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81 Wasserrecht, WasserbautenNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerwaltungsaktLeitsatz
WRG 1959; keine Bedenken gegen §114 Abs1 und 3 und §115 Abs2; keine willkürliche und keine denkunmögliche Gesetzesanwendung; kein Entzug des gesetzlichen RichtersSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid vom 22. Dezember 1977 hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft das Wasserbauvorhaben "Donaukraftwerk Melk" gemäß §100 Abs2 Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959), Anlage zur Kundmachung der Bundesregierung vom 8. September 1959, BGBl. 215, zum bevorzugten Wasserbau erklärt.
Mit Bescheid vom 1. März 1979 hat sodann der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft ua. gemäß §§9, 41, 100 Abs2, 111 Abs1, 114 und 115 WRG 1959 der beteiligten Österreichischen Donaukraftwerke Aktiengesellschaft auf Grund des den wasserrechtlichen Verhandlungen und Besprechungen vom 6. bis 8., 20., 23., 27. und 30. November 1978 vorgelegenen Projektsentwurfes unter gleichzeitiger Setzung von Bedingungen und Auflagen die wasserrechtliche Bewilligung zur Ausnützung der Wasserkraft der Donau zwischen den Stromkilometern 2060,42 und 2028,60 sowie zur Errichtung und zum Betrieb der hiefür vorgesehenen Anlagen und Maßnahmen erteilt. Im Spruch des Bescheides hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft insgesamt 49 "Forderungen" zurück- bzw. abgewiesen und beigefügt, daß Vorbringen, die in diesem Bescheid weder berücksichtigt noch ausdrücklich zurück- oder abgewiesen wurden, anläßlich des Verfahrens über Detailprojekte behandelt würden, soweit sie nicht in das Entschädigungsverfahren gehörten.
2. Gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 1. März 1979 richtet sich die vorliegende Beschwerde der Stadtgemeinde Melk, in welcher die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Die beschwerdeführende Stadtgemeinde behauptet zunächst, durch die Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen in ihren Rechten verletzt worden zu sein, wenn die §§100, 114 und 115 WRG 1959 "das von der belangten Behörde angewandte Verfahren" gestatteten. Sie begründet dies wie folgt:
"Im Verfahren über bevorzugte Wasserbauten beschränkt §115 WRG die Ansprüche betroffener Dritter grundsätzlich auf Entschädigungsleistungen.
1) Wir sind dazu der Auffassung, daß diese Gesetzesstelle nicht besagt, daß sich eine Partei in einem derartigen Verfahren nicht gegen die Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Wehr setzen und durch das Gesetz nicht gedeckte Übergriffe bekämpfen darf.
Sollte §115 Abs1 WRG der Partei diese Rechte nehmen, so wäre die bezügliche Bestimmung nach unserem Dafürhalten verfassungswidrig.
2) Auch in einem Verfahren über einen bevorzugten Wasserbau können Parteien, so wie beispielsweise wir, vermöge von Rechten beteiligt sein, welche nach §§102 Abs1 litd, 13 Abs3, 31a Abs5, 30 Abs1 WRG Parteistellung vermitteln, welche jedoch nicht entschädigt werden können.
Der unwiederbringliche Verlust eines charakteristischen und auf der Welt einmaligen Landschaftsbildes, die Zerstörung des Ensembles der Kulturlandschaft, die Schaffung lästiger Umweltverhältnisse stellen zweifellos schwerwiegende Schädigungen dar, entziehen sich jedoch jeglichem Ausgleich in Geld.
Sollte §115 Abs1 WRG es ermöglichen, derartige Werte einer Person, einer Gemeinde oder gar einem ganzen Volk entschädigungslos zu entziehen, so wäre die bezügliche Bestimmung nach unserem Dafürhalten auch aus diesem Grunde verfassungswidrig.
3) Gemäß §115 Abs2 WRG kann eine Partei Abänderungen und Ergänzungen des Projektes eines bevorzugten Wasserbaues verlangen, durch die das Bauvorhaben nicht wesentlich erschwert oder eingeschränkt wird, wie wir dies hinsichtlich der Erhaltung des Melker Seitenarmes als fließendes Gewässer vorschlagen.
Dieses Recht kann die Partei allerdings nur dann ausüben, wenn vor Bewilligung des Bauvorhabens eine mündliche Verhandlung durchgeführt wird. Diese findet allerdings gemäß §114 Abs2 WRG nur dann statt, wenn sie der Antragsteller ausdrücklich verlangt oder die Behörde sie für notwendig erachtet.
Insofern diese Bestimmung dazu führt, daß sich der Betroffene vor Schaden durch den Verlust nicht entschädigbarer Güter nicht durch entsprechende Abänderungsanträge zu bewahren vermag, halten wir auch diese Gesetzesstelle für verfassungswidrig.
4) Gemäß §114 Abs3 WRG schließt die in einem Verfahren über bevorzugte Wasserbauten erteilte Bewilligung, so auch die des angefochtenen Bescheides, alle für die Ausführung der bezüglichen Anlagen etwa noch erforderlichen behördlichen Genehmigungen in sich, ohne daß über diese unter Beobachtung der dafür maßgeblichen Kriterien vor den dafür an sich zuständigen Behörden verhandelt und abgesprochen worden wäre.
Wir halten auch diese Gesetzesbestimmung, deren Anwendung der angefochtene Bescheid in Punkt I seines Spruches ausdrücklich feststellt, für verfassungswidrig."
Dazu ist folgendes zu bemerken:
a) Auf die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen §100 Abs2 WRG 1959 ist nicht einzugehen, weil die Stadtgemeinde Melk im vorliegenden wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren keine Einwendungen in die Richtung erhoben hat, daß die Erklärung zum bevorzugten Wasserbau mangels Vorliegens der Voraussetzungen des §100 Abs2 für die Erklärung des Wasserbaues als bevorzugt zu Unrecht erfolgt sei (wozu die Stadtgemeinde Melk berechtigt gewesen wäre, s. VfSlg. 6665/1972,
S 129). Die Behörde hatte diese Frage daher nicht zu prüfen, sie ist somit hier auch nicht präjudiziell.
b) Im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren hat eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung auch von Vertretern der beschwerdeführenden Stadtgemeinde stattgefunden. Das hatte zur Folge, daß der Stadtgemeinde Melk nach §115 Abs2 WRG 1959 Rechte in dem dort umschriebenen größeren Umfang zugekommen sind. Unter diesen Umständen stellt sich aber, wie der VfGH in seinen Erk. VfSlg. 6664/1972 und 6860/1972 dargetan hat, die Frage, wie die Grenze zu den Fällen gezogen ist, in denen Parteienrechte in geringerem Umfang zustehen, nicht. Die Bestimmungen des WRG 1959 im §114 Abs2 (darüber, wann eine mündliche Verhandlung erforderlich ist) und im §115 Abs1 (über den Umfang der Parteienrechte in den Fällen, in denen eine mündliche Verhandlung nicht durchgeführt wird) sind daher für die Entscheidung des vorliegenden Beschwerdefalles nicht präjudiziell. Gegen die - hier angewendeten - verfahrensrechtlichen Bestimmungen des §114 Abs1 WRG 1959 und gegen die Regelung des §115 Abs2 des genannten Gesetzes über den Umfang der Parteienrechte in den Fällen, in denen eine mündliche Verhandlung durchgeführt wird, bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (s. VfSlg. 6664/1972 und 6860/1972).
Auch im Verfahren vor dem VfGH ist nichts hervorgekommen, was den VfGH veranlassen könnte, von dieser Rechtsprechung abzurücken.
c) Nach §114 Abs3 WRG 1959 schließt die erteilte Bewilligung alle für die Ausführung der Anlage erforderlichen behördlichen Genehmigungen in sich. Diese Bestimmung, welche in der Zeit der einheitsstaatlichen Verfassungsordnung (damals als §96 Abs3 WRG in der Fassung der Nov. StGBl. 113/1945) sich auf alle Bewilligungen bezogen hat, umfaßt seit dem Wiederinkrafttreten der bundesstaatlichen Verfassung - interpretiert man sie auf ihren Hintergrund - (nur mehr) jene Bewilligungen, deren Erteilung in die Vollziehung des Bundes fällt.
§114 Abs3 WRG 1959 ist daher kompetenzrechtlich unbedenklich.
Der VfGH hat auf Grund der bereits oben zur Verfassungsmäßigkeit der §§114 Abs1 und 115 Abs2 WRG 1959 aufgezeigten Umstände auch keine anderen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmung des §114 Abs3 WRG 1959.
2. a) Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (vgl. zB VfSlg. 8828/80).
Das behauptet auch die beschwerdeführende Stadtgemeinde nicht. Sie sieht darin einen Verstoß gegen dieses Grundrecht, daß die die Stadtgemeinde Melk "berührenden" Probleme des Melker Donauarmes im angefochtenen Bescheid nicht behandelt, sondern auf ein erst noch auszuarbeitendes weiteres Detailprojekt verwiesen worden seien. Dieses Detailprojekt werde jedoch durch den angefochtenen Bescheid bereits insofern präjudiziert, als dieser sowohl den Aufstau des Melker Seitenarmes durch eine Schwelle als auch die Einleitung der Erlauf in den Stauraum des projektierten Kraftwerkes grundsätzlich vorsehe. In einer künftigen Verhandlung über das Detailprojekt des Melker Seitenarmes würde die Stadtgemeinde daher vor längst vollendete Tatsachen gestellt sein und ihr Verlangen nach Änderung und Ergänzung des Projekts entweder wegen entschiedener Sache gar nicht mehr behandelt werden oder aber im Hinblick auf die unterdessen gesetzten Baumaßnahmen materiell ins Leere gehen. Auf die geschilderte Weise werde die Ausübung der in §115 WRG 1959 ohnedies sehr eingeschränkten Rechte im vorliegenden Verfahren zur leeren Form und es sei daher das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht, vor dem gesetzlichen Richter (Verwaltungsbeamten) gehört zu werden, gröblich verletzt.
Die beschwerdeführende Stadtgemeinde zeigt mit ihrem Vorbringen Konsequenzen auf, die sich nach ihrer Meinung für das weitere Verfahren aus der Beschränkung ihrer Parteirechte ergeben könnten. Die Beschränkung von Parteirechten durch den einfachen Gesetzgeber kann aber nicht das Grundrecht nach Art83 Abs2 B-VG verletzen, weil sich erst aus der Einräumung von Parteirechten ergibt, welcher Anspruch auf Sachentscheidung besteht (vgl. VfSlg. 8279/78).
Ob die Behörde materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Bestimmungen des WRG 1959 und des AVG 1950 richtig angewendet hat, als sie die wasserrechtliche Bewilligung unter Ausklammerung einer beträchtlichen Anzahl von Einzelfragen erteilt hat, ist vom VfGH nicht zu beurteilen; eine willkürliche oder sonst verfassungswidrige Vorgangsweise der Behörde kann darin jedenfalls nicht erblickt werden (vgl. VfSlg. 3034/1956 und 6665/1972 sowie VwSlg. 8339 A/1972).
Auf das Vorbringen der beschwerdeführenden Stadtgemeinde ist in diesem Zusammenhang außerdem zu erwidern, daß die Stadtgemeinde Melk im wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren ihre Einwendungen vorbringen konnte, auch vorgebracht hat und daß die belangte Behörde über diese Einwendungen abgesprochen hat (vgl. die Punkte 1, 2, 3 und 7 auf den Seiten 2 und 3 des angefochtenen Bescheides). Die Stadtgemeinde Melk ist auch nicht gehindert, in weiteren Verfahren über Detailprojekte das ihr geeignet Erscheinende vorzubringen und so eine Entscheidung der Wasserrechtsbehörde auch über diese Einwendungen herbeizuführen.
b) Im übrigen wird in der Beschwerde zwar auf eine Reihe angeblich schädlicher Folgen des bewilligten Projektes hingewiesen, aber kein in die Verfassungssphäre reichender Verstoß der Behörde behauptet. So wird insbesondere nicht vorgebracht, daß die Behörde Willkür geübt oder das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte (was Willkür indizieren würde); das Vorbringen richtet sich vielmehr (lediglich) gegen die Richtigkeit des angefochtenen Bescheides, welche der VfGH nicht zu beurteilen hat. Selbst wenn das von der belangten Behörde durchgeführte - an sich umfangreiche - Ermittlungsverfahren ungenügend gewesen sein sollte, wenn die eingeholten Gutachten nicht ausreichen sollten, die rechtlich relevanten Fragen zu beantworten, und wenn die aus den Gutachten gezogenen Schlüsse unrichtig sein sollten, so wäre zwar das Verfahren mangelhaft, doch läge darin noch keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte (vgl. hiezu VfSlg. 7328/1974).
Zu der behaupteten Verletzung des rechtlichen Gehörs ist zu bemerken, daß die Nichteinhaltung der Bestimmungen über das Parteiengehör als solche keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte bewirkt (s. VfSlg. 8766/1980 und die dort angeführte Vorjudikatur).
3. Da das Verfahren somit weder ergeben hat, daß die beschwerdeführende Stadtgemeinde in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden ist, war die Beschwerde abzuweisen.
Schlagworte
Wasserrecht, Parteistellung Wasserrecht, VfGH / PrüfungsmaßstabEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1982:B249.1979Dokumentnummer
JFT_10179374_79B00249_00