TE Vfgh Erkenntnis 1982/6/28 B97/80, B256/80

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Veröffentlicht am 28.06.1982
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Index

27 Rechtspflege
27/03 Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
StGG Art5
GJGebG 1962 §17
GJGebG 1962 §18

Leitsatz

GJGebG 1962; keine Bedenken gegen §17; keine denkunmögliche und keine gleichheitswidrige Anwendung

Spruch

Die Beschwerden werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1. Mit Zahlungsauftrag vom 29. Mai 1979 schrieb der Kostenbeamte des Bezirksgerichtes Floridsdorf für einen im Zuge eines Exekutionsverfahrens von der betreibenden Partei erhobenen Kostenrekurs dieser und deren im Verfahren einschreitenden Rechtsvertreter restliche Eingabengebühren im Betrage von S 184,-

zuzüglich einer Einhebungsgebühr von S 10,- zur ungeteilten Hand vor.

Der Zahlungsauftrag enthält zwar keine Begründung, es ergibt sich jedoch aus den Ziffern, daß die ergänzende Gebührenvorschreibung auf der Grundlage der betriebenen Gesamtforderung errechnet wurde.

1.2. Dem dagegen rechtzeitig eingebrachten Berichtigungsantrag wurde hinsichtlich des zur Zahlung in Anspruch genommenen Parteienvertreters mit Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen vom 14. Jänner 1980, Jv 4713-33a/79, hinsichtlich der gebührenpflichtigen betreibenden Partei mit Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen vom 22. April 1980, Jv 1973-33a/80, keine Folge gegeben.

2.1. Gegen beide Bescheide wurden, gestützt auf Art144 B-VG, Beschwerden an den VfGH erhoben, in denen die Beschwerdeführer die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz geltend machen und Aufhebung der angefochtenen Bescheide, im Falle der Abweisung der Beschwerden deren Abtretung an den VwGH beantragen.

2.2. Die belangte Behörde hat Gegenschriften erstattet und die Abweisung der Beschwerden begehrt.

3. Der VfGH hat über die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:

3.1. Zur Begründung der behaupteten Grundrechtsverletzungen verweisen die Beschwerdeführer auf die Systematik des GJGebGes 1962, dessen Abschnitt "B. Besondere Bestimmungen über die Gebühren im Zivilprozeß und Exekutionsverfahren" zwei Unterabschnitte enthält, nämlich den Unterabschnitt "I. Bewertung des Streitgegenstandes" und den - hier nicht weiter interessierenden - Unterabschnitt "II. Zahlungspflicht, persönliche Gebührenfreiheit". Die Beschwerdeführer argumentieren, der Unterabschnitt "I. Bewertung des Streitgegenstandes" sei weiter untergliedert in

"a) Im Zivilprozeß" (§13 Allgemeine Grundsätze, §14 Besondere Bestimmungen, §15 Bewertung einzelner Streitigkeiten und §16 Bewertung des Streitgegenstandes mangels anderer Grundlagen), sowie

"b) Im Exekutionsverfahren" (§17), sowie

"c) Wertänderungen im Zuge des Verfahrens" (§18).

Hieraus ergebe sich, daß die auf Erk. des VwGH gestützte Ansicht der belangten Behörde, daß die in §18 Abs2 GJGebGes 1962 aufgezählten Ausnahmen vom Grundsatz des Abs1 leg. cit., wonach die Bemessungsgrundlage in der Regel für das ganze Verfahren gleichbleibe, nur für den Zivilprozeß vorgesehen sei, "schlicht unrichtig" sei. Die Ziffern 6 und 7 des §18 Abs2 GJGebGes 1962 hätten Ausnahmeregelungen für das Rechtsmittelverfahren zum Gegenstand, die - wenngleich in der ZPO geregelt - auch im Exekutionsverfahren möglich seien. In §78 EO würden die Bestimmungen der ZPO über das Rechtsmittel des Rekurses für das Exekutionsverfahren ausdrücklich für anwendbar erklärt. Die angesprochenen Ausnahmeregelungen seien somit sowohl "Im Zivilprozeß" (Unterabschnitt a)) als auch "Im Exekutionsverfahren" (Unterabschnitt b)) denkbar und anzuwenden. Wenn die belangte Behörde dies verneine, so läge im Hinblick auf die eindeutige Systematik des Gesetzes eine denkunmögliche Gesetzesanwendung vor.

Die belangte Behörde unterstelle den genannten Bestimmungen auch einen gleichheitswidrigen Inhalt, da nicht einzusehen sei, warum im Rahmen des Zivilprozesses der Umstand, daß das Rechtsmittel nur einen Teil der Forderung bzw. nur Kosten betreffe, begünstigt sein solle, nicht jedoch gleiches im Exekutionsverfahren gelte. Eine sachliche Rechtfertigung ließe sich hiefür nicht erkennen. Gerade der gegenständliche Fall erweise dies mit besonderer Deutlichkeit "iS einer Erdrosselungssteuer." Um einen zu Unrecht verweigerten Kostenzuspruch von S 40,50 erfolgreich bekämpfen zu können, müsse das Fünffache an Gebühren entrichtet werden. Sollte sich jedoch die bekämpfte Auslegung des §18 GJGebGes 1962 als richtig erweisen, so bestünden gegen die Regelung gravierende verfassungsrechtliche Bedenken wegen Verletzung des Gleichheitssatzes.

3.2. Die angefochtenen Bescheide greifen in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980) dann verfassungswidrig, wenn die ihn verfügenden Bescheide ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wären oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhten oder wenn die Behörde bei Erlassung der Bescheide eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.

Die angefochtenen Bescheide stützen sich auf §17 Abs1 GJGebGes 1962; hinsichtlich ihrer Ansicht, daß die Bestimmungen des §18 leg. cit. ausschließlich im Zivilprozeß und nicht auch im Exekutionsverfahren anzuwenden seien, beruft sich die belangte Behörde auf die Erk. des VwGH VwSlg. 818 F/1953 und 1908 F/1958. Der VwGH hat im erstzitierten Erk. im wesentlichen ausgeführt, auf Grund der Systematik des GJGebGes 1962 könnte eine Anwendung der Bestimmungen über die Wertänderung für das Exekutionsverfahren wohl nicht ausgeschlossen werden, allein der Wortlaut stehe einer solchen Auslegung entgegen. Unterabschnitt c) des Abschnittes I. Teil B GJGebGes 1962 umfasse nur Bestimmungen, die sich ausschließlich auf Vorschriften der Zivilprozeßordnung bezögen. Bei dieser Rechtslage könne der Wert des Streitgegenstandes in Exekutionsverfahren nur nach der Vorschrift des §17 GJGebGes 1962 ermittelt werden. Daran vermöge auch die Erwägung nichts zu ändern, daß die so erhobenen Gebühren in einem - übrigens wohl kaum denkbaren Ausnahmefall - den Wert (damals handelte es sich um ein Zwangsversteigerungsverfahren) der geschätzten Liegenschaft übersteigen könnten.

Der VwGH hat in dem ebenfalls bereits zitierten Erk. VwSlg. 1908 F/1958 an dieser Rechtsansicht festgehalten und ausdrücklich wiederholt, in §18 Abs2 GJGebGes 1962 seien von dem in Abs1 enthaltenen Grundsatz, daß die Gebührenbemessungsgrundlage für das ganze Verfahren in der Regel gleichbleibe, Ausnahmen nur für den Zivilprozeß vorgesehen. Alle Gerichtsgebühren, die im Exekutionsverfahren auf Grund des einen Bestandteil des Gerichts- und Justizverwaltungsgebührengesetzes bildenden Gerichtsgebührentarifes zu entrichten sind, seien nach dem Wert des Gegenstandes des Exekutionsverfahrens zu bemessen. Als solcher könne aber nur der Wert der vollstreckbaren Forderung angesehen werden, auf deren Einbringung das Vollstreckungsverfahren abziele. Es könne daher auch aus §18 GJGebGes nur abgeleitet werden, daß - aus Gründen der Vereinfachung - in Exekutionsverfahren alle Gerichtsgebühren nach dem Wert der vollstreckbaren Forderung, deren Durchsetzung angestrebt werde, zu entrichten sind.

Der VfGH hält diese Rechtsansicht, die von der belangten Behörde den angefochtenen Bescheiden zugrunde gelegt wurden, jedenfalls für denkmöglich. Soweit die Beschwerdeführer vorbringen, die wiedergegebenen Erk. des VwGH hätten sich auf Sachverhalte bezogen, die im Beschwerdefall nicht zuträfen, zielt das Vorbringen auf eine unrichtige Anwendung des Gesetzes durch die belangte Behörde ab, was zu prüfen nicht in die Zuständigkeit des VfGH fällt.

Der VfGH vermag den Beschwerdeführern auch hinsichtlich ihres Vorbringens nicht beizupflichten, daß ein solches Auslegungsergebnis dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellen würde. Der Zivilprozeß und das Exekutionsverfahren sind verfahrensrechtlich so unterschiedlichen Zielen gewidmet, daß dem Gesetzgeber nicht der Vorwurf gemacht werden könnte, er hätte Gleiches ungleich geregelt, wenn §18 Abs2 Z7 GJGebGes 1962 nur für den Zivilprozeß anwendbar sein sollte. Der VfGH hat gegen die bekämpfte Auslegung aber auch keine Gleichheitsbedenken, soweit sie zu dem Ergebnis führt, daß in Exekutionsverfahren bei einem Kostenrekurs die Gebühren auf Basis des durchzusetzenden Gesamtanspruches zu bemessen sind. Der Beschwerdeführer geht offenbar von der Auffassung aus, daß der Gesetzgeber, einem Gebot der Sachlichkeit entsprechend, die Gebühren in Relation zu dem erwarteten Vorteil festzulegen habe. Ein solches Gebot ist jedoch dem Gleichheitssatz nicht zu entnehmen. Es kann dem Gesetzgeber jedenfalls nicht entgegengetreten werden, wenn er die Kosten ohne Rücksicht darauf festlegt, ob der Effekt der beantragten Amtshandlung für die Partei dadurch vielleicht verlorengeht, sofern er sich an objektiven Merkmalen orientiert und auf die tatsächlichen Kosten, die dem Bund bei Durchführung eines Verfahrens erwachsen, Bedacht nimmt. Auch wenn also nur ein Teilbetrag einer betriebenen Forderung Gegenstand eines Rekurses ist, so ist eine Gebührenbemessung auf Basis der betriebenen Gesamtforderung als Folge einer einmal gewählten Grundlage nicht unsachlich.

Im VfGH sind aus der Sicht des Beschwerdefalles Gleichheitsbedenken gegen §17 GJGebGes 1962 demnach nicht entstanden.

3.3. Die behaupteten Verletzungen verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte haben sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführer in von ihnen nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Rechtsnorm in einem Recht verletzt wurden.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Gerichts- und Justizverwaltungsgebühren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:B97.1980

Dokumentnummer

JFT_10179372_80B00097_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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