TE Vfgh Erkenntnis 1982/3/3 B498/78

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Veröffentlicht am 03.03.1982
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
StGG Art5
Oö BauO §2 Abs1 und Abs2
Oö BauO §32 Abs1 und Abs2
Oö BauO §41 Abs1 und Abs2
Oö BauO §69 Abs3

Leitsatz

Oö. Bauordnung 1976; Abweisung von Anrainereinwendungen gegen die Errichtung eines Bildstockes; keine denkunmögliche Gesetzesanwendung; kein Entzug des gesetzlichen Richters

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. a) Mit dem Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde Bad Wimsbach-Neydharting vom 26. August 1977 wurde den Eigentümern des Grundstückes 1240 KG N., den Beteiligten dieses Beschwerdeverfahrens, die Bewilligung zur Versetzung ihres Bildstockes auf dem angeführten Grundstück nach den vorgelegten Bauplänen sowie gegen Einhaltung aller in der Niederschrift über die am 25. August 1977 durchgeführte Bauverhandlung enthaltenen "Bedingungen" erteilt.

Dabei war die Errichtung dieses Bildstockes an der Westseite unmittelbar angrenzend an das Grundstück 1239 des Beschwerdeführers vorgesehen.

b) In der gegen diesen Bescheid des Bürgermeisters erhobenen Berufung hat der Beschwerdeführer vorgebracht, daß es sich bei dem Bildstock zweifelsfrei um ein Gebäude iS des §41 Abs2 litb der Oö. Bauordnung, LGBl. 35/1976, handle und daß daher im gegenständlichen Bauverfahren auch die Abstandsbestimmungen des §32 Abs1 Oö. Bauordnung einzuhalten seien.

Der Gemeinderat der Marktgemeinde Bad Wimsbach-Neydharting hat mit dem Bescheid vom 15. September 1977 der Berufung keine Folge gegeben. In der Begründung wurde ausgeführt, daß es sich beim geplanten Bauvorhaben um kein Gebäude iS der Oö. Bauordnung, sondern - wie vom beigezogenen Amtssachverständigen festgestellt worden sei - vielmehr um einen "begehbaren Bildstock" handle.

2. Die gegen den Bescheid des Gemeinderates vom Beschwerdeführer erhobene Vorstellung wurde mit dem Bescheid der Oö. Landesregierung vom 25. Juli 1978 gemäß §§97, 99, 102 und 109 der Oö. Gemeindeordnung 1965 abgewiesen.

In der Begründung des Bescheides wurde ausgeführt, daß dem Vorbringen des Beschwerdeführers (als Vorstellungswerber) insofern zuzustimmen sei, als darin die Rechtsansicht vertreten werde, daß es sich beim gegenständlichen Bauvorhaben um ein Gebäude iS des §41 Abs2 litb Oö. Bauordnung handle. Wie nämlich sowohl aus den Einreichplänen als auch aus den dem Akt beiliegenden Fotos der zu errichtenden " Kapelle" eindeutig hervorgehe, handle es sich hiebei um einen überdachten Bau mit einer lichten Raumhöhe von mehr als 1,50 m.

Der Vorstellung sei jedoch trotzdem der Erfolg zu versagen gewesen, weil für das Gemeindegebiet der Marktgemeinde Bad Wimsbach-Neydharting zur Zeit noch kein rechtswirksamer Flächenwidmungsplan existiere. Da die Flächen um die Parzelle Nr. 1240 KG N. jedoch land- und forstwirtschaftlich genutzt würde, gelte das Gebiet gemäß §69 Abs3 der Oö. Bauordnung als Grünland iS des §2 Abs2 litc des genannten Gesetzes mit der Wirkung, daß das Erfordernis einer Bauplatzbewilligung gemäß §2 Abs1 der Oö. Bauordnung nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Baubewilligung sei. Wenn nun aber für die Errichtung eines Gebäudes auf dem vorerwähnten Grundstück keine Bauplatzbewilligung erforderlich sei, fänden auch die Abstandsbestimmungen des §32 der Oö. Bauordnung auf das gegenständliche Bauvorhaben keine Anwendung. Damit habe der Vorstellungswerber keinen Anspruch auf Einhaltung eines bestimmten Abstandes von seiner Grundgrenze; durch die Abweisung der Berufung im Bescheid des Gemeinderates sei er in seinen Rechten nicht verletzt worden. Eine Verletzung seiner Rechte liege auch nicht in der Abweisung seiner Berufung hinsichtlich der Nichtbeachtung des vor der Bauverhandlung mit Schriftsatz vom 24. August 1977 erhobenen Einwandes, "daß nämlich durch das Versetzen der Kapelle an die Grenze seines Besitzes die Zufahrt zu seinem 'Wirtschaftsgebäude' noch mehr als bisher behindert wäre, weil die die Zufahrt zu einem Grundstück betreffenden Angelegenheiten nicht Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens für ein Gebäude auf Nachbargrund sein" könnten.

3. Gegen den Bescheid der Oö. Landesregierung vom 25. Juli 1978 richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde. Der Beschwerdeführer behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt worden zu sein.

Er stellt den Antrag, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben oder im Fall der Abweisung die Beschwerde dem VwGH abzutreten.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

2. Die für die Beurteilung des vorliegenden Beschwerdefalles maßgeblichen Bestimmungen der Oö. Bauordnung (im folgenden beziehen sich Paragraphenbezeichnungen auf dieses Gesetz, wenn nicht ausdrücklich eine andere Rechtsvorschrift angeführt ist) lauten:

§2

Allgemeines

(1) Der Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden darf nur auf Grundflächen bewilligt werden, für die eine Bauplatzbewilligung nach Maßgabe der Bestimmungen der §§3 bis 5 vorliegt oder gleichzeitig mit der Baubewilligung erteilt wird.

(2) Abs1 gilt nicht für:

a) Baubewilligungen, die gemäß §25 Abs2 nur auf Widerruf oder nur für einen fünf Jahre nicht übersteigenden Zeitraum erteilt werden;

b) Baubewilligungen für Gebäude auf Verkehrsflächen, die ausschließlich Interessen des Verkehrs oder der Verkehrsteilnehmer dienen;

c) Baubewilligungen für Gebäude im Grünland, wenn das Grünland in einem Flächenwidmungsplan ausgewiesen ist und das Bauvorhaben ausschließlich der jeweiligen Grünlandwidmung des Flächenwidmungsplanes dient.

(3) ...

§32

Lage der Gebäude

(1) Sofern sich aus baurechtlichen Vorschriften oder aus dem Flächenwidmungsplan oder dem Bebauungsplan nichts anderes ergibt, gelten hinsichtlich der Lage von Neu-, Zu- oder Umbauten von Gebäuden die Bestimmungen der folgenden Absätze.

(2) Bauvorhaben iS des Abs1 außerhalb eines geschlossen bebauten Gebiets müssen gegen alle seitlichen Grenzen des Bauplatzes und gegen die innere Bauplatzgrenze,

a) wenn es sich um Hochhäuser handelt, einen Mindestabstand von der Hälfte der Gesamthöhe des Gebäudes,

b) wenn es sich nicht um Hochhäuser handelt, einen Mindestabstand von einem Drittel der Gesamthöhe des Gebäudes, jedenfalls aber einen Mindestabstand von 3 Meter erhalten. Die Gesamthöhe des Gebäudes ist jeweils vom tiefsten Punkt des Geländeanschnittes an der der Bauplatzgrenze nächst gelegenen Gebäudewand zu messen.

(3) ...

§41

(1) einer Bewilligung der Baubehörde (Baubewilligung) bedürfen:

a) der Neu-, Zu- oder Umbau von Gebäuden;

b) ...

(2) Im Sinne des Abs1 ist unter

a) Bau eine bauliche Anlage, zu deren werkgerechter Herstellung fachtechnische Kenntnisse erforderlich sind,

b) Gebäude, ein überdachter Bau mit einer lichten Raumhöhe von mindestens 1 1/2 Meter,

c) ...

zu verstehen.

§69

Übergangsbestimmungen

(1) ...

(2) ...

(3) Als Grünland iS des §2 Abs2 litc gelten in Gebieten, die noch von keinem Flächenwidmungsplan erfaßt sind, land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen, Erholungsflächen, Kleingärten, Erwerbsgärtnereien und Friedhöfe.

Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der angeführten und der sonstigen bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides angewendeten Rechtsvorschriften sind in der Beschwerde nicht erhoben worden und im Verfahren vor dem VfGH auch nicht entstanden.

3. a) Der Beschwerdeführer bringt zur Begründung der behaupteten Gleichheitsverletzung vor, er habe sowohl in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid sowie in seiner Vorstellung gegen den zweitinstanzlichen Bescheid umfangreiche Sachvorbringen und Beweisanträge erstattet, die von der zweiten Instanz mit der gesetzwidrigen Begründung übergangen worden seien, es handle sich bei einer Kapelle nicht um ein Gebäude iS der Oö. Bauordnung. Diese irrige bzw. denkunmögliche Auslegung habe die belangte Behörde zwar nicht aufrecht erhalten, dh. sie sei entgegen der zweiten Instanz und in Anlehnung an die Rechtsansicht des Beschwerdeführers zur Auffassung gekommen, daß sehr wohl von einem Gebäude gesprochen werden müsse; sie habe aber aus dieser Rechtsauffassung keinerlei Konsequenzen gezogen und insbesondere Sachvorbringen und Beweisanträge, die bei geänderter rechtlicher Beurteilung erheblich gewesen wären, ebenso wie die rechtsirrende zweite Instanz übergangen.

Es fehle an einem gesetzlichen Verfahren überhaupt; das Verfahren vor den Unterinstanzen und insbesondere vor der belangten Behörde sei iS des Erk. des VfGH VfSlg. 7775/1976 qualifiziert mangelhaft, sodaß nicht nur einfachgesetzliche Vorschriften, sondern auch der Gleichheitsgrundsatz und das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden seien.

b) Es trifft zu, daß nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH iS des vom Beschwerdeführer angeführten Erk. ein willkürliches - also gleichheitswidriges - Verhalten der Behörde nicht nur bei Exzessen (absichtlichem Zufügen von Unrecht), sondern auch dann gegeben ist, wenn die Behörde ihre Entscheidung leichtfertig fällt, was insbesondere dann der Fall ist, wenn die von der Behörde angegebenen Gründe mangels jeglichen iS des Gesetzes durchgeführten Ermittlungsverfahrens offenkundig unzureichend sind.

Von einer derartigen Mangelhaftigkeit des Verfahrens kann aber im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden. Es wurde der erstinstanzliche Bescheid auf Grund der durchgeführten Bauverhandlung, der zweitinstanzliche auf Grund eines eingeholten Sachverständigengutachtens gefällt.

Die belangte Behörde ist der von den Gemeindebehörden vertretenen Auffassung, daß es sich beim Bauvorhaben um kein Gebäude handle, entgegengetreten; sie ist aber auf Grund einer von ihr aus dem Gesetz abgeleiteten Annahme, wonach für das begehrte Bauvorhaben eine Bauplatzbewilligung nicht erforderlich sei und daher ein Anspruch auf Einhaltung von Abstandvorschriften nicht bestehe, zur Auffassung gelangt, daß der Beschwerdeführer durch den Bescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Bad Wimsbach-Neydharting in einem Recht nicht verletzt worden ist.

Nach Auffassung des VfGH ist diese Auslegung der belangten Behörde nicht denkunmöglich; damit scheidet eine solche unter Umständen als Indiz für Willkür heranzuziehende Wertung bei der Prüfung der Frage, ob eine Gleichheitsverletzung stattgefunden hat, aus. Ein sonstiger Anhaltspunkt, aus dem auf ein willkürliches Vorgehen der belangten Behörde geschlossen werden könnte, ist im Verfahren vor dem VfGH nicht hervorgekommen. Ob das Gesetz bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides auch richtig angewendet wurde, hat nicht der VfGH, sondern der VwGH zu prüfen.

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im Gleichheitsrecht nicht verletzt worden.

4. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (vgl. VfSlg. 8828/1980).

Der Beschwerdeführer behauptet nicht, daß der angefochtene Bescheid oder die im vorausgegangenen Bauverfahren ergangenen Bescheide von einer unzuständigen Behörde erlassen worden wären. Fr begründet die behauptete Verletzung des verfassungsgesetzlichen Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter mit dem Hinweis, daß die belangte Behörde auf Grund einer unrichtigen Auffassung über die Bedeutung des §102 Abs5 Oö. Gemeindeordnung Mangelhaftigkeiten des Bauverfahrens nicht wahrgenommen und aus diesem Grunde den Bescheid des Gemeinderates nicht aufgehoben habe.

Hiezu ist zu bemerken, daß nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH durch die Mangelhaftigkeit eines Verfahrens die Zuständigkeit einer Behörde nicht berührt wird. Diese Mangelhaftigkeit hat allenfalls die Verletzung einfachgesetzlicher Verfahrensvorschriften, nicht aber eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes, insbesondere nicht die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter zur Folge (vgl. VfSlg. 8828/1980).

Der Beschwerdeführer ist, auch wenn seine Behauptung zuträfe, daß von der belangten Behörde Mängel des Ermittlungsverfahrens nicht wahrgenommen worden seien, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt worden.

5. Auf die behauptete Verletzung des Eigentumsrechtes braucht der VfGH nicht einzugehen, weil durch den angefochtenen Bescheid in das Eigentum des Beschwerdeführers nicht eingegriffen wird. Für ihn sind durch die Bescheide der Gemeindeinstanzen über die Erteilung der Baubewilligung lediglich die sich aus der Bauordnung ergebenden subjektiven Anrainerrechte gestaltet worden; diese sind jedoch nicht verfassungsgesetzlich gewährleistet und gehören der Sphäre des öffentlichen Rechtes an (vgl. VfSlg. 7591/1975). Somit konnte auch durch den angefochtenen Vorstellungsbescheid, der die Feststellung zum Inhalt hat, daß durch die - in das Eigentum des Beschwerdeführers nicht eingreifenden - Bescheide der Gemeindeinstanzen Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt worden sind, ein Eigentumseingriff nicht bewirkt worden sein. Die behauptete Eigentumsverletzung hat demnach nicht stattgefunden.

6. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes ist vom Beschwerdeführer nicht behauptet worden. Im Verfahren vor dem VfGH ist nicht hervorgekommen, daß der Beschwerdeführer in einem von ihm nicht behaupteten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden wäre.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Baurecht, Nachbarrechte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:B498.1978

Dokumentnummer

JFT_10179697_78B00498_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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