TE Vfgh Erkenntnis 1982/6/16 B15/77, B16/77

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Veröffentlicht am 16.06.1982
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Index

32 Steuerrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art18 Abs1
B-VG Art144 Abs1 / Prüfungsmaßstab
EStG §18 Abs1 Z3 litb
EStG §18 Abs2 Z3

Leitsatz

EStG 1972; keine Bedenken gegen §18 Abs1 Z3 litb und Abs2 Z3; keine gleichheitswidrige und keine denkunmögliche Anwendung; kein Entzug des gesetzlichen Richters

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die beschwerdeführenden Ehegatten errichteten auf einem im Eigentum des Beschwerdeführers stehenden Grundstück gemeinsam mit dem Eigentümer des Nachbargrundstücks (nach der Aktenlage: dem Schwager der Beschwerdeführerin) ein Gebäude, das nach ihrer Auffassung aus zwei Wohnhäusern (jeweils auf einem der beiden Grundstücke mit je einer Wohnung) besteht.

Mit zwei im Instanzenzug erlassenen Bescheiden vom 4. November 1976 wies die Finanzlandesdirektion für Tirol die Anträge der Beschwerdeführer auf Eintragung von Lohnsteuerfreibeträgen insoweit ab, als sie die Berücksichtigung erhöhter Sonderausgaben wegen der Errichtung eines Eigenheims begehrten. Die Berufungsbehörde begründete ihre im wesentlichen gleichlautenden Bescheide folgendermaßen:

Strittig sei, ob die Voraussetzungen des §18 Abs2 Z3 EStG 1972 vorliegen. Hiebei gehe es vor allem um das zulässige Höchstausmaß des den Wohnzwecken dienenden Teiles des Gebäudes (150 Quadratmeter). Dieses Höchstausmaß wäre nur dann nicht überschritten, wenn man zur Auffassung gelangte, daß die beiden Wohnungen sich in zwei getrennt voneinander errichteten Eigenheimen befinden.

Das Gebäude, in dem sich die beiden Wohnungen befinden, habe ein gemeinsames Dach. Im Inneren des Hauses, das ebenerdig errichtet wurde, bestehe zwischen den beiden Wohnungen keine vollkommene Trennung, wie dies ansonsten etwa bei Reihenhäusern der Fall sei. Es sei im Erdgeschoß beider Wohnungen je eine Tür vorhanden, die zu einem gemeinsamen Kellerabgang führe. Im Kellergeschoß selbst sei eine Trennung nach den beiden Hausteilen überhaupt nicht mehr feststellbar; sogar die Heizanlage sei gemeinsam für beide Wohnungen auf einer Hausseite untergebracht. Als Ausgleich dafür solle die gemeinsame Garage auf der anderen Seite errichtet werden. Bei der vorzunehmenden Beurteilung komme es auf die bauliche Gestaltung des Gebäudes an. Diese weise eindeutig auf ein einheitliches Wohnhaus hin. Die beiden Hausteile unterschieden sich nach außen hin nicht voneinander. Dazu komme noch die schon erwähnte Verbindung im Inneren des Hauses. An diesem Gesamteindruck könnten die getrennten Hauseingänge ebenso wie die bestehenden Besitzverhältnisse nichts ändern. Für die Beurteilung seien ausschließlich die objektiven Tatsachen maßgebend. Es sei hiebei nicht bedeutsam, aus welchen Gründen die angewendete Bauweise gewählt worden sei oder gewählt habe werden müssen. Damit ergebe sich aber, daß das Gebäude zusammen mit beiden Wohnungen als eine Einheit anzusehen sei.

2. Gegen diese Bescheide richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde an den VfGH, in welcher die Beschwerdeführer die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte behaupten und die Aufhebung des jeweiligen Bescheides, allenfalls die Beschwerdeabtretung an den VwGH beantragen.

II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:

1. Gegen die Rechtsgrundlagen der angefochtenen Bescheide äußerten weder die Beschwerdeführer Bedenken noch ergaben sich solche beim VfGH aus der Sicht dieses Beschwerdefalles. Es ist daher festzuhalten, daß eine aus der Verfassungswidrigkeit herangezogener Rechtsvorschriften abzuleitende Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes ebensowenig stattfand wie eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm.

2. Eine Verletzung des Gleichheitsrechtes machen die Beschwerdeführer deshalb geltend, weil das Finanzamt dem in der gleichen Lage befindlichen Eigentümer des Nachbargrundstücks die ihnen verweigerte Steuerbegünstigung gewährt habe.

Dieser Beschwerdevorwurf ist jedoch schon deshalb nicht zielführend, weil die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme nicht dadurch in Frage gestellt werden kann, daß in einem anderen Fall nicht gesetzmäßig vorgegangen wurde (s. zB VfSlg. 7306/1974). (Im übrigen ist aktenkundig, daß die belangte Behörde diesen Beschwerdevorwurf zum Anlaß nahm, dem Finanzamt einen Berichtsauftrag zu erteilen, worauf das Finanzamt unter Widerruf der zuerkannten Freibeträge eine Nachversteuerung beim Eigentümer des Nachbargrundstücks vornahm.)

Bei der gegebenen verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen der angefochtenen Bescheide - insbesondere unter dem Blickpunkt des Gleichheitsgebotes - könnte eine Verletzung des Gleichheitsrechtes sohin nur vorliegen, wenn die belangte Behörde gegen die Beschwerdeführer willkürlich vorgegangen wäre (zB VfSlg. 8856/1980). Für eine solche Annahme fehlen aber jegliche Anhaltspunkte.

3. Nach der Lage des Beschwerdefalles könnte die von den Beschwerdeführern weiters geltend gemachte Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums nur stattgefunden haben, wenn die Behörde das Gesetz in denkunmöglicher Weise angewendet, dh. aber einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (zB VfSlg. 8866/1980). Auch dies trifft hier nicht zu.

Die belangte Finanzlandesdirektion hatte auf Grund des §18 Abs1 Z3 litb und Abs2 Z3 EStG 1972 (in der Stammfassung) - im Hinblick darauf, daß das Gesamtausmaß beider Wohnungen 150 Quadratmeter übersteigt - zu beurteilen, ob das Bauobjekt insgesamt dem Begriff des Eigenheims zu unterstellen ist oder ob es zwei unterschiedliche Eigenheime bildet. Wenn die Finanzlandesdirektion dabei auf die bauliche Gestaltung des Gebäudes abstellte und aus den von ihr herausgestellten einzelnen Merkmalen den Schluß zog, daß ein einheitliches Wohnhaus (Eigenheim) vorliege, so ist ihr jedenfalls weder methodisch noch bei der Wertung der einzelnen baulichen Merkmale ein so krasser Fehler unterlaufen, daß von einer Gesetzlosigkeit gesprochen werden könnte. Auch die Beschwerdeführer zeigen einen solchen Mangel nicht auf. Wenn sie für ihren Standpunkt ins Treffen führen, daß das Bauobjekt auf zwei im Eigentum verschiedener Personen stehender Liegenschaften errichtet sei, daß die Wohnungen von verschiedenen Familien benützt würden sowie daß das Objekt aus Mitteln der Wohnbauförderung gefördert worden sei, so stellen sie der von der belangten Behörde angewendeten Methode nach anderen Gesichtspunkten ausgewählte Umstände entgegen, ohne jedoch darzutun, warum es völlig verfehlt sein sollte, den Begriff des Eigenheims, also eines Bauwerks bestimmter Art, auf Grund bautechnischer Kriterien zu bilden. Wenn die Beschwerdeführer des weiteren anführen, daß die Wohnungen eigene Eingänge (von der Außenseite des Gebäudes) haben, so heben sie nur ein einziges für ihre Auffassung sprechendes Merkmal der baulichen Gestaltung hervor, ohne sich mit den übrigen von der belangten Behörde berücksichtigten auseinanderzusetzen. Der von den Beschwerdeführern schließlich gezogene Vergleich mit der fiktiven Situation, daß es sich bei den beiden Wohnungen um Eigentumswohnungen handelte, geht daran vorbei, daß der Gesetzgeber eben zwei verschiedene Objekttypen, nämlich das Eigenheim und die Eigentumswohnung, nicht nach denselben Kriterien zu fördern beabsichtigt.

4. Die Beschwerdebehauptung, es liege auch eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter vor, stützen die Beschwerdeführer ausschließlich auf ihr schon erörtertes Vorbringen. Dazu genügt aber der Hinweis, daß das geltend gemachte Recht nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (s. zB VfSlg. 6249/1970) durch eine materiell-rechtliche Unrichtigkeit des Bescheides nicht verletzt wird. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, die nach der Lage dieser Beschwerdesache gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH (s. zB VfSlg. 8828/1980) überhaupt nur in Betracht käme, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch genommen hätte, fand somit nicht statt.

5. Da im Beschwerdeverfahren auch keine sonstige Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes und - wie schon erwähnt - auch nicht eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm hervorkam, war die Beschwerde abzuweisen.

Schlagworte

VfGH / Prüfungsmaßstab, Einkommensteuer, Sonderausgaben

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:B15.1977

Dokumentnummer

JFT_10179384_77B00015_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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