VfGH hegt in dieser Richtung keine Bedenken. Eine im verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren wahrzunehmende Rechtsverletzung, die aus der Rechtswidrigkeit einer generellen Rechtsnorm abzuleiten wäre, liegt sohin nicht vor.
2. Bei der gegebenen verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides würde dieser das von der Beschwerdeführerin ausdrücklich geltend gemachte verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nur verletzen, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der bloß dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (zB VfSlg. 8866/1980). Die von der Beschwerdeführerin der Sache nach geltend gemachte Verletzung des Gleichheitsrechtes könnte hingegen nur vorliegen, wenn die belangte Behörde Willkür geübt hätte; ein willkürliches Verhalten könnte der Behörde etwa vorgeworfen werden, wenn sie die Beschwerdeführerin aus unsachlichen Gründen benachteiligt oder aber wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht, nicht aber wenn die Behörde - ungeachtet des Erfolges ihrer Bestrebungen - bemüht war, das Gesetz richtig anzuwenden (zB VfSlg. 8783/1980).
Wie die folgenden Ausführungen zeigen, sind die zum Nachweis einer Verletzung des Eigentumsrechtes und des Gleichheitsrechtes erhobenen Beschwerdevorwürfe jedoch nicht gerechtfertigt.
Die Beschwerdeführerin lastet der belangten Finanzlandesdirektion zunächst an, daß sie ihre Ansicht an die Stelle jener der Sachverständigenkommission gesetzt habe, ohne zu begründen, warum die Ansicht der Sachverständigenkommission den Gesetzen der Logik oder den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht entspreche.
Damit anerkennt die Beschwerdeführerin dem Grunde nach die Befugnis der Abgabenbehörde, ein eingeholtes Sachverständigengutachten auf seine Schlüssigkeit zu prüfen und damit auch, es im Fall der Unschlüssigkeit nicht als Beweismittel heranzuziehen. Geht man hievon aus, so kann nicht gesagt werden, daß die belangte Behörde ihr Vorgehen in einer denkunmöglichen Weise begründet oder daß sie willkürlich gehandelt habe. Die belangte Behörde begründete die Nichtberücksichtigung des Gutachtens im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Arbeitsproben damit, daß sie sich im Rahmen ihrer beruflichen Betätigungen zum weitaus überwiegenden Teil auf Schriftgestaltung und Photomontagen beschränke und sich darüber hinaus bei ihren werbegraphischen Entwürfen durchwegs einfacher Ausdrucksmittel bedient habe; diese Tätigkeiten müßten als erlernbar betrachtet werden.
Der VfGH kann im Bereich der ihm zukommenden Kontrolle dieses Vorgehens der belangten Behörde nicht finden, daß die angestellten Überlegungen kraß fehlerhaft oder daß die Vorgangsweise offenbar von der Absicht geleitet gewesen wäre, die Beschwerdeführerin aus unsachlichen Gründen zu benachteiligen. Wenn sie der Finanzlandesdirektion eine Scheinbegründung deshalb vorwirft, weil die Annahme der Verwendung einfacher, erlernbarer Ausdrucksmittel nicht näher begründet worden sei, so ist ihr entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde einen Eindruck wiedergab, der aus den vorgelegten Arbeitsproben gewonnen wurde; die in Rede stehende wertende Darstellung mag unrichtig oder unvollständig sein, kann aber nicht als eine bloß zum Schein gegebene Begründung abgetan werden.
Grundsätzlich Gleiches gilt für den Vorwurf, den die Beschwerdeführerin gegen die eigenständige Bewertung ihrer Tätigkeit durch die belangte Behörde erhebt, es widerspreche den logischen Denkgesetzen und den Erfahrungen des täglichen Lebens, wegen der Verwendung einfacher Ausdrucksmittel das Vorliegen einer künstlerischen Tätigkeit zu verneinen. Es sei oft schwieriger, sich einfacher Ausdrucksmittel zu bedienen, als ein Werk zu überladen; sie bediene sich einfacher Ausdrucksmittel, um ihre Kunst dem Publikum unkompliziert näherzubringen. Das sei aber - wie die Beschwerdeführerin meint - nicht ohne weiteres erlernbar, weil die Form eines Werkes nicht ohne weiteres den Schluß auf seinen Inhalt zulasse.
Alle diese Vorwürfe beinhalten der Sache nach nur die Behauptung, daß die belangte Behörde die Begünstigungsbestimmung des §4 Abs1 Z13 UStG 1959 unrichtig ausgelegt habe, liefern aber nicht den Nachweis eines besonders schwerwiegenden, in die Verfassungssphäre reichenden Fehlers der belangten Behörde.
Zusammenfassend ist sohin festzuhalten, daß eine Verletzung der geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte nicht stattfand.
3. Da das Beschwerdeverfahren auch eine sonstige auf Grund des Art144 B-VG wahrzunehmende Rechtsverletzung nicht ergab, war die Beschwerde abzuweisen.
Schlagworte
Umsatzsteuer, SachverständigeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1982:B278.1977Dokumentnummer
JFT_10179698_77B00278_00