TE Vfgh Erkenntnis 1982/7/1 B535/81

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Veröffentlicht am 01.07.1982
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art18 Abs1
StGG Art5
Krnt BauO 1969 §14 Abs3

Leitsatz

Ktn. Bauordnung; §14 Abs3 entspricht den rechtsstaatlichen Anforderungen des Art18 B-VG; Versagung der Baubewilligung für die Errichtung eines elektrisch betriebenen Schlagbaumes in denkunmöglicher Anwendung des §14 Abs3

Spruch

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der Bürgermeister der Stadtgemeinde Spittal an der Drau erteilte mit Bescheid vom 30. November 1972 dem Ktn. Wohnbauverein die Bewilligung zur Errichtung einer Wohnanlage mit erdgeschoßigen Geschäftsräumen auf dem Grundstück Nr. 731/1, KG Spittal/Drau.

Mit Kaufvertrag vom Juni 1974 erwarb die beschwerdeführende Gesellschaft dieses Grundstück mit der Absicht, das bewilligte Bauvorhaben in geänderter Form zu realisieren.

Mit Bescheid vom 22. September 1975 erteilte der Bürgermeister der Stadtgemeinde Spittal/Drau der beschwerdeführenden Gesellschaft gemäß §§4, 13 und 14 der Ktn. Bauordnung die Bewilligung für das geänderte Bauvorhaben mit der folgenden Auflage:

"Die planlich ausgewiesenen 77 PKW-Stellflächen im Freien sind zu befestigen, staubfrei auszugestalten und zu markieren. Die in der Tiefgarage planlich ausgewiesenen 48 PKW-Stellflächen sind für die im Hause befindlichen Wohn- und Büroeinheiten sicherzustellen. Diese PKW-Stellflächen sind durch Markierung und Numerierung bzw. Bezeichnung den einzelnen Wohn- bzw. Büroeinheiten zuzuordnen."

Mit den Bescheiden vom 2. Dezember 1976 und vom 14. Dezember 1978 erteilte der Bürgermeister der beschwerdeführenden Gesellschaft als Bauwerberin für das hinsichtlich der Raumeinteilung nochmals abgeänderte Projekt die Benützungsbewilligung.

Am 25. April 1980 stellte die beschwerdeführende Gesellschaft den Antrag auf Bewilligung zur Errichtung eines elektrisch betriebenen Schlagbaumes im Bereich der nordseitigen Zufahrt zu den PKW-Abstellflächen auf dem Grundstück Nr. 731/1 KG Spittal/Drau.

Den Akten des Verwaltungsverfahrens ist zu entnehmen, daß, sofern diesem Antrag stattgegeben werden sollte, 25 PKW-Abstellflächen im Freien nur nach Betätigung dieses Schlagbaumes erreicht werden könnten.

Diesen Antrag wies der Bürgermeister der Stadtgemeinde Spittal an der Drau mit Bescheid vom 5. Dezember 1980 gemäß §11 Abs1 iVm §3 Abs1 und §9 Abs2 lita der Ktn. Bauordnung, LGBl. 48/1969, ab.

Der Stadtrat der Stadtgemeinde Spittal an der Drau gab auf Grund des am 23. Feber 1981 gefaßten Beschlusses mit Bescheid vom 9. März 1981 der Berufung der beschwerdeführenden Gesellschaft gemäß §83 der Allgemeinen Gemeindeordnung (AGO), LGBl. 1/1966, iVm §66 Abs4 AVG 1950 nicht Folge.

Die gegen diesen Bescheid von der beschwerdeführenden Gesellschaft erhobene Vorstellung wies die Ktn. Landesregierung mit dem beim VfGH angefochtenen Bescheid vom 4. August 1981, Z 8 BauR1-127/4/1981, gemäß §84 AGO als unbegründet ab.

In der Begründung des Bescheides wurde ua. ausgeführt, nach §14 Abs3 der Ktn. Bauordnung habe die Behörde die Schaffung der nach Art, Lage, Größe und Verwendung des Gebäudes oder der baulichen Anlage ua. notwendigen Stellplätze für Kraftfahrzeuge anzuordnen. Die Lage und Ausführung dieser Einrichtungen haben sich nach den örtlichen Erfordernissen zu richten.

Eine derartige Auflage habe im Beschwerdefall nicht erteilt werden müssen, weil das von der beschwerdeführenden Gesellschaft eingereichte Projekt ohnehin die erforderliche Zahl von Stellplätzen vorgesehen habe. Daß die Baubehörde alle im Plan dargestellten Stellplätze als notwendig angesehen habe, gehe bereits aus der Anordnung der Staubfreimachung dieser Stellplätze hervor. Mit der Regelung des §14 Abs3 der Ktn. Bauordnung solle primär erreicht werden, daß der fließende Verkehr nicht behindert werde. Die beabsichtigte Abschrankung des Parkplatzes würde dem Sinn dieser Bestimmung zuwiderlaufen. Die Anbringung des Schrankens würde zur Folge haben, daß die Besucher des Finanz- und des Arbeitsamtes gehindert wären, die Stellflächen zu benützen. Diese Behörden seien aber Einrichtungen, die für jedermann frei zugänglich seien. Nicht zulässig sei es, eine Anordnung (Auflage), die im öffentlichen Interesse getroffen worden sei, durch Maßnahmen welcher Art immer unwirksam zu machen. Daher sei die beschwerdeführende Gesellschaft durch den Bescheid des Stadtrates in ihren Rechten nicht verletzt.

2. Gegen diesen Bescheid der Ktn. Landesregierung richtet sich die auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unverletzlichkeit des Eigentums behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.

II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der durch den angefochtenen Bescheid bewirkte Eingriff in das Eigentumsrecht der beschwerdeführenden Gesellschaft wäre nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte; ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.

Der angefochtene Bescheid stützt sich ua. auf §14 Abs3 der Ktn.

Bauordnung, der folgenden Wortlaut aufweist:

"Bei Vorhaben nach §4 lita bis c (Errichtung von Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen, Änderung von Gebäuden und sonstigen baulichen Anlagen, Änderung der Verwendung von Gebäuden) hat die Behörde die Schaffung der nach Art, Lage, Größe und Verwendung des Gebäudes oder der baulichen Anlagen notwendigen Kinderspielplätze, Garagen, Stellplätze für Kraftfahrzeuge sowie die für Behinderte erforderlichen baulichen Vorkehrungen und die Voraussetzungen für Vorkehrungen für den Grundschutz durch Auflagen anzuordnen. Die Lage und Ausführung dieser Einrichtungen hat sich nach den örtlichen Erfordernissen zu richten. Kinderspielplätze haben nach ihrer Lage der Sicherheit der Kinder Rechnung zu tragen."

Die beschwerdeführende Gesellschaft macht gegen diese Gesetzesstelle unter Berufung auf Krzizek (System des Österr. Baurechts, 2. Band, S 190) Bedenken wegen Verstoßes gegen Art18 Abs1 B-VG geltend.

Entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Gesellschaft enthält die Gesetzesstelle nach Ansicht des VfGH die nach Art18 Abs1 B-VG erforderliche hinreichende Umschreibung der auf Grund dieser Gesetzesstelle zulässigen Auflagen (vgl. in dieser Hinsicht auch VfSlg. 5107/1965, 5923/1969, 7163/1973, 8209/1977 und 8919/1980). Bei der Beurteilung der Notwendigkeit von Stellplätzen für Kraftfahrzeuge hat die Behörde unter Berücksichtigung der vorgesehenen Garagenplätze die Art, Lage, Größe und Verwendung des Gebäudes zu beachten. Hinsichtlich der Lage und Ausführung der Stellplätze hat die Behörde die örtlichen Erfordernisse zu berücksichtigen. Die Anzahl der vorzusehenden Garagen- und sonstigen Stellplätze richtet sich demnach nach der Zahl der Wohnungen und Büros, wobei insbesondere bei letzteren auch die vorgesehene Verwendung zu berücksichtigen ist. Daß die in §14 Abs3 der Ktn. Bauordnung enthaltene Umschreibung den Organen der Vollziehung einen gewissen Spielraum einräumt und sich demgemäß bei der Beurteilung von Grenzfällen Zweifelsfragen ergeben können, fällt unter dem Gesichtswinkel der rechtsstaatlichen Anforderungen an den Gesetzgeber nicht ins Gewicht (zB VfSlg. 7163/1973). §14 Abs3 der Ktn. Bauordnung entspricht daher den rechtsstaatlichen Anforderungen des Art18 B-VG.

Daß im übrigen die gesetzlichen Grundlagen des bekämpften Bescheides verfassungswidrig seien, ist von der beschwerdeführenden Gesellschaft nicht behauptet worden. Im Verfahren des VfGH sind in dieser Hinsicht Bedenken nicht entstanden.

2. Die von der belangten Vorstellungsbehörde als nicht in die Rechte der beschwerdeführenden Gesellschaft eingreifend bestätigte Versagung der Bewilligung der Errichtung eines elektrisch betriebenen Schlagbaumes in der nordseitigen Zufahrt erweist sich indes, wie im folgenden auszuführen sein wird, als denkunmöglich:

Die Verwaltungsbehörden haben die Versagung der Bewilligung ausschließlich darauf gestützt, daß durch die Errichtung des Schlagbaumes die freie Zufahrt der Besucher des Finanz- und des Arbeitsamtes zu 25 PKW-Abstellplätzen behindert wäre, was von der beschwerdeführenden Gesellschaft nicht in Abrede gestellt wird.

Die erstinstanzliche Gemeindebehörde hat sich bei der Versagung auf §9 Abs2 lita der Ktn. Bauordnung berufen, wonach bei der Vorprüfung die Behörde festzustellen hat, ob dem Vorhaben überörtliche öffentliche Interessen entgegenstehen. Derartige überörtliche Interessen könnten sowohl aus einem Gesetz oder einer Verordnung als auch aus einem rechtskräftigen Bescheid abgeleitet werden. Die belangte Behörde versuchte zunächst, ein solches überörtliches Interesse auf §14 Abs3 der Ktn. Bauordnung zu stützen.

Auf diese Gesetzesstelle konnte sich die belangte Behörde bei der Prüfung, ob öffentliche Interessen die Versagung der Baubewilligung für die Errichtung des beantragten elektrisch betriebenen Schlagbaums rechtfertigen, denkmöglich nicht berufen.

Wenn nämlich - wie im vorliegenden Beschwerdefall - eine Baubewilligung für ein Gebäude schon mit rechtskräftigem Bescheid erteilt ist und hiebei eine Auflage vorgeschrieben wurde, die nur den Inhalt hat, daß 77 Stellflächen zu errichten sind und daß diese in einer bestimmten Weise auszuführen sind, so belastet die Behörde ihren Bescheid mit einem der Gesetzlosigkeit gleichkommenden Fehler, wenn sie die Bewilligung des Schlagbaumes mit der Begründung versagt, daß die 25 Stellflächen im Hofe des Gebäudes für die Besucher des Finanzamtes oder des Arbeitsamtes oder auch für die Allgemeinheit frei zugänglich sein müssen.

Eine solche Begründung der Versagung der baurechtlichen Bewilligung des Schlagbaumes könnte nämlich denkmöglich nur noch auf die Auflage des Bewilligungsbescheides vom 22. September 1975, wonach - abgesehen von den hier nicht in Betracht kommenden 48 PKW-Stellflächen in der Tiefgarage - 77 PKW-Stellflächen, die dem Projekt entsprechend errichtet wurden, zu befestigen, staubfrei auszugestalten und zu markieren sind, oder auf irgendeine andere Bestimmung der bereits rechtskräftigen Bescheide gestützt werden. Schon der Wortlaut der Auflage verbietet aber eine Auslegung derart, daß mit ihr eine bestimmte Widmung der Stellflächen verbunden wäre, wie dies etwa bei den 48 Stellflächen in der Tiefgarage der Fall war. Den Akten des Verwaltungsverfahrens kann nicht einmal entnommen werden, daß im Zeitpunkt der Erteilung des Bewilligungsbescheides (1975) der Behörde die zukünftige Vermietung eines Teiles der Büroräume an den Bund (Arbeitsamt, Finanzamt) überhaupt bekannt war. Schließlich liegt auch kein Anhaltspunkt dafür vor, daß 77 Stellflächen ausschließlich den Besuchern des Finanzamtes und des Arbeitsamtes oder auch der Allgemeinheit zugänglich sein sollten. Bei dieser Sach- und Rechtslage kann es dahingestellt bleiben, ob eine Widmung von Stellflächen für den Parteienverkehr überhaupt durch das Gesetz gedeckt wäre.

Die belangte Behörde hat daher, indem sie den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde Spittal an der Drau vom 9. März 1981 als nicht in die Rechte der beschwerdeführenden Gesellschaft eingreifend bestätigte, ihren Bescheid mit einem so schweren Fehler belastet, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen ist.

Daher war spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Baurecht, Baubewilligung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:B535.1981

Dokumentnummer

JFT_10179299_81B00535_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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