TE Vfgh Erkenntnis 1982/6/12 B73/79

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Veröffentlicht am 12.06.1982
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Index

32 Steuerrecht
32/06 Verkehrsteuern

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
StGG Art5
GrEStG 1955 §4 Abs1 Z3

Leitsatz

Grunderwerbsteuergesetz; keine Bedenken gegen §4 Abs1 Z3; keine gleichheitswidrige und keine denkunmögliche Anwendung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.a) Die Beschwerdeführerin erwarb mit Kaufvertrag vom 10. und 21. Dezember 1970 von der EWOG Eigentumswohnungs-Bau- und Betriebs-Gesellschaft mbH einen Anteil an der Liegenschaft EZ 1189, KG N., an dem Wohnungseigentum iS des Wohnungseigentumsgesetzes begründet werden sollte, um den Kaufpreis von S 304.404,-. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das zu errichtende Wohnhausobjekt erst im Rohbau. Der Erwerbsvorgang wurde dem Finanzamt unter Inanspruchnahme der Steuerbefreiung gemäß §4 GrEStG angezeigt und von diesem vorerst steuerfrei belassen.

Durch Umwandlung der EWOG Eigentumswohnungs-Bau- und Betriebs-Gesellschaft mbH entstand die EWOG Eigentumswohnungs-Bau- und Betriebs-Gesellschaft mbH Nfg KG; diese Umwandlung wurde am 8. Jänner 1971 in das Handelsregister eingetragen. Die Rechtsnachfolgerin der Verkäuferin führte die Bauarbeiten weiter und stellte das Gebäude fertig.

b) In der Folge unterzog das Finanzamt den in Rede stehenden Erwerbsvorgang der Grunderwerbsteuer mit der Begründung, daß die Eigentumswohnung nicht von einer Vereinigung iS des §4 Abs1 Z3 lita GrEStG geschaffen worden sei. Der gegen den Bescheid des Finanzamtes erhobenen Berufung wurde von der Finanzlandesdirektion mit Bescheid vom 10. Mai 1978 stattgegeben. Dieser Berufungsbescheid wurde sodann vom Bundesminister für Finanzen in Ausübung des Aufsichtsrechtes mit Bescheid vom 16. November 1978 gemäß §299 Abs1 litb BAO aufgehoben. (Die gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen erhobene Beschwerde an den VwGH wurde mit Erk. vom 19. Oktober 1981

Z 16/3335/78 als unbegründet abgewiesen.)

c) Im zweiten Rechtsgang wurde die gegen den Bescheid des Finanzamtes erhobene Berufung von der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. mit Bescheid vom 6. Dezember 1978 abgewiesen. In der Begründung wird ausgeführt, daß die durch Umwandlung entstandene EWOG Eigentumswohnungs-Bau- und Betriebs-Gesellschaft mbH Nfg KG das Wohnhausobjekt, in der sich die in Rede stehende Eigentumswohnung befindet, errichtet habe; da sie kein begünstigter Bauträger iS des §4 Abs1 Z3 GrEStG sei, käme eine Grunderwerbsteuerbefreiung nicht in Betracht.

2. a) Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet, die amtswegige Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Wortes "statutenmäßig" in §4 Abs1 Z3 lita GrEStG angeregt und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH begehrt wird.

b) Die belangte Behörde hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. a) Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

b) Mit dem angefochtenen Bescheid wird die Grunderwerbsteuerbefreiung für den Erwerb einer Eigentumswohnung mit der Begründung versagt, daß die Eigentumswohnung nicht von einem begünstigten Bauträger iS des §4 Abs1 Z3 GrEStG geschaffen worden sei.

Die Beschwerdeführerin bringt vor, daß die Beschränkung des begünstigten Erwerbes von Eigentumswohnungen auf solche, die von einer Vereinigung mit der statutenmäßigen Aufgabe der Schaffung von Wohnungseigentum oder einem gemeinnützigen Bauträger erworben werden, unsachlich sei und regt an, das Wort "statutenmäßig" in §4 Abs1 Z3 lita GrEStG von Amts wegen auf seine Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Durch die Verwendung dieses Wortes würden Personengesellschaften aus dem Kreis der begünstigten Bauträger ausgeschlossen.

Hiezu ist darauf zu verweisen, daß der VfGH bereits mit VfSlg. 5477/1967 erkannt hat, daß es nicht unsachlich ist, wenn die Begünstigung des §4 Abs1 Z3 GrEStG zur Förderung der Inanspruchnahme einer konkret für diesen Zweck statutenmäßig errichteten Vereinigung oder eines gemeinnützigen Bauträgers auf den Erwerb von solchen Vereinigungen oder Bauträgern beschränkt wird. Der VfGH sieht sich auch aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles nicht verhalten, von dieser Rechtsansicht abzugehen. Gegen §4 Abs1 Z3 litb GrEStG bestehen daher im gegebenen Zusammenhang keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

c) Aus dem Vorgesagten ergibt sich auch, daß die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift keinen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat.

Die Beschwerdeführerin erhebt den Vorwurf, die belangte Behörde habe willkürlich gehandelt, weil sie den angefochtenen Bescheid erlassen habe, ohne die Entscheidung des VwGH über die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 16. November 1978 abzuwarten. Dieser Vorwurf vermag aber keinen in die Verfassungssphäre reichenden Fehler der Behörde darzutun. Daß die Behörde die Beschwerdeführerin aus unsachlichen Motiven benachteiligt hätte, wird nicht behauptet und ist auch im Verfahren nicht hervorgekommen.

d) Die Beschwerdeführerin ist sohin durch den angefochtenen Bescheid nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrecht verletzt worden.

2. a) Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen wäre dieser Eingriff nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980) dann verfassungswidrig, wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

b) Der angefochtene Bescheid geht von der Rechtsansicht aus, daß der Erwerb einer Eigentumswohnung von einem begünstigten Bauträger nur dann steuerfrei ist, wenn der Bauträger im Zeitpunkt der Fertigstellung iS des §4 Abs1 Z3 GrEStG begünstigt ist. Da die Eigentumswohnungen in dem in Rede stehenden Objekt erst nach dem 8. Jänner 1971, also durch die rechtsnachfolgende Kommanditgesellschaft, die kein begünstigter Bauträger sei, fertiggestellt worden seien, sei der in Rede stehende Erwerb nicht begünstigt.

Diese Auslegung des Gesetzes basiert auf der Auffassung, daß nach §4 Abs1 Z3 litb GrEStG der erste Erwerb eines Grundstücksanteiles nur dann von der Besteuerung ausgenommen ist, wenn ein begünstigter Bauträger das Wohnhaus schafft, wobei für die Beurteilung der Frage der Steuerfreiheit (auch) der Zeitpunkt der Fertigstellung des Objektes maßgeblich sei. Der VfGH hat bereits im Erk. VfSlg. 8925/1980 dargetan, daß eine derartige Auslegung des Gesetzes nicht denkunmöglich ist. Er sieht sich aus Anlaß dieses Beschwerdefalles nicht veranlaßt, von dieser Rechtsansicht abzugehen.

Ebenso hält es der VfGH für denkmöglich, wenn die belangte Behörde auf Grund der Verwendung der Worte "Vereinigung mit der statutenmäßigen Aufgabe der Schaffung von Wohnungseigentum" angenommen hat, daß nur Kapitalgesellschaften der in §3 Abs1 Z3 GrEStG statuierten Begünstigung teilhaftig werden können.

c) Die Beschwerdeführerin ist sohin durch den angefochtenen Bescheid nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Eigentumsrecht verletzt worden.

3. Auch die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes ist im Verfahren nicht hervorgekommen. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen wurde die Beschwerdeführerin auch nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt.

Die Beschwerde war sohin abzuweisen.

Schlagworte

Grunderwerbsteuer, Wohnungseigentum, VfGH / Prüfungsmaßstab

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:B73.1979

Dokumentnummer

JFT_10179388_79B00073_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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