TE Vfgh Erkenntnis 1982/7/2 B598/78

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Veröffentlicht am 02.07.1982
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Index

40 Verwaltungsverfahren
40/01 Verwaltungsverfahren außer Finanz- und Dienstrechtsverfahren

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
B-VG Art144 Abs1 / Allg
AVG §19 Abs1
AVG §19 Abs4

Leitsatz

AVG 1950; keine Bedenken gegen §19 Abs1; kein Entzug des gesetzlichen Richters; keine Gleichheitsverletzung

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I.1.a) Mit dem Bescheid der Bundespolizeidirektion Schwechat vom 3. April 1978 (zugestellt am 6. April 1978) wurde dem Beschwerdeführer gemäß §73 Abs1 des Kraftfahrgesetzes 1967 - KFG 1967, BGBl. 267/1967, die ihm am 5. Oktober 1970 von der Bundespolizeidirektion Sbg. erteilte Lenkerberechtigung für die Gruppen A, C, F und G entzogen. Weiters wurde "gemäß §73 Abs1 KFG 1967 die Gültigkeit der Lenkerberechtigung für die Gruppe B mit 14. 2. 1979 eingeschränkt".

Ferner wurde ausgesprochen, daß der Beschwerdeführer "gemäß §75 Abs4 KFG den Führerschein zur Eintragung der oa. Verfügungen unverzüglich vorzulegen" hat.

Einer "eventuellen Berufung" gegen den Bescheid wurde die aufschiebende Wirkung gemäß §64 Abs2 AVG 1950 aberkannt.

Nach einem im vorgelegten Verwaltungsakt befindlichen Aktenvermerk vom 7. April 1978 ist der Entzug der Lenkerberechtigung für die angeführten Gruppen und die zeitliche Beschränkung für die Gruppe B nach dem Bescheid der Bundespolizeidirektion Schwechat vom 3. April 1978 im Führerschein vermerkt worden.

b) Der gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Schwechat vom 3. April 1978 erhobenen Berufung hat der Landeshauptmann von NÖ mit dem Bescheid vom 4. Oktober 1978 keine Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid dahin gehend abgeändert, daß dem Beschwerdeführer die Lenkerberechtigung auch für die Gruppe B auf Dauer entzogen wurde.

Der Bescheid des Landeshauptmannes ist dem Beschwerdeführer am 17. Oktober 1978 zugestellt worden.

c) Die Bundespolizeidirektion Schwechat erließ hierauf einen mit 19. Oktober 1978 datierten, dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung beim Postamt Schwechat am 23. Oktober 1978 (Montag) zugestellten Ladungsbescheid. Mit diesem wurde der Beschwerdeführer eingeladen, unter Mitnahme dieses Ladungsbescheides und des Führerscheins "in Angelegenheit Abgabe des Führerscheins nach dauerndem Entzug der Lenkerberechtigung mit Bescheid des Amtes der Nö. LRG vom 4. 10. 1978 ... als Beteiligter am sofort Montag Freitag 8 - 13 Uhr bei

diesem Amte ... persönlich zu erscheinen oder einen mit der Sachlage

vertrauten und schriftlich bevollmächtigten eigenberechtigten Vertreter zu entsenden". Für den Fall eines ungerechtfertigten Ausbleibens war gemäß §19 Abs3 AVG 1950 die zwangsweise Vorführung und eine Anzeige nach §75 Abs4 KFG 1967 angedroht.

2. Gegen den Ladungsbescheid vom 19. Oktober 1978 richtet sich die unter Berufung auf Art144 B-VG erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer behauptet, durch diesen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden zu sein.

Es wird die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, für den Fall der Abweisung die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt.

II. Der VfGH hat erwogen:

1. Wie der VfGH bereits mehrfach ausgesprochen hat, kann ein Ladungsbescheid im Gegensatz zur einfachen Ladung mit Beschwerde nach Art144 B-VG bekämpft werden. Die Beschwerde ist zulässig (vgl. VfSlg. 7872/1976, 9017/1981).

2. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zustehende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (vgl. VfGH 14. 6. 1982 B355/79).

Der angefochtene Ladungsbescheid erging im Rahmen des gegen den Beschwerdeführer anhängigen Verfahrens auf Entziehung der Lenkerberechtigung. In diesem Verfahren ist der erstinstanzliche Bescheid von der Bundespolizeidirektion Schwechat am 3. April 1978 (I.1.a) erlassen worden. Daß die Bundespolizeidirektion Schwechat in diesem Verfahren nicht die zuständige erstinstanzliche Behörde wäre, wird vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Sie hat damit auch nicht zur Erlassung des im Rahmen des anhängigen Verfahrens erlassenen angefochtenen Ladungsbescheides eine Zuständigkeit in Anspruch genommen, die ihr nach dem Gesetz nicht zugekommen wäre.

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht verletzt worden.

3. a) Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz könnte nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH durch den Bescheid der Verwaltungsbehörde nur verletzt werden, wenn dieser auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruhte, wenn die Behörde fälschlicher Weise dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte.

b) Der angefochtene Ladungsbescheid stützt sich auf §19 Abs1 AVG 1950. Danach ist die Behörde berechtigt, Personen, die in ihrem Amtsbereich ihren Aufenthalt haben und deren Erscheinen nötig ist, vorzuladen.

Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift sind weder vom Beschwerdeführer vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem VfGH entstanden.

Da ein Anhaltspunkt, daß die belangte Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides der angeführten Vorschrift fälschlicher Weise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hätte, überhaupt nicht gegeben ist, könnte die vom Beschwerdeführer behauptete Verletzung des Gleichheitsrechtes nur bewirkt worden sein, wenn die belangte Behörde bei der Erlassung des Ladungsbescheides willkürlich vorgegangen wäre.

Die belangte Behörde hat das Erscheinen des Beschwerdeführers vor der Behörde für nötig erachtet, weil ihm im Berufungsbescheid des Landeshauptmannes vom 4. Oktober 1978 (I.1.b) die Lenkerberechtigung auch für die Gruppe B - über die im erstinstanzlichen Bescheid enthaltene Entziehung der Lenkerberechtigung für die übrigen Gruppen der Kraftfahrzeuge hinaus - entzogen worden war.

Die Auffassung der belangten Behörde, aus diesem Grunde berechtigt zu sein, den Beschwerdeführer vorzuladen, läßt sich zumindest denkmöglich aus der Bestimmung des §19 Abs1 AVG 1950 ableiten, sodaß die Vorladung des Beschwerdeführers jedenfalls nicht auf einem als Willkür zu bezeichnenden Vorgehen der belangten Behörde beruht. Ob die Vorladung auch in richtiger Anwendung des §19 Abs1 AVG 1950 vorgenommen wurde, hat nicht der VfGH, sondern der VwGH zu prüfen.

Andere Gründe, aus denen der belangten Behörde ein als Willkür zu qualifizierendes Verhalten bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides zur Last gelegt werden könnte, sind im Verfahren vor dem VfGH nicht hervorgekommen.

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht verletzt worden.

4. Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden wäre.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Schlagworte

Verwaltungsverfahren, Ladung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1982:B598.1978

Dokumentnummer

JFT_10179298_78B00598_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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