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60 ArbeitsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz; gleichheitswidrige Auslegung des §8Spruch
Die Bescheide werden aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die beschwerdeführenden Baugesellschaften haben an ihre auf Baustellen im Ausland beschäftigten Arbeiter Schlechtwetterentschädigungen nach dem Bauarbeiter-Schlechtwetterentschädigungsgesetz (BSchEG 1957, BGBl. 129/1957 in der Fassung BGBl. 219/1975) ausgezahlt. Sie beantragten beim Arbeitsamt Bau-Holz in Wien die Rückerstattung der ausgezahlten Schlechtwetterentschädigungen gemäß §8 Abs1 BSchEG.
Die Anträge bezogen sich in den zu B475/81 bis 477/81 protokollierten Verfahren auf die Rückerstattung an die Allgemeine Baugesellschaft A. Porr AG für Baustellen in Aken, DDR (für den Abrechnungszeitraum September 1980), Porschdorf, DDR (für den Abrechnungszeitraum September 1979) und Bad Schandau, DDR (für den Abrechnungszeitraum Oktober 1980), in den unter B478 - 480, 487 und 488/81 protokollierten Verfahren auf die Rückerstattung an die "Universale" Hoch- und Tiefbau AG für eine Baustelle in Teutschenthal in der DDR (für die Abrechnungszeiträume Feber, März, Mai, Juni und Juli 1981) sowie in den übrigen Fällen auf die Rückzahlung an die beiden genannten Baugesellschaften betreffend Baustellen, die diese in Form von Arbeitsgemeinschaften in Ilsenburg, DDR (betreffend die Abrechnungszeiträume Juli, September, Oktober, November und Dezember 1980 sowie März und Mai 1981; auf diese Baustelle beziehen sich die Verfahren B452 - 460/81), in Budapest, Ungarn (betreffend die Abrechnungszeiträume August 1979, Feber 1980, Juni 1980, Juli 1980, September bis Dezember 1980, Jänner bis Mai 1981 und Juli 1981; auf diese Baustelle beziehen sich die Verfahren B461 - 474/81 und B510/81) sowie in Teutschenthal/DDR (betreffend den Abrechnungszeitraum Juni 1981; darauf bezieht sich das Verfahren B486/81) betrieben haben.
2. Das Arbeitsamt Bau-Holz in Wien hat den Anträgen mit der Begründung nicht Folge gegeben, daß BSchEG gewähre einen Anspruch auf Rückerstattung von Schlechtwetterentschädigungen nur für Arbeitsausfälle infolge Schlechtwetters auf Baustellen im Bereich des österreichischen Bundesgebietes.
Den gegen diese Bescheide eingebrachten Berufungen gab das Landesarbeitsamt Wien mit Bescheiden vom 31. Juli 1981, 31. August 1981, 10. September 1981 und 22. September 1981 keine Folge. Es sei aus der Konzeption des Gesetzes erkennbar, daß dieses Rückerstattungsansprüche nach dem BSchEG nur für schlechtwetterbedingte Arbeitsausfälle im Inland begründe.
3. Gegen die Bescheide des Landesarbeitsamtes Wien richten sich die auf Art144 B-VG gegründeten Beschwerden, und zwar die unter B452 - 477/81 protokollierten Beschwerden gegen die Bescheide vom 31. Juli 1981, die unter B478 - 480/81 protokollierten Beschwerden gegen die Bescheide vom 31. August 1981, die unter B486 - 488/81 protokollierten Beschwerden gegen Bescheide vom 10. September 1981 und die unter B510/81 protokollierte Beschwerde gegen den Bescheid vom 22. September 1981. In den Beschwerden wird die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsgrundsatzes sowie eine Rechtsverletzung wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide, in eventu die Abtretung an den VwGH beantragt.
Die belangte Behörde hat in Gegenschriften die Abweisung der Beschwerden beantragt.
4. Der VfGH hat die Verfahren gemäß §§187 und 404 Abs2 ZPO in Verbindung mit §35 VerfGG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
5. Über Anfrage des VfGH hat die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik mitgeteilt, daß in allen Ländern der Erde Wetterbeobachtungen in gleicher Weise wie in Österreich durchgeführt werden, wobei das Meßnetz in allen Staaten Europas, Nordamerikas und eines Großteils von Asien gleich dicht, in den übrigen Gebieten weniger dicht ist. Auf Grund eines weltweiten Beobachtungsdatenaustausches verfügt die Zentralanstalt über eine Dokumentation der Wetterbeobachtungsdaten und kann überdies, wenn eine Verdichtung der Beobachtungen für einen bestimmten Fall erforderlich ist, zusätzliche Beobachtungsdaten vom jeweiligen Beobachtungsland anfordern.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Die beschwerdeführenden Gesellschaften, die ihre Unternehmungen in Wien betreiben, haben ihre Anträge auf Rückerstattung ausbezahlter Schlechtwetterentschädigungen an das für eine Entscheidung über die Rückerstattungsansprüche zuständige Arbeitsamt Bau-Holz in Wien gerichtet (vgl. VfSlg. 8987/1980). Dieses hat den Erstattungsanträgen nicht entsprochen. Gemäß §11 BSchEG entscheidet im Berufungsverfahren gegen einen dem Erstattungsantrag nicht stattgebenden Bescheid das Landesarbeitsamt endgültig.
Der Instanzenzug ist somit erschöpft. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, sind die Beschwerden zulässig.
2. Gemäß §1 BSchEG fallen bestimmte Betriebe unter den Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes, und zwar hinsichtlich der von diesen Betrieben beschäftigten Arbeiter (wobei §2 leg. cit. gewisse Ausnahmen normiert). §3 BSchEG umschreibt, was unter Schlechtwetter iS dieses Bundesgesetzes zu verstehen ist.
Gemäß §§4 ff. BSchEG haben die Dienstgeber den Arbeitern, die wegen Schlechtwetters einen Arbeitsausfall erleiden, der mit einem Lohnausfall verbunden ist, in einem durch das Gesetz näher bestimmten Ausmaß für eine gesetzlich näher bestimmte maximale Zahl von Stunden Schlechtwetterentschädigungen zu gewähren. Ein Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung besteht dabei nach §4 Abs3 leg. cit. in der Zeit zwischen 1. November und 30. April (Winterperiode) für höchstens 192 ausfallende Arbeitsstunden, in der übrigen Jahreszeit, der Sommerperiode (je nach der Seehöhe, in der die Arbeitsstelle gelegen ist) für höchstens 96 bis 144 ausfallende Arbeitsstunden, wobei ein Übertrag der in der Sommerperiode nicht in Anspruch genommenen Arbeitsstunden auf die nächstfolgende Winterperiode zulässig ist. Im Falle von allgemein anerkannten Naturkatastrophen erhöht sich die Zahl der entschädigungsfähigen Schlechtwetterstunden um die Zahl der durch die Naturkatastrophen ausgefallenen Arbeitsstunden, höchstens jedoch um 50 vH (§4 Abs4 BSchEG). Eine entsprechende Erhöhung der Zahl der entschädigungsfähigen Schlechtwetterstunden, höchstens jedoch um 50 vH tritt gemäß §4 Abs5 leg. cit. auch ein, wenn in einer Wetterperiode außerordentliche Witterungsverhältnisse vorliegen, die eine Arbeitsbehinderung im besonders starken Ausmaß zur Folge haben; hiebei hat der Bundesminister für soziale Verwaltung die Zahl dieser (zusätzlichen) entschädigungsfähigen Schlechtwetterstunden für das gesamte Bundesgebiet, für ein Bundesland oder für bestimmte Gebiete, die gleichen Witterungscharakter aufweisen, festzustellen.
Gemäß §8 Abs1 BSchEG sind dem Dienstgeber auf Antrag die als Schlechtwetterentschädigung ausgezahlten Beträge zuzüglich eines Pauschbetrages (als Abgeltung für die in der Zeit des Arbeitsausfalles geleisteten Sozialabgaben) rückzuerstatten. Nach §8 Abs2 leg. cit. könnten für die rückzuerstattenden Beträge Pauschalsätze festgesetzt werden, denen die Durchschnittslöhne der Bauarbeiter zu Grunde zu legen sind.
Der Aufwand für diese Rückerstattungsbeträge wird durch Beiträge der Dienstgeber und Dienstnehmer (Schlechtwetterentschädigungsbeitrag) und durch einen Beitrag aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung gedeckt (§12 BSchEG). Der Schlechtwetterentschädigungsbeitrag beträgt 12 vH des Arbeitsverdienstes, maximal der Höchstbemessungsgrundlage nach dem ASVG, und ist vom Dienstgeber und vom Dienstnehmer zu gleichen Teilen zu tragen. Der Beitrag ist gemäß §12 Abs4 leg. cit. für alle Arbeiter zu leisten, die in Betrieben beschäftigt sind, die in den Geltungsbereich des Gesetzes fallen.
3. In den der Beschwerde zu Grunde liegenden Fällen wurden unbestrittenermaßen von inländischen, dem Anwendungsbereich des BSchEG unterliegenden Unternehmungen für die auf im Ausland (der DDR und Ungarn) gelegenen Baustellen beschäftigten Arbeiter bzw. von diesen Schlechtwetterentschädigungsbeiträge geleistet. Auch wurde den Arbeitern von ihren Arbeitgebern die Schlechtwetterentschädigung gewährt, uzw. jeweils im Rahmen des nach §4 Abs3 leg. cit. gegebenen Höchstausmaßes an entschädigungsfähigen Arbeitsstunden. Die Anträge auf Rückerstattung der Schlechtwetterentschädigungen wurden jedoch vom Arbeitsamt Bau-Holz in Wien mit der Begründung abgewiesen, daß für die Rückerstattung der Schlechtwetterentschädigung gemäß §8 Abs1 BSchEG der territoriale Geltungsbereich des Gesetzes, also das Bundesgebiet der Republik Österreich maßgebend sei. Die Bestimmungen des BSchEG besagten eindeutig, daß nur Schlechtwetter (arbeitsbehindernde atmosphärische Einwirkungen oder deren Folgewirkungen) im Bereich des österreichischen Bundesgebietes einen Anspruch auf Schlechtwetterentschädigung begründe bzw. nur für Arbeitsausfälle infolge Schlechtwetters auf Baustellen im Bereich des österreichischen Bundesgebietes ein Anspruch auf Rückerstattung von Schlechtwetterentschädigung bestehe.
In den angefochtenen Berufungsbescheiden führte die belangte Behörde aus, daß das BSchEG den Rückerstattungsanspruch zwar nicht ausdrücklich auf im Inland ausgefallene Arbeitsstunden beschränke, sich dies aber aus dem örtlichen Wirkungsbereich des Gesetzes ergebe. Weiters sei die Feststellung außerordentlicher Witterungsverhältnisse iS des §4 Abs5 BSchEG (zum Zweck der Erhöhung des Höchstausmaßes der ausgefallenen, entschädigungsfähigen Arbeitsstunden) nur für das österreichische Bundesgebiet vorgesehen. Schließlich ergebe sich auch aus §10 Abs3 BSchEG - diese Bestimmung sieht für den Fall, daß eine Rückerstattung auf Grund von Angaben geleistet wird, die nicht den Tatsachen entsprechen, eine Rückzahlungspflicht vor -, daß sich das Gesetz nur auf im Inland ausgefallene Arbeitsstunden beziehen kann, da bei Arbeitsstellen im Ausland eine Überprüfung der Angaben nicht erfolgen könne.
Die beschwerdeführenden Gesellschaften behaupten, daß sie durch diese Bescheide im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt wurden.
4. Dieses Grundrecht wird nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980) verletzt, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt ua. in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren überhaupt (vgl. etwa VfSlg. 8808/1980).
Die beschwerdeführenden Gesellschaften behaupten, daß §8 BSchEG dem auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz widersprechen würde, sollte er tatsächlich den Inhalt haben, den ihm die belangte Behörde beigemessen hat und ausgezahlte Schlechtwetterentschädigungsbeträge nur dann als erstattungsfähig ansehen, wenn sie wegen schlechtwetterbedingten Arbeitsausfalls im Inland ausgezahlt wurden. Sollte das Gesetz nicht diesen Inhalt haben, so habe die Behörde ihm fälschlicherweise einen (solchen) gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt. Schließlich behaupten die Beschwerdeführerinnen, in ihrem Gleichheitsrecht verletzt worden zu sein, weil die belangte Behörde ihre Entscheidung - von einer unrichtigen Rechtsansicht ausgehend - ohne jedes Ermittlungsverfahren und somit willkürlich getroffen habe.
5. Mit ihrem Vorwurf, die Behörde habe §8 BSchEG zu Unrecht einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt, sind die beschwerdeführenden Gesellschaften im Ergebnis im Recht:
a) §1 BSchEG normiert, daß bestimmte Betriebe, ua. Hoch- und Tiefbaubetriebe dem Geltungsbereich des Gesetzes unterliegen, und zwar hinsichtlich aller bei ihnen tätigen gewerblichen Arbeiter (mit bestimmten in §2 leg. cit. taxativ umschriebenen, hier aber nicht relevanten Ausnahmen).
Anknüpfungspunkt für den Geltungsbereich des Gesetzes ist also das Unternehmen, nicht jedoch der Ort der Arbeitsleistung. Das BSchEG ist daher iS des §1 leg. cit. für inländische Unternehmen anzuwenden (vgl. auch VwGH 2. 12. 1981 Z 81/01/0178).
Dem entspricht auch die umfassende Formulierung des §4 Abs1 BSchEG, derzufolge die Dienstgeber den Arbeitern, die wegen Schlechtwetters einen Arbeitsausfall erleiden, der mit einem Lohnausfall verbunden ist, eine Schlechtwetterentschädigung zu gewähren haben. In diesem Sinne hat der VwGH in seinem eben zitierten Erk. die Leistungsverpflichtung des Dienstgebers als eine umfassende Leistungsverpflichtung der dem Wirkungsbereich des Gesetzes unterliegenden Betriebe und damit als auch für im Ausland gelegene Baustellen bestehend qualifiziert.
b) Bei der Rückerstattung der gemäß §4 leg. cit. von den beschwerdeführenden Gesellschaften an Arbeiter, die auf im Ausland gelegenen Baustellen beschäftigt waren, ausgezahlten Schlechtwetterentschädigungen ist §8 BSchEG anzuwenden. Der erste Satz des Abs1 dieser Bestimmung lautet:
"Dem Dienstgeber sind auf Antrag nach den folgenden Bestimmungen die als Schlechtwetterentschädigung ausbezahlten Beträge rückzuerstatten, zuzüglich eines Pauschbetrages im Ausmaß von 30 v.H. der ausbezahlten Schlechtwetterentschädigung als Abgeltung für die in der Zeit des Arbeitsausfalles geleisteten Sozialabgaben."
Die belangte Behörde hat diese Bestimmung bei Erlassung der angefochtenen Entscheidung so interpretiert, als ob sie nur für im Inland ausgefallene Arbeitsstunden rückerstattungspflichtig wäre. Sie hat der Bestimmung damit zu Unrecht einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt:
Wie schon erwähnt verpflichtet §4 BSchEG die Dienstgeber der dem Wirkungsbereich des Gesetzes unterliegenden Unternehmen zur umfassenden Schlechtwetterentschädigung. §12 Abs4 ordnet - ebenfalls nicht weiter eingeschränkt - an, daß der - zur Deckung des Aufwandes für die Rückerstattungen erforderliche - Schlechtwetterentschädigungsbeitrag für alle Arbeiter (bzw. von diesen) zu leisten ist, die in den unter den Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes fallenden Betrieben beschäftigt sind und nicht unter die Ausnahmebestimmung des §2 fallen.
Weder die Bestimmung über die Verpflichtung zur Leistung der Schlechtwetterentschädigungen, noch die Bestimmung über die Bedeckung des zur Rückerstattung erforderlichen Aufwands enthalten eine Differenzierung danach, ob die Baustellen, auf denen die Arbeitsstunden wegen Schlechtwetters ausgefallen sind, im Inland oder im Ausland gelegen sind. Es wäre nun aber unter dem Aspekt des auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatzes bedenklich, wollte der Gesetzgeber zwar weder bei der Begründung der Schlechtwetterentschädigungspflicht noch bei der Abgrenzung des Kreises der zur Finanzierung der Rückerstattungsansprüche heranzuziehenden Personen danach differenzieren, ob die Baustelle im Inland oder im Ausland gelegen ist, wohl aber bei der Einräumung eines Rückerstattungsanspruchs. Denn dann wären jene Unternehmungen, die im Ausland Baustellen unterhalten, und ihre Arbeiter zwar verpflichtet, Beiträge zur Rückerstattung von Schlechtwetterentschädigungen zu leisten, nicht aber berechtigt, auch in den Genuß der Rückerstattungen zu kommen. Darin läge eine sachlich durch nichts - auch nicht durch die Zielsetzung des BSchEG, die auf die Erhaltung der Vollbeschäftigung und die Eindämmung der Winterarbeitslosigkeit im Baugewerbe gerichtet ist; vgl. 376 BlgNR VII. GP - zu rechtfertigende Diskriminierung dieser Betriebe und der bei ihnen beschäftigten Arbeiter. Auch für den auf diese Weise eintretenden Effekt einer Subventionierung der ausschließlich im Inland tätigen Betriebe und ihrer Arbeiter durch jene Betriebe, die Baustellen im Ausland unterhalten und die auf diesen beschäftigten Arbeiter ist eine sachliche Rechtfertigung nicht zu ersehen.
Hätte daher §8 die ihm von der belangten Behörde unterstellte Bedeutung, so wäre die Bestimmung gleichheitswidrig.
c) Dieses Ergebnis könnte nur dann vermieden werden, wenn sich sowohl die Bestimmung des §8 als auch die Verpflichtung der Betriebe zur Gewährung von Schlechtwetterentschädigungen (§4) als auch die Bestimmung über die Finanzierung der zur Rückerstattung erforderlichen Beträge (Schlechtwetterentschädigungsbeiträge; §12 Abs4) ausschließlich auf Betriebe (und deren Arbeiter) beziehen, die bloß Baustellen im Inland unterhalten. Eine solche restriktive Interpretation der genannten Bestimmungen ist aber auf Grund des klaren Wortlauts des §4 Abs1 und des §12 Abs4 ausgeschlossen. Auch die Bestimmungen über die Berechnung der abzuführenden Schlechtwetterentschädigungsbeiträge sind infolge ihrer in keiner Weise zwischen im Inland und im Ausland durchgeführten Bauarbeitsleistungen differenzierenden Formulierung einer solchen restriktiven Interpretation nicht zugänglich.
d) Die belangte Behörde hat somit der Bestimmung des §8 Abs1 BSchEG einen Inhalt beigemessen, der sie, hätte sie ihn, verfassungswidrig machen würde.
Nichts zwingt aber zu einer derartigen Interpretation. Die belangte Behörde gesteht selbst zu, daß das Gesetz eine ausdrückliche Aussage des Inhalts, die Rückerstattung gezahlter Schlechtwetterentschädigungen sei nur zulässig, wenn sich die Arbeitsstelle, auf der die Arbeitsstunden entfallen sind, im Inland befinde, nicht enthält. Sie vermeint aber, daß sich dieser Inhalt aus dem Zusammenhalt der Regelung des §8 mit anderen gesetzlichen Vorschriften ergebe. Auch damit ist sie aber nicht im Recht.
aa) Die belangte Behörde wendet ein, gegen eine Interpretation, die den Rückerstattungsanspruch auch hinsichtlich der im Ausland schlechtwetterbedingt ausgefallenen und entschädigten Arbeitsstunden annehmen möchte, spreche die mangelnde Kontrollierbarkeit der Wetterabläufe im Ausland. Nach §10 Abs3 BSchEG Erstattungsbeträge zurückzuzahlen, wenn sie auf Grund von Angaben geleistet wurden, die nicht den Tatsachen entsprechen. Dies erfordere, daß die Arbeitsmarktverwaltung die Angaben überprüfen könne. Es sei ausgeschlossen, die zur Erhebung des Sachverhalts erforderlichen Erhebungsakte im Ausland zu setzen; derartige Ermittlungen seien aber insbesondere zur Feststellung der Witterungsverhältnisse erforderlich, da sich die Feststellung dieser Verhältnisse auch auf die ausländische Baustelle beziehen müsse.
Dieser Einwand trifft nicht zu. Wie aus der vom VfGH eingeholten Auskunft der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik hervorgeht, ist diese Anstalt auf Grund eines weltweiten Wetterbeobachtungsdatenaustausches in der Lage, Auskünfte über den Wetterablauf im Ausland zu erteilen, wobei sich diese Auskünfte im Bereich von Europa, Nordamerika und eines Großteils von Asien auf ein ebenso dichtes Netz von Beobachtungsstationen stützen können wie in Österreich. Es ist daher der Arbeitsmarktverwaltung die Kontrolle von Ansuchen um Rückerstattung ausgezahlter Schlechtwetterentschädigungen auch hinsichtlich von Baustellen möglich, die sich im Ausland befinden.
bb) Ein weiterer Einwand der belangten Behörde geht dahin, §4 Abs5 BSchEG ermögliche die Erhöhung des Höchstausmaßes entschädigungsfähiger Schlechtwetterstunden bei außerordentlichen Witterungsverhältnissen nur im Inland. Eine solche Erhöhung bedürfe nämlich einer Feststellung des Bundesministers für soziale Verwaltung, die für den Bereich des ganzen Bundesgebietes, eines einzelnen Bundeslandes oder für bestimmte Gebiete, die nach den Angaben der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik gleichen Witterungscharakter aufweisen, getroffen werden können (§4 Abs5 leg. cit., letzter Satz).
Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die Regelung, daß eine Feststellung "für bestimmte Gebiete, die nach den Angaben der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik gleichen Witterungscharakter aufweisen" getroffen werden kann, bedeutet, daß eine solche Regelung auch für im Ausland gelegene Gebiete möglich ist. Denn selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, würde dies nur bewirken, daß - mangels entsprechender Feststellungsmöglichkeit - für die im Ausland gelegenen Baustellen die Schlechtwetterentschädigungen - abgesehen von Naturkatastrophen nicht über das Normalausmaß (§4 Abs3 leg. cit.) hinaus zu erstatten wären, daß also außerordentliche Witterungsverhältnisse nur im Inland, nicht aber im Ausland zu einer Erhöhung der entschädigungsfähigen Ausfallstunden führen können. Nicht aber wäre eine solche Interpretation geeignet, die Verpflichtung zur Schlechtwetterentschädigung im Ausland schlechthin zu beseitigen, da die Regelung über die Höchstanzahl der entschädigungsfähigen Schlechtwetterstunden für den Normalfall (§4 Abs3 BSchEG) und die Bestimmung über die Erhöhung im Fall von Naturkatastrophen (§4 Abs4 BSchEG) jedenfalls uneingeschränkt für entfallene Arbeitsstunden im Inland und Ausland anwendbar sind.
cc) Was schließlich die Argumentation der belangten Behörde anlangt, der örtliche Geltungsbereich des BSchEG gestatte nicht, eine Rückerstattung auch für im Ausland entfallene Arbeitsstunden vorzunehmen, genügt es, auf die oben getroffenen Aussagen zum Geltungsbereich des BSchEG zu verweisen (vgl. Pkt. II.5.a).
Die belangte Behörde war daher weder durch den Wortlaut des §8 Abs1 BSchEG noch durch seine Bedeutung im Zusammenhang gehalten, dieser Bestimmung die von ihr unterstellte (wie oben dargetan wurde: gleichheitswidrige) Auslegung zu geben.
e) Zusammenfassend ergibt sich, daß die belangte Behörde bei der Erlassung der angefochtenen Bescheide dem BSchEG fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat.
Die beschwerdeführenden Gesellschaften sind daher durch die angefochtenen Bescheide in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden; die Bescheide waren sohin aufzuheben.
Schlagworte
VfGH / Instanzenzugserschöpfung, Arbeitsrecht, Bauarbeiterschlechtwetterentschädigung, Anwendbarkeit Gesetz, Auslegung verfassungskonformeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1982:B452.1981Dokumentnummer
JFT_10179682_81B00452_00