TE Vfgh Erkenntnis 1982/3/18 V35/81

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Veröffentlicht am 18.03.1982
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8500 Straßen

Norm

Krnt StraßenG 1971 §2 Abs1 lita
§2 Abs2
Krnt StraßenG 1971 §3 Z6
Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Hüttenberg vom 27.10.75, mit der der St Martiner Almweg für öffentlich erklärt wird

Beachte

vgl. Kundmachung LGBl. 47/1982 am 26. Juli 1982; s. Anlaßfall VfSlg. 9448/1982

Leitsatz

Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Hüttenberg vom 27. Oktober 1975, mit der der St. Martiner Almweg für öffentlich erklärt wird; mangels Vorliegens der Voraussetzungen zur Erlassung gesetzwidrig

Spruch

Die "Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Hüttenberg, mit der der St. Martiner Almweg, führend vom Stettner bis zur St. Martiner Almhütte, für öffentlich erklärt wird" (Beschluß des Gemeinderates der Marktgemeinde Hüttenberg vom 27. Oktober 1975) wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Ktn. Landesregierung ist verpflichtet, diese Aufhebung unverzüglich im Landesgesetzblatt für Ktn. kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Gemeinderat der Marktgemeinde Hüttenberg, pol. Bezirk St. Veit a. d. Glan, faßte in seiner Sitzung vom 27. Oktober 1975 den Beschluß, den "St. Martiner Almweg" zum "öffentlichen Verbindungsweg" zu erklären. Dieser Beschluß wurde am 4. November 1975 unter dem Titel "Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Hüttenberg vom 1975 10 27 mit der der St. Martiner Almweg, führend vom Stettner bis zur St. Martiner Almhütte, für öffentlich erklärt wird" durch Anschlag an der Gemeindeamtstafel kundgemacht. Er hat folgenden Wortlaut:

"Gemäß §§2 Abs1a, 3 und 22 des Ktn. Straßengesetzes, LGBl. Nr. 48/1971 hat der Gemeinderat der Marktgemeinde Hüttenberg folgende Verordnung beschlossen:

§1

Der bisherige Interessentenweg 'Pressneralm' - 'St. Martiner Almweg', führend vom Gehöft vlg. 'Stettner' in St. Johann/Pressen bis St. Martiner Almhütte, wird zum öffentlichen Verbindungsweg erklärt.

§2

Dieser öffentliche Verbindungsweg erhält die Bezeichnung 'St. Martiner Almweg'.

§3

Der öffentliche Verbindungsweg beginnt ... (es folgt eine

Beschreibung des Wegverlaufes unter Angabe der

Grundstücksnummern) ... bis zur St. Martiner Almhütte.

§4

Dieser Weg dient dem allgemeinen Verkehr und zwar durch den Verlauf des Weges vorausbestimmt für die Benützung und Bearbeitung der angrenzenden Grundstücke, sowie zur Erschließung des Almgebietes St. Johann am Pressen und St. Martin am Silberberg.

§5

Dieser öffentliche Verbindungsweg gilt als Ersatz für die durch den Ausbau der Interessentenwege unfahrbar gemachten öffentlichen Verbindungswege.

Die durch diesen neuen öffentlichen Verbindungsweg entbehrlich gewordenen Teile des alten öffentlichen Weges werden durch einen Gemeinderatsbeschluß gesondert aufgelassen.

§6

Die Verordnung tritt mit dem darauffolgenden Tage der Kundmachung in Kraft."

2. Der Beschwerdeführer im hg. Verfahren B159/77 (im folgenden: Beteiligter) ist Miteigentümer von Grundstücken, über die der in §3 der wiedergegebenen Verordnung (im folgenden auch: Verordnung) beschriebene Weg verläuft; er ist - wie er anläßlich seiner Einvernahme im sogleich zu erwähnenden Verwaltungsstrafverfahren angab - (auch namens der anderen Miteigentümer) Verwalter der Straße.

3. Mit Straferkenntnis vom 2. Juni 1976 erkannte die Bezirkshauptmannschaft St. Veit an der Glan den Beteiligten einer dadurch begangenen Verwaltungsübertretung nach §63 Abs1 litb des (Ktn.) Straßengesetzes 1971, LGBl. 48, (wiederverlautbart mit Kundmachung der Ktn. Landesregierung LGBl. 33/1978 als "Ktn. Straßengesetz 1978") schuldig, daß er "als Verantwortlicher der Besitzergemeinschaft Pressneralm in der Zeit von November 1975 bis Jänner 1976 den für öffentlich erklärten Verbindungsweg St. Martiner Almweg durch eine Schranke abgesperrt, sohin den Gemeingebrauch dieses Weges behindert" habe; die Behörde verhängte über ihn gemäß §63 Abs1 dieses Gesetzes eine Geldstrafe sowie eine Ersatzarreststrafe. Der Berufung gegen dieses Straferkenntnis gab die Ktn. Landesregierung mit Bescheid vom 22. April 1977 insoweit Folge, als sie die verhängte Geldstrafe sowie den festgesetzten Verfahrenskostenbeitrag herabsetzte; im übrigen blieb das Rechtsmittel erfolglos.

Der Beteiligte gab zu, die Abschrankung vorgenommen zu haben, und vertrat die Auffassung, daß die Verordnung rechtswidrig erlassen worden sei.

4. Der VfGH leitete anläßlich dieses Beschwerdeverfahrens gemäß Art139 B-VG von Amts wegen das gegenwärtige Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der wiedergegebenen Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Hüttenberg ein.

5. Im Verordnungsprüfungsverfahren erstatteten die Ktn. Landesregierung, der Gemeinderat der Marktgemeinde Hüttenberg sowie der Beteiligte Äußerungen.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Es haben sich keine Anhaltspunkte gegen die vorläufige Annahme des VfGH ergeben, daß er bei Prüfung des im Beschwerdeverfahren angefochtenen Bescheides die Verordnung anzuwenden hätte; auch in den abgegebenen Äußerungen wurde dieser Annahme nicht widersprochen.

2. In sachverhaltsmäßiger Hinsicht ging der VfGH bei der Einleitung des Verordnungsprüfungsverfahrens davon aus, daß vor der Erlassung der Verordnung folgende Lage bestand:

Der Weg gliedert sich in drei Abschnitte. Der erste Abschnitt bildet eine Neutrassierung eines Interessentenweges, bezüglich dessen die Marktgemeinde den - vom Beteiligten und den übrigen Miteigentümern bestrittenen - Standpunkt vertritt, daß es sich um einen öffentlichen Verbindungsweg handle. Beim zweiten Wegstück handelt es sich um einen vom Beteiligten und den übrigen Miteigentümern errichteten Forstaufschließungsweg, hinsichtlich dessen der St. Martiner Almgemeinschaft Wegerechte eingeräumt worden waren. Das dritte Wegstück besteht in einer Neutrassierung eines angeblich öffentlichen, zur St. Martiner Almhütte führenden Weges.

Auch diese Annahmen wurden in den Äußerungen der Marktgemeinde und des Beteiligten - die Ktn. Landesregierung ging in ihrer Äußerung auf die vorläufigen Annahmen des VfGH zum Sachverhalt nicht ein - in ihrem wesentlichen Gehalt nicht bestritten; während die bisher umstrittenen Fragen nach der rechtlichen Qualifikation des ersten und dritten Wegteiles im jeweils ursprünglichen Zustand weiterhin unterschiedlich beantwortet wurden, wurde in den Schriftsätzen kein Zweifel daran geäußert, daß eine Neutrassierung im ersten und dritten Wegstück stattfand. Daß es sich beim zweiten Wegabschnitt (d.i. der Forstaufschließungsweg) nicht um einen öffentlichen Weg (im straßenrechtlichen Sinn) handelt, blieb ebenfalls unbestritten.

Der VfGH kann daher im Verordnungsprüfungsverfahren an seinen wiedergegebenen sachverhaltsmäßigen Annahmen festhalten.

3. Im Einleitungsbeschluß legte der VfGH folgende Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung dar:

"1. Der VfGH hat in seiner Rechtsprechung auf dem Boden anderer Landesstraßenverwaltungsgesetze bei vergleichbaren Situationen den Standpunkt eingenommen, daß durch die Öffentlicherklärung eines in der Natur schon bestehenden privaten Weges durch Gemeinderatsbeschluß in gesetzwidriger Weise Gemeingebrauch begründet wird (siehe VfSlg. 8156/1977 zum Oö. Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1975 sowie VfSlg. 8282/1978 zum Stmk. Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1964). Wie der VfGH vorläufig annimmt, ist die Gesetzeslage nach dem Ktn. Straßengesetz 1971 (im folgenden auch: StraßenG) nicht anders zu beurteilen.

Nach der lita im §2 Abs1 dieses Gesetzes sind öffentliche Straßen iS des §1 Abs1 alle dem Verkehre von Menschen und Fahrzeugen gewidmete Grundflächen, die dem allgemeinen Verkehre nach den Bestimmungen des §3 ausdrücklich gewidmet worden sind ('ausdrückliche Widmung durch Erklärung'). Der mit 'Einteilung der öffentlichen Straßen' überschriebene §3 sieht vor, daß öffentliche Straßen iS des §2 Abs1 lita bestimmte Straßengruppen in einer sodann festgelegten Reihung sind, darunter nach Z6 'Verbindungswege, das sind Wege, die überwiegend einem durch den Verlauf des Weges vorausbestimmten Personenkreis dienen oder in dessen Interesse die Verbindung mit Straßen höherer Straßengruppen herstellen und mit Beschluß des Gemeinderates zu Verbindungswegen erklärt werden'.

Auf Grund des Zusammenhaltes der §§1 und 4 der Verordnung (wonach der St. Martiner Almweg zum öffentlichen Verbindungsweg erklärt wird und dem allgemeinen Verkehr dient) mit §2 Abs1 lita und Abs2 sowie §3 Z6 StraßenG nimmt der VfGH an, daß auch im Bereich des Ktn. Straßengesetzes 1971 die Erlassung einer 'Einreihungsverordnung', mit der ein in der Natur schon bestehender privater Weg zum Verbindungsweg erklärt wird, den Gemeingebrauch begründet und daß bei dieser Gesetzeslage auch hier eine gesetzwidrige Widmung bewirkt worden zu sein scheint.

Im gegebenen Zusammenhang sei auf die Novellierung des §3 StraßenG (in der Fassung der erwähnten Wiederverlautbarung) durch ArtI Z1 der mit 1. Jänner 1981 in Kraft getretenen Nov. LGBl. 25/1981 hingewiesen. Durch diese Novellenbestimmung wurde dem §3, der die Absatzbezeichnung 1 erhielt, folgender Abs2 angefügt:

'(2) Betreffen Verordnungen nach Abs1 Z4 bis 6 in der Natur bereits bestehende Straßen oder Wege, an denen kein Gemeingebrauch besteht, so dürfen diese Verordnungen frühestens mit dem Zeitpunkt in Kraft gesetzt werden, in dem die Gemeinde auf Grund von Verträgen oder von Verfahren nach dem III. Teil dieses Gesetzes Eigentum an den in Betracht kommenden Straßengrundstücken erworben hat. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens ist vom Gemeinderat in einer Kundmachung festzustellen. Die Beschlußfassung iS des Abs1 Z4 bis 6 ist Voraussetzung für die Stellung von Anträgen durch den Gemeinderat nach §11 und iS des III. Teiles dieses Gesetzes.'

In Ansehung dieser Regelung, die offenbar erst auf nach dem Inkrafttreten der Nov. erlassene Verordnungen anzuwenden ist, nimmt der VfGH an, daß sie hinsichtlich der Zulässigkeit, eine (wirksame) 'Einreihungsverordnung' dann zu erlassen, wenn an dem in der Natur bereits bestehenden Weg noch kein Gemeingebrauch besteht, keine Änderung herbeiführte; das Gesetz hatte vielmehr anscheinend schon vor der Novellierung jenen Inhalt, der ihm nunmehr nach der (hier aus illustrativen Gründen dargestellten) neuen Fassung ausdrücklich zukommt."

Die Ktn. Landesregierung trat diesen vorläufigen Annahmen des VfGH unter Hinweis auf die erwähnte Novellierung des Ktn. Straßengesetzes ohne Vorbehalt bei. Der Gemeinderat der Marktgemeinde Hüttenberg widersprach den dargelegten Bedenken bloß im Ergebnis mit der allgemeinen Behauptung, daß die erlassene Verordnung den Bestimmungen des Ktn. Straßengesetzes entspreche. Unter Bedachtnahme auf diese Äußerungen sind im Prüfungsverfahren keine neuen Gesichtspunkte hervorgekommen, die geeignet wären, die Bedenken des VfGH gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung zu zerstreuen. Er bleibt daher auf dem im Einleitungsbeschluß eingenommenen Standpunkt, allerdings mit der Maßgabe, daß dieser Verordnungsprüfungsfall (da zumindest der zweite Wegabschnitt ein zum Zeitpunkt der Verordnungserlassung bereits bestehender Privatweg war) keine Beantwortung der Frage erfordert, ob die Gemeinde nach der Gesetzeslage vor der dargestellten Novellierung des §3 StraßenG eine sogenannte Einreihungsverordnung in bezug auf einen in der Natur schon bestehenden Weg auch dann erlassen durfte, wenn sie zwar nicht Eigentümerin des Straßengrundes, aber auf Grund eines anderen Privatrechtstitels über jenen verfügungsberechtigt war. Im übrigen verweist der VfGH auf sein Erk. V17/78 vom heutigen Tag.

Die in Prüfung gezogene Verordnung war sohin aufzuheben.

Schlagworte

Straßenverwaltung, Widmung (einer Straße)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:V35.1981

Dokumentnummer

JFT_10179682_81V00035_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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