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55 WirtschaftslenkungNorm
B-VG Art83 Abs2Leitsatz
Viehwirtschaftsgesetz; keine Zuständigkeit des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft zur Entscheidung über Rechtsmittel gegen Verfallsbescheide des vormaligen ViehverkehrsfondsSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid, soweit damit seine Berufung gegen den Bescheid des Viehverkehrsfonds vom 13. Mai 1976 abgewiesen wurde, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird in diesem Umfang aufgehoben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Dem Beschwerdeführer, welcher unter der protokollierten Firma "Borstenvieh-Großschlächterei und Wursterzeugung J. Z." einen Fleischwarenindustriebetrieb führt, wurde mit Bescheid des Viehverkehrsfonds vom 12. Jänner 1976 die Einfuhr von 100 t Kalbfleisch unter Festlegung von Nebenbestimmungen, darunter den Erlag einer Sicherstellung bewilligt. Mit Bescheid vom 13. Mai 1976 erklärte der Viehverkehrsfonds einen Teilbetrag der erlegten Sicherstellung von 130.000,- S unter Berufung auf §§39 und 57 des MarktordnungsG 1967 für verfallen, weil der Import nicht bewilligungsgemäß abgewickelt worden sei. Der Beschwerdeführer erhob dagegen - entsprechend der auf §57 MarktordnungsG 1967 bezugnehmenden Rechtsmittelbelehrung dieses Bescheides - Berufung, die nach Vorlage an den Landeshauptmann von Wien von diesem "im Hinblick auf die durch die Marktordnungsgesetz-Nov. 1976 eingetretene Änderung des Instanzenzuges" dem Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft zur Entscheidung vorgelegt wurde.
2. Mit Bescheid vom 4. März 1977 gab der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft der Berufung unter Bezugnahme auf §§6, 22 und 29 Abs1 des Viehwirtschaftsgesetzes 1976 (VWG), BGBl. 258, hinsichtlich eines Teilbetrages von S 70.000,- Folge und wies das Rechtsmittel im übrigen als unbegründet ab. Der Bundesminister begründete seine Zuständigkeit zu dieser Entscheidung folgendermaßen:
"Gemäß §29 Abs1 des Viehwirtschaftsgesetzes 1976 gelten Einfuhrbewilligungen, die der Viehverkehrsfonds vor dem 1. Juli 1976 erteilt hat, als iS des Viehwirtschaftsgesetzes erteilt. Mit Rücksicht auf den engen Zusammenhang zwischen Einfuhrbewilligung und Sicherstellung ist die Bestimmung des §29 Abs1 Viehwirtschaftsgesetz 1976 analog auch auf noch nicht rechtskräftige Bescheide des Viehverkehrsfonds betreffend Sicherstellungsverfall anzuwenden. Da hinsichtlich derartiger Bescheide sowohl nach dem Marktordnungsgesetz 1967 als auch nach dem Viehwirtschaftsgesetz 1976 ein weiterer Instanzenzug vorgesehen war bzw. ist, ist im Hinblick auf §22 des Viehwirtschaftsgesetzes 1976 für die gegenständliche Berufungsentscheidung mit 1. Juli 1976 der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft zuständig."
3. Der Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, und zwar der die Berufung abweisende Teil, bildet den Gegenstand der vorliegenden Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in welcher der Beschwerdeführer eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend macht und die Bescheidaufhebung begehrt.
II. Der VfGH hat über die Beschwerde erwogen:
1. Die Marktordnungsgesetz-Nov. 1976, BGBl. 259, welche mit 1. Juli 1976 in Kraft trat, hob den Unterabschnitt "C. Viehwirtschaft" des MarktordnungsG 1967 auf, an dessen Stelle das Viehwirtschaftsgesetz 1976 trat. Im Gegensatz zu den anderen Zweigen der Marktordnung (Milchwirtschaft und Getreidewirtschaft) wurde die Fondskonstruktion aufgegeben; anstelle des aufgelösten Viehverkehrsfonds wurde mit der Besorgung der Aufgaben nach dem VWG die "Vieh- und Fleischkommission beim Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft" (im folgenden: Kommission) betraut, soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmte. Die Marktordnungsgesetz-Nov. 1976 enthielt - worauf schon der VwGH in seinem Erk. vom 15. 9. 1981, Z 81/07/0074, hinwies - keine diesbezüglichen Übergangsbestimmungen; diese finden sich vielmehr im §29 VWG, dessen hier zu betrachtende Absätze 1 und 2 folgendermaßen lauten:
"§29. (1) Einfuhrbewilligungen, die der Viehverkehrsfonds vor dem 1. Juli 1976 erteilt hat, gelten als Einfuhrbewilligungen iS dieses Bundesgesetzes.
(2) Bescheide des Viehverkehrsfonds, die gemäß §40 Abs6 in Verbindung mit §17 Abs6 des Marktordnungsgesetzes 1967 vor dem 1. Juli 1976 ergangen sind, gelten als Bescheide der Kommission. Für die Erledigung von Berufungen gegen solche Bescheide ist der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft zuständig."
Die eben wiedergegebenen Vorschriften zeigen, daß der Gesetzgeber die Überleitung von Bescheiden, die unter der Herrschaft des MarktordnungsG 1967 in seiner Fassung vor der Marktordnungsgesetz-Nov. 1976 erlassen worden waren, in das Regime des VWG in einer sehr detaillierten Weise regelte und im Bereich der bescheidmäßigen Festsetzung des Importausgleichs sogar ausdrücklich eine Zuständigkeit zur Entscheidung über anhängige Rechtsmittel vorsah. Im Hinblick auf diese in Einzelheiten gehende Gestaltung der Übergangsvorschriften könnte die Annahme einer im Wege der Analogie zu schließenden Gesetzeslücke für einen Übergangsfall überhaupt nur dann gerechtfertigt werden, wenn unmittelbar einleuchtende Gründe für ein offenkundiges Versehen des Gesetzgebers sprächen. Solche vermag der VfGH jedoch nicht zu finden und es bieten insbesondere die Materialien (Bericht des Ausschusses für Land- und Forstwirtschaft, 214 dB XIV. GP) keinen diesbezüglichen Anhaltspunkt. Es ist zwar die Überlegung der belangten Behörde gewiß richtig, daß der Zweck einer Sicherstellung, die mit einer gemäß der früheren Gesetzeslage erteilten Einfuhrbewilligung vorgeschrieben wurde, nur erfüllt werden kann, wenn auch nach dem Inkrafttreten des VWG ein Verfallsausspruch nach den Bestimmungen dieses Gesetzes möglich ist. Dies ist aber eine Folge der im §29 Abs1 leg. cit. festgelegten Überleitung von Einfuhrbewilligungen, liefert jedoch kein Argument für die Annahme, daß ein noch gemäß der früheren Gesetzeslage erlassener Verfallsbescheid nach dem Inkrafttreten des VWG einer Kontrolle durch ein administratives Rechtsmittel unterliegen muß.
Für die Beantwortung der im vorliegenden Beschwerdefall maßgebenden Frage muß vielmehr gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH davon ausgegangen werden, daß die Zuständigkeit einer Berufungsbehörde nach den für sie zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung geltenden Vorschriften gegeben sein muß sowie daß es dem Gesetzgeber freisteht, einen mit einem (ursprünglich) zulässigen Rechtsmittel bekämpften Bescheid zu einem endgültigen zu machen (VfSlg. 8355/1978 mit weiteren Rechtsprechungshinweisen; vgl. in diesem Zusammenhang auch VfSlg. 7566/1975). Da eine Zuständigkeit des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft zur Entscheidung über Rechtsmittel gegen Verfallsbescheide, die von einem Organ des vormaligen Viehverkehrsfonds erlassen wurden, weder dem VWG noch einem anderen Gesetz entnommen werden kann, liegt eine rechtswidrige Inanspruchnahme der Zuständigkeit zu einer Sachentscheidung durch die belangte Behörde vor, was gemäß der ständigen Rechtsprechung des VfGH zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen der Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter führt.
Schlagworte
Marktordnung, Behördenzuständigkeit, Viehwirtschaft, Verwaltungsverfahren, InstanzenzugEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1982:B142.1977Dokumentnummer
JFT_10179370_77B00142_00