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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
Nö. Bauordnung 1976; keine Bedenken gegen §118 Abs9 Z4 und §120 Abs7 und 8; keine gleichheitswidrige Gesetzesanwendung; keine Verletzung des EigentumsrechtesSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.a) Die Eigentümerin der Liegenschaft EZ 67 KG M. M. L., beteiligte Partei des Beschwerdeverfahrens, richtete am 4. Mai 1976 an das Gemeindeamt in Weißenkirchen a. d. Perschling ein Ansuchen um Erteilung einer Baubewilligung für einen gemauerten Schuppen, der als Zubau zu dem auf dem Baugrundstück 14 KG M. befindlichen Haus an Stelle eines bestehenden und abzutragenden Holzschuppens über einem vorhandenen, auf dem Grundstück 151 KG M. gelegenen Keller errichtet werden sollte. Eine Mauerwand dieses Kellers verläuft entlang einer Landesstraße; auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich das Wohnhaus des Beschwerdeführers.
Bei den auf Grund des Ansuchens durchgeführten Bauverhandlungen erhob der Beschwerdeführer als Anrainer Einwendungen, weil es durch das Bauvorhaben zu einer Beeinträchtigung seiner subjektiven öffentlichen Anrainerinteressen kommen würde. Durch das aufzuführende Mauerwerk würde der Straßenlärm reflektiert und im besonderen Maße auf sein Wohnhaus abgelenkt; die Möglichkeit der Zufahrt zu seinem Grundstück würde erschwert; durch die Errichtung des gemauerten Schuppens würde der Verkehr auf der Landesstraße derart zu seinem Hause hingelenkt, daß es dort zu einer Gefährdung von Personen und Sachen, insbesondere seines Zaunes kommen könnte.
Der Beschwerdeführer beantragte ferner, Feststellungen über bestehende Gärten, Vorgärten und über die Bauweise der Baulichkeiten in der näheren Umgebung zu treffen und die Auswirkungen des Bestandes oder Nichtbestandes des beantragten Bauwerkes am vorgesehenen Platz für den Lichteinfall bei seinem Wohnhaus zu prüfen. Schließlich brachte der Beschwerdeführer eine Reihe von Argumenten gegen den vom Bausachverständigen vorgeschlagenen Verlauf der Straßenfluchtlinie in der straßenseitigen Baufluchtlinie vor, während von ihm gegen eine im Laufe der Bauverhandlung vorgenommene Änderung der Planung der Dachkonstruktion Einwendungen nicht erhoben wurden.
b) Mit dem Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Weißenkirchen vom 9. August 1977 wurde der beteiligten Partei gemäß §92 Abs1 Z1 iVm §100 Abs1 der Nö. Bauordnung 1976, LGBl. 8200-0, nach dem Ergebnis der Bauverhandlungen die Bewilligung zum Zubau des Schuppens unter näher angeführten Auflagen erteilt. Die Einwendungen des Beschwerdeführers wurden abgewiesen, weil nach den von den Sachverständigen abgegebenen Stellungnahmen mit den vom Beschwerdeführer befürchteten Beeinträchtigungen seiner Anrainerinteressen hinsichtlich des Verkehrs (Erschwerung der Zufahrt und Gefährdung von Personen und Sachen), hinsichtlich der Lärmbelästigung und der Belichtung seines Wohnhauses nicht zu rechnen sei. Eine Baufluchtlinie ist im Bescheid nicht festgelegt worden.
c) In der gegen den Bescheid des Bürgermeisters erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer zahlreiche Verfahrensmängel geltend, wiederholte seine Einwendungen gegen die Straßenfluchtlinie nach dem Verlauf der Mauerwand des vorhandenen Kellers und brachte vor, daß die nunmehr bewilligte Dachkonstruktion eine erhebliche Vergrößerung der Feuersgefahr für sein Wohnhaus darstelle, daß entgegen seinem Antrag keinerlei Feststellung über die in dieser Gegend bestehende - offene - Bauweise getroffen und daß die Festlegung einer Straßenfluchtlinie im Bescheid überhaupt unterlassen worden sei.
d) Mit dem Bescheid des Gemeinderates vom 27. Dezember 1977 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 9. August 1977 keine Folge gegeben.
e) Der gegen den Bescheid des Gemeinderates vom 27. Dezember 1977 erhobenen Vorstellung hat die Nö. Landesregierung mit dem Bescheid vom 1. August 1978 gemäß §61 Abs3 der Nö. Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000-2, stattgegeben, den Bescheid behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Behandlung und Entscheidung an den Gemeinderat der Gemeinde Weißenkirchen a. d. Perschling verwiesen.
Nach der Begründung des Vorstellungsbescheides könne durch die Festlegung der Straßenfluchtlinie kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht verletzt werden. Eine solche Verletzung könne auch beim Unterbleiben der Festlegung der Straßenfluchtlinie nicht bewirkt werden. Die vom Beschwerdeführer als verletzt angeführten Interessen, nämlich die Vermeidung einer Verkehrsunfallsgefahr entlang seiner Liegenschaft und die Abwehr einer Beeinträchtigung der Zufahrt zu dieser, seien weder auf Grund des §118 Abs9 noch auf Grund des §6 Abs4 Nö. Bauordnung 1976, wo die Festlegung der Entfernung der Straßenfluchtlinien voneinander (im Bebauungsplan oder mangels eines solchen gemäß §120 Abs8 der Nö. Bauordnung 1976 im Baubewilligungsbescheid) geregelt sei, als subjektiv-öffentliche Nachbarrechte zu beurteilen.
Die Möglichkeit einer nachteiligen Beeinflussung der Belichtung des Wohnhauses des Beschwerdeführers durch das gegenständliche Schuppenprojekt habe der bautechnische Sachverständige in der Bauverhandlung eindeutig ausgeschlossen. Ebenso sei die Einwendung einer Erhöhung der Lärmbelästigung der Liegenschaft des Beschwerdeführers durch die Reflexion des Verkehrslärms durch die Schuppenaußenwand nach dem Gutachten je eines Umweltschutz- und Sanitätssachverständigen eindeutig widerlegt.
Die erstmals in der Berufung gegen den Baubewilligungsbescheid vom 9. August 1977 vorgebrachte Einwendung einer Erhöhung der Feuersgefahr durch die nach dem Ergebnis der Bauverhandlung bewilligte Holzkonstruktion des Schuppendaches sei verspätet, diese hätte der Beschwerdeführer in der Bauverhandlung vorbringen können und müssen. Durch die Unterlassung ihrer ausdrücklichen Erledigung in der eingangs angeführten Berufungsentscheidung habe kein materielles Recht des Beschwerdeführers verletzt werden können.
Als unerledigt verbleibe nur das Verlangen des Beschwerdeführers in der Bauverhandlung, die Übereinstimmung des Schuppenprojekts mit dem Bestand in der Umgebung hinsichtlich der offenen "Bauweise" (gemeint sei wohl die Bebauungsweise) zu prüfen. Diese Prüfung sei in §120 Abs7 und 8 der Nö. Bauordnung 1976 vorgeschrieben, der subjektiv-öffentliche Anspruch des Beschwerdeführers hierauf sei in §118 Abs9 Z4 des genannten Gesetzes begründet. Ihre Unterlassung begründe den Anspruch des Beschwerdeführers auf die Behebung der angefochtenen Entscheidung und Verweisung der Angelegenheit an den Gemeinderat. Im Sinne dieser Gesetzesbestimmungen sei bei der Fortsetzung des Verfahrens festzustellen, ob in der als gleichartig bebaut zu beurteilenden Umgebung auch Schuppen oder ähnliche Nebengebäude im Vorgarten, und zwar gemäß §21 Abs5 der Nö. Bauordnung 1976 an der Grundgrenze bestünden. Zutreffendenfalls habe die Bauwerberin einen Anspruch auf Bestätigung der vom Anrainer angefochtenen Baubewilligung, andernfalls habe der letztere einen Anspruch auf deren Behebung.
2. Gegen den Bescheid der Nö. Landesregierung vom 1. August 1978 richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer behauptet, durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden zu sein. Es wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, für den Fall der Abweisung die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Mit dem angefochtenen Vorstellungsbescheid ist der Bescheid des Gemeinderates vom 27. Dezember 1977 aufgehoben worden. Bei der Aufhebung ist jedoch dem Vorstellungsbegehren des Beschwerdeführers nur hinsichtlich des von ihm geltend gemachten Anspruches nach §118 Abs9 Z4 Nö. Bauordnung 1976 Rechnung getragen worden. Die übrigen Einwendungen des Beschwerdeführers wurden in diesem Bescheid als unzutreffend verworfen. An diese Rechtsauffassung ist der Gemeindevorstand bei der Erlassung des neuen Bescheides gebunden. Dadurch greift der den Bescheid des Gemeindevorstandes aufhebende Vorstellungsbescheid in die Rechtssphäre des Beschwerdeführers ein. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist die Beschwerde zulässig.
2. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei der Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
3. Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides sind weder in der Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem VfGH entstanden.
4. a) Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen könnte der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Vorstellungsbescheid im Gleichheitsrecht nur verletzt worden sein, wenn die belangte Behörde bei seiner Erlassung dem Gesetz fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder Willkür geübt hätte.
b) Der Beschwerdeführer begründet die behauptete Gleichheitsverletzung damit, daß "bei dem konkreten Schuppenbau", bei dem es sich nicht um einen Zubau, sondern in gleicher Weise um einen Neubau wie beim seinerzeitigen Bau des Wohnhauses des Beschwerdeführers handle, nicht der gleiche Abstand von der Straßenachse wie beim Wohnhaus des Beschwerdeführers vorgesehen sei, "ohne daß ein sachlicher Anlaß für eine Differenzierung gegeben" sei, was überdies eine Reihe von Nachteilen und Einschränkungen von Rechten des Beschwerdeführers zur Folge habe.
c) Diesem Vorbringen ist zu entgegnen, daß für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Erteilung einer Baubewilligung gegeben sind, die Verhältnisse nach dem beantragten Bauwerk und nicht die Umstände, nach denen für ein anderes Bauvorhaben die Baubewilligung erteilt wurde, maßgeblich sind. Aus dem Hinweis des Beschwerdeführers auf die unterschiedlichen Festsetzungen des Abstandes des Schuppens einerseits und seines Wohnhauses andererseits von der Straßenachse läßt sich überhaupt kein Anhaltspunkt dafür ableiten, daß die belangte Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hätte oder daß sie willkürlich vorgegangen wäre. Der Ablauf des Verwaltungsgeschehens nach den vorgelegten Verwaltungsakten schließt es aus, der belangten Behörde ein solches Verhalten zum Vorwurf zu machen. Ob das bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides vorausgegangene Ermittlungsverfahren mangelhaft gewesen ist und ob dabei das Gesetz auch richtig angewendet worden ist, und damit insbesondere auch die Frage, ob es sich beim beantragten Bauvorhaben um einen Neubau oder um einen Zubau handelt, hat nicht der VfGH, sondern der VwGH zu prüfen.
Der Beschwerdeführer ist im Gleichheitsrecht nicht verletzt worden.
5. Mit der behaupteten Verletzung des Eigentumsrechtes braucht sich der VfGH nicht weiter auseinanderzusetzen, weil eine solche Verletzung nur durch einen Eingriff in private Vermögensrechte, nicht aber durch Eingriffe in Ansprüche öffentlich-rechtlicher Natur, wie die aus der Bauordnung abgeleiteten Anrainerrechte, bewirkt werden kann (vgl. VfGH 2. 10. 1981 B480/78). Im Eigentumsrecht ist der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nicht verletzt worden.
6. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat nicht stattgefunden. Im Verfahren vor dem VfGH ist nicht hervorgekommen, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht behaupteten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden wäre.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Legitimation, Vorstellung, Bindung (der Verwaltungsbehörden an Bescheide)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1982:B524.1978Dokumentnummer
JFT_10179388_78B00524_00