TE Vfgh Erkenntnis 2006/6/7 B119/06

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.06.2006
beobachten
merken

Index

26 Gewerblicher Rechtsschutz
26/03 Patentrecht

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art6 Abs1 / Erwerbsausübung
PatentG 1970 §2, §112, §156
Patentrechts-Nov 1984, BGBl 234 ArtIV
Patentübereinkommen Europäisches Art167

Leitsatz

Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Abweisung des Antrags auf Nichtigerklärung eines Patents betreffend die Verwendung eines chemischen Stoffes zur Herstellung bestimmter Arzneimittel ("Swiss Claim"); zweckgebundene Verfahrensansprüche nach dem Vorbehalt zum Europäischen Patentübereinkommen nicht von der Patentierbarkeit ausgeschlossen bzw mit dem Stoffschutzverbot vereinbar; keine Denkunmöglichkeit infolge amtswegiger Fortsetzung des Nichtigkeitsverfahrens trotz Zurückziehung des Antrags nach Entscheidung des OGH über die mangelnde Rechtsbeständigkeit des Patents als Vorfrage in einem Provisorialverfahren

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei ist schuldig, der beteiligten Partei die mit € 2.160,-- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Beschwerdeführer, ein Verein mit Sitz in Österreich, begehrte bei der Nichtigkeitsabteilung des Österreichischen Patentamtes, das Patent AT 389 995 betreffend die "Verwendung von neuen 2-Pyridylalkyl-Sulfinyl-Benzimidazolen zur Herstellung von Magensäuresekretion beeinflussenden pharmazeutischen Präparaten zur Behandlung von Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren" für nichtig zu erklären, da die darin umschriebene Anspruchsfassung, die die Verwendung eines chemischen Stoffes zur Herstellung von pharmazeutischen Präparaten (Arzneimittel) für eine bestimmte medizinische Zweckbestimmung schützt (im Fachjargon als "Swiss Claim" bezeichnet), eine bloße Umgehung des Arzneimittelschutzverbotes sei. Ein solches Formulierungsverfahren sei nicht patentierbar, da es weder besondere noch eigenartige Verfahrensmerkmale aufweise, nur durch rein stoffliche Merkmale der (neuen) Wirkstoffe näher bestimmt und auch nicht erfinderisch sei.

2. Die beteiligte Partei, Inhaberin des österreichischen Patentes AT 389 995 beantragte, den Nichtigkeitsantrag abzuweisen. Sie begründete dies damit, dass Swiss Claims als zweckgebundene Verfahrensansprüche schon allein nach dem Text des Vorbehaltes laut ArtIV Abs1 Patentrechts-Novelle (im Folgenden: "PatRNov") 1984 nicht von der Patentierbarkeit ausgeschlossen seien. Dabei handle es sich um ein Verfahren und nicht um Stoffe an sich.

3. Der Beschwerdeführer beantragte, das Verfahren aus verfahrensökonomischen Gründen bis zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (im Folgenden: "OGH") im anhängigen Verletzungsstreit auszusetzen. Mit Beschluss vom 21. Jänner 2004 setzte die Nichtigkeitsabteilung das auf Antrag des Beschwerdeführers eingeleitete Verfahren auf Nichtigerklärung des Patents AT 389 995 - nach Zurückziehung des Antrags durch den Beschwerdeführer - gemäß §112 Abs1 Patentgesetz (im Folgenden: "PatG") von Amts wegen fort und wies in der Folge den Antrag auf Nichtigerklärung des Patents AT 389 995 ab.

In dem bei den Zivilgerichten anhängigen Patentverletzungsverfahren hatte das Handelsgericht Wien zunächst den Antrag des Patentinhabers und nunmehrigen Beschwerdeführers auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgewiesen. Das Rekursgericht hingegen erließ die einstweilige Verfügung.

4. In der gegen den Beschluss der Nichtigkeitsabteilung an den Obersten Patent- und Markensenat (im Folgenden: "OPM") erhobenen Berufung beantragte der Beschwerdeführer, die Endentscheidung der Nichtigkeitsabteilung und den Beschluss auf amtswegige Fortsetzung des Verfahrens aufzuheben und die Sache an die Nichtigkeitsabteilung mit der Maßgabe zurückzuverweisen, das Verfahren einzustellen, in eventu, die Endentscheidung der Nichtigkeitsabteilung und den Beschluss auf Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Aussetzung des Verfahrens aufzuheben und die Sache an die Nichtigkeitsabteilung mit der Maßgabe zurückzuverweisen, das Verfahren bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung im Provisorialverfahren zu 17 Cg 21/03 z des HG Wien auszusetzen; in eventu die Endentscheidung der Nichtigkeitsabteilung dahingehend abzuändern, dass das österreichische Patent AT 389 995 für nichtig erklärt werde.

Der OGH stellte im erwähnten Provisorialverfahren den Beschluss des Erstgerichtes wieder her, da der von der klagenden Partei geltend gemachte Patentverstoß mangels Rechtsbeständigkeit des Klagspatentes zu verneinen sei.

5. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung bestätigte der OPM mit Bescheid vom 28. September 2005 die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung, gab der Berufung keine Folge und stellte fest, dass das österreichische Patent AT 389 995 rechtsbeständig sei. Swiss Claims seien als zweckgebundene Verfahrensansprüche mit dem Stoffschutzverbot vereinbar, weil sie nicht das Arzneimittel als solches, sondern ein Verfahren zur Herstellung eines Arzneimittels schützten, das durch die Verwendung eines bestimmten Wirkstoffs für eine bestimmte medizinische Indikation definiert sei. In Bezug auf die amtswegige Fortführung des Verfahrens führte der OPM in seiner Begründung aus, dass es gemäß §112 Abs1 Satz 2 PatG im Ermessen der Nichtigkeitsabteilung liege, ein über einen Rücknahme- oder Nichtigkeitsantrag eingeleitetes Verfahren im Fall der Rückziehung des Antrages von Amts wegen fortzusetzen.

6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, mit welcher der Beschwerdeführer die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten geltend macht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt.

7. In einem weiteren Provisorialverfahren hob der OGH mit Beschluss vom 14. Februar 2006 die Beschlüsse der Vorinstanzen auf und trug ihnen auf, unter Abstandnahme vom verwendeten Zurückweisungsgrund (entschiedene Sache) über den Sicherungsantrag der Klägerinnen neu zu entscheiden. In der Begründung verwies er auf die Entscheidung des OPM vom 28. September 2005, Op 3/04-5, N 24/2002, und führte Folgendes aus:

"Soweit die Parteien des Verletzungsstreites auch am Nichtigkeitsverfahren beteiligt sind, ist eine die Rechtsbeständigkeit bejahende Entscheidung für sie bindend (§156 Abs5 PatG)."

8. Die beteiligte Partei erstattet eine Äußerung und beantragt die Abweisung der Beschwerde. Die belangte Behörde legt die Verwaltungsakten vor, erstattet jedoch keine Gegenschrift.

II. Die maßgebenden Rechtsvorschriften lauten:

1. Art167 des Europäischen Patentübereinkommens vom 27. Februar 1979, BGBl. 350/1979 (im Folgenden: "EPÜ"), das im Gegensatz zu §2 Z2 des österreichischen PatG 1970 kein so genanntes Stoffschutzverbot enthielt, sieht in Abs1 vor, dass jeder Vertragsstaat bei der Unterzeichnung oder bei der Hinterlegung seiner Ratifikations- oder Beitrittsurkunde die in Abs2 vorgesehenen Vorbehalte machen kann.

Nach Art167 Abs2 lita EPÜ kann sich jeder Vertragsstaat vorbehalten zu bestimmen,

"daß europäische Patente übereinstimmend mit den für nationale Patente geltenden Vorschriften unwirksam sind oder für nichtig erklärt werden können, soweit sie Schutz für chemische Erzeugnisse als solche oder für Nahrungs- oder Arzneimittel als solche gewähren; ein solcher Vorbehalt berührt nicht den Schutz aus dem Patent, soweit es ein Verfahren zur Herstellung oder Verwendung eines chemischen Erzeugnisses oder ein Verfahren zur Herstellung eines Nahrungs- oder Arzneimittels betrifft;"

Art 167 Abs3 erster Satz EPÜ sieht vor, dass alle von einem Vertragsstaat gemachten Vorbehalte für einen Zeitraum von höchstens zehn Jahren vom Inkrafttreten des EPÜ an wirksam sind. Abs5 des Art167 EPÜ bestimmt hiezu:

"Ein nach Absatz 2 Buchstabe a, b oder c gemachter Vorbehalt erstreckt sich auf die europäischen Patente, die auf Grund von europäischen Patentanmeldungen erteilt worden sind, die während der Wirksamkeit des Vorbehalts eingereicht worden sind. Der Vorbehalt bleibt während der gesamten Geltungsdauer dieser Patente wirksam."

2. Im Zuge der Ratifizierung des EPÜ hat Österreich einen Vorbehalt iSd Art167 Abs2 lita EPÜ erklärt, der gemäß Art167 Abs3 iVm Art169 Abs1 EPÜ bis 7. Oktober 1987 wirksam war. Der Vorbehalt lautet:

"Europäische Patente können für das Gebiet der Republik Österreich übereinstimmend mit den für nationale Patente geltenden Vorschriften für nichtig erklärt werden, soweit sie Schutz für chemische Erzeugnisse als solche oder für Nahrungs- oder Arzneimittel als solche gewähren."

3. Mit der PatRNov BGBl. 234/1984, wurde dieses Stoffschutzverbot in ArtIV Abs1 PatRNov 1984 verankert. Gleichzeitig wurde §2 PatG dem EPÜ angepasst.

Art IV Abs1 PatRNov 1984 lauten:

"(1) Soweit und solange ein Vorbehalt Österreichs gemäß Art167 Abs2 lita des Europäischen Patentübereinkommens, BGBl. Nr. 350/1979, wirksam ist, werden Patente für Erfindungen von chemischen Erzeugnissen als solchen, von Nahrungsmitteln als solchen für Menschen oder von Arzneimitteln als solchen nicht erteilt, es sei denn, die Erfindung betrifft ein Verfahren zur Herstellung oder Verwendung eines chemischen Erzeugnisses oder ein Verfahren zur Herstellung eines Nahrungsmittels für Menschen oder eines Arzneimittels.

(2) Nach dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes (ArtVII Abs1) sind entgegen Abs1 erteilte Patente auf Antrag nichtig zu erklären."

III. 1.1 Der Beschwerdeführer beantragte in der mündlichen Verhandlung vom 21. Jänner 2004, die Nichtigkeitsabteilung möge das Verfahren aus verfahrensökonomischen Gründen - bis zur Entscheidung des OGH im anhängigen Verletzungsstreit - aussetzen.

Gemäß §112 Abs1 zweiter Satz PatG liegt die Entscheidung, ein auf Antrag eingeleitetes Nichtigkeitsverfahren nach Rückziehung des Antrages fortzusetzen, im Ermessen der Nichtigkeitsabteilung. Diese kann im Interesse der Rechtssicherheit, welche - wie im vorliegenden Fall - bei der Zweifelhaftigkeit der Rechtsbeständigkeit eines Patents anzunehmen ist, von Amts wegen das Verfahren fortsetzen und über die Gültigkeit eine Patents entscheiden. Im Übrigen wird die Unzulässigkeit der amtswegigen Fortführung des Verfahrens durch die Nichtigkeitsabteilung in der gegenständlichen Beschwerde nicht vorgebracht.

1.2 Der Beschwerdeführer behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Erwerbsausübungsfreiheit verletzt worden zu sein.

1.3 Hinsichtlich der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG) bringt der Beschwerdeführer Folgendes vor:

"Der angefochtene Bescheid des Obersten Patent- und Markensenats verkennt die Rechtslage gröblich, und zwar gleich in mehreren Punkten. Er ist mit elementaren Grundsätzen des Patentrechts unvereinbar und steht somit in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch. Es liegt daher ein im Sinne der Judikatur willkürliches Verhalten der Behörde vor. Dieses wird schon dadurch indiziert, dass die Gesetzesanwendung des Obersten Patent- und Markensenats gleich in mehreren Punkten als denkunmöglich zu qualifizieren ist.

Wie aus dem Sachverhalt hervorgeht, hatte der Oberste Patent- und Markensenat die - für die Praxis äußerst bedeutsame - Frage zu klären, inwieweit im sog. 'Swiss Claim'-Format gehaltene Patentansprüche trotz des in ArtIV Abs1 PatRNov 1984 enthaltenen 'Stoffschutzverbots' für Arzneimittel, das auf alle bis einschließlich 07.10.1987 angemeldeten Patente anzuwenden ist, zulässig sind. Der OPM hat im gegenständlichen Verfahren - soweit ersichtlich in Patentsachen erstmals in der Geschichte der Zweiten Republik - anders als der OGH im Provisorialverfahren entschieden.

Nach Ansicht des OPM ist die Monopolisierung eines Arzneimittels für eine in den Patentansprüchen angeführte bestimmte Indikation - im konkreten Fall 'zur Behandlung von Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren' - zulässig.

Ein bis einschließlich 07.10.1987 angemeldetes Patent fällt nach der Ansicht des OPM demnach nur dann unter das 'Stoffschutzverbot' für Arzneimittel, wenn in den Ansprüchen ausschließlich das Arzneimittel bzw ausschließlich der chemische Ausgangsstoff und das Arzneimittel erwähnt sind. Sobald eine medizinische Indikation in den Patentansprüchen enthalten ist, sind die Ansprüche - auch bei Fehlen jeglicher weiterer Parameter - nach ArtIV Abs1 PatRNov 1984 gemäß der vom OPM vertretenen Auffassung zulässig.

Daraus folgt, dass dem Patentinhaber nach Ansicht des OPM für die in den Patentansprüchen enthaltene Indikation ein absoluter Schutz des Arzneimittels zukommt. Mangels Erforderlichkeit weiterer Parameter in den Patentansprüchen kann der Patentinhaber gegen jede Benutzungshandlung des Arzneimittels für die geschützte Indikation - völlig unabhängig davon, auf welche Weise das Arzneimittel hergestellt wurde - vorgehen. Der OPM geht sohin davon aus, dass die Beschränkung auf eine bestimmte medizinische Indikation eine Monopolisierung des Arzneimittels ausschließe.

Zwar führt der OPM im nunmehr getroffenen Erkenntnis aus, dass er seine eigene Vorjudikatur und die Judikatur des OGH, wonach für die Zulässigkeit eines Patentschutzes nach der Rechtslage gemäß ArtIV PatRNov 1984 ein 'bestimmtes technisches Herstellungsverfahren' erforderlich ist, aufrechterhalten würde. Tatsächlich ist dies jedoch nicht der Fall: Der OPM zieht zwar die Zweckbestimmung 'zur Behandlung von Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren' als einziges neben dem chemischen Ausgangsstoff Omeprazol und dem Arzneimittel in den Ansprüchen des genannten Patents enthaltenes Merkmal für das Vorliegen eines 'bestimmten technischen Herstellungsverfahrens' heran.

Diese Heranziehung ist jedoch mit elementaren Grundsätzen des Patentrechts nicht in Übereinstimmung zu bringen und führt gleich in mehrfacher Hinsicht zu einer groben Verkennung der Rechtslage:

Die erste grundlegende Verkennung liegt darin begründet, dass auf Seite 13 des Erkenntnisses des OPM die nach der Judikatur zum Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) - welches im Gegensatz zu ArtIV Abs1 PatRNov 1984 kein 'Stoffschutzverbot' für Arzneimittel kennt - bestehende Zulässigkeit von Patentansprüchen im Swiss Claim-Format falsch gedeutet wird. Der OPM geht davon aus, dass die Zulässigkeit von Swiss Claim-Ansprüchen nach dem EPÜ gegeben sei, weil die in diesen Ansprüchen enthaltene medizinische Indikation ein technisches Merkmal wäre. Dies ist jedoch gänzlich unrichtig.

Zwar kann die in Swiss Claim-Patentansprüchen enthaltene medizinische Indikation, wie auch der OGH in seinen Entscheidungen im Provisorialverfahren zutreffend ausgeführt hat, nach dem Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) bei der Beurteilung der Neuheit ausschlaggebend sein, da Art54 Abs5 EPÜ einen Schutz des Arzneimittelerzeugnisses auch dann zulässt, wenn dieses bekannt ist, aber für eine neue therapeutische Anwendung bestimmt ist.

Grund hiefür ist aber entgegen der Ansicht des OPM nicht, dass die therapeutische Anwendung ein technisches Merkmal wäre, sondern dass aus der neuen therapeutischen Anwendung die Neuheit des bereits bekannten Arzneimittelerzeugnisses fingiert wird. Für die im Stand der Technik bekannten Erzeugnisse für medizinische Anwendungen führt Art54 Abs5 EPÜ damit einen besonderen, von der allgemeinen Neuheitsregelung in Art51 Abs1 bis 4 EPÜ abweichenden Neuheitsbegriff ein. Im Anwendungsbereich der Vorschrift gilt somit ein bekanntes Erzeugnis für die erstmals offenbarte spezielle therapeutische Anwendung als neu.

Die therapeutische Anwendung wird dadurch aber zu keinem technischen Merkmal, das nach der - im Unterschied zum EPÜ - ein 'Stoffschutzverbot' für Arzneimittel kennenden Rechtslage gemäß ArtIV Abs1 PatRNov 1984 ein für die Patentierbarkeit erforderliches 'bestimmtes technisches Verfahren' begründen könnte. Eine medizinische Zweckbestimmung hat mit Technik nichts zu tun und ist darüber hinaus auch kein 'Verfahren'.

Der Unterschied zwischen einer therapeutischen Anwendung und einem technischen Merkmal wurde auch von der deutschen Rechtsprechung zur mit ArtIV Abs1 PatRNov 1984 vergleichbaren dortigen Rechtlage vor 1968, die jeder Umgehung des 'Stoffschutzverbotes' entschieden entgegentrat, erkannt: So entschied der BGH, dass ein einfaches Mischverfahren, durch das aus bekannten Stoffen nach einem bestimmten Mengenverhältnis ein Arzneimittelgemisch hergestellt wird, ohne dass hierdurch hinsichtlich des Mischverfahrens oder des Mischprodukts ein besonderer technischer Effekt erzielt wird, auch dann nicht patentfähig sei, wenn bei der Anwendung des gewonnenen Arzneimittelgemisches ein unerwarteter therapeutischer Effekt eintritt.

Der BGH hat damit klargestellt, dass der therapeutische Effekt eines Arzneimittels nicht das Vorliegen eines technischen Merkmals begründen kann.

Ausgehend von der unrichtigen Prämisse, wonach eine medizinische Indikation ein technisches Merkmal darstellt, begründet der OPM die Heranziehung der in den Patentansprüchen angeführten medizinischen Indikation 'zur Behandlung von Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren' für das Vorliegen eines 'bestimmten Herstellungsverfahrens' folgendermaßen: Aus der angeführten medizinischen Indikation würden sich die Maßnahmen der 'augenfälligen Herrichtung' ergeben, welche das Formulieren (dh die Formgestaltung wie etwa das Pressen des Arzneimittels in Tabletten), das Dosieren des Wirkstoffs für die angegebene Indikation, die Verpackung und die - in einem Beipackzettel zusammengefassten - konkreten Anweisungen für den Gebrauch umfassten. Diese Maßnahmen seien als Teil des Herstellungsverfahrens anzusehen.

Dies ist gleich in mehrfacher Hinsicht verfehlt: Zum einen deshalb, da die angeführten Maßnahmen der 'augenfälligen Herrichtung' ausschließlich nachgelagerte Schritte umfassen, die nach bereits abgeschlossener Produktion des Arzneimittels anfallen.

Wie bereits erwähnt, liegt jedoch ein 'bestimmtes technisches Herstellungsverfahren', das Voraussetzung für die Erfüllung der Ausnahme vom 'Stoffschutzverbot' für Arzneimittel nach ArtIV Abs1 PatRNov 1984 ist, nach der Rechtsprechung des OPM und diesem folgend des OGH in den Entscheidungen Amlodipin sowie Omeprazol I und Omeprazol II nur dann vor, wenn das Herstellungsverfahren durch Angabe der Ausgangsstoffe, der verfahrenstechnischen Maßnahmen, mit ihnen umzugehen, und der gewünschten Endprodukte definiert ist.

Es ist jedoch denkunmöglich, dass die in den Ansprüchen im Swiss Claim-Format fehlende Definition der verfahrenstechnischen Maßnahmen, mit den Ausgangsstoffen (im Falle des Patents Nr. AT 389 995 Benzimidazole, darunter Omeprazol) umzugehen, aus den ausschließlich nachgelagerten Schritten der 'augenfäligen Herrichtung', die erst nach bereits abgeschlossener Produktion des Arzneimittels anfallen, abgeleitet werden könnte.

Die 'augenfällige Herrichtung' kann daher kein 'bestimmtes technisches Herstellungsverfahren' iSd ArtIV Abs1 PatRNov 1984 und der hiezu ergangenen Rechtsprechung darstellen und somit auch keine Zulässigkeit von Swiss Claim-Ansprüchen unter einer ein 'Stoffschutzverbot' für Arzneimittel kennenden Rechtslage begründen.

Selbst unabhängig davon können die Maßnahmen der 'augenfälligen Herrichtung' aber nicht zur Begründung eines 'bestimmten technischen Herstellungsverfahrens' herangezogen werden. Die Maßnahmen der 'augenfälligen Herrichtung' sind nämlich in den Ansprüchen des gegenständlichen Patents Nr. 389 995 überhaupt nicht erwähnt. Es findet sich nirgendwo auch nur ein Hinweis, dass diese Maßnahmen vom Schutzbereich des Patents umfasst wären.

Dies führt zu dem paradoxen Ergebnis, dass Maßnahmen; die in den Patentansprüchen überhaupt nicht erwähnt sind, nach Ansicht des OPM den Schutzbereich der Patentansprüche auf ein 'bestimmtes technisches Herstellungsverfahren' erstrecken und so eine zulässige Patentierung nach ArtIV Abs1 PatRNov 1984 begründen.

Der Widerspruch, trotz völligen Fehlens jeglicher Verfahrensparameter in den Ansprüchen des Patents AT 389 995 vom Vorliegen eines 'bestimmten technischen Herstellungsverfahrens' auszugehen, wird vom OPM sohin dadurch gelöst, in den Ansprüchen überhaupt nicht erwähnte Merkmale einzubeziehen. Damit wird jedoch ein tragender Grundsatz des Patentrechts verletzt. Nach §22a Abs1 PatG wird nämlich der Schutzbereich des Patents ausschließlich durch den Inhalt der Patentansprüche bestimmt. Zwar sind die Beschreibung und die Zeichnungen zur Auslegung der Ansprüche heranzuziehen. Selbst bei einer weitreichenden Patentbeschreibung darf aber zur Beurteilung des Schutzumfangs eines Patents über den Anspruchsinhalt keinesfalls hinausgegangen werden.

Ferner bestimmt der die Zulässigkeit von Patentansprüchen regelnde §91 Abs1 PatG, dass die Patentansprüche genau und in unterscheidender Weise angeben müssen, wofür Schutz begehrt wird. Merkmale, die nicht genau und nicht in unterscheidender Weise angeführt sind, können sohin keinen Patentschutz begründen. Umso weniger können in den Patentansprüchen überhaupt nicht angeführte Merkmale einen Patentschutz begründen.

Der OPM verkennt völlig den tragenden Grundsatz des Patentrechtes, dass ein Patent ein ausschließliches Recht ist, dessen Umfang durch die Erteilung bestimmt wird. Nur das, was in der Patentschrift als geschützter Patentanspruch genannt ist, kann geschützt sein. Eine Ausdehnung über die Patenansprüche hinaus ist denkunmöglich.

Die vom OPM vorgenommene Abstellung auf Merkmale, die in den Patentansprüchen überhaupt nicht angeführt sind, ist weiters auch verfassungsrechtlich abzulehnen: Grundsätzlich darf jeder jeden beliebigen technischen Gegenstand - im Rahmen der anwendbaren Rechtsvorschriften - herstellen und vertreiben und jedes beliebige technische Verfahren anwenden. Ein Patent schränkt dieses grundsätzliche Recht ein und gestattet es dem Patentinhaber, Dritte von der Herstellung und dem Vertrieb des patentierten Gegenstandes bzw der Anwendung des patentierten Verfahrens auszuschließen. Das Patent als Verbotsrecht, das ein einzelner mit absoluter Wirkung gegen Dritte geltend machen kann, muss daher klar umrissen sein, damit der Dritte überhaupt feststellen kann, was ihm verboten ist. Jede Ausdehnung der Wirkung über die Patentansprüche hinaus ist deshalb unzulässig."

...

"... zeigt, dass der OPM nicht nur in methodisch unzulässiger Weise Maßnahmen, die in den Patentansprüchen überhaupt nicht erwähnt sind, in den Schutzbereich des Patents einbezieht und als Begründung zum Vorliegen eines mangels jeglicher Verfahrensparameter in den Patentansprüchen tatsächlich nicht bestehenden 'bestimmten technischen Herstellungsverfahrens' heranzieht."

"..., dass der OPM noch einen weiteren Grundsatz des Patentrechts gröblich verkennt: nämlich dass eine Erfindung nur dann patentierbar ist, wenn sie neu ist (Erfordernis der Neuheit und sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt (Erfordernis der Erfindungshöhe), vgl. §1 PatG.

Die Begründung des OPM dafür, dass die Maßnahmen der 'augenfälligen Herstellung', obwohl sie im Patentanspruch nicht angeführt sind, das Verfahren 'nicht unbestimmt machen' - dh nach Ansicht des OPM ein 'bestimmtes Herstellungsverfahren' begründen -, nämlich 'dass der Fachmann die entsprechenden Schritte ohnehin kennt', übersieht somit völlig, dass für den Fachmann bekannte Schritte per se keinen Patentschutz begründen können.

Die Begründung des OPM, die die in den Patentansprüchen enthaltene medizinische Indikation über den Umweg der sich daraus angeblich ergebenden Maßnahmen der 'augenfälligen Herrichtung' als 'bestimmtes technisches Herstellungsverfahren' deutet, um so trotz des in ArtIV Abs1 PatRNov 1984 normierten 'Stoffschutzverbotes' für Arzneimittel eine Rechtsbeständigkeit des verfahrensgegenständlichen 'Swiss Claim'-Patents argumentieren zu können, hätte damit zwangsläufig zu einer Nichtigkeit des Patents mangels Neuheit bzw mangels Erfindungshöhe zu führen. Stattdessen hat der OPM - in völliger Verkennung des dem Patentrecht immanenten Grundsatzes der Neuheit und der Erfindungshöhe einer Erfindung als Voraussetzung für deren Schutz - die bereits vorliegende Bekanntheit der Maßnahmen der 'augenfälligen Herrichtung' für den Fachmann in einer denkunmöglichen Anwendung des Gesetzes zur Begründung der Rechtsbeständigkeit des Patents AT 389 995 herangezogen.

Das angefochtene Erkenntnis des OPM verkennt somit die (Patent-)Rechtslage wiederholt und gehäuft in gröblicher Weise und verkennt maßgebliche Grundsätze des Patentrechts, indem

-

die Worte der PatRNov 1984

' ... werden Patente für Erfindungen von chemischen Erzeugnissen als solchen, von Nahrungsmitteln als solchen für Menschen oder von Arzneimitteln als solchen nicht erteilt',

so verstanden werden, dass

'die Verwendung von chemischen Stoffen (Benzimidazole, darunter Omeprazol) zur Herstellung eines Arzneimittels für die Behandlung von Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren'

einen zulässigen Patentanspruch bilden, was aber schon grammatikalisch und nach dem Sinn der Norm denkunmöglich ist;

-

die in 'Swiss Claim'-Patentansprüchen enthaltene medizinische Indikation (im konkreten Fall 'zur Behandlung von Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren') als technisches Merkmal gedeutet wird, obwohl eine medizinische Zweckbestimmung mit Technik nichts zu tun hat;

-

Maßnahmen der 'augenfälligen Herrichtung', umfassend das Formulieren (dh die Formgestaltung wie etwa das Pressen des Arzneimittels in Tabletten), das Dosieren des Wirkstoffs für die angegebene Indikation, die Verpackung und die - in einem Beipackzettel zusammengefassten - konkreten Anweisungen für den Gebrauch, zur Begründung des Vorliegens eines 'bestimmten technischen Herstellungsverfahrens' herangezogen werden, obwohl sie ausschließlich nachgelagerte Schritte darstellen, die erst nach abgeschlossener Produktion des Arzneimittels anfallen;

-

die vorab angeführten Maßnahmen der 'augenfälligen Herrichtung' in den Schutzumfang des Patents einbezogen werden, obwohl diese in den Patentansprüchen überhaupt nicht angeführt sind und zur Beurteilung des Schutzumfangs eines Patents über den Anspruchsinhalt keinesfalls hinausgegangen werden darf;

-

die bereits vorliegende Bekanntheit der Maßnahmen der 'augenfälligen Herrichtung' für den Fachmann, die zwangsläufig zu einer Nichtigkeit des Patents mangels Neuheit zu führen hätte, in einer denkunmöglichen Anwendung des Gesetzes zur Begründung der Rechtsbeständigkeit des Patents AT 389 995 herangezogen wird;

-

der OPM im angefochtenen Bescheid zwar ausführt, dass er seine eigene Vorjudikatur und die Judikatur des OGH, wonach für die Zulässigkeit eines Patentschutzes nach der Rechtslage gemäß ArtIV Abs1 PatRNov 1984 ein 'bestimmtes technisches Herstellungsverfahren' erforderlich ist, aufrechterhalten würde, tatsächlich jedoch die Entscheidungsbegründung zeigt, dass der OPM diese Judikatur verwirft.

Angesichts dieser Vielzahl an völlig verfehlten und über weite Strecken denkunmöglichen Begründungen im angefochtenen Bescheid liegt somit nicht bloß eine unrichtige Rechtsauffassung oder eine unrichtige Gesetzesinterpretation seitens der belangten Behörde vor.

Vielmehr lässt die vorliegende gröbliche und gehäufte Verkennung der Rechtslage sowie elementarer Grundsätze des Patentrechts keinen anderen Schluss zu, als dass ein im Sinne der Judikatur willkürliches Verhalten der Behörde vorliegt.

Diese Willkür wird im übrigen schon durch die über weite Strecken denkunmögliche Gesetzesanwendung durch den OPM indiziert.

Der angefochtene Bescheid ist daher wegen Verletzung unseres verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz aufzuheben."

2. Die beteiligte Partei erstattet zu diesem Vorbringen nachstehende Äußerung:

"Zur behaupteten Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz

Die Beschwerdeführerin behauptet - zusammengefasst - im Wesentlichen, dass der Bescheid der belangten Behörde Oberster Patent- und Markensenat das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletze, da eine denkunmögliche und willkürliche Anwendung patentrechtlicher Vorschriften durch den Obersten Patent- und Markensenat vorliege. Diese behauptete willkürliche und denkunmögliche Anwendung patentrechtlicher Vorschriften wird durch die Beschwerdeführerin weitwendig und im Wesentlichen in Form einer Berufungsschrift mit umfangreichen Ausführungen rechtlicher und faktischer Natur dargelegt.

Hier ist der Beschwerdeführerin aber schon ganz grundsätzlich entgegenzuhalten, dass die verfassungsrechtlich vorgesehene Funktion des Verfassungsgerichtshofes nicht die einer Berufungsinstanz in Patentsachen ist, wie dies die Beschwerdeführerin vermeint. Dies wird besonders deutlich, wenn die Beschwerdeführerin etwa die behauptete Denkunmöglichkeit damit begründet, dass der angefochtene Bescheid des Obersten Patent- und Markensenates 'mit elementaren Grundsätzen des Patentrechts unvereinbar' sei. Abgesehen davon, dass dies - wie unten im Detail dargelegt - schlicht unzutreffend ist, vermag die Beschwerdeführerin damit und mit ihren weiteren Ausführungen keine in die Verfassungssphäre reichende Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Vielmehr beziehen sich alle ihre Argumente und Ausführungen auf die - allerdings im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof irrelevante - Frage der einfachgesetzlichen Rechtsrichtigkeit des angefochtenen Bescheides. Die Frage, ob die Rechtsansicht des Obersten Patent- und Markensenates zutreffend ist oder nicht, kann und darf - schon nach der verfassungsrechtlichen Aufgabenverteilung - durch den Verfassungsgerichtshof nicht entschieden werden. Da die Beschwerde der Beschwerdeführerin mithin lediglich einfachgesetzliche Bedenken aufzeigt und eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht einmal ansatzweise darzulegen vermag, geht die Beschwerde schon insoweit ins Leere und wird daher vom Verfassungsgerichtshof abzuweisen sein.

Dazu kommt jedoch, dass auch die - an sich nur einfachgesetzlichen - Behauptungen der Beschwerdeführerin in die Richtung, dass der von ihr angefochtene Bescheid 'mit elementaren Grundsätzen des Patentrechts unvereinbar' sei, schlicht unzutreffend sind.

Vorauszuschicken ist, dass im hier relevanten Bereich grundsätzlich drei Anspruchsgegenstände unterschieden werden können, die wie folgt gekennzeichnet sind (siehe auch beiliegende Tabelle):

-

Stoffschutz für Omeprazol: Grundsätzlich patentierbar, wenn der Stoff neu ist, während des Vorbehaltes gem. ArtIV Abs1 PatRNov 1984 in Österreich jedoch nicht patentierbar

-

Arzneimittel enthaltend Omeprazol (sg. erste medizinische Indikation = Arzneimittel als solches): Ansprüche dieses Typs sind zwar grundsätzlich patentierbar, wenn zwar der Stoff bekannt ist, die Einsetzbarkeit als Arzneimittel (zu welcher Indikation auch immer) jedoch neu und erfinderisch ist. In Österreich waren Ansprüche dieses Typs während des Vorbehalts gem. Art167 Abs2 EPÜ (BGBl 350/1979) nicht patentierbar wegen des Arzneimittelschutzverbots gem. ArtIV Abs1 PatRNov 1984.

-

Verwendung von Omeprazol zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung von Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren (sg. zweite medizinische Indikation): Die Verwendung des Stoffes als Arzneimittel ist bekannt, die Einsetzbarkeit zur Behandlung von Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren ist neu und erfinderisch. Die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes hat klargestellt, dass es kein Patentierungshindernis ist, wenn der Stoff und/oder das Arzneimittel (als solches) bekannt ist, oder gar bereits patentiert ist (Gr 01/83, 5. 12. 1984, GRURInt 1985, 193 - Bayer AG). Swiss claims können demnach nicht das Arzneimittel als solches schützen, da ansonsten das Patentierungshindernis fehlender Neuheit vorläge. Sie dienen der Verwendung eines chemischen Erzeugnisses (hier ua Omeprazol) für die Herstellung eines Arzneimittels und sind damit sogar ausdrücklich vom Stoff- bzw. Arzneimittelschutzverbot gen. ArtIV Abs1 PatRNov 1984 ausgenommen.

Die Beschwerdeführerin behauptet im Wesentlichen, dass der angefochtene Bescheid des Obersten Patent- und Markensenats 'maßgebliche Grundsätze des Patentrechts' verkenne, weil

a) 'die Worte der PatRNov 1984 '... werden Patente für Erfindungen von chemischen Erzeugnissen als solchen, von Nahrungsmitteln als solchen für Menschen oder von Arzneimitteln als solchen nicht erteilt', so verstanden werden, dass, die Verwendung von chemischen Stoffen (Benzimidazole, darunter Omeprazol) zur Herstellung eines Arzneimittels für die Behandlung von Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren' einen zulässigen Patentanspruch bilden, was aber schon grammatikalisch und nach dem Sinn der Norm denkunmöglich ist'.

Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass nach der Interpretation des ArtIV Abs1 PatRNov 1984 durch die Beschwerdeführerin die Worte 'als solche' ohne weiteres verzichtbar wären. Es kann dem Gesetzgeber jedoch nicht unterstellt werden, Gesetzesformulierungen ohne konkreten Zweck zu erlassen, zumal er auch an anderem Ort des Patentgesetzes den Worten 'als solche' sehr wohl eine konkrete Bedeutung zugemessen hat. Gem. §§1 Abs3 iVm §1 Abs4 PatG (idF BGBl 2005/1/42, zuvor Abs3) sind zB nur 'Computerprogramme als solche' von der Patentierung ausgeschlossen, nicht jedoch etwa eine damit verbundene technische Anwendung' (vergl. erläuternde Bemerkungen zum Patentgesetz, abgedruckt in Weiser, Die Patentierung von Computerprogrammen und Systemen, S 12).

Außerdem ist ArtIV Abs1 PatRNov eine wörtliche Wiedergabe des Art167 Abs2 EPÜ, sodass ein 'Arzneimittel als solches' nach ArtIV Abs1 PatRNov 1984 nichts anderes sein kann als ein 'Arzneimittel als solches' nach Art167 Abs2 EPÜ.

Tatsächlich ist unter 'Arzneimitteln als solchen' ein chemischer Stoff zur Verwendung als Arzneimittel zu verstehen, ohne dass weitere Merkmale hinzutreten ('erste medizinische Indikation' - siehe oben), während mit Hinzutreten weiterer Merkmale, wie etwa einer bestimmten Indikation, kein Arzneimittel als solches mehr vorliegt, weil - wie in der Bayer-Entscheidung der Großen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts ausgesprochen wurde - durch das Hinzutreten weiterer Merkmale wie einer bestimmten Indikation Neuheit und erfinderische Höhe gegeben sind und daher für einen Patentanspruch wie dem hier gegenständlichen ein Patent erteilt werden kann.

Die Beschwerdeführerin vertritt dazu die unzutreffende Ansicht, auch wenn Neuheit und Erfindungshöhe vorlägen, führe ein Swiss Claim nicht aus dem Stoffschutzverbot heraus. Damit sagt die Beschwerdeführerin: nach einer Bestimmung des PatG, nämlich §1 PatG, sei ein Stoff/Arzneimittel einerseits und die Verwendung eines Stoffes zur Herstellung eines Arzneimittels für eine bestimmte medizinische Indikation andererseits nicht dasselbe; nach einer anderen Bestimmung des PatG, nämlich ArtIV PatRNov 1984 aber schon.

Es ist daher der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin Denkunmöglichkeit vorzuwerfen und nicht der Begründung in der angefochtenen Entscheidung. Jedenfalls aber - und nur darauf kommt es hier an - ist das angefochtene, mit der Judikatur des Europäischen Patentamts übereinstimmende Erkenntnis des Obersten Patent- und Markensenates keinesfalls mit einer in die Verfassungssphäre reichenden Rechtswidrigkeit behaftet.

b) 'die in Swiss Claim'-Patentansprüchen enthaltene medizinische Indikation (im konkreten Fall zur Behandlung von Magen und Zwölffingerdarmgeschwüren') als technisches Merkmal gedeutet wird, obwohl eine medizinische Zweckbestimmung mit Technik nichts zu tun hat'.

Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass die verfahrensgegenständlichen Ansprüche ein Herstellungsverfahren beschreiben, das durch die Angabe bestimmter Zwecke (die Hemmung der Magensäuresekretion durch Inaktivierung des Enzyms K+-H+-ATPase, das auch als Protonenpumpe oder Säurepumpe der Belegzellen bezeichnet wird und in der Membran der Belegzellen enthalten ist, zur Behandlung von Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren), die Ergebnis jahrelanger Forschungstätigkeit sind, bestimmt wird.

Die Inaktivierung der Protonenpumpen in den Belegzellen ist ebenso technisch (sonst wäre das Patentierungsverbot therapeutischer Heilbehandlungen gern. §2 Abs1 Z2 PatG obsolet) wie die Herstellung des abgepackten und mit einer Verwendungsangabe versehenen Arzneimittels.

c) 'Maßnahmen der 'augenfälligen Herrichtung', umfassend das Formulieren (d.h. die Formgestaltung wie etwa das Pressen des Arzneimittels in Tabletten), das Dosieren des Wirkstoffs für die angegebene Indikation, die Verpackung und die - in einem Beipackzettel zusammengefassten - konkreten Anweisungen für den Gebrauch, zur Begründung des Vorliegens eines bestimmten technischen Herstellungsverfahrens' herangezogen werden, obwohl sie ausschließlich nachgelagerte Schritte darstellen, die erst nach abgeschlossener Produktion des Arzneimittels anfallen'.

Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass nicht die bloße Kapsel oder Tablette Endprodukt des patentierten Herstellungsverfahrens ist, sondern das fertig verpackte und mit dem Verwendungszweck versehene Arzneimittel als Ergebnis der augenfälligen Herrichtung (und nicht etwa die bloße Kapsel oder Tablette, welche mangels Indikationsangabe nicht verwendbar wäre). Die Herstellung eines Arzneimittels für eine spezielle medizinische Indikation kann nicht abgeschlossen sein, bevor alle Maßnahmen getroffen sind, die notwendig sind, damit ein Arzneimittel für eine spezielle medizinische Indikation vorliegt. Erst wenn der dafür notwendige Wirkstoff formuliert und dosiert, das Arzneimittel verpackt und mit einem entsprechenden Beipackzettel versehen ist, kann von einem Arzneimittel für eine spezielle medizinische Indikation gesprochen werden.

d) 'die vorab angeführten Maßnahmen der 'augenfälligen Herrichtung' [Anm. das Formulieren, Dosieren, Verpacken und die Angabe der Indikation] in den Schutzumfang des Patents einbezogen werden, obwohl diese in den Patentansprüchen überhaupt nicht angeführt sind und zur Beurteilung des Schutzumfangs eines Patents über den Anspruchsinhalt keinesfalls hinausgegangen werden darf'.

Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass gerade die Angabe des bestimmten Zweckes 'zur Behandlung von Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren', die Erfindung und den Schutzbereich des Patentes kennzeichnen. Eine Beschreibung etwa des Dosierungs- oder Verpackungsvorganges ist dabei nicht im Einzelnen anzuführen, da sie - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - der Fachmann ohnehin kennt (sonst müssten etwa bei mechanischen Erfindungen regelmäßig Funktion, Herstellung und Anwendung einer Schraube angegeben werden). Wesentlich ist aber, dass die medizinische Indikation des Arzneimittels, welches seine Verwendung erst möglich macht, angegeben ist, denn gerade sie war im Prioritätszeitpunkt, und nur auf diesen ist abzustellen, für den Fachmann nicht nahe liegend.

e) 'die bereits vorliegende Bekanntheit der Maßnahmen der augenfälligen Herrichtung' für den Fachmann, die zwangsläufig zu einer Nichtigkeit des Patentsmangels Neuheit zu führen hätte, in einer denkunmöglichen Anwendung des Gesetzes zur Begründung der Rechtsbeständigkeit des Patents AT 389 995 herangezogen wird'.

Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die bestimmte Indikation 'Behandlung von Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren' für den Wirkstoff Omeprazol, die im österreichischen Patent 389 995 offenbart wird, im Prioritätszeitpunkt nicht bekannt war (siehe auch Punkt d) zuvor).

f) 'der OPM im angefochtenen Bescheid zwar ausführt, dass er seine eigene Vorjudikatur und die Judikatur des OGH, wonach für die Zulässigkeit eines Patentschutzes nach der Rechtslage gemäß ArtIV Abs1 PatRNov 1984 ein bestimmtes technisches Herstellungsverfahren' erforderlich ist, aufrechterhalten würde, tatsächlich jedoch die Entscheidungsbegründung zeigt, dass der OPM diese Judikatur verwirft'.

Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass aufgrund der erfindungsgemäßen Lehre (Omeprazol für die Herstellung eines die Magensäuresekretion beeinflussenden pharmazeutischen Präparates zur Behandlung von Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren zu verwenden) ein bestimmtes technisches Herstellungsverfahren offenbart wird (in diesem Sinne auch die Große Beschwerdekammer des Europäischen Patentamtes in Gr 01/83, 5. 12. 1984, GRURInt 1985, 193 - Bayer AG). Zwischen der Beschreibung eines Verfahrens unter Angabe verschiedener Verfahrensschritte und einem zweckgebundenen Verfahrensanspruch besteht aus technischer Sicht kein Unterschied. Die im österreichischen Patent Nr. 389 995 beschriebenen Verfahren sind bestimmt. Ein Widerspruch zur patentrechtlichen Rechtsprechung liegt daher nicht vor.

Es bleibt somit festzuhalten, dass auch die von der Beschwerdeführerin behauptete einfachgesetzliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht vorliegt bzw. nur dann vorläge, wenn die unzutreffende Rechtsansicht der Beschwerdeführerin zutreffend wäre.

Die Rechtsansicht der Beschwerdeführerin ist jedoch nicht zutreffend. Sie spräche Erfindungen auf die zweite medizinische Indikation die Neuheit und Erfindungshöhe gegenüber der ersten medizinischen Indikation (dem Arzneimittel als solchen) ab, und erklärte beides für identisch. Damit könnten in Österreich auch nach Ablauf der Vorbehaltsdauer nach der PatRNov 1984 keine Patente für die zweite medizinische Indikation erteilt werden. Damit befindet sich die Rechtsansicht der Beschwerdeführerin im Widerspruch zur ständigen Erteilungspraxis aller europäischen Patentämter einschließlich des Europäischen Patentamtes und würde Österreich zum einzigen Mitgliedstaat machen, in dem die zweite medizinische Indikation dem Patentschutz nicht (mehr) zugänglich wäre. Sie widerspräche auch der Rechtsprechung des Europäischen Patentamtes (insbesondere Gr 01/83, 5. 12. 1984, GRURInt 1985, 193 - Bayer AG) auf die sich auch die belangte Behörde in der angefochtenen Entscheidung gestützt hat. Schon deshalb kann der belangten Behörde keine denkunmögliche Gesetzesanwendung vorgeworfen werden.

Insgesamt ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin in die Verfassungssphäre reichende Bedenken gegen den angefochtenen Bescheid des Obersten Patent- und Markensenates nicht darzulegen vermochte, sondern lediglich - allenfalls - einfachgesetzliche Rechtswidrigkeiten des angefochtenen Bescheides monierte. Wie dargelegt liegt aber weder eine einfachgesetzliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und schon gar nicht eine in die Verfassungssphäre reichende Willkürlichkeit oder denkunmögliche Anwendung patentrechtlicher Vorschriften vor.

IV. Der Verfassungsgerichtshof hat zur - zulässigen- Beschwerde erwogen:

1. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (z.B. VfSlg. 10.413/1985, 11.682/1988) vor, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Da der Verfassungsgerichtshof gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken hegt und in der Beschwerde auch nicht behauptet, dass der angefochtene Bescheid auf einer rechtswidrigen generellen Norm beruht, könnte der Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid im genannten Grundrecht nur verletzt worden sein, wenn dem OPM Willkür zum Vorwurf zu machen wäre. Ob Willkür vorliegt, kann nur dem Gesamtbild des Verhaltens der Behörde im einzelnen Fall entnommen werden (zB VfSlg. 5491/1967, 6404/1971, 6471/1971, 8808/1980, 14.573/1996 uva.). Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 und die dort angeführte Rechtsprechung; VfSlg. 10.338/1985, 11.213/1987). Auch eine denkunmögliche Gesetzesanwendung kann Willkür indizieren (VfSlg. 9561/1982, 14.573/1996).

2. Über die Gültigkeit und Wirksamkeit eines Patents entscheidet in letzter Instanz der OPM. Die Rechtsbeständigkeit eines Patents kann in Patentverletzungsverfahren von den Gerichten lediglich als Vorfrage im Provisorial- bzw. Hauptverfahren selbständig beurteilt werden. §156 PatG geht jedoch sowohl in der Fassung des Gesetzes BGBl. 234/1984 als auch in der vom OGH angewendeten Fassung des BGBl. I 149/2004 davon aus, dass letztendlich über die Rechtsbeständigkeit der OPM entscheidet. Zivilgerichte können zwar - falls sie ihr Verfahren nicht unterbrechen, um die Entscheidung des OPM abzuwarten - die Beurteilung der Rechtsbeständigkeit ihrer Entscheidung zu Grunde legen. Wird aber die Gültigkeit und Wirksamkeit eines Patentes vom OPM anders als vom Gericht beurteilt, so kann darauf eine Wiederaufnahmsklage gestützt werden (§156 Abs5 PatG in der Fassung BGBl. 234/1984 bzw. §156 Abs6 PatG in der Fassung BGBl. I 149/2004). Im Ergebnis werden damit einander widersprechende Entscheidungen des OGH und des OPM vermieden.

Schon aus diesem Grund kann die Denkunmöglichkeit der Begründung eines Erkenntnisses des OPM nicht darauf gestützt werden, dass der OGH - noch dazu in einem Provisorialverfahren - zu einer anderen Beurteilung gekommen ist. Kommt es vorläufig zu unterschiedlichen Beurteilungen der Rechtsbeständigkeit eines Patentes, so ist es nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, im Rahmen der ihm übertragenen Kompetenz zur Wahrung der Grundrechte zu untersuchen, welche der beiden Beurteilungen die besseren Argumente für sich hat.

Im Übrigen trägt der OGH der Priorität der Entscheidung durch den OPM dadurch Rechnung, dass er in dem bereits oben erwähnten Beschluss vom 14. Februar 2006, 4 Ob 251/05y, den Untergerichten aufträgt, die im an

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten