RS Vwgh 2005/9/15 2004/07/0135

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 15.09.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/07 Verwaltungsgerichtshof
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

ABGB §1332;
AVG §42 Abs1 idF 1998/I/158;
AVG §42 Abs3 idF 1998/I/158;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

Hinweis auf Stammrechtssatz

GRS wie 93/16/0020 E 17. Februar 1994 RS 1 (Hier: Die Gattin des Bf hat ihm die Rechtsbelehrung hinsichtlich der Folgen des § 42 Abs. 1 AVG nicht vorgelesen. Somit kam dem Bf die Rechtsbelehrung nicht zur Kenntnis. Im Nichtvorlesen der Rechtsbelehrung liegt daher im vorliegenden Fall ein "Ereignis" iSd § 42 Abs. 3 AVG. Die Ehegattin liest dem Bf regelmäßig alle Schriftstücke, auch behördliche Schriftstücke, vor; er ist auf sie als Übermittlerin des Inhaltes schriftlicher Informationen angewiesen. Der Bf hatte keinen Anlass, an der Gewissenhaftigkeit seiner Gattin im Umgang mit behördlichen Schriftstücken zu zweifeln. Ein Auswahl- oder Überwachungsverschulden kann ihm daher nicht zur Last gelegt werden. Der Bf hat das "Ereignis" (des nicht vollständigen Vorlesens) tatsächlich nicht miteinberechnet und konnte seinen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf zumutbare Aufmerksamkeit und Voraussicht nicht erwarten. Dass er sich bei seiner Gattin nicht nochmals über den genauen Inhalt der Kundmachung informiert hat bzw. dass er keine weiteren Erkundigungen bei anderen dritten Personen eingeholt hat, stellt daher kein über den minderen Grad des Versehens hinausgehendes Verschulden des Bf dar. Es ist daher das Vorliegen eines unvorhergesehenen und vom Bf unverschuldeten Ereignisses zu bejahen. Der Bf hat durchaus dafür Sorge getragen, dass ihm der Inhalt der Kundmachung zur Kenntnis gelangte. Er ließ sich die Kundmachung ja von seiner Gattin vorlesen. Damit, dass ihm diese die Kundmachung nur unvollständig zur Kenntnis bringen würde, konnte der Bf aber nicht rechnen. Da ein Wiedereinsetzungsgrund nach § 42 Abs. 3 AVG vorliegt, war die Berufung gegen den wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid nicht wegen fehlender Parteistellung des Bf zurückzuweisen.)

Stammrechtssatz

Ein Ereignis ist dann unabwendbar, wenn es durch einen Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden konnte. Es ist als unvorhergesehen zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte. Anders als das Tatbestandsmerkmal des "unabwendbaren" erfaßt jenes des "unvorhergesehenen" Ereignisses die subjektiven Verhältnisse der Partei, sodaß nicht der objektive Durchschnittsablauf, sondern der konkrete Ablauf der Ereignisse maßgebend ist (Hinweis E 27.6.1985, 85/16/0032; E 24.11.1986, 86/10/0169 bis 0171). Von einem minderen Grad des Versehens kann nicht mehr gesprochen werden, wenn der Wiedereinsetzungswerber die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht läßt (Hinweis E 25.9.1991, 91/16/0046).

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004070135.X06

Im RIS seit

18.10.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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