TE Vfgh Beschluss 1982/6/12 KR1/81

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.06.1982
beobachten
merken

Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art126a
VfGG §36a Abs2
VfGG §36e

Beachte

ähnlich Beschl. KR1/82 v. gleichen Tag

Leitsatz

Rechnungshof; zu den Voraussetzungen einer Antragstellung nach §36a Abs2 VerfGG 1953

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1.a) Der Verein zur Förderung der elektronischen Informationsverarbeitung, Graz-Burg (im folgenden nur Verein genannt) betreibt ein "Rechenzentrum Graz", das auf Grund eines Kooperationsvertrages mit dem Land Stmk. einen Großteil der mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung automatisierten Verwaltungsgeschäfte für das Land Stmk. durchführt und auch für den Bund tätig wird.

b) Im Jahre 1979 versuchte der Rechnungshof, den Verein einer Rechnungs- und Gebarungsprüfung zu unterziehen, doch wurde vom Verein die Prüfung nicht zugelassen. Von dieser Behinderung der Prüfung informierte der Rechnungshof die Stmk. Landesregierung, versuchte sodann (am 20. September 1979) neuerlich, den Verein zu prüfen und wurde von den Vereinsorganen abermals am Vollzug der strittigen Prüfungshandlung gehindert.

Der vom Rechnungshof am 31. Oktober 1979 gemäß Art126a B-VG gestellte Antrag auf Entscheidung des VfGH über die zwischen dem Rechnungshof und der Stmk. Landesregierung entstandene Meinungsverschiedenheit über die Auslegung gesetzlicher Bestimmungen, die die Zuständigkeit des Rechnungshofes regeln in der Richtung, daß der Rechnungshof zuständig sei, die Gebarung des Vereins zu überprüfen, wurde vom VfGH mit Beschluß VfSlg. 8851/1980 als verspätet zurückgewiesen.

c) Mit Schreiben vom 18. Mai 1981 teilte der Rechnungshof dem Verein mit, daß er beabsichtige, ihn einer Rechnungs- und Gebarungsprüfung betreffend die Gebarung des Jahres 1980 durch eine Einschau an Ort und Stelle zu unterziehen und kündigte den Prüfungsbeginn für 10. Juni 1981 an. Eine entsprechende Mitteilung erging mit Schreiben vom gleichen Tag an die Stmk. Landesregierung zu Handen des Landeshauptmannes. In diesem Schreiben heißt es wörtlich:

"Nach den bisher gemachten Erfahrungen ist allerdings anzunehmen, daß der Verein auf seiner Ablehnung der Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofes beharren und die beabsichtigte Amtstätigkeit des Rechnungshofes am 10. Juni 1981 behindern wird. Der Rechnungshof lädt daher die Stmk. Landesregierung ein, sofern sie die Prüfungszuständigkeit im gegenständlichen Fall bestreitet, den Rechnungshof von ihrer endgültigen ablehnenden Stellungnahme noch rechtzeitig vor dem Beginn der beabsichtigten Amtshandlung amtlich in Kenntnis zu setzen. Sollte hingegen die Stmk. Landesregierung die Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofes bejahen, wird ersucht, alle ihr zur Verfügung stehenden Maßnahmen zu ergreifen, um eine Behinderung des Rechnungshofes bei dem am 10. Juni 1981 beabsichtigten Vollzug der Prüfungshandlung durch Einschau an Ort und Stelle auszuschließen. Eine neuerliche Behinderung der Amtshandlung des Rechnungshofes müßte als Behinderung mit Kenntnis der Stmk. Landesregierung iS der §§36a und 36e des Verfassungsgerichtshofgesetzes idgF gewertet werden. Der Rechnungshof sähe sich dann genötigt, den VfGH zur Entscheidung über eine zwischen ihm und der Stmk. Landesregierung entstandene Meinungsverschiedenheit über die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen, welche die Zuständigkeit des Rechnungshofes regeln (Art126a B-VG) anzurufen."

d) Mit Schreiben vom 26. Mai 1981 teilte der Verein dem Rechnungshof mit, daß er seiner Auffassung nach gemäß Art127 Abs3 B-VG und §15 Abs1 in Verbindung mit §12 Abs1 RHG nicht der Kontrolle des Rechnungshofes unterliege.

Für die Stmk. Landesregierung teilt der Landeshauptmann mit einem mit 26. Mai 1981 datierten Schreiben "auf Grund des Beschlusses der Stmk. Landesregierung vom 1. Juni 1981" dem Rechnungshof mit, daß den Organen des Landes keinerlei Einflußmöglichkeit auf die Leitung dieses Vereins zustehe. Es könnten lediglich die Unterlagen des Landes bereitgestellt werden. Dieses Schreiben sowie eine Ablichtung des Amtsvortrags der Präsidialabteilung im Amt der Stmk. Landesregierung für die Regierungssitzung vom 1. Juni 1981 wurden vom Landeshauptmann anläßlich eines Gesprächs am 2. Juni 1981 Vertretern des Rechnungshofes persönlich ausgefolgt. Nach Angaben des Rechnungshofes habe der Landeshauptmann bei diesem Gespräch auf die Frage eines Vertreters des Rechnungshofes, ob damit seitens des Landes Stmk. die Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofes bezüglich des Rechenzentrums Graz bestritten werde, wörtlich geantwortet: "Nach meiner Auffassung ist das eine Meinungsverschiedenheit über die Prüfungszuständigkeit."

e) Über den für 10. Juni 1981 angekündigten Prüfungsversuch wurde eine Niederschrift mit folgendem Wortlaut abgefaßt:

"Am heutigen Tage erschienen MR Dkfm. Dr. W. T., Oberrat Dr. P. L. vom Rechnungshof am Sitz des Vereins zur Förderung der elektronischen Informationsverarbeitung, Graz-Burg, Steyrer Gasse 17, A-8010 Graz, um einen Versuch zu unternehmen, die mit Schreiben des Rechnungshofes vom 18. Mai 1981 (RHZl 1755-IV/1/81) angekündigte Prüfung der Gebarung des genannten Vereins an Ort und Stelle zu beginnen.

Auf die Frage des Herrn MR Dkfm. Dr. W. T., ob mit der Durchführung dieser Prüfung begonnen werden könne, erklärte der Geschäftsführer des genannten Vereines, Dr. H. R., daß er nach wie vor die Rechtsauffassung vertrete, daß die Voraussetzungen für eine Einschau nicht gegeben seien."

2. a) Auf Grund dieses Sachverhaltes stellte der Rechnungshof am 26. Juni 1981 den "Antrag auf Entscheidung des VfGH über die zwischen dem Rechnungshof und der Stmk. Landesregierung entstandene Meinungsverschiedenheit über die Auslegung des Art127 Abs3 in Verbindung mit Art126b Abs2 B-VG und des §15 Abs1 in Verbindung mit §12 Abs1 RHG, somit gesetzlicher Bestimmungen, die die Zuständigkeit des Rechnungshofes regeln, und begehrt das Erk., daß der Rechnungshof gemäß diesen gesetzlichen Bestimmungen zuständig ist, die Gebarung des Vereins zur Förderung der elektronischen Informationsverarbeitung Graz-Burg im Jahr 1980 durch Einschau an Ort und Stelle an Hand der Rechnungsbücher, -belege und der sonstigen Behelfe zu überprüfen."

b) Die Stmk. Landesregierung beantragte, der VfGH wolle den Antrag des Rechnungshofes mangels Vorliegens der Antragsvoraussetzungen gemäß §36a in Verbindung mit §36e VerfGG als unzulässig zurückweisen, in eventu mangels Zutreffens der gesetzlichen Voraussetzungen gemäß Art127 Abs3 in Verbindung mit Art126b Abs2 B-VG bzw. §15 Abs1 in Verbindung mit §12 Abs1 RHG als unbegründet abweisen und erkennen, daß der Rechnungshof zur Prüfung des genannten Vereins nicht zuständig ist.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. a) Gemäß §36a Abs1 in Verbindung mit §36e VerfGG ist der VfGH berufen, bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Rechnungshof und einer Landesregierung über die Auslegung der gesetzlichen Bestimmungen, die die Zuständigkeit des Rechnungshofes bezüglich der Gebarungskontrolle gegenüber den Ländern regeln, über Antrag des Rechnungshofes oder der Landesregierung zu entscheiden.

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Antragstellung durch den Rechnungshof ist eine endgültige ablehnende Stellungnahme der Landesregierung oder die mit Kenntnis der Landesregierung erfolgte Behinderung am Vollzug der strittigen Amtshandlung. Nach Ablauf des Tages, an dem eine dieser Voraussetzungen erfüllt ist, beginnt für den Rechnungshof gemäß §36a Abs2 in Verbindung mit §36e VerfGG die Antragsfrist.

Wie der VfGH in seinen dieselben Streitteile und denselben Verein betreffenden Beschluß VfSlg. 8851/1980 dargelegt hat, kommt in Fällen wie den vorliegenden als Antragsvoraussetzung und Beginn des Fristenlaufs nur der Zeitpunkt der - mit Kenntnis der Landesregierung erfolgten - Behinderung am Prüfungsvollzug in Betracht. Denn eine Stellungnahme der Landesregierung, die die Prüfung des Rechnungshofes ablehnt, ist nicht ergangen. Insbesondere ist das Schreiben des Landeshauptmannes vom 26. Mai 1981, das dieser für die Landesregierung an den Rechnungshof gerichtet hat, nicht als solche Ablehnung zu deuten. In diesem Schreiben hat die Landesregierung nämlich bloß dargetan, daß den Organen des Landes keine Einflußmöglichkeit auf die Leitung des Vereins zustehe; es könnten daher lediglich die Unterlagen des Landes bereitgestellt werden. Dieses Verhalten macht deutlich, daß die Landesregierung mit diesem Schreiben nicht die Prüfung abgelehnt, sondern behauptet hat, mangels Ingerenzmöglichkeit die Prüfungsdurchführung nicht garantieren zu können.

b) Wie sich aus VfSlg. 8851/1980 ergibt, beginnt für den Rechnungshof bei solcher Fallgestaltung die ihm zur Antragstellung eingeräumte Frist nach Ablauf des Tages, an dem er am Vollzug der strittigen Amtshandlung mit Kenntnis der Landesregierung behindert wurde:

Dies ist - wie bereits aus dem Beschluß VfSlg. 8851/1980 hervorgeht - dann der Fall, wenn der Rechnungshof mit seinem ersten Prüfungsversuch scheitert, davon die Landesregierung verständigt und nunmehr abermals am Vollzug der (der Regierung angekündigten) Prüfung behindert wird; denn erst diese zweite Behinderung geht mit der - in §36a Abs2 (letzter Halbsatz) VerfGG 1953 vorausgesetzten - Kenntnis der Regierung vor sich und erfüllt beide Tatbestandselemente dieser Gesetzesstelle, nämlich nicht bloß das einer Behinderung schlechthin, sondern das einer Behinderung, die im Hinblick auf das mitgeteilte Fehlschlagen des ersten Prüfungsversuchs und Ankündigen des neuen Prüfungstermins "mit Kenntnis" der Landesregierung stattfindet.

So hatte der Rechnungshof in der dem zitierten Beschluß des VfGH zugrundeliegenden Rechtssache nach Erhalt einer Mitteilung der Landesregierung, für eine Prüfungsbereitschaft des Vereins nicht sorgen zu können, vorerst versucht, den Verein zu überprüfen und war an der Prüfung gehindert worden, hatte die Regierung darüber in Kenntnis gesetzt und sodann neuerlich einen Prüfungsversuch unternommen, bei dem er - nunmehr mit Kenntnis der Regierung - von den Vereinsorganen am Vollzug der Amtshandlung behindert wurde: Der VfGH hatte damals ausgesprochen, daß an diesem Tag "erstmals beide für die Begründung des Fristenlaufs nach §36a Abs2 VerfGG 1953 notwendigen Tatbestandselemente verwirklicht worden" seien.

c) Im vorliegenden Fall hatte der Rechnungshof - nach vorheriger Information des Vereins und der Landesregierung - am 10. Juni 1981 erstmals versucht, den Verein zu prüfen. (Der - mit Kenntnis der Landesregierung erfolgte - Prüfungsversuch vom 20. 9. 1979 ist hier außer Betracht zu lassen, da sich dieser Prüfungsversuch auf einen anderen Prüfungszeitraum bezog.) Am 10. Juni 1981 erklärte der Geschäftsführer des Vereins, daß er nach wie vor die Rechtsauffassung vertrete, daß der Verein nicht der Rechnungshof-Kontrolle unterliege. Der Rechnungshof hat diesen Vorgang zu Recht als Behinderung der Prüfung qualifiziert. Nicht jedoch ist der Rechnungshof im Recht, wenn er meint, daß diese Behinderung mit Kenntnis der Landesregierung erfolgt sei:

Zwar hatte der Rechnungshof der Landesregierung zu Handen des Landeshauptmanns mit Schreiben vom 18. Mai 1981 mitgeteilt, daß "nach den bisher gemachten Erfahrungen" anzunehmen sei, daß der Verein auf seiner Ablehnung der Prüfungszuständigkeit des Rechnungshofes beharren und die beabsichtigte Amtstätigkeit am 10. Juni 1981 behindern werde. Diese Mitteilung über die Erwartung einer Behinderung kann aber nicht als Information über eine erfolgte Behinderung gewertet werden. Auch die Beantwortung dieses eben erwähnten Schreibens durch die Landesregierung, in der die Landesregierung dem Rechnungshof mitteilte, sie habe keine Einflußmöglichkeit auf das Verhalten des Vereins, ist vor dem ersten Prüfungsversuch durch den Rechnungshof und der dabei erfolgten Behinderung der Amtshandlung ergangen; man kann daher aus diesem Schreiben nur entnehmen, daß die Landesregierung Kenntnis von der Erwartung des Rechnungshofes hatte, der Verein werde voraussichtlich die Prüfung behindern, nicht aber, daß sie von einer Behinderung einer Prüfungstätigkeit selbst informiert wurde.

d) Der Rechnungshof setzte von dieser, am 10. Juni 1981 erfolgten Behinderung weder die Landesregierung in Kenntnis, noch unternahm er vor Einbringung des Antrags beim VfGH einen weiteren Prüfungsversuch; vielmehr nahm er diese Behinderung am 10. Juni 1981 zum Anlaß für seinen Antrag.

Es fehlt somit die durch §36a Abs2 in Verbindung mit §36e VerfGG festgelegte Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Antragstellung durch den Rechnungshof, nämlich die mit Kenntnis der Landesregierung erfolgte Behinderung des Vollzugs der strittigen Amtshandlung.

3. Aus dem Gesagten ergibt sich, daß der VfGH mangels Vorliegens einer Antragsvoraussetzung nicht in der Lage ist, über den Antrag in der Sache selbst zu entscheiden. Der Antrag war daher gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG zurückzuweisen, was auf Grund dieser Bestimmung in Verbindung mit §36 f VerfGG ohne mündliche Verhandlung beschlossen werden konnte.

Schlagworte

VfGH / Rechnungshofzuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:KR1.1981

Dokumentnummer

JFT_10179388_81KR0001_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten