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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AVG §11;Rechtssatz
Auch einem handlungsunfähigen Fremden kann eine Niederlassungsbewilligung erteilt werden. Die Wirksamkeit von dessen prozessualen Handlungen setzt jedoch (ua) voraus, dass die gesetzlichen Vertretungsvorschriften eingehalten wurden. Das Fremdengesetz 1997 enthält über die Handlungsfähigkeit von Fremden nur § 95 (Abs. 1 und 3) FrG 1997, wonach minderjährige Fremde unter den in dieser Bestimmung genannten Voraussetzungen handlungsfähig sind oder im eigenen Namen Verfahrenshandlungen zu ihrem Vorteil setzen können. Beim hier beschwerdeführenden Fremden handelt es sich zwar um keinen minderjährigen Fremden, zur Vermeidung eines Wertungswiderspruches erscheint es jedoch geboten, § 95 Abs 3 erster Satz FrG 1997 auf Fremde, die nicht als minderjährig zu beurteilen, jedoch auf Grund ihres geistigen Zustandes im Sinn des § 11 AVG als handlungsunfähig anzusehen sind und deswegen eines gesetzlichen Vertreters (Sachwalters) bedürfen, sinngemäß anzuwenden. So ergibt sich aus dem Sinn und Zweck dieser Regelung des FrG 1997, dass im Anwendungsbereich dieses Gesetzes Verfahrenshandlungen eines Fremden, der die Diskretions- und Dispositionsfähigkeit eines unter 16jährigen aufweist und im Hinblick darauf eines gesetzlichen Vertreters bedarf, dann rechtswirksam sein sollen, wenn diese Handlungen zum Vorteil des unter 16jährigen gesetzt wurden und sein gesetzlicher Vertreter seine Interessen nicht wahrnehmen konnte. Diese Regelung bezweckt, Fremden, die aufgrund ihrer mangelnden geistigen Reife nicht voll handlungsfähig sind, einen besonderen Schutz angedeihen zu lassen. Es ist nun kein sachlicher Grund dafür erkennbar, dass der Fremdengesetzgeber diesen Schutz erwachsenen Fremden, die auf Grund ihres geistigen Zustandes nicht voll handlungsfähig sind, verweigern wollte. Es erscheint daher zwecks Vermeidung eines Wertungswiderspruches geboten, die genannte Regelung des § 95 Abs 3 erster Satz FrG 1997 auf solche erwachsene Fremde sinngemäß anzuwenden. Die von solchen Fremden in einem Verfahren nach dem FrG 1997 gesetzten Verfahrenshandlungen sind somit rechtswirksam, wenn sie zu ihrem Vorteil gesetzt wurden und ihre Interessen von einem gesetzlichen Vertreter (Sachwalter) nicht wahrgenommen werden konnten. Eine sinngemäße Anwendung des § 95 Abs 1 legcit kommt hingegen in einem Verfahren, wie dem gegenständlichen, über einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung bereits deshalb nicht in Betracht, weil sich diese Gesetzesbestimmung nicht auf das 2. Hauptstück des FrG 1997 bezieht. Die sinngemäße Anwendbarkeit des § 95 Abs 3 erster Satz legcit entbindet die Behörde jedoch nicht davon, auch in Fällen, in denen der Fremde lediglich Prozesshandlungen zu seinen Gunsten gesetzt hat, aber wegen seiner mangelnden oder eingeschränkten Diskretions- und Dispositionsfähigkeit iSd §§ 9 und 11 AVG handlungsunfähig ist, nach § 11 AVG vorzugehen.
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Handlungsfähigkeit Prozeßfähigkeit natürliche Person Öffentliches RechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004180221.X03Im RIS seit
14.11.2005Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008