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22 Zivilprozeß, außerstreitiges VerfahrenNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Bundesgesetz vom 3. Mai 1974, BGBl. 283; keine Bedenken gegen ArtII; Nichtanerkennung eines ausländischen Scheidungsurteiles; keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter RechteSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsangehöriger. Er hat am 31. Oktober 1964 vor dem Pfarramt der Stefanskirche in Stockholm mit einer schwedischen Staatsangehörigen die Ehe geschlossen. Der gemeinsame gewöhnliche Aufenthalt der Ehegatten war bis 1970 Schweden. Im Jahre 1970 kehrte der Beschwerdeführer nach Österreich zurück und wohnt seither im Inland. Mit Urteil des Amtsgerichtes Land Uppsala-Nord vom 25. August 1971 wurde diese Ehe rechtskräftig geschieden.
Mit Bescheid vom 18. Dezember 1979 hat der Bundesminister für Justiz den Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung des Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Entscheidung des Amtsgerichtes Land Uppsala-Nord vom 25. August 1971 abgewiesen. Der Bescheid wurde damit begründet, daß nach §24 Abs1 der Vierten DVOEheG, DRGBl. 1941, I S 654, das Vorliegen von Gründen für die Versagung der Anerkennung unter sinngemäßer Anwendung des §328 der deutschen Zivilprozeßordnung zu prüfen sei. Die sinngemäße Anwendung des §328 Abs1 Z1 der deutschen Zivilprozeßordnung ergebe, daß die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ausgeschlossen ist, wenn nach österreichischem Recht das ausländische Gericht für die Entscheidung nicht zuständig gewesen ist. Dies sei in der vorliegenden Sache deshalb der Fall, weil der Beschwerdeführer zur Zeit des Ehescheidungsverfahrens österreichischer Staatsangehöriger gewesen sei und zu dieser Zeit seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich gehabt habe. Zur Entscheidung sei daher nach §76 JN ausschließlich ein österreichisches Gericht berufen gewesen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher der Beschwerdeführer die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend macht und die Aufhebung des Bescheides beantragt.
3. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet und beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Der (auf Grund des Rechts-Überleitungsgesetzes auf der Stufe eines Gesetzes Bestandteil der österreichischen Rechtsordnung gewordene - vgl. VfSlg. 3416/1958, 5983/1969 und 7232/1973) §24 der Vierten DVOEheG sieht im ersten Satz seines Abs1 vor, daß Entscheidungen, durch die im Ausland eine Ehe für nichtig erklärt, aufgehoben, dem Bande nach oder unter Aufrechterhaltung des Ehebandes geschieden oder durch die das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe zwischen den Parteien festgestellt ist, in Österreich nur wirksam sind, wenn der Bundesminister für Justiz oder die von ihm bestimmte Stelle festgestellt hat, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Entscheidung gegeben sind.
§76 Abs2 JN idF der Vierten DVOEheG hat folgenden Wortlaut:
"Besitzt der Mann nicht die österreichische Staatsangehörigkeit oder hat er seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Inland, so steht Abs1 der Anerkennung einer von einer ausländischen Behörde getroffenen Entscheidung nicht entgegen."
Mit ArtI des Bundesgesetzes vom 3. Mai 1974, BGBl. 283, wurde der §76 Abs2 aufgehoben. ArtII sieht vor, daß dieses Bundesgesetz nur für die Anerkennung solcher ausländischer Entscheidungen in Ehesachen gilt, die nach seinem Inkrafttreten erlassen werden.
2. Der Beschwerdeführer hält ArtII des genannten Bundesgesetzes vom 3. Mai 1974 iVm §76 Abs2 JN für gleichheitswidrig, weil allein auf die beim Mann gegebenen Verhältnisse abgestellt werde und weil in sachlich nicht gerechtfertigter Weise zwischen im Ausland vor dem 29. Mai 1974 (dem Tag des Inkrafttretens des Bundesgesetzes vom 3. Mai 1974) und nach dem 28. Mai 1974 geschiedenen Männern österreichischer Staatsbürgerschaft differenziert werde. Der ersten Gruppe werde dadurch ein "Zwangszölibat" zugemutet, da sie ohne die bescheidmäßige Anerkennung der Scheidung weder in Österreich heiraten könnten noch für eine Heirat im Ausland ein Ehefähigkeitszeugnis einer österreichischen Behörde erhielten. Wie aus den Erläuterungen zum Bundesgesetz vom 3. Mai 1974 hervorgehe, sei es die Absicht des Gesetzgebers gewesen, nicht nur die Gleichheitswidrigkeit, sondern auch alle weiteren Unzukömmlichkeiten im Zusammenhang mit §76 Abs2 JN durch die Aufhebung dieser Vorschrift zu beseitigen. Dieser Zweck werde infolge der Bestimmung des ArtII nicht erreicht. Der Beschwerdeführer sei gezwungen, zwecks Auflösung seiner Ehe auch für den österreichischen Rechtsbereich ein eigenes Ehescheidungsverfahren vor einem österreichischen Gericht durchzuführen.
Der Beschwerdeführer regt an, ein Gesetzesprüfungsverfahren betreffend ArtII des Bundesgesetzes vom 3. Mai 1974 einzuleiten.
3. Der Bundesminister für Justiz führt hiezu in der Gegenschrift aus, der Beschwerdeführer rede im Ergebnis einer rückwirkenden Aufhebung des §76 Abs2 JN das Wort. Dies hätte zur Folge, daß eine Entscheidung, die zur Zeit ihrer Erlassung für den österreichischen Rechtsbereich nicht anerkannt werden konnte, nun nachträglich einer Anerkennung zugänglich würde. Eine solche Lösung wäre aber der Rechtssicherheit abträglich. Dem Bundesministerium für Justiz seien aus seiner Praxis zahlreiche Fälle bekannt, in denen österreichische Beklagte mit gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich es gerade wegen der sich aus §76 Abs2 JN ergebenden mangelnden Anerkennbarkeit der ausländischen Entscheidung unterlassen hätten, sich in das Verfahren vor dem ausländischen Gericht einzulassen und solcherart zu versuchen, durch geeignetes Vorbringen und entsprechende Anträge einen für sie günstigen Verfahrensausgang zu erreichen. Es wäre zum Nachteil dieser Beklagten gewesen, wenn die in solchen Verfahren erlassenen ausländischen Entscheidungen nun durch eine rückwirkende Änderung der Rechtslage anerkennbar gemacht worden wären. Somit sei es sachlich gerechtfertigt gewesen, durch den ArtII sicherzustellen, daß sich die Aufhebung des §76 Abs2 JN nur auf die Anerkennung der nach dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes erlassenen ausländischen Entscheidungen auswirkt.
Der Beschwerdeführer übersehe auch, daß nach herrschender Lehre und Rechtsübung auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung der ausländischen Entscheidung abzustellen ist und nicht auf den Zeitpunkt, in dem der Bundesminister für Justiz nach §24 Abs1 der Vierten DVOEheG über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Anerkennung zu entscheiden habe. Da der §76 Abs2 JN zur Zeit der Erlassung des schwedischen Scheidungsurteils in Geltung gestanden sei, wäre iS dieser herrschenden Auffassung auch ohne die ausdrückliche Anordnung des ArtII die internationale Zuständigkeit des schwedischen Gerichtes zu verneinen und der Anerkennungsantrag des Beschwerdeführers abzuweisen gewesen. Die Übergangsbestimmung des ArtII habe nur den Zweck, die aus Gründen der Rechtssicherheit gebotene Abgrenzung des zeitlichen Geltungsbereiches der Aufhebung des §76 Abs2 JN in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise klarzustellen.
4. ArtII des Bundesgesetzes vom 3. Mai 1974 bewirkt, daß die Regelung des §76 Abs2 JN auf jene Fälle anwendbar bleibt, in denen das ausländische Scheidungsurteil vor dem 29. Mai 1974 ergangen ist. §76 Abs2 JN wurde in der Praxis stets so verstanden, daß bei der Prüfung der von §328 Abs1 Z1 der deutschen Zivilprozeßordnung geforderten internationalen Zuständigkeit des ausländischen Gerichts auf die Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung der ausländischen Entscheidung abzustellen ist (s. zB Schwind in Klang 21/1, S 746 und JBl. 1958,
S 290, und selbst eine andere Lösung empfehlend - H. Hoyer, Die Anerkennung ausländischer Eheentscheidungen in Österreich, Manz 1972,
S 110).
Die belangte Behörde weist darauf hin, österreichische Beklagte mit gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich hätten es wegen der sich aus §76 Abs2 JN ergebenden mangelnden Anerkennbarkeit der ausländischen Entscheidung unterlassen, sich in das Verfahren vor dem ausländischen Gericht einzulassen und solcherart zu versuchen, durch geeignetes Vorbringen und entsprechende Anträge einen für sie günstigen Verfahrensausgang zu erreichen. Die Rechtssicherheit habe daher die Beibehaltung der früheren Rechtslage für solche Fälle geboten.
In der Tat ist es für die Beurteilung der Sachlichkeit der Regelung von wesentlicher Bedeutung, daß die Betroffenen ihr Verhalten auf die durch den Zeitpunkt der Entscheidung fixierte Rechtslage eingestellt haben. Dieser Umstand rechtfertigt nach Auffassung des VfGH jedenfalls die Weitergeltung des §76 Abs2 JN für die Frage der Anerkennung der vor dem 29. Mai 1974 ergangenen ausländischen Scheidungsurteile.
Ob eine Bestimmung mit dem Inhalt des §76 Abs2 JN als allgemeine Regelung mit dem Gleichheitsgebot in Einklang stünde, ist dabei nicht zu prüfen.
ArtII des Bundesgesetzes vom 3. Mai 1974 steht daher mit dem aus dem Gleichheitsgrundsatz erfließenden Sachlichkeitsgebot nicht in Widerspruch.
5. In der Beschwerde wird nicht behauptet, daß die Behörde anläßlich der Vollziehung des Gesetzes in die Verfassungssphäre reichende Verstöße begangen hätte. Derartiges ist auch im Verfahren vor dem VfGH nicht hervorgekommen.
Der Beschwerdeführer ist somit durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
Schlagworte
Zivilrecht, EherechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1982:B46.1980Dokumentnummer
JFT_10179682_80B00046_00