TE Vfgh Erkenntnis 1982/3/11 V33/80, V34/80

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Veröffentlicht am 11.03.1982
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
Bgld RaumplanungsG §14 Abs3
Bgld RaumplanungsG §18 Abs10
Bgld RaumplanungsG §19 Abs2
Bgld RaumplanungsG §19 Abs3
Bgld RaumplanungsG §20 Abs1
Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Illmitz vom 16.12.78 über die Änderung des vereinfachten Flächenwidmungsplanes

Beachte

vgl. Kundmachung LGBl. 23/1982 vom 3. Mai 1982

Leitsatz

Art139 B-VG; Individualantrag; Antragslegitimation Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Illmitz vom 16. Dezember 1978 über die Änderung des vereinfachten Flächenwidmungsplanes; keine gesetzliche Deckung in §19 Abs2 Bgld. Raumplanungsgesetz

Spruch

I. Die Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Illmitz vom 16. Dezember 1978 über die Änderung des vereinfachten Flächenwidmungsplanes wird, soweit sie sich auf die Grundstücke Nr. 2262/8, 2262/9, 2262/10, 2262/13, 2262/14, 2264/60 und 2264/61, alle EZ 3148, sowie das Grundstück Nr. 2264/57, EZ 3082, sämtliche KG Illmitz, bezieht, als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Bgld. Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

II. Im übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Gemeinderat der Marktgemeinde Illmitz (Burgenland) hat am 14. Dezember 1973 gemäß §29 Abs4 des Gesetzes vom 20. März 1969 über die Raumplanung im Burgenland (Bgld. Raumplanungsgesetz), LGBl. 18 (in Hinkunft: RPlG) idF der Nov. LGBl. 33/1971 einen vereinfachten Flächenwidmungsplan erlassen.

Am 16. Dezember 1978 beschloß der Gemeinderat eine Änderung des vereinfachten Flächenwidmungsplanes. Diese hat folgenden Wortlaut:

"Auf Grund des §18 Abs4 in Verbindung mit den §§11 Abs1 und 19 des Bgld. Raumplanungsgesetzes, LGBl. Nr. 18/1969 wird verordnet:

§1

(1) Im Bereiche des Ortsteiles der Apetlonerstraße, d.s. die Gst. Nr. 722 bis Gst. Nr. 2456/1 (nördlich der Landesstr. 2.005) und von Gst.Nr. 733 bis GSt. Nr. 490 (südlich der Landesstraße 2.005) der KG. Illmitz werden von Bauland "B" in Bauland-Wohngebiet "BW" umgewidmet.

(2) Diese mit einer Bezugsklausel versehene Anlage liegt zur öffentlichen Einsichtnahme im Gemeindeamte auf.

§2

Diese Abänderung des vereinfachten Flächenwidmungsplanes tritt gemäß §18 Abs9 des Bgld. Raumplanungsgesetzes nach Ablauf des Tages seiner Kundmachung in Kraft."

Die beabsichtigte Änderung des vereinfachten Flächenwidmungsplanes war vom Bürgermeister der Marktgemeinde Illmitz gemäß §18 Abs1 RPlG durch öffentlichen Anschlag am 25. Juli 1978 kundgemacht, der diesbezügliche Entwurf in Befolgung des §18 Abs2 RPlG in der Zeit vom 8. September bis 10. November 1978 im Gemeindeamt zur allgemeinen Einsicht aufgelegt und die Landesregierung mit Schreiben vom 25. Juli und 28. August 1978 von diesen Schritten in Kenntnis gesetzt worden. Die ortsübliche Kundmachung der Auflage iS des §18 Abs2 RPlG war durch öffentlichen Anschlag vom 28. August bis 3. November 1978 und ihre Verlautbarung im Landesamtsblatt für das Burgenland am 9. September 1978 (36. Stück) und am 21. Oktober 1978 (42. Stück, betreffend eine Verlängerung der ursprünglich bis 3. November vorgesehenen Auflagefrist bis zum 10. November 1978) erfolgt.

Nach Anhörung des Raumplanungsbeirates (§18 Abs6 RPlG) wurde die Änderung des vereinfachten Flächenwidmungsplanes (gemeinsam mit einer - hier nicht bekämpften - weiteren Änderung, welche der Gemeinderat am 23. Juni 1979 beschlossen hatte) auf Grund eines Beschlusses der Landesregierung vom 14. November 1979 mit Bescheid vom 12. Dezember 1979 genehmigt. Die erfolgte Genehmigung ist im Landesamtsblatt (47. Stück) kundgemacht worden (§18 Abs9 RPlG idF der Nov. LGBl. 5/1974). Die Kundmachung des genehmigten vereinfachten Flächenwidmungsplanes iS des §18 Abs10 RPlG idF der Nov. LGBl. 5/1974 erfolgte durch öffentlichen Anschlag in der Zeit vom 4. bis 18. Jänner 1980 (die Genehmigung war am 20. Dezember 1979 im Gemeindeamt Illmitz eingelangt).

2. Die Antragsteller zu V33/80 sind je zur Hälfte Eigentümer der Grundstücke Nr. 2262/8, 2262/9, 2262/10, 2262/13, 2262/14, 2264/60 und 2264/61, alle FZ 3148 der KG Illmitz.

Sie beantragen gemäß Art139 B-VG, die Worte "von GSt. Nr. 733 bis Gst. Nr. 2490 (südlich der Landesstraße 2005)" in §1 Abs1 der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Illmitz vom 16. Dezember 1978 als gesetzwidrig aufzuheben.

3. Die antragstellende Genossenschaft zu V34/80 ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. 2264/57, EZ 3082 KG Illmitz.

Sie beantragt gemäß Art139 B-VG ebenfalls, die oben genannten Worte in der Verordnung vom 16. Dezember 1978 als gesetzwidrig aufzuheben.

4. Die Bgld. Landesregierung und der Gemeinderat der Marktgemeinde Illmitz haben die Verwaltungsakten vorgelegt und begehren die Abweisung der beiden Anträge.

H. Der VfGH hat über die beiden - zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen - Anträge erwogen:

1. Zur Zulässigkeit der Anträge:

Die Anträge sind nur insoweit zulässig, als die bekämpfte Verordnung eine Widmung für die Grundstücke der Antragsteller enthält. In diesem Teil - aber auch nur darin - entfaltet der vereinfachte Flächenwidmungsplan für die Antragsteller die von ihnen als beschwerend erachtete Wirkung, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder Erlassung eines Bescheides.

a) Die Antragsteller legen dar, daß ihre Grundstücke durch die angefochtene Verordnung von Bauland "B" in Bauland - Wohngebiet "BW" umgewidmet worden seien. Die Grundstücke dürften infolgedessen für die Errichtung von Baulichkeiten im Rahmen der gewerblichen Betriebe der Antragsteller nicht mehr verwendet werden.

Dazu ist zu bemerken, daß die Wirkungen in der angefochtenen Verordnung, von denen sich die Antragsteller unmittelbar betroffen erachten, nur in der Festlegung der Nutzungsart ihrer eigenen Grundstücke bestehen. Auch die Anträge enthalten nichts, was darauf schließen ließe, daß sich die Antragsteller durch andere Teile des vereinfachten Flächenwidmungsplanes betroffen erachten. Die Widmung der Grundstücke der Antragsteller ist in der zeichnerischen Darstellung des vereinfachten Flächenwidmungsplanes enthalten und daher durch Änderung der Färbung von den anderen Anordnungen des Planes absonderbar. Ein untrennbarer innerer Zusammenhang mit anderen Bestimmungen der bekämpften Verordnung besteht nicht. Soweit sich das Begehren der Antragsteller über diese Widmung hinaus auf alle Grundstücke Nr. 733 bis Nr. 2490 erstreckt, ist es daher von vornherein als unzulässig zurückzuweisen (s. VfSlg. 8463/1978).

b) Gemäß Art139 Abs1 B-VG erkennt der VfGH über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag einer Person, die unmittelbar durch diese Gesetzwidrigkeit in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. In einem solchen Antrag ist gemäß §62 Abs1 VerfGG auch darzutun, inwieweit die Verordnung ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für diese Person wirksam geworden ist. Die Antragslegitimation setzt auch voraus (wie im Beschluß VfSlg. 8009/1977 ausgeführt und in der späteren Judikatur wie etwa VfSlg. 8485/1979 und 8700/1979 bekräftigt worden ist), daß für den Rechtsschutz gegen rechtswidrige Normen kein anderer zumutbarer Weg als die Anfechtung beim VfGH zur Verfügung steht.

Nach §20 Abs1 RPlG hat der genehmigte Flächenwidmungsplan auch die Folge, daß Baubewilligungen nach der Bauordnung nur zulässig sind, wenn sie dem Flächenwidmungsplan nicht widersprechen. In §14 Abs3 lita RPlG sind jene Flächen beschrieben, welche als Wohngebiete vorzusehen sind, nämlich solche, die vornehmlich für Wohngebäude, im übrigen aber für Gebäude bestimmt sind, die überwiegend den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen der Bevölkerung des Wohngebietes dienen.

Es trifft daher die Auffassung der Antragsteller zu, daß nach der Umwidmung ihrer Grundstücke in Bauland - Wohngebiet die Errichtung von Betriebsgebäuden für ein Transportunternehmen bzw. für ein Lagerhaus nicht (mehr) möglich ist. Für den Eintritt dieser baurechtlichen Wirkung bedarf es keines weiteren Konkretisierungsaktes mehr.

Ein anderer zumutbarer Weg, die behauptete Gesetzwidrigkeit der Verordnung an den VfGH heranzutragen, ist nicht erkennbar. Der VfGH hält es nicht für zumutbar, ein (förmliches) Bauverfahren mit den hiefür erforderlichen Planungsunterlagen (s. §90 Z3 der Bgld. Bauordnung, LGBl. 13/1970) in Angriff zu nehmen, nur um die behauptete Rechtswidrigkeit eines Flächenwidmungsplanes geltend machen zu können (s. VfSlg. 8463/1978, S 496 und 8697/1979, S 346). Ein anderer Weg, wie etwa ein Vorprüfungsverfahren (vgl. §9 der Ktn. Bauordnung, LGBl. 48/1969) ist in der Bgld. Bauordnung nicht vorgesehen.

2. Zur Einhaltung von Verfahrensvorschriften:

Zu den von den Antragstellern - ohne nähere Spezifikation - behaupteten Verstößen gegen die Bestimmungen der §§18 Abs1, 2, und 10 RPlG ist festzustellen, daß die Kundmachung nach Abs10 zwar nicht innerhalb der vorgesehenen Frist von zwei Wochen nach Einlangen des genehmigten Flächenwidmungsplanes, sondern erst einen Tag später erfolgt ist (s. die oben unter Pkt. I.1. enthaltene Darstellung des Sachverhaltes). Dieser Mangel betrifft aber nicht die Kundmachung als solche oder deren Dauer, sondern (nur) die Ordnungsvorschrift über den Beginn der Kundmachung.

3. Vorbringen der Parteien:

a) Nach der - gemäß §29 Abs4 letzter Satz RPlG auch für die Änderung des vereinfachten Flächenwidmungsplanes geltenden - Bestimmung des §19 Abs2 RPlG darf der Flächenwidmungsplan (abgesehen von den hier nicht relevanten Voraussetzungen des Abs1) nur abgeändert werden, wenn sich die Planungsgrundlagen infolge Auftretens neuer Tatsachen oder Planungsabsichten in der Gemeinde wesentlich geändert haben. Bei der Änderung des Flächenwidmungsplanes ist auf die bestehende widmungsgemäße Nutzung der Grundflächen tunlichst Bedacht zu nehmen (Abs3).

b) Die Antragsteller betreiben ein Transportunternehmen bzw. ein Lagerhaus. Sie behaupten, es gebe keine konkreten Aussiedlungsmöglichkeiten und auch kein von der Gemeinde Illmitz geplantes Industrieareal, auf welches ihre Unternehmen verlegt werden könnten. Zielführende Planungsmaßnahmen der Gemeinde seien nicht getroffen worden, geeignete Ersatzgründe stünden nicht zur Verfügung. Der beschwerdeführenden Genossenschaft sei zwar ein Standortwechsel auf eine andere Grundfläche in Aussicht gestellt worden, welche jedoch im Eigentum der Pfarre stehe. Die Gemeinde sei bisher nicht in der Lage gewesen, die Zustimmung der Pfarre beizubringen. Die Gemeinde habe somit den Planungsbeirat durch unzutreffende Behauptungen irregeführt, worauf dieser dann in seiner Sitzung vom 15. Oktober 1979 der geplanten Änderung des vereinfachten Flächenwidmungsplanes "mit Rücksicht auf die von der Gemeinde Illmitz beabsichtigten Planungen und Maßnahmen zur Absiedlung störender Betriebe aus dem engeren Ortsbereich" zugestimmt habe.

In ergänzenden Stellungnahmen bezeichnen die Antragsteller die bekämpfte Verordnung als gleichheitswidrigen Willkürakt, der aus unsachlichen Motiven erlassen worden sei, um eine der Behörde nicht genehme Bauführung zu verhindern. Die räumlichen Gegebenheiten im Bereich der Marktgemeinde Illmitz hätten sich in den vergangenen Jahren überhaupt nicht geändert. Der von der Umwidmung betroffene Bereich sei seit Jahrzehnten das gewerbliche Zentrum von Illmitz. Es sei durchaus natürlich und entspreche dem organischen Wachstum eines Ortes, daß sich die Gewerbebetriebe rund um die Hauptstraße, nämlich die Apetlonerstraße angesiedelt hätten. In dem von der Umwidmung betroffenen Bereich befänden sich 18 Gewerbebetriebe. Fremdenverkehr gebe es im Bereich der Marktgemeinde Illmitz seit etwa 20 Jahren. Die Fremdenverkehrsbetriebe befänden sich jedoch nicht in jenem Bereich von Illmitz, der von der Umwidmung betroffen ist. Der Fremdenverkehr spiele sich in jenem Teil von Illmitz ab, der dem Neusiedlersee zugewandt ist. Dieser Ortsteil liege jedoch gerade in der Gegenrichtung des umgewidmeten Bereiches. Es gebe auch keine Möglichkeiten für die im umgewidmeten Bereich ansässigen Gewerbebetriebe, den Standort der Ausübung ihres Gewerbes zu verlegen, etwa in ein sogenanntes "Industriegebiet am nördlichen Ortsanfang von Illmitz". Die Grundfläche, welche bereits in "Bauland - Industriegebiet" umgewidmet wurde, sei ein Gebiet in der Größe von etwa 2 ha, das rund 100 verschiedenen Grundeigentümern gehöre, welche aber nicht verkaufswillig seien. Auch die sogenannte Pfarrerwiese sei als Standort für Gewerbebetriebe völlig ungeeignet, da keinerlei Zufahrtsmöglichkeiten bestehen und durch die Ansiedlung von Industriebetrieben eine besondere Störung der dortigen Anrainer zu erwarten sei. Das geplante Sport- und Erholungszentrum werde durch die bestehenden Gewerbebetriebe nicht beeinträchtigt, da sowohl ungehinderte Zufahrtswege bestünden als auch ausreichend Platz für die Errichtung von Parkplätzen vorhanden sei.

Zum Beweis dessen beantragen die Antragsteller die Einvernahme einer Reihe von Zeugen, ihre Vernehmung als Partei und die Durchführung eines Lokalaugenscheines.

c) Die Bgld. Landesregierung erklärt in ihrer Äußerung, die Marktgemeinde Illmitz plane die Errichtung eines Sport- und Erholungszentrums in der Nähe der Schule und bemühe sich deshalb seit Jahren, das dafür in Aussicht genommene Gelände vor Umweltverschmutzung und Lärmbelästigungen zu schützen. Zu diesem Zweck seien bereits mehrere der in Betracht kommenden Grundstücke erworben und auch der Ankauf des der Lagerhausgenossenschaft Frauenkirchen gehörenden Grundstückes Nr. 2264/57, das von der Umwidmung betroffen ist, geplant. Mit Gemeinderatsbeschluß vom 23. Juni 1979 seien bereits Grundstücke im Bereich des zu errichtenden Sport- und Erholungszentrums als "Grünland, Spiel- und Sportplatz" gewidmet worden. In dem von der Umwidmung in "Bauland - Wohngebiet" betroffenen Gebiet entlang der Apetlonerstraße seien störende Betriebe, darunter auch die der Antragsteller, angesiedelt, die sich auf Grund ihrer Betriebsart negativ auf die bestehende Hauptschule auswirkten bzw. das geplante Sport- und Erholungszentrum beeinträchtigen würden. Zum Zweck der Absiedlung störender Betriebe, die auf den zum Teil sehr kleinen Grundstücken kaum Möglichkeiten für die beabsichtigten Erweiterungen vorfänden, sei bereits anläßlich der ersten Änderung des Flächenwidmungsplanes im Jahre 1976 die Umwidmung von am nördlichen Ortsanfang von Illmitz gelegenen Grundstücken in "Bauland - Industriegebiet" beschlossen worden. Weiters sei auf den durch den zunehmenden Fremdenverkehr sich ergebenden Strukturwandel in der Gemeinde Bedacht zu nehmen, für den sich die Ansiedlung neuer bzw. der Ausbau bestehender störender Betriebsgebäude im Ortskern als abträglich erweisen würde. Für die Bgld. Landesregierung sei durch die dargelegten Umstände eine für die Änderung von Flächenwidmungsplänen erforderliche wesentliche Änderung der Planungsgrundlagen infolge Auftretens neuer Tatsachen und Planungsabsichten vorgelegen. Die von den Antragstellern bestrittenen konkreten Aussiedlungsmöglichkeiten seien durch die bereits erfolgten Widmungen von Grundflächen zu "Bauland - Industriegebiet" und die eingeleiteten Gespräche zum Erwerb von für Standortverlegungen geeigneten Grundstücken (zB auf der Pfarrerwiese) sehr wohl gegeben.

d) Der Gemeinderat der Marktgemeinde Illmitz weist in seiner Äußerung darauf hin, daß die Marktgemeinde nach Erlassung des vereinfachten Flächenwidmungsplanes vom 14. Dezember 1973 ein Sport- und Erholungszentrum im Bereich zwischen den Parzellen 2452/17 und 2452/24, also in direkter Nachbarschaft eines Großteiles der von der Änderung betroffenen Parzellen, geplant habe und es befinde sich dieses Sport- und Erholungszentrum bereits teilweise im Bau (der Sportplatz sei bereits auf der Parzelle 2468/67 errichtet). Neben dem Sportplatz sei auch ein Tennisplatz sowie ein Park zum Zwecke der Ruhe und Erholung der Ortsbevölkerung geplant. Die antragstellende Genossenschaft betreibe auf der Parzelle 2264/57 eine Reparaturwerkstätte samt Lagerplatz, welche Widmung mit den angestrebten Zwecken des Erholungsgebietes nicht zu vereinbaren sei. Dasselbe gelte für die Nutzung der Grundstücke der Ehegatten A. und

H. St. Die Ehegatten St. benützten ihre Grundstücke nämlich ohne die notwendige baubehördliche Genehmigung zur dauernden Abstellung von LKW-Anhängern, Zugmaschinen und Baumaschinen. Auf den Parzellen 2264/47, 2264/39 und 2259 befinde sich die im Jahre 1968 errichtete Hauptschule der Marktgemeinde Illmitz. Diese Schule sei von der Apetlonerstraße her nur über die Parzelle 2264/55 erreichbar; dieser Durchgangsweg sei sehr schmal und weise nur auf einer Seite einen Gehsteig auf. Er werde laufend von den Schulkindern benützt und der von den Parzellen der Ehegatten St. und der antragstellenden Genossenschaft ausgehende und veranlaßte Verkehr bilde eine ständige Gefahrenquelle für die Schulkinder. Dieser Verkehr beeinträchtige durch andauernde Lärmerregung auch den Betrieb der Hauptschule. In der Zeit nach Erlassung des vereinfachten Flächenwidmungsplanes habe auch der Fremdenverkehr in der Marktgemeinde Illmitz eine immer größere Bedeutung erlangt. Durch die derzeitige Nutzung der Parzellen der Antragsteller werde die Nutzung der umliegenden Grundstücke zu Fremdenverkehrszwecken immer mehr beeinträchtigt. In den letzten Jahren seien in unmittelbarer Nähe der Parzellen der Antragsteller zahlreiche Fremdenverkehrsbetriebe entstanden bzw. vergrößert und ausgebaut worden. Es sei auch nicht richtig, daß die Marktgemeinde Illmitz nichts unternehme, um störende Betriebe aus dem engen Ortsbereich abzusiedeln. Tatsächlich würden laufend Verhandlungen mit Grundeigentümern geführt.

In einer ergänzenden Stellungnahme räumt der Gemeinderat ein, daß sich in dem durch die angefochtene Verordnung umgewidmeten Bereich 17 Betriebe befänden. Unrichtig sei jedoch, daß der umgewidmete Bereich seit Jahrzehnten das gewerbliche Zentrum von Illmitz sei. Tatsächlich existierten in diesem Bereich im Durchschnitt nicht mehr Gewerbebetriebe als in anderen Teilen des engeren Ortsgebietes von Illmitz. Richtig sei auch, daß es in Illmitz seit ca. 20 Jahren Fremdenverkehr gibt. Unrichtig sei jedoch, daß sich die Fremdenverkehrsbetriebe nicht in dem von der Umwidmung betroffenen Bereich von Illmitz befänden; tatsächlich lägen in diesem Bereich im Durchschnitt genausoviele Pensionen und Zimmervermietungen wie in anders gewidmeten Bereichen. Diesbezüglich bestünde kein Unterschied zwischen der Apetlonerstraße und jenen Ortsteilen von Illmitz, die näher zum Neusiedlersee liegen. Unrichtig sei auch, daß der Gemeinderat die umstrittene Änderung des vereinfachten Flächenwidmungsplanes vorgenommen hätte, ohne daß für die betroffenen Betriebe die Möglichkeit bestünde, ihren Standort zu verlegen. Im Zeitpunkt der Umwidmung habe bereits das Industriegebiet am nördlichen Ortsbeginn von Illmitz bestanden. Im Gegensatz zum Vorbringen der Antragsteller weise dieses eine Größe von wesentlich mehr als 2 ha auf, wobei eine geschlossene Fläche von ca. 1 ha im Eigentum der Marktgemeinde Illmitz stehe, während eine weitere Fläche von wesentlich mehr als 1 ha mit ca. 30 Parzellen in Privatbesitz sei. Entgegen den Behauptungen der Antragsteller bestehe daher von Seiten der Flächenwidmung kein Hindernis dagegen, in diesem Industriegebiet Grundstücke zur Errichtung von Betrieben zu erwerben.

4. In der Sache hat der VfGH erwogen:

a) Aus den Verwaltungsakten ergibt sich, daß der Beschlußfassung des Gemeinderates vom 16. Juni 1978, mit der das Verfahren betreffend die Änderung des vereinfachten Flächenwidmungsplanes eingeleitet wurde, eine von 16 Bewohnern der Apetlonerstraße unterfertigte, als "Antrag auf Umwidmung im vereinfachten Flächenwidmungsplan Illmitz betr. Apetlonerstraße Bauland auf Bauland - Wohngebiet" bezeichnete, am 14. Juni 1978 eingelangte Eingabe an den Gemeinderat zugrundelag, in welcher über den Verkehr, Lärm und die Umweltverschmutzung in der Apetlonerstraße geklagt und auf die Gefahren von Werkstätten, Lagerhäusern und Fuhrparks für die Schulkinder hingewiesen wurde. Der Gemeinderat hat zwei Tage nach Einlangen dieser Eingabe ohne Heranziehung irgendwelcher weiterer Entscheidungsgrundlagen beschlossen, die gewünschte Änderung des vereinfachten Flächenwidmungsplanes in die Wege zu leiten. Nach der endgültigen Beschlußfassung durch den Gemeinderat am 16. Dezember 1978 hat der Raumplanungsbeirat beim Amt der Bgld. Landesregierung nach Einholung einer Stellungnahme der Marktgemeinde Illmitz beschlossen, die Änderung des vereinfachten Flächenwidmungsplanes nicht zur Genehmigung zu empfehlen. Dieser Beschluß wurde damit begründet, daß mit Rücksicht auf die im Bereich der Apetlonerstraße befindlichen Gewerbebetriebe aus fachlicher Sicht Bedenken gegen die Umwidmung in "Bauland - Wohngebiet" bestünden, da nach §19 Abs3 RPlG auf die bestehende widmungsgemäße Nutzung der Grundflächen Bedacht zu nehmen sei. Überdies würden nun Flächen, die für die Errichtung des Sport- und Erholungszentrums im Bereich der Apetlonerstraße in Anspruch genommen werden sollten, trotz konkreter Planungsabsicht nicht als "Grünland - Sportplatz", sondern als "Bauland - Wohngebiet" gewidmet.

In einer Stellungnahme hiezu betonte die Marktgemeinde Illmitz, der allgemeine Strukturwandel sowie die Entwicklung der Marktgemeinde Illmitz zu einer bedeutenden Fremdenverkehrsgemeinde und insbesondere die mit hohem finanziellen Aufwand geschaffenen Einrichtungen (Schulzentrum, Sportplätze und geplantes Sport- und Erholungszentrum) hätten die Planungsgrundlagen so wesentlich verändert, daß eine Änderung des Flächenwidmungsplanes gerechtfertigt erscheine. Dies insbesondere auch unter Berücksichtigung des geplanten Industrieareals in Verbindung mit der projektierten Umfahrungsstraße, welches der Gemeinde in Hinkunft eine aktive Politik der Aussiedlung störender Betriebe aus dem engen Ortsbereich ermöglichen solle. Da jedoch Verhandlungen für den Verkauf bzw. Kauf dieser Grundstücke durch die Gemeinde noch im Gange seien und nach Kenntnis der Gemeinde auch die genaue Trassenführung für die Umfahrungsstraße noch nicht festgelegt sei, könnten diese Flächen in das derzeit laufende Änderungsverfahren nicht einbezogen werden.

Auf Grund dieser Stellungnahme empfahl der Raumplanungsbeirat die Änderung des vereinfachten Flächenwidmungsplanes zur Genehmigung. Die Landesregierung begründete die Genehmigung (s. oben unter Pkt. I.1.) damit, daß die "umfassenden Informationen durch die Gemeinde Illmitz und insbesondere im Hinblick auf die beabsichtigte Absiedlung störender Betriebe in ein neu zu schaffendes Industrieareal" die vom Raumplanungsbeirat geäußerten fachlichen Bedenken "weitgehend" zerstreut hätten.

b) Der VfGH beurteilt diese Umstände, welche mit dem Vorbringen der Marktgemeinde Illmitz im Verfahren vor dem VfGH nicht durchwegs in Einklang stehen, wie folgt:

aa) Mit der bekämpften Verordnung wurden schmale, langgestreckte Gebietsstreifen nördlich und südlich entlang der Apetlonerstraße umgewidmet. Die Marktgemeinde Illmitz begründet die Absiedlung "störender Betriebe" - die durch die Umwidmung herbeigeführt werden soll - mit dem Schutz des Fremdenverkehrs und des für das Sport- und Erholungszentrum in Aussicht genommenen Geländes vor Umweltverschmutzung und Lärmbelästigung.

Der VfGH vermag nicht zu erkennen, daß sich die Planungsgrundlagen infolge Auftretens neuer Tatsachen oder Planungsabsichten auf dem Gebiet des Fremdenverkehrs in Illmitz wesentlich geändert haben. Die "störenden Betriebe" in der Apetlonerstraße bestanden bereits bei Erlassung des vereinfachten Flächenwidmungsplanes im Jahre 1973. Die Erläuterungen zu diesem Plan enthalten einen eigenen Abschnitt über "Illmitz als Fremdenverkehrsgemeinde", aus dem sich ergibt, daß der Fremdenverkehr schon damals eine bedeutende Rolle in Illmitz gespielt hat. Irgendwelche besonderen, auf den Fremdenverkehr zurückzuführende neuen Umstände für den von der bekämpften Verordnung betroffenen Teil von Illmitz liegen ebenfalls nicht vor.

bb) Die Hauptschule und der Sportplatz liegen im Süden der Apetlonerstraße, gegen das südöstliche Ende des an der Südseite der Apetlonerstraße durch die bekämpfte Verordnung umgewidmeten Gebietsstreifens. Weder Schule noch Sportplatz sind neu: Die Schule wurde 1968 errichtet, der Sportplatz ist (bereits) im vereinfachten Flächenwidmungsplan 1973 enthalten. Auch wenn man davon ausgeht, daß der Gemeinderat die Erweiterung des Sportplatzes zu einem Sportzentrum plant (und auch schon in Angriff genommen hat), liegt darin keine wesentliche Änderung der Planungsgrundlagen im Zusammenhang mit den von der angefochtenen Verordnung umfaßten Grundstücken, zumal sich die Verordnung nicht auf Grundstücke erstreckt, welche dem Sportzentrum wesentlich näher liegen als die umgewidmeten.

cc) Die in §19 Abs2 RPlG geforderten Voraussetzungen für eine Änderung des Flächenwidmungsplanes waren daher für die mit der bekämpften Verordnung vorgenommenen Änderungen nicht gegeben.

6. Bei diesem Ergebnis war nicht zu prüfen, ob der Gemeinderat bei Erlassung der angefochtenen Verordnung auf die Vorschrift des §19 Abs3 RPlG (tunlichste Bedachtnahme auf die bestehende widmungsgemäße Nutzung der Grundflächen) hinreichend Bedacht genommen hat, ob iS der Rechtsprechung über das Zustandekommen von Flächenwidmungsplänen (s. VfSlg. 8280/1978) die Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers - soweit überhaupt vorhanden - ausreichen, eine Aussage über die Übereinstimmung der bekämpften Verordnung mit den vom RPlG vorgegebenen Zielen zu ermöglichen und ob die vorgebrachten Gründe nur vorgeschützt wurden, um - wie die Antragsteller behaupten - eine beabsichtigte, der Behörde nicht genehme Bauführung zu verhindern.

Im Hinblick darauf ist auch die Aufnahme der beantragten Beweise entbehrlich.

7. Die Anträge sind daher - soweit sie zulässig sind - begründet, weshalb die angefochtene Verordnung hinsichtlich der Grundstücke der Antragsteller als gesetzwidrig aufzuheben ist.

Der Ausspruch über die Kundmachung der Aufhebung beruht auf Art139 Abs5 B-VG.

Schlagworte

Verordnung Kundmachung, VfGH / Individualantrag, Raumordnung, Flächenwidmungsplan

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:V33.1980

Dokumentnummer

JFT_10179689_80V00033_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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