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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AsylG 1997 §7;Rechtssatz
Die individuelle Betroffenheit des Asylwerbers durch die behördlichen Maßnahmen ist angesichts seiner mehrfachen Festnahmen, der anschließenden Anhaltungen und der dabei erlittenen Misshandlungen nicht in Zweifel zu ziehen. Befürchtet der Asylwerber im Falle der Rückkehr, "dass er immer wieder festgenommen werde und sich möglicherweise in der Zukunft noch gröbere Vorfälle ereignen" könnten, so geht er offenkundig davon aus, dass sich im Falle seines Verbleibes in der Türkei die bereits erlittenen Misshandlungen (in noch schlimmerem Maße) wiederholt hätten bzw. sich bei seiner Rückkehr wiederholen könnten. Einem solchen Geschehen kann nicht allein deshalb die Asylrelevanz abgesprochen werden, weil die türkischen Sicherheitsbehörden dabei - folgte man der Argumentation des unabhängigen Bundesasylsenates - ohne "zielgerichtete Verfolgungsabsicht" in Bezug auf die Person des Asylwerbers vorgingen. Entscheidend ist in einem solchen Fall, ob der Asylwerber in der Türkei weiterhin Verfolgungshandlungen der bereits erlittenen Art ausgesetzt gewesen wäre und noch immer ausgesetzt sein könnte. (Hier: Dass die Gefahr einer solchen Verfolgung schon deshalb auszuschließen sei, weil der Asylwerber in den letzten fünf Monaten vor seiner Ausreise von den Behörden unbehelligt in seinem Dorf gelebt und weiterhin das Hadep-Büro besucht habe, vermag für sich betrachtet nicht zu überzeugen. Der unabhängige Bundesasylsenat hat eine Verfolgungsgefahr für den Asylwerber - losgelöst von dessen individueller Fluchtgeschichte - unter Hinweis auf die allgemeine Situation in der Türkei verneint. Er verwertet in seinem Bescheid Gutachten eines Sachverständigen in früheren bei ihm anhängigen Asylverfahren betreffend Asylwerber aus den Provinzen Gaziantep und Sanliurfa. Daraus ergebe sich nach seiner Ansicht, dass die Gefahr, von Behördenorganen misshandelt oder gefoltert zu werden, für Kurden außerhalb dieser (sowie der ehemaligen Notstandsprovinzen) nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten sei. Die Provinz Konya, aus welcher der Asylwerber stammt, liegt um vieles westlicher als die genannten Provinzen, sodass für ihn "eine derartige Gefahr wohl noch weniger wahrscheinlich, jedenfalls aber nicht mit größerer Wahrscheinlichkeit" zu befürchten sei. Dabei übersieht der unabhängige Bundesasylsenat, dass der Asylwerber im Jahr 2000 in der Provinz Konya mehrfach Misshandlungen jener Art erlitten hat, hinsichtlich derer der unabhängige Bundesasylsenat - gestützt auf die zeitnahen Gutachten des Sachverständigen - die Gefahr einer Verwirklichung als "weniger wahrscheinlich" ansah. Schon aus diesem Grund lassen sich die in den anderen Asylverfahren eingeholten Gutachten nicht ohne weiteres auf den Fall des Asylwerbers übertragen und vermögen sie den angefochtenen Bescheid nicht zu tragen.)
Schlagworte
Begründung BegründungsmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2002200328.X01Im RIS seit
25.11.2005