TE Vfgh Beschluss 1982/6/15 B183/81

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Veröffentlicht am 15.06.1982
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Index

32 Steuerrecht
32/01 Finanzverfahren, allgemeines Abgabenrecht

Norm

AbgEO §14
B-VG Art144 Abs1 / Befehls- und Zwangsausübung unmittelb Ausübung nicht erfolgte

Leitsatz

Abgabenexekutionsordnung; keine Bedenken gegen §14; Möglichkeit des Widerspruches gegen eine finanzbehördliche Pfändung von Gegenständen; Pfändung daher kein beim VfGH anfechtbarer Akt unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt

Spruch

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die von Organen des Finanzamtes Eisenstadt vorgenommene Pfändung von Sparbüchern bei der Beschwerdeführerin am 31. März 1981 richtet.

II. Das Verfahren wird eingestellt, soweit sich die Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes Eisenstadt vom 31. März 1981, St. Nr. R 1-360/0376, betreffend Übertragung einer Forderung, wendet.

Begründung

Begründung:

1.1.1. Laut den vorliegenden Pfändungsprotokollen pfändeten Organe des Finanzamtes Eisenstadt am 31. März 1981 bei der Volksbank M. reg Genossenschaft mbH in M. auf Grund mehrerer Sicherstellungsaufträge gemäß §232 BAO, die offenbar gegen Bankkunden ergangen waren, eine Reihe von Sparbüchern, an denen die Bank als damalige Verwahrerin eigene vertragliche Pfandrechte in Anspruch nahm.

1.1.2. Weiters wurde mit Bescheid des Finanzamtes Eisenstadt vom 31. März 1981, St. Nr. R 1-360/0376, die dem Abgabenschuldner Ing. V. B. auf Grund einiger der zu 1.1.1. genannten Sparbücher ("Einlagebücher") zustehende Forderung von S 5,800.000,- (mehr oder weniger) gemäß §71 Abs3 AbgEO der Republik Österreich bis zur Höhe der Abgabenschuld übertragen.

1.2.1. Die Volksbank M. reg Genossenschaft mbH begehrte in ihrer an den VfGH gerichteten Beschwerde gemäß Art144 Abs1 B-VG der Sache nach die kostenpflichtige Feststellung, daß sie durch die (zu 1.1.1.) geschilderten finanzbehördlichen Amtshandlungen vom 31. März 1981, und zwar durch die Pfändung von Sparbüchern, demnach durch Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, sowie durch den (zu 1.1.2. bezeichneten) Bescheid (Übertragungserklärung) des Finanzamtes Eisenstadt vom 31. März 1981, St. Nr. R 1-360/0376, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG, Art1 des 1. ZP zur MRK) und wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes (AbgEO) in ihren Rechten verletzt worden sei; hilfsweise wurde die Abtretung der Beschwerde an den VwGH gemäß Art144 Abs2 B-VG idF vor dem BVG BGBl. 350/1981 beantragt.

1.2.2. Das Finanzamt Eisenstadt als belangte Behörde erstattete - unter Vorlage der Verwaltungsakten - eine Gegenschrift und begehrte die Abweisung der Beschwerde bzw. Einstellung des Verfahrens.

2. Über die Beschwerde wurde erwogen:

2.1.1.1. Nach §78 Abs1 AbgEO darf auf Grund eines Sicherstellungsauftrags (§232 BAO) ua. zur Sicherung von Abgaben schon vor Eintritt der Rechtskraft die Vornahme von Vollstreckungshandlungen angeordnet werden.

Eine dritte Person kann nach §14 AbgEO Widerspruch gegen die Vollstreckung erheben, wenn sie "an einem durch die Vollstreckung betroffenen Gegenstand oder an einem Teile eines solchen ein Recht behauptet, welches die Vornahme der Vollstreckung unzulässig machen würde". Trägt das Finanzamt einem Widerspruch nicht dadurch Rechnung, daß es die Vollstreckung auf die betroffene Sache einstellt, so ist der Widerspruch bei Gericht mit Klage geltend zu machen.

2.1.1.2. Wie der VfGH schon in seinem Erk. VfSlg. 7486/1975 ausführte, kann also nach §14 AbgEO mit der Behauptung eines entsprechenden Rechtes an jenem Gegenstand, auf den vollstreckt wird, Widerspruch geführt werden. Im vorliegenden Fall behauptet die Beschwerdeführerin, sie sei in ihrem Eigentumsrecht an den gepfändeten Gegenständen verletzt worden.

Sie hatte folglich die Möglichkeit, die Pfändung durch Widerspruch gemäß §14 AbgEO zu bekämpfen.

Damit liegt aber ein vor dem VfGH mit Beschwerde anfechtbarer Akt unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nicht vor (zB VfSlg. 5720/1968).

Wenn in der Beschwerdeschrift zum Beleg der dort vertretenen Rechtsmeinung, die Bestimmung des §14 AbgEO finde hier keine Anwendung, auf das Erk. VfSlg. 5635/1967 verwiesen wird, so ist dem zu erwidern, daß sich dieser Rechtsfall vom damaligen allein schon insofern unterscheidet, als die beschwerdeführende Genossenschaft behauptet, in ihrem Eigentumsrecht an den gepfändeten Sachen verletzt worden zu sein, wogegen der Beschwerdeführer im seinerzeitigen Verfahren eine derartige Behauptung nicht aufgestellt, sondern sich gegen den zwangsweisen Eintritt des Vollstreckers in sein geschlossenes Haus gewendet hatte (s. dazu bereits VfSlg. 7486/1975).

2.1.2.1. Die Beschwerdeführerin zieht allerdings auch die Verfassungsmäßigkeit der AbgEO in Zweifel, indem sie, sinngemäß zusammengefaßt, einwendet, §90 Abs1 AbgEO überlasse die Festlegung des Zeitpunktes des Inkrafttretens der §§1 bis 89 AbgEO in Verletzung des Art18 B-VG einem Verwaltungsorgan, und zwar dem Bundesminister für Finanzen, der auch eine entsprechende Verordnung (BGBl. 242/1949) erlassen habe.

2.1.2.2. Der VfGH hegt indessen keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der - in dieser Beschwerdesache im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung anzuwendenden und demgemäß im Sinn des Art140 Abs1 B-VG präjudiziellen - Bestimmungen der AbgEO, insbesondere ihres §14, und zwar aus folgenden Erwägungen:

2.1.2.2. zweiter Abs. und 2.1.2.3. (wie Punkt 2.3.4.2. und folgender Abs. des Erk. B193, 194/81 v. 15. 6. 1982)

2.1.3. Zusammenfassend ergibt sich also, daß die Beschwerde im hier maßgebenden Umfang - als unzulässig - zurückgewiesen werden mußte (zB VfSlg. 5720/1968, 7487/1975).

2.2. Der - gleichfalls - bekämpfte Bescheid des Finanzamtes Eisenstadt vom 31. März 1981, St. Nr. 1-360/0376 (s. 1.1.2.), wurde mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. vom 4. Mai 1981, Z GA 7-1330/1/81, gemäß §299 Abs2 BAO aufgehoben. Damit schied der angefochtene Bescheid aus dem Rechtsbestand aus, die Beschwerde wurde insoweit gegenstandslos. Das Verfahren war in diesem Umfang einzustellen (s. Punkt II. des Spruches).

Schlagworte

Finanzverfahren, Vollstreckung (Finanzen), Abgaben Vollstreckung, Pfändung, Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:B183.1981

Dokumentnummer

JFT_10179385_81B00183_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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