TE Vfgh Beschluss 1982/6/28 B214/82

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Veröffentlicht am 28.06.1982
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Bescheid

Leitsatz

Art144 Abs1 B-VG; Anklageschrift der Staatsanwaltschaft - kein Bescheidcharakter

Spruch

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Mit einer selbstverfaßten, an den VfGH gerichteten Eingabe führt die Einschreiterin Beschwerde gemäß Art144 B-VG gegen die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Korneuburg vom 19. Feber 1982, 4 St 1426/80. Art6 MRK garantiere, daß bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld zu vermuten sei, daß der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist. Die bekämpfte Anklageschrift setze sich über diese Verfassungsbestimmung hinweg, da sie in geradezu denkunmöglicher Weise zur Schlußfolgerung gelange, daß sich aus dem Umstande, daß die Einschreiterin seit mehr als zwei Jahrzehnten die Straf- und Zivilgerichte beschäftige, ableiten lasse, daß ihr ein strafgesetzwidriges Verhalten unterstellt werden könne. Wenn die Staatsanwaltschaft sich hiebei auf Verfahren stütze, die mit keiner rechtskräftigen Verurteilung der Einschreiterin beendet worden seien, verstoße dies gegen die verfassungsgesetzlich festgelegte Unschuldsvermutung. Da sich die Staatsanwaltschaft damit begnüge, Tatsachen ungeprüft zu behaupten, verstoße die Anklageschrift auch gegen Art7 B-VG und Art14 MRK; infolge einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung liege schließlich ein gesetzloser und daher verfassungswidriger Eingriff vor, der gegen Art5 StGG verstoße.

Die Einschreiterin stellt die Anträge, die angefochtene Anklageschrift als verfassungswidrig aufzuheben, ihrer Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und ihr die Verfahrenshilfe durch Beigabe eines Anwaltes zu bewilligen.

2.1. Der VfGH hat bereits im Erk. VfSlg. 2047/1950 - auf das sich die Beschwerdeführerin selbst beruft - die Rechtsansicht vertreten, daß gerade bei Verfolgungshandlungen der Staatsanwaltschaft, die auf Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens hinzielen, das Vorliegen eines iS des Art144 B-VG bekämpfbaren Bescheides zu verneinen ist, weil, wie der VfGH in seinem Beschluß vom 28. Mai 1949, B77/49, ausgesprochen hat, eine von der Staatsanwaltschaft erhobene Anklage keine Entscheidung darstellt, durch die schon über ein Recht des Beschuldigten abgesprochen oder unmittelbar ein Zustand hergestellt wird, der mit einem subjektiven Recht des Beschuldigten in Widerspruch steht. Der VfGH hat weiters darauf verwiesen, daß die Anklage, als Phase des gerichtlichen Strafverfahrens betrachtet, ein Antrag ist, über den das nach den strafprozessualen Normen zuständige Gericht zu entscheiden hat. Der VfGH sieht keine Veranlassung von dieser Rechtsansicht abzugehen. Umstände, wie sie für das Erk. des VfGH VfSlg. 2047/1950 von Bedeutung waren, werden von der Beschwerdeführerin nicht behauptet. Die Beschwerdeführerin irrt somit, wenn sie in der wider sie erhobenen Anklage der Staatsanwaltschaft den Bescheid einer Verwaltungsbehörde erblickt.

Die Beschwerde war daher infolge offenbarer Nichtzuständigkeit des VfGH zurückzuweisen.

Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG 1953 idF BGBl. 353/1981 ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

2.2. Auf Grund des Vorhergesagten erweist sich die beabsichtigte Rechtsverfolgung als offenbar aussichtslos.

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe war somit gemäß §§63 Abs1 ZPO, 35 Abs1 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung (§§72 Abs1 ZPO, 35 Abs1 VerfGG) abzuweisen.

Schlagworte

Strafprozeßrecht, Bescheibegriff, Verfahrensanordnung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:B214.1982

Dokumentnummer

JFT_10179372_82B00214_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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