TE Vfgh Erkenntnis 1982/6/14 B447/80

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Veröffentlicht am 14.06.1982
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Index

L4 Innere Verwaltung
L4000 Anstandsverletzung, Ehrenkränkung, Lärmerregung, Polizeistrafen

Norm

B-VG Art18 Abs1
StGG Art5
Sbg LandespolizeistrafG §3

Leitsatz

Sbg. Landes-Polizeistrafgesetz 1975; keine Bedenken gegen §3; keine denkunmögliche Gesetzesanwendung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sbg. Landesregierung vom 11. Juli 1980 wurde die Beschwerdeführerin schuldig erkannt, dadurch eine Verwaltungsübertretung nach §3 des Sbg. Landes-Polizeistrafgesetzes, LGBl. 58/1975 (SLPStG) begangen zu haben, daß sie sich am 26. Juli 1979 in Sbg. an einem öffentlichen Ort in einer Weise verhalten habe, die auf die Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung der Prostitution abzielte. Über die Beschwerdeführerin wurde eine Geldstrafe im Ausmaß von S 20.000,-

(Ersatzarreststrafe von 21 Tagen) verhängt.

2. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, hilfsweise die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.

3. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Der unter der Überschrift "Prostitution" stehende §3 SLPStG lautet auszugsweise:

"(1) Wer sich an öffentlichen Orten in einer Weise verhält, die auf die Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung der Prostitution abzielt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist hiefür mit einer Geldstrafe bis zu 30.000 S oder mit Arrest bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Bei Vorliegen von Erschwerungsgründen können Geld- und Arreststrafen auch nebeneinander verhängt werden.

(2) Als öffentliche Orte gelten solche, die nach ihrer Bestimmung allgemein zugänglich sind. Dem Verhalten an öffentlichen Orten ist ein Verhalten gleichgestellt, das zwar nicht dort gesetzt wird, das aber von dort aus wahrgenommen werden kann.

(3) ..."

2. Die Beschwerde wird wie folgt begründet:

Die Behörde habe im Verwaltungsstrafverfahren Fotografien verwertet, die von Kriminalbeamten der Bundespolizeidirektion Sbg. ohne Einwilligung der Beschwerdeführerin von ihr aufgenommen worden seien. Dieses Verhalten verstoße gegen Art8 MRK.

Überdies sei durch nichts bewiesen, daß die Beschwerdeführerin "die nach dem Gesetz erforderlichen Tathandlungen, sohin Aktivitäten" gesetzt habe.

3. a) Es kann unerörtert bleiben, ob die Kriminalbeamten der Bundespolizeidirektion Sbg. die Beschwerdeführerin gesetzwidrigerweise fotografiert haben. Weder das Fotografieren noch das allfällige Archivieren dieser Fotos ist Gegenstand der vorliegenden Beschwerde.

Es braucht weiters nicht untersucht zu werden, ob das Verwerten derartiger Fotos im Verwaltungsstrafverfahren rechtmäßig ist, da im Berufungsbescheid ausdrücklich darauf hingewiesen wird, daß diese Fotos nicht ausreichen, um ein rechtswidriges schuldhaftes Verhalten der Beschwerdeführerin zum Tatzeitpunkt zu beweisen und daß in diesem Punkt der von der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung vorgebrachten Ansicht vollinhaltlich Rechnung getragen werde.

Der Schuldspruch wird also nicht auf diese Fotos gestützt.

Auch sonst ist kein Anhaltspunkt vorhanden, daß die Beschwerdeführerin im Recht nach Art8 MRK verletzt worden ist.

b) Gegen die Beschwerdeführerin wurden eine Geldstrafe und eine Ersatzarreststrafe verhängt. Der bekämpfte Bescheid greift sohin in ihre verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf persönliche Freiheit ein. Diese Eingriffe wären nach der ständigen Judikatur des VfGH (vgl. zB VfSlg. 8866/1980) dann verfassungswidrig, wenn der sie verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage denkunmöglicherweise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Der Bescheid wird auf §3 SLPStG gestützt. Er ist sohin nicht ohne jede gesetzliche Grundlage ergangen.

Der VfGH hat unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles gegen diese Gesetzesbestimmung keine verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. zB VfSlg. 8445/1978, das zu inhaltlich ähnlichen Bestimmungen des §4 des Vorarlberger Sittenpolizeigesetzes ergangen ist).

Die belangte Behörde hat die Annahme, das Verhalten der Beschwerdeführerin sei dem §3 Abs1 SLPStG zu unterstellen, im wesentlichen damit begründet, daß es auf das Gesamtverhalten des Täters und dessen Absicht ankomme. Die Absicht der Beschwerdeführerin, Beziehungen zur Ausübung der Prostitution anzubahnen, sei im gegenständlichen Verfahren daraus zu erkennen gewesen, daß sie bei Herannahen langsam fahrender PKW diesen in auffallender Weise entgegenging, durch Handzeichen Bewegungen machte und durch ihren aufreizenden Gang auf sich aufmerksam zu machen versuchte. Zwar lasse jede dieser Verhaltensweisen für sich nicht unbedingt den Schluß auf ein iS des §3 Abs1 SLPStG tatbildmäßiges Verhalten zu; im gegenständlichen Verfahren sei aber ein derartiger Schluß nach Prüfung und Würdigung des Gesamtverhaltens der Beschwerdeführerin und sämtlicher Tatumstände ua. deshalb zulässig, da aus diesem Verhalten eindeutig auf die Absichten der Beschuldigten, an öffentlichen Orten Beziehungen zur Ausübung der Prostitution anzubahnen, geschlossen werden könne.

Diese Annahmen der Behörde sind jedenfalls denkmöglich. Die Beschwerdeführerin bringt ausschließlich Umstände vor, die sich gegen die Richtigkeit des angefochtenen Bescheides richten, die aber nicht vom VfGH, sondern ausschließlich vom VwGH zu beurteilen sind.

Gleiches gilt für die Höhe der verhängten Strafe, zumal die Beschwerdeführerin bereits einmal wegen einer gleichen Verwaltungsübertretung rechtskräftig bestraft worden war.

c) Die Verletzung der oben erwähnten Grundrechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführerin in anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in einem Recht verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Prostitution

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:B447.1980

Dokumentnummer

JFT_10179386_80B00447_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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