TE Vfgh Erkenntnis 1982/6/11 B230/81

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Veröffentlicht am 11.06.1982
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Index

27 Rechtspflege
27/01 Rechtsanwälte

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art83 Abs2
B-VG Art87 Abs3
B-VG Art133 Z4
DSt 1872 §55d

Leitsatz

Disziplinarstatut für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter; keine Bedenken gegen §55d; kein Entzug des gesetzlichen Richters; keine Gleichheitsverletzung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Erk. des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer für Wien, NÖ und Bgld. vom 25. Jänner 1980, Z D 12/79, wurde Dr. P. B. Rechtsanwalt in Wien, der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er als Vertreter des Dr. K. W. im Ehescheidungsprozeß zu 37 Cg 207/77 des Landesgerichtes für ZRS Wien 1.) in einer Eingabe an den Landesgerichtspräsidenten und in einem gegen die Richterin Dr. F. L. gerichteten Ablehnungsantrag, beide vom 18. Dezember 1978, der Abgelehnten ohne zureichende Gründe vorwarf, sie habe a) die vollständige Übertragung des bei der mündlichen Streitverhandlung vom 25. Oktober 1978 verwendeten Tonbandes trotz seines wiederholten Verlangens unterlassen und b) der Schreibkraft die Übertragung jenes Teiles des Protokolls untersagt, der die Aussage der Zeugin E. W. zur Übertragung von Vermögenswerten seines Mandanten von L. nach B. enthielt; 2) am 15. Dezember 1978 sich zur Kanzleileiterin der Geschäftsabteilung 37 des Landesgerichtes für ZRS Wien äußerte, daß er Dr. F. L. als Richter ablehnen werde, weil sie trotz seines Ersuchens das Tonband des Protokolls der mündlichen Streitverhandlung vom 25. Oktober 1978 nicht vollständig übertragen ließ und seinem Mandanten ein nicht wieder gutzumachender Schaden entstanden sei, was für die Richterin einen typischen Amtshaftungsfall bilde.

Dr. P. B. wurde hiefür zu einer Geldbuße in der Höhe von 30.000 S und zum Ersatz der Kosten des Disziplinarverfahrens verurteilt.

1.2. Der dagegen vom Beschuldigten ergriffenen Berufung gab die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (OBDK) mit Erk. vom 19. Jänner 1981, Z Bkd 37/80, im Punkte der Schuld keine, im Punkte der Strafe jedoch teilweise, und zwar dahin Folge, daß die verhängte Geldbuße auf 20.000 S herabgesetzt wurde. Außerdem wurden dem Beschuldigten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auferlegt.

1.3.1. Gegen dieses Berufungserkenntnis richtet sich die vorliegende, auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde des Dr. P. B. an den VfGH, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs2 B-VG) und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides begehrt wird.

1.3.2. Die OBDK als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift.

2. Über die zulässige Beschwerde wurde erwogen:

2.1.1. Dem Art83 Abs2 B-VG gewidmeten Vorbringen - das sich, sinngemäß zusammengefaßt, in der Behauptung erschöpft, die OBDK, obwohl Gericht, unterliege nicht den Regeln fester Geschäftsverteilung, und damit der Sache nach die Verfassungsmäßigkeit des §55d Disziplinarstatut (DSt) ua. über die dem Kommissionspräsidenten obliegende Zusammensetzung der Senate in Zweifel zieht - muß entgegengehalten werden, daß die OBDK, den Beschwerdeausführungen zuwider, nicht als Gericht, sondern als Kollegialbehörde iS des Art133 Z4 B-VG eingerichtet ist (so VfSlg. 3184/1957, 3290/1957, 3311/1958, 6925/1972, 7262/1974), für die das Prinzip der festen Geschäftsverteilung nach Art87 Abs3 B-VG nicht gilt: Wie der VfGH schon wiederholt aussprach, gibt es keine konkreten verfassungsrechtlichen Anhaltspunkte, die für eine sinngemäße Übertragung dieses die Gerichtsbarkeit beherrschenden Grundsatzes auf den Bereich der kollegialen Verwaltungsbehörden sprächen (vgl. VfSlg. 3752/1960, 8856/1980, 9160/1981). Das vom Beschwerdeführer zur Stützung seiner verfehlten Rechtsmeinung zitierte Erk. VfSlg. 2902/1955 betrifft - wie der Vollständigkeit halber erwähnt sei - die Rechtslage vor der Neugestaltung der §§46 bis 55f DSt (s. Bundesgesetz vom 8. Juli 1956, BGBl. 159/1956), die notwendig geworden war, weil der VfGH mit diesem Erk. die Bestimmungen des DSt über den Rechtszug vom Disziplinarrat an den Obersten Gerichtshof wegen Verletzung des Trennungsgrundsatzes (Art94 B-VG) als verfassungswidrig aufgehoben hatte. Aus all dem folgt aber, daß die vom Beschwerdeführer gegen die Verfassungsmäßigkeit des §55d DSt geltend gemachten Bedenken nicht bestehen.

2.1.2. Die Beschwerde enthält keine weiteren Ausführungen zur behaupteten Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, die nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. zB VfSlg. 6523/1971, 7262/1974) nur gegeben wäre, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch genommen oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit abgelehnt hätte. Da die Zuständigkeit der OBDK zur Fällung der von ihr getroffenen Sachentscheidung nach §51 DSt außer Zweifel steht, wurde der Beschwerdeführer durch den bekämpften Bescheid im Grundrecht nach Art83 Abs2 B-VG nicht verletzt.

2.2. Eine Verletzung des Gleichheitsrechtes (Art7 Abs1 B-VG, Art2 StGG) kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte oder wenn sie bei der Bescheiderlassung Willkür übte.

2.2.1. Daß die den bekämpften Bescheid tragenden Rechtsgrundlagen im Widerspruch zum Gleichheitsgebot stünden, wurde vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Auch der VfGH hegt unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles keine derartigen Bedenken.

2.2.2. Da es auch an jeglichen Hinweisen dafür fehlt, daß die belangte Behörde dem Gesetz fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellte, könnte das Gleichheitsrecht lediglich dann verletzt sein, wenn der angefochtene Bescheid ein Willkürakt wäre. In diese Richtung zielt die Beschwerde, doch ist der Beschwerdeführer damit nicht im Recht. Es finden sich hier keine wie immer gearteten Hinweise dafür, daß die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung von subjektiven, in der Person des Beschwerdeführers gelegenen Momenten bestimmt oder von anderen unsachlichen Erwägungen geleitet worden sei.

Die Berufungsbehörde ging sichtlich auf alle ihr maßgebend scheinenden Einzelheiten der Disziplinarsache ein, wie der aus den Akten zu entnehmende Ablauf des Verwaltungsgeschehens, letzlich aber auch die ausführliche, das Vorbringen des Berufungswerbers durchaus berücksichtigende Begründung des angefochtenen Bescheides zeigen.

Allein daraus geht hervor, daß die OBDK ihre Entscheidung keineswegs leichtfertig fällte, sondern um genaue Prüfung und Würdigung des Sachverhaltes und um eine gesetzmäßige Lösung des Falles bemüht war. Schon ein solches Bemühen schließt hier subjektive Willkür aus, mag es auch nicht von Erfolg begleitet gewesen sein (zB VfSlg. 7860/1976). Der VfGH hat darüber hinaus nicht zu untersuchen, ob der dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegte Sachverhalt den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht und die von der belangten Behörde gewählte Gesetzesauslegung richtig ist: Keinesfalls leidet der Berufungsbescheid an einer - unter Umständen als Indiz für Willkür in Betracht zu ziehenden (VfSlg. 7038/1973, 7962/1976) - Denkunmöglichkeit, und zwar weder in sachverhaltsmäßiger noch in rechtlicher Hinsicht.

Im Grunde suchen die Art7 Abs1 B-VG gewidmeten Beschwerdepartien - unter bloß formaler Berufung auf diesen Verfassungsartikel - nach Inhalt und Zielsetzung insgesamt lediglich weitwendig nachzuweisen, daß die Berufungsbehörde - in Verkennung der gegebenen Beweislage und des Grundsatzes "in dubio pro reo" rechtsirrig entschieden habe. Damit wird jedoch nicht ein in die Verfassungssphäre reichendes Fehlverhalten der belangten Behörde aufgezeigt, vielmehr einzig und allein die einfachgesetzliche Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestritten, worüber im Beschwerdeverfahren nach Art144 Abs1 B-VG nicht zu befinden ist.

2.2.3. Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht nicht verletzt wurde.

2.3. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes wurde nicht behauptet und kam auch im Beschwerdeverfahren vor dem VfGH nicht hervor.

2.4. Ebensowenig entstanden aus der Sicht dieses Beschwerdefalles verfassungsrechtliche Bedenken gegen die dem bekämpften Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften.

Der Beschwerdeführer wurde mithin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt.

2.5. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Rechtsanwälte, Disziplinarrecht Rechtsanwälte, Kollegialbehörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:B230.1981

Dokumentnummer

JFT_10179389_81B00230_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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