Index
63 Allgemeines Dienst- und BesoldungsrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Beachte
vgl. Kundmachung BGBl. 415/1982 am 24. August 1982Leitsatz
BDG 1979; Aufhebung des §132 sowie einiger Worte in §97 Z2, §97 Z3und §112 Abs4 als verfassungswidrig (Einrichtung eines Instanzenzugesauch von einem Bundesminister an die Disziplinarkommission)Dienstrechtsverfahrensverordnung 1969; §1 Abs1 war gesetzlich gedecktSpruch
1. Als verfassungswidrig werden aufgehoben:
Die Worte "Zur Entscheidung über Berufungen gegen Disziplinarverfügungen und zur Entscheidung über Berufungen gegen Suspendierungen" in §97 Z2, sowie
die Worte "und Berufungsentscheidungen" in §97 Z3, weiters
die Worte "von der Dienstbehörde verfügt wurde, die Disziplinarkommission, wenn sie" in §112 Abs4, und
§132 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. 333.
Die Aufhebung dieser Bestimmungen tritt mit Ablauf des 31. Dezember 1982 in Kraft. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt verpflichtet.
2. Den weiteren Anträgen des VwGH wird keine Folge gegeben.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1.1. Der VwGH stellt aus Anlaß bei ihm anhängiger Beschwerdeverfahren gemäß Art140 B-VG Anträge auf Aufhebung von Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 - BDG 1979, BGBl. 333/1979, als verfassungswidrig, sowie gemäß Art139 B-VG Anträge auf Feststellung, daß die Z33 "Aufgaben der Dienstbehörde in Disziplinarsachen" in §1 Abs1 der Dienstrechtsverfahrensverordnung 1969 in der Fassung der Verordnung BGBl. 146/1978 (DVV 1969) verfassungswidrig (gesetzwidrig) war.
1.2. Die Gesetzesprüfungsanträge des VwGH betreffen jene Bestimmungen des BDG 1979, welche einen Rechtszug gegen Bescheide der Dienstbehörden an die (jeweilige) Disziplinarkommission und gegen deren Entscheidung an die Disziplinaroberkommission eröffnen.
Die hiefür maßgeblichen Regelungen finden sich in folgenden Bestimmungen:
"Zuständigkeit
§97. Zuständig sind
1. die Dienstbehörde zur Suspendierung und zur Erlassung von Disziplinarverfügungen hinsichtlich der Beamten ihres Zuständigkeitsbereiches,
2. die Disziplinarkommission zur Erlassung von Disziplinarerkenntnissen, zur Entscheidung über Berufungen gegen Disziplinarverfügungen und zur Entscheidung über Berufungen gegen Suspendierungen hinsichtlich der Beamten des Ressorts, in dem sie eingerichtet ist, und
3. die Disziplinaroberkommission zur Entscheidung über Berufungen gegen Erkenntnisse und Berufungsentscheidungen der Disziplinarkommissionen sowie über Berufungen gegen Suspendierungen durch die Disziplinarkommission."
"Suspendierung
§112. (1) Wird über den Beamten die Untersuchungshaft verhängt oder würden durch die Belassung des Beamten im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung das Ansehen des Amtes oder wesentlicher Interessen des Dienstes gefährdet, so hat die Dienstbehörde, wenn jedoch ein Disziplinarverfahren bei der Disziplinarkommission bereits anhängig ist, diese, den Beamten vom Dienst zu suspendieren.
(2) Anläßlich der Suspendierung kann die Kürzung des Monatsbezuges - unter Ausschluß der Haushaltszulage - bis auf zwei Drittel verfügt werden.
(3) Die Suspendierung endet ...
(4) Die Berufung gegen eine Suspendierung beziehungsweise eine Bezugskürzung hat keine aufschiebende Wirkung; über die Berufung hat, wenn die Suspendierung beziehungsweise die Bezugskürzung von der Dienstbehörde verfügt wurde, die Disziplinarkommission, wenn sie von der Disziplinarkommission verfügt wurde, die Disziplinaroberkommission zu entscheiden.
(5) ..."
"Disziplinarverfügung
§131. Hat der Beamte ... eine Dienstpflichtverletzung gestanden, so
kann die Dienstbehörde ... eine Disziplinarverfügung erlassen. ..."
"Berufung
§132. (1) Der Beschuldigte und der Disziplinaranwalt können gegen die Disziplinarverfügung innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Berufung erheben.
(2) Über die Berufung kann die Disziplinarkommission auch ohne mündliche Verhandlung entscheiden."
Der VwGH beantragt, die vorangehend im wiedergegebenen Gesetzestext zur leichteren Erkennbarkeit fett gedruckten Regelungen aufzuheben.
Sie lauten:
In §97 Abs2 BDG 1979 "und zur Entscheidung über Berufungen gegen Suspendierungen" (hg. protokolliert unter G49/81), "zur Entscheidung über Berufungen gegen Disziplinarverfügungen" in derselben Gesetzesstelle (protokolliert zu G128/81), in §97 Z3 BDG 1979 "und Berufungsentscheidungen" (protokolliert unter G49/81 und G128/81), in §112 Abs4 BDG 1979 "von der Dienstbehörde verfügt wurde, die Disziplinarkommission, wenn sie" (protokolliert unter G49/81). Ferner wird die Aufhebung des §132 BDG 1979 (protokolliert unter G128/81) beantragt.
1.3. Der VwGH hat seine Erwägungen, die ihn zur Stellung der Gesetzesprüfungsanträge veranlaßt haben, im wesentlichen wie folgt dargelegt:
1.3.1. Die Beschwerdeführerin des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, welches dem Antrag G49/81 (A19/81) zugrunde liege, bekämpfe einen Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt (künftig: DOK) vom 20. Mai 1980, mit dem ihrer Berufung gegen einen Bescheid der Disziplinarkommission für Beamte und Lehrer beim Bundesministerium für Landesverteidigung vom 3. März 1980 keine Folge gegeben worden sei. Mit dem Bescheid dieser Disziplinarkommission sei ihre Berufung gegen einen Bescheid des Heeres-Materialamtes (Heeres-Zeuganstalt Wien) vom 31. Jänner 1980 abgewiesen worden, in dem ausgesprochen worden sei, daß die Beschwerdeführerin des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mit Wirkung vom 1. Februar 1980 vom Dienst suspendiert und ihr Monatsbezug auf zwei Drittel gekürzt werde.
Der VwGH habe bei seiner Entscheidung über die nach Erschöpfung des Instanzenzuges erhobene Beschwerde die Bestimmungen des BDG 1979 über die Suspendierung und Bezugskürzung, also unter anderem auch §97 Z2 dritter Tatbestand, und Z3, soweit er Berufungsentscheidungen zum Gegenstand hat, und §112 Abs4 zweiter Halbsatz, soweit die Zuständigkeit der Disziplinarkommission zur Entscheidung über die Berufungen normiert ist, anzuwenden.
1.3.2. Der Beschwerdeführer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, welches dem Antrag G128/81 (A28/81) zugrunde liege, bekämpfe einen Bescheid der DOK vom 15. Juni 1981, mit dem seiner Berufung gegen einen Bescheid der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres vom 29. Oktober 1980 keine Folge gegeben worden sei. Mit dem Bescheid dieser Disziplinarkommission sei seine Berufung gegen einen Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 20. August 1980 abgewiesen worden; in dem Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien sei ausgesprochen worden, daß über den Beschwerdeführer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die Disziplinarstrafe des Verweises verhängt werde.
Der VwGH habe bei seiner Entscheidung über die nach Erschöpfung des Instanzenzuges erhobene Beschwerde die Bestimmungen des BDG 1979 über die Disziplinarverfügung und die Berufung dagegen, also die §§131 und 132 sowie auch §97 Z2 zweiter Tatbestand, und Z3, soweit er Berufungsentscheidungen zum Gegenstand hat, anzuwenden.
1.3.3. Gegen die angefochtenen Bestimmungen des BDG 1979 bestünden verfassungsrechtliche Bedenken, die in beiden Anträgen im wesentlichen wie folgt dargelegt werden:
In den angefochtenen Bestimmungen würden Zuständigkeit und Instanzenzug der Disziplinarbehörden unter anderem hinsichtlich der Suspendierung und Bezugskürzung (G49/81) und hinsichtlich der Erlassung einer Disziplinarverfügung (G128/81) geregelt. Disziplinarbehörde sei gemäß §96 BDG 1979 die Dienstbehörde. Dienstbehörde sei jedenfalls auch der zuständige Bundesminister. Daß in den Beschwerdefällen des VwGH nicht der zuständige Bundesminister als Dienstbehörde den erstinstanzlichen Bescheid erlassen habe, sei im gegebenen Zusammenhang rechtlich unerheblich. Die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die in den Anträgen angeführten Bestimmungen (Wortfolgen) ergeben sich daraus, daß die durch Art19 B-VG verfassungsrechtlich vorgegebene Stellung des Bundesministers als eines obersten Organs durch den einfachen Gesetzgeber dadurch teilweise beseitigt werde, daß er als Dienstbehörde in den hier geregelten Angelegenheiten des Disziplinarrechtes im Instanzenzug der Kontrolle der Disziplinarkommissionen und dann auch der Kontrolle der Disziplinaroberkommission unterliege. Da es dem einfachen Gesetzgeber keinesfalls erlaubt sei, einen Instanzenzug von einem obersten Organ an eine übergeordnete Instanz zu schaffen, vermöge die in der Verfassungsbestimmung des §102 Abs2 BDG 1979 vorgesehene Weisungsfreistellung der Mitglieder der Disziplinarkommissionen und der Disziplinaroberkommission in Ausübung ihres Amtes an den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den in Rede stehenden Instanzenzug nichts zu ändern. Auch aus der historischen Entwicklung des Beamten-Dienstrechtsgesetzes sei kein Argument für die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen zu gewinnen, da eine vergleichbare gesetzliche Regelung, wie sie der VfGH bei seinem Erk. VfSlg. 3096/1956 im Zusammenhang mit §101 Dienstpragmatik vorgefunden habe, nicht bestehe.
1.4. Die Verordnungsprüfungsanträge des VwGH betreffen jene Bestimmung der DVV 1969, welche die Zuständigkeit der Dienstbehörde, Aufgaben in Disziplinarsachen wahrzunehmen, begründet. Die hiefür maßgebliche Regelung der Z33 in §1 Abs1 DVV 1969 lautet in dem zum Verständnis wesentlichen Zusammenhang (der angefochtene Teil ist fett gedruckt) wie folgt:
"§1 (1) Soweit die obersten Dienstbehörden gemäß §2 Abs2 erster Satz des Dienstrechtsverfahrensgesetzes in erster Instanz zuständig sind, wird diese Zuständigkeit für Beamte, die nicht der obersten Dienstbehörde angehören, in folgenden Dienstrechtsangelegenheiten auf die in §2 dieser Verordnung genannten nachgeordneten Dienstbehörden übertragen:
...
Z33. Aufgaben der Dienstbehörde in Disziplinarsachen,
..."
"§2. Nachgeordnete Dienstbehörden im Sinne des §1 sind:
...
b) im Bereiche des Bundesministeriums für Inneres:
...
2. die Bundespolizeidirektionen,
...
j) im Bereiche des Bundesministeriums für Landesverteidigung:
...
5. das Heeres-Materialamt;
..."
Der Wortlaut der angefochtene Verordnungsstelle beruht auf der Verordnung der Bundesregierung vom 14. März 1978, BGBl. 146, mit der die Dienstrechtsverfahrensverordnung 1969 geändert wurde, und ist gemäß §5 Abs2 der Dienstrechtsverfahrensverordnung 1981, BGBl. 162/1981, mit Ablauf des 31. März 1981 - mit der gesamten DVV 1969 - außer Kraft getreten.
1.4.1. Der VwGH hat seine Erwägungen, die ihn zur Stellung der Verordnungsprüfungsanträge veranlaßt haben, wie folgt dargelegt:
1.4.2. Die DOK, deren Bescheide von den Beschwerdeführern der verwaltungsgerichtlichen Verfahren bekämpft würden, habe über Berufungen gegen Berufungsbescheide der Disziplinarkommission für Beamte und Lehrer beim Bundesministerium für Landesverteidigung und der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres, die wiederum Berufungen gegen Bescheide des Heeres-Materialamtes und der Bundespolizeidirektion Wien zum Gegenstand hatten, entschieden. Damit habe die DOK letzten Endes über die vom Heeres-Materialamt verfügte, mit einer Bezugskürzung verbundene Suspendierung der Beschwerdeführerin des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens A19/81 (G49/81) sowie über die von der Bundespolizeidirektion Wien über den Beschwerdeführer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens A28/81 (G128/81) verhängte Disziplinarstrafe des Verweises entschieden. Die dem VwGH obliegende Kontrolle der angefochtenen Bescheide (Erk.) der DOK beziehe sich auf das gesamte den angefochtenen Bescheiden vorangegangene Verfahren, also auch auf die Rechtsgrundlagen und die Zuständigkeit der Behörde erster Instanz.
1.4.3. Die Bedenken gegen die angefochtene Bestimmung werden vom VwGH im wesentlichen wie folgt dargelegt:
Die in den wiedergegebenen Bestimmungen der DVV 1969 normierte Zuständigkeit des Heeres-Materialamtes und der Bundespolizeidirektion Wien für Aufgaben in Disziplinarsachen habe nach dem Wortlaut der Promulgationsklausel der DVV 1969 ihre gesetzliche Grundlage in §2 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes, BGBl. 54/1958 idF BGBl. 298/1960, 329/1977 und 116/1978 (künftig: DVG).
Gemäß §2 Abs2 DVG seien die Dienststellen bei den obersten Verwaltungsorganen als oberste Dienstbehörden in erster Instanz zuständig. Solche Zuständigkeiten könnten unter den in dieser Gesetzesstelle genannten Voraussetzungen mit Verordnung ganz oder zum Teil einer unmittelbar nachgeordneten Dienststelle als nachgeordneter Dienstbehörde übertragen werden. Im Falle einer solchen Übertragung sei die nachgeordnete Dienstbehörde in erster Instanz und die oberste Dienstbehörde in zweiter Instanz zuständig.
Die Bedenken gegen die in der DVV 1969 normierte Zuständigkeit des Heeres-Materialamtes bzw. der Bundespolizeidirektion Wien, die Aufgaben der Dienstbehörde in Disziplinarsachen zu besorgen, ergeben sich daraus, daß die Bestimmungen des DVG, also auch der §2 Abs2 DVG, im Verfahren in Disziplinarangelegenheiten keine Anwendung fänden. Dies ergebe sich zunächst aus §1 Abs3 DVG idF BGBl. 329/1977 (BDG 1977), der wie folgt lautet:
"(3) Auf das Verfahren in Disziplinar(Dienststraf)angelegenheiten finden die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes keine Anwendung, wenn die Gesetze und Verordnungen dafür ein besonderes Verfahren vorschreiben."
Der VwGH erachte diese Voraussetzung im Hinblick auf die Regelung des Disziplinarrechtes im BDG 1979 (9. Abschnitt), insbesondere des §105 BDG 1979, für gegeben, welcher lautet:
"§105 Soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, ist auf das Disziplinarverfahren das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1950 mit Ausnahme der §§2, 3, 4, 12, 29, 42 Abs1 und 2, 51, 57, 63 Abs1, 64 Abs2, 68 Abs2 und 3, 75, 76, 77, 78, 79 und 80 anzuwenden."
Fänden also auf das Verfahren in Disziplinarangelegenheiten der Beamten im Sinne des §1 Abs1 BDG 1979 die Bestimmungen des DVG keine Anwendung, dann komme §2 Abs2 zweiter Satz der DVV als gesetzliche Grundlage für die in §1 Abs1 Z33 angeführten Aufgaben der Dienstbehörde in Disziplinarsachen nicht in Betracht.
Es könnte auch nicht zu Recht eingewendet werden, daß §1 Abs3 DVG idF BDG 1977 mit der Aufhebung des zuletzt genannten Gesetzes durch das BDG 1979 außer Kraft getreten sei, weil die durch das BDG 1977 vorgenommene Neufassung des §1 Abs3 DVG Bestandteil des DVG geworden und ohne Rücksicht auf das Schicksal des BDG 1977 geblieben sei. Das BDG 1979 habe nur das BDG 1977, nicht aber eine Bestimmung des DVG aufgehoben. An dem Ergebnis ändere sich auch nichts, wenn man von der - soeben begründeten -, vom VwGH nicht vertretenen Auffassung ausgehe, daß §1 Abs3 DVG im Hinblick auf das Außerkrafttreten des BDG 1977 nicht mehr dem Rechtsbestand angehöre, da sich schon aus §105 BDG 1979 ergebe, daß auf das Disziplinarverfahren das AVG 1950 mit den dort genannten Ausnahmen und die in diesem Abschnitt des BDG 1979 enthaltenen verfahrensrechtlichen Bestimmungen anzuwenden seien.
Zusammenfassend ergebe sich, daß durch §1 Abs3 DVG in Verbindung mit §105 BDG 1979 (aber auch allein durch letztgenannte Bestimmung) das DVG als gesetzliche Grundlage für die angefochtene Verordnungsbestimmung nicht in Frage komme.
2.1. Die Bundesregierung hat in den Gesetzesprüfungsverfahren von der Erstattung einer Äußerung Abstand genommen und für den Fall der Aufhebung beantragt, für das Außerkrafttreten eine Frist von sechs Monaten zu bestimmen.
2.2. Zu den Verordnungsprüfungsanträgen wird von der Bundesregierung in beiden Prüfungsverfahren wörtlich übereinstimmend ausgeführt:
"§105 BDG 1979 ordnet an, daß - sofern im 9. Abschnitt des Gesetzes nichts anderes bestimmt ist - im wesentlichen das AVG 1950 auf das Disziplinarverfahren Anwendung findet.
Zu den Bestimmungen des AVG, die gemäß dieser Norm keine Anwendung finden, gehören unter anderem die §§2, 3 und 4 AVG - das sind die Regelungen dieses Gesetzes über die Behördenzuständigkeit. Gemäß dem auf das Disziplinarverfahren anwendbaren §1 AVG richtet sich demnach die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Disziplinarbehörden 'nach den Vorschriften über ihren Wirkungsbereich und nach den Verwaltungsvorschriften'.
Das BDG 1979 enthält nun in seinem 9. Abschnitt solche Vorschriften über den Wirkungsbereich der Behörden bzw. konkrete Verwaltungsvorschriften (im vorliegenden Zusammenhang §97 Abs1 in Verbindung mit §112 Abs1), die allerdings insoferne unvollständig sind, als sie offen lassen, wer 'Dienstbehörde' iS des Disziplinarrechtes ist. Dieser Begriff wird vom BDG 1979 nicht definiert, sondern offenbar vorausgesetzt. Dies kann nun nur so ausgelegt werden, daß der Gesetzgeber des BDG 1979 diesen Begriff so verstanden wissen wollte, wie er von der Rechtsordnung zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes definiert wurde; eine solche Definition findet sich zu diesem Zeitpunkt lediglich im Dienstrechtsverfahrensgesetz. Somit hat also das BDG den Begriff 'Dienstbehörde' des DVG und damit insbesondere die konkrete Zuständigkeitsregelung des §2 Abs2 DVG übernommen.
Das DVG trifft hier jene Regelung über die Behördenzuständigkeit, die auf Grund der Tatsache, daß §105 BDG die Zuständigkeitsregelungen des AVG nicht rezipiert, zur vollständigen Regelung der Zuständigkeit in Disziplinarangelegenheiten erforderlich ist.
Die in Frage stehende Verordnungsbestimmung der DVV 1969 fand somit ihre ausreichende Deckung in §2 Abs2 DVG und ist nicht mangels einer solchen verfassungswidrig.
Das Argument, daß das BDG 1979 im Bereich des Disziplinarverfahrens die Regelungen des AVG nicht für den Bereich der Zuständigkeitsregelungen, sondern nur für das Disziplinarverfahren in einem engeren Sinn rezipiert, findet eine weitere Stütze auch in einer logisch-systematischen Interpretation des Gesetzes:
Der 9. Abschnitt des BDG 1979 ist nämlich in verschiedene Unterabschnitte gegliedert, dessen zweiter ('Organisatorische Bestimmungen', §§96 ff) Zuständigkeitsregeln enthält, während die Regelungen des Verfahrensablaufs unter die Überschrift 'Disziplinarverfahren' als dritter Unterabschnitt (§§105 ff) gestellt sind. Erst in diesem dritten Unterabschnitt findet sich die Verweisung auf die subsidiäre Anwendbarkeit des AVG. Diese Systematik deutet darauf hin, daß sich der Gesetzgeber sehr wohl der Tatsache bewußt war, daß er mit der Rezeption verschiedener Bestimmungen des AVG kein umfassendes, das DVG verdrängendes Regime der Zuständigkeitsordnung im Disziplinarverfahren schuf.
Auf die voranstehende Argumentation ist es im übrigen nicht von Einfluß, ob man der vom VwGH vertretenen Auffassung folgt, §1 Abs3 DVG stehe nach wie vor in der durch das BDG 1977 geänderten Form in Geltung, oder ob man die Ansicht vertritt, durch den §185 BDG 1979 sei dem BDG 1977 und damit auch dem hiedurch in die Rechtsordnung eingefügten §1 Abs3 DVG mit Wirkung vom 1. Jänner 1980 derogiert. Auf dieses vom VwGH aufgeworfene Problem, zu dem er selbst im übrigen keine eindeutige Lösung findet, braucht daher nach Ansicht der Bundesregierung nicht eingegangen zu werden."
Die Bundesregierung beantragt daher, die Verordnungsprüfungsanträge des VwGH abzuweisen.
3. Der VfGH hat beschlossen, die Verfahren über die Gesetzes- und Verordnungsprüfungsanträge des VwGH (G49/81, V21/81 und G128/81, V42/81) zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden.
4. Zu den Gesetzesprüfungsanträgen hat der VfGH erwogen:
4.1. Der VwGH bringt vor, er habe aus Anlaß der bei ihm anhängigen Verfahren auch diejenigen Bestimmungen des BDG 1979 anzuwenden, die dafür maßgeblich sind, daß Berufungen gegen Bescheide der Dienstbehörden, in denen eine Suspendierung und Bezugskürzung verfügt oder eine Disziplinarverfügung erlassen wird, an die (jeweilige) Disziplinarkommission und gegen deren Entscheidungen an die DOK erhoben werden können. Der VfGH erachtet sich, seiner ständigen Rechtsprechung (vgl. VfSlg. 7999/1977, 8197/1977) folgend, zu einer Verneinung der Frage, ob die Vorschriften, deren Verfassungswidrigkeit vom VwGH behauptet wird, für seine Entscheidung präjudiziell sind, nur dann für berechtigt, wenn die zur Prüfung beantragten Bestimmungen ganz offenbar und schon begrifflich überhaupt nicht als Voraussetzung des verwaltungsgerichtlichen Erk. in Betracht kommen könnten. Ein solcher Fall liegt nicht vor, da die angefochtenen Bestimmungen vom VwGH schon bei Prüfung der Prozeßvoraussetzungen mit anzuwenden sind.
Die Gesetzesprüfungsanträge sind somit zulässig.
4.2. In der Sache selbst hat der VfGH erwogen:
Gegen Suspendierungen und anläßlich derselben verfügte Bezugskürzungen, die gemäß §112 Abs1 und 2 BDG 1979 (auch von der Dienstbehörde) verfügt werden können, und gegen Disziplinarverfügungen, deren bescheidmäßige Erlassung gemäß §131 BDG 1979 der Dienstbehörde obliegt, ist nach §97 Z2 leg. cit. der Rechtszug an die Disziplinarkommission und von dieser gemäß §97 Z3 an die DOK vorgesehen. Aus §97 Z2 und 3 iVm §§112 und 132 BDG 1979 ergibt sich, daß dann, wenn Dienstbehörde der Bundesminister ist, die zur Entscheidung über ein Rechtsmittel berufene Disziplinarkommission und die über ein Rechtsmittel gegen deren Entscheidung berufene DOK mit der Überprüfung eines Bescheides des Bundesministers betraut ist. Das aber bedeutet, daß der Bundesminister bei Bescheiden, in denen von ihm eine Suspendierung und anläßlich derselben eine Bezugskürzung verfügt oder von ihm eine Disziplinarverfügung als Dienstbehörde erster Instanz getroffen wird, der Disziplinarkommission und in weiterer Folge der DOK als Berufungsinstanzen untergeordnet ist.
Wie sich aus Art19 Abs1 B-VG ergibt, kommt dem Bundesminister die Stellung eines obersten Organs zu. Der VfGH hat bereits im Erk. VfSlg. 8917/1980 und im Erk. vom 25. Juni 1981, G15 - 20/81, G27 - 30/81, G37, 38, 43/81 (auf deren Inhalt auch sonst verwiesen wird), dargelegt, daß das B-VG den Ausdruck "oberstes Organ" durchgehend zur Kennzeichnung des Fehlens einer übergeordneten Instanz verwendet, womit ausgeschlossen ist, daß die Entscheidung eines obersten Organs einem Instanzenzug unterliegt.
Die Worte "zur Entscheidung über Berufungen gegen Disziplinarverfügungen und zur Entscheidung über Berufungen gegen Suspendierungen" in Z2, sowie "und Berufungsentscheidungen" in Z3 des §97, weiters die Worte "von der Dienstbehörde verfügt wurde, die die Disziplinarkommission, wenn sie" in §112 Abs4, und schließlich §132 BDG 1979, durch die ein Instanzenzug (auch) gegen die durch eine Dienstbehörde und damit auch gegen die durch einen Bundesminister als Dienstbehörde erster Instanz erlassenen Bescheide über Suspendierungen und anläßlich derselben verfügte Bezugskürzungen sowie durch ihn erlassene Disziplinarverfügungen eröffnet wird, waren demnach als verfassungswidrig aufzuheben.
4.3. Die Festsetzung der Frist für das Inkrafttreten der Aufhebung stützt sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B-VG idF BGBl. 302/1975.
4.4. Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art140 Abs6 B-VG.
Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VerfGG.
5. Zu den Verordnungsprüfungsanträgen hat der VfGH erwogen:
5.1. Der VwGH führt aus, die ihm obliegende Kontrolle der angefochtenen Bescheide der DOK beziehe sich auf das gesamte Verfahren, das den bei ihm angefochtenen Bescheiden vorangegangen sei, also auch auf die Zuständigkeit der Behörden erster Instanz. Als Rechtsgrundlage hiefür sei von ihm auch die im Zeitpunkt der Entscheidung der Dienstbehörde noch in Kraft gestandene angefochtene Z33 des §1 Abs1 DVV bei der von ihm zu fällenden Entscheidung anzuwenden. Dieser Meinung des VwGH könnte nur dann entgegengetreten werden, wenn sie denkunmöglich wäre; dies ist aber offenbar nicht der Fall.
Die Verordnungsprüfungsanträge sind somit zulässig.
5.2. In der Sache selbst hat der VfGH erwogen:
Der VwGH macht geltend, die Bestimmungen des DVG, also auch seines §2, der nach der Promulgationsklausel der DVV die gesetzliche Grundlage der angefochtenen Verordnungsstelle bilde, fände in Verfahren über Disziplinarangelegenheiten keine Anwendung, was sich aus §1 Abs3 DVG iVm §105 BDG 1979, aber auch aus §105 BDG 1979 alleine ergebe.
Der VfGH vermag dieser Ansicht aus folgenden Gründen nicht zu folgen:
Aus §96 BDG 1979 geht hervor, daß Disziplinarangelegenheiten auch von Dienstbehörden zu erledigen sind. Nach §105 BDG 1979 ist auf das Disziplinarverfahren das AVG nur mit näher bestimmten Ausnahmen anzuwenden.
§105 BDG 1979 lautet:
"§105. Soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, ist auf das Disziplinarverfahren das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz 1950 mit Ausnahme der §§2, 3, 4, 12, 29, 42 Abs1 und 2, 51, 57, 63 Abs1, 64 Abs2, 68 Abs2 und 3, 75, 76, 77, 78, 79 und 80 anzuwenden."
Nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Regelung ist der für die sachliche Zuständigkeit von Behörden maßgebliche §2 des AVG in Disziplinarverfahren nicht anzuwenden. Ist aber eine Anwendung des §2 AVG ausdrücklich ausgeschlossen, so kann, mangels anderer Zuständigkeitsregelung, als gesetzliche Grundlage für die Behördenzuständigkeit in Disziplinarsachen zwangsläufig nur §2 DVG zur Anwendung kommen.
Dies wird noch dadurch bekräftigt, daß die dem §96 BDG 1979 entsprechende, zeitlich vorausgehende Regelung des §56 BDG 1977 einen ausdrücklichen Hinweis auf §2 DVG im Gesetzestext enthielt. Dieser Hinweis ist im §96 BDG 1979 wohl nicht mehr enthalten, was aber nicht schon deshalb als eine vom Gesetzgeber beabsichtigte Änderung der Rechtslage gewertet werden kann. Jede andere Auffassung müßte dazu führen, daß damit für Disziplinarangelegenheiten eine Zuständigkeitsregelung überhaupt fehlen würde. Ein solches Ergebnis kann vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen sein. Dies verdeutlicht, daß mit dem Weglassen des Hinweises auf §2 DVG lediglich eine überflüssige Verweisung im Gesetzestext entfallen sollte.
Hieraus ergibt sich, daß die Zuständigkeitsregelung des DVG in Disziplinarverfahren nach dem BDG Anwendung zu finden hat.
5.3. Daran vermag auch die Beantwortung der Frage, ob §1 Abs3 DVG, dessen ursprüngliche Fassung durch §133 BDG 1977 novelliert wurde, dem Rechtsbestand noch angehört oder zufolge der Anordnung des §185 BDG 1979 außer Kraft getreten ist - wie immer sie ausfällt - nichts zu ändern. Denn wenn aus §185 BDG 1979 abzuleiten wäre, daß mit dem Außerkrafttreten des BDG 1977 auch §1 Abs3 DVG aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wäre, so käme der damit nicht mehr in Kraft stehenden Bestimmung selbstredend für die im Verordnungsprüfungsverfahren maßgeblichen Fragen keine Bedeutung zu. Wenn man §1 Abs3 DVG als dem Rechtsbestand zugehörig erachtet, würde dies dazu führen, daß das DVG auf das Verfahren in Disziplinar(Dienststraf)angelegenheiten keine Anwendung fände, wenn dafür ein besonderes Verfahren vorgeschrieben ist; da sich aus dem Vorhergesagten (5.2.) jedoch ergibt, daß sich für Dienstbehörden (§96 BDG 1979) die sachliche Zuständigkeit aus §2 DVG ergibt, wäre die an die Prämisse des §1 Abs3 DVG geknüpfte Folge nicht mehr relevant. Ein weiteres Eingehen auf die Frage, ob §1 Abs3 DVG dem Rechtsbestand noch angehört, ist für das Verordnungsprüfungsverfahren somit ohne jegliche Bedeutung.
5.4. Es ergibt sich somit, daß die angefochtene Verordnungsstelle ursprünglich (ab ihrem Inkrafttreten mit 24. März 1978 bis 31. Dezember 1979) in §2 Abs2 DVG iVm §56 BDG 1977 und ab 1. Jänner 1980 bis zum Außerkrafttreten der DVV 1969 mit Ablauf des 31. März 1981 (infolge §5 Abs2 der Dienstrechtsverfahrensverordnung 1981) in §2 Abs2 DVG iVm §96 BDG 1979 ihre gesetzliche Deckung fand.
Den Verordnungsprüfungsanträgen des VwGH war daher nicht Folge zu geben.
Schlagworte
VfGH / Präjudizialität, Bundesminister Bundesministerium,Oberste Organe der Vollziehung, Instanzenzug,Verwaltungsverfahren, Zuständigkeit Verwaltungsverfahren,Dienstrecht, Dienstrechtsverfahren, Behördenzuständigkeit,Disziplinarrecht BeamteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1982:G49.1981Zuletzt aktualisiert am
01.08.2012