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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
EStG 1972; Bewertung einer Rentenverpflichtung nach §6; keine denkunmögliche und keine gleichheitswidrige AnwendungSpruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Beschwerdeführer sind alleinige Gesellschafter einer Gesellschaft nach bürgerlichem Recht, die ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach §4 Abs1 EStG (1953, 1967, 1972) ermittelt.
Im Jahre 1965 erwarben sie den Gesellschaftsanteil einer ausscheidenden Gesellschafterin je zur Hälfte gegen Leibrente. Die eingegangene Leibrentenverpflichtung wurde mit dem versicherungsmathematisch berechneten Wert kapitalisiert und der errechnete Kapitalwert in der Bilanz als Schuld passiviert. Der Wert der Rentenschuld wurde in der Folge jährlich nach versicherungsmathematischen Grundsätzen neu festgesetzt. In dem Ausmaß, in dem sich von Jahr zu Jahr die Lebenserwartung der Rentenberechtigten verminderte, verminderte sich auch der Kapitalwert der Rente. Die jährliche Schuldminderung wurde bis einschließlich 1973 als Ertrag gebucht, während andererseits die laufend geleisteten Rentenzahlungen als Betriebsausgaben gewinnmindernd verbucht wurden. Der Unterschiedsbetrag zwischen der tatsächlichen Rentenleistung eines Jahres und dem Betrag, um den die Rentenverpflichtung sich gegenüber ihrem Wert zum vorangegangenen Bilanzstichtag vermindert hatte, beeinflußte als Aufwand den Gewinn.
In den Jahren 1974 und 1975 wichen die Beschwerdeführer von dieser Vorgangsweise ab, indem sie ab diesem Zeitpunkt die geleisteten Rentenzahlungen ohne Erfolgsauswirkungen verbuchten. Sie gingen bei der Ermittlung des Gewinnes dieser Jahre davon aus, daß die (zum 31. Dezember 1973) passivierte Rentenverpflichtung durch die erfolgten Rentenzahlungen erfolgsneutral aufzulösen sei und erst nach erfolgter Auflösung darüber hinausgehende Rentenzahlungen voll erfolgswirksam anzusetzen seien.
2. a) Das Finanzamt schloß sich dieser Rechtsansicht nicht an und ermittelte auch bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung von Einkünften für die Jahre 1974 und 1975 sowie bei der Veranlagung zur Gewerbesteuer für diese Jahre den kapitalisierten Wert der Rentenverpflichtung zu den einzelnen Bilanzstichtagen nach versicherungsmathematischen Grundsätzen und wertete die Differenz zum Vorjahreswert als Ertrag und die geleisteten Rentenzahlungen als Aufwand.
b) Die gegen die Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die Jahre 1974 und 1975 sowie gegen die Feststellung der Gewerbesteuerbescheide betreffend die Jahre 1974 und 1975 erhobenen Berufungen wurden mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, NÖ und Bgld. vom 5. September 1978 als unbegründet abgewiesen.
3. a) Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt wird.
b) Die belangte Behörde hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. a) Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentumsrecht ein (vgl. zB VfSlg. 6596/1971). Dieser Eingriff wäre nach der ständigen Judikatur des VfGH (zB VfSlg. 8776/1980) dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre oder auf einer verfassungswidrigen Rechtsgrundlage beruhte, oder wenn die Behörde bei Erlassung des Bescheides eine verfassungsrechtlich unbedenkliche Rechtsgrundlage in denkunmöglicher Weise angewendet hätte, ein Fall, der nur dann vorläge, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre.
b) Der angefochtene - die Jahre 1974 und 1975 betreffende - Bescheid stützt sich in materiellrechtlicher Hinsicht auf Bestimmungen des EStG 1972 und des GewStG 1953, hinsichtlich der strittigen Bewertung der Rentenverpflichtung insbesondere auf §6 EStG 1972. Er ist daher nicht ohne jede gesetzliche Grundlage ergangen.
c) Gegen die angewendeten Rechtsgrundlagen des bekämpften Bescheides wurden verfassungsrechtliche Bedenken weder vorgetragen, noch sind solche beim VfGH aus Anlaß des vorliegenden Beschwerdefalles entstanden.
d) Die belangte Behörde hat die Rechtsvorschriften aber auch nicht denkunmöglich angewendet: Die der Vorgangsweise der belangten Behörde zugrunde liegende Rechtsauffassung entspricht vielmehr der herrschenden Auffassung in Lehre und Rechtsprechung (vgl. Stoll, Rentenbesteuerung, 3. Auflage, Wien 1979, 258 f; Doralt - Ruppe, Grundriß des österr. Steuerrechts I, Wien 1978, 119 f.). Die belangte Behörde befindet sich mit ihrer Auffassung - wie auch die Beschwerdeführer zugestehen - im Einklang mit der Rechtsprechung des VwGH (VwSlg. 2886 F/1963). Der VfGH kann nicht finden, daß die belangte Behörde, die die Bewertung auf der Grundlage dieser Auffassung vornahm, in Verfolgung ihrer Rechtsansicht Rechtsvorschriften denkunmöglich angewendet hätte.
e) Die Beschwerdeführer sind demnach im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums nicht verletzt worden.
2. a) Mit ihrer Beschwerdebehauptung, die von der belangten Behörde angewendete Methode der jeweils jährlich neu durchzuführenden Passivierung der Leibrentenverpflichtung nach versicherungsmathematischen Grundsätzen führe zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Differenzierung gegenüber nicht bilanzierenden Steuerpflichtigen, behaupten die Beschwerdeführer der Sache nach, die Behörde hätte der angewendeten Rechtsvorschrift zu Unrecht einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt. Träfe die Behauptung der Beschwerdeführer zu, würde das der Beschwerde zum Erfolg verhelfen, da nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (vgl. etwa VfSlg. 8823/1980) das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde auch dann verletzt wird, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat.
b) Der VfGH teilt jedoch die in diese Richtung gehenden Bedenken der Beschwerdeführer nicht.
Die Rechtsprechung hat für die einkommensteuerrechtliche Behandlung von betrieblichen Gegenleistungsrenten bei jenen Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn nach §4 Abs3 EStG ermitteln, den Grundsatz entwickelt, daß die Rentenschuld gedanklich kapitalisiert wird, wobei jedoch - mangels einer Bilanz - eine jährliche Neubewertung der Rentenschuld unterbleibt. Die Rentenzahlungen werden vielmehr (als Tilgung der Rentenschuld) gegen die Rentenschuld erfolgsneutral verrechnet und wirken sich erst nach Erschöpfung der Rentenschuld als Betriebsausgaben aus (Stoll, aaO 265; Doralt - Ruppe, aaO 120).
Es ist den Beschwerdeführern zuzugestehen, daß die unterschiedliche Behandlung von betrieblichen Gegenleistungsrenten bei jenen Steuerpflichtigen, die ihren Gewinn nach §4 Abs3 EStG errechnen und bei jenen Steuerpflichtigen, bei denen der Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich errechnet wird, zu unterschiedlichen einkommensteuerrechtlichen Ergebnissen führt. Stoll (aaO 265 f.) zeigt auf, daß dadurch die Ergebnisse vergröbert und zeitlich verschoben werden.
Diese unterschiedliche Behandlung betrieblicher Gegenleistungsrenten ergibt sich jedoch als Konsequenz der - verfassungsrechtlich an sich unbedenklichen (vgl. etwa VfSlg. 8165/1977) - Unterschiedlichkeit der beiden Gewinnermittlungsarten des §4 Abs1 und des §4 Abs3 EStG 1972. Aus diesem Grund und weil trotz der unterschiedlichen Behandlung von betrieblichen Gegenleistungsrenten in aller Regel langfristig eine Gesamtgewinngleichheit erreicht werden kann (vgl. Stoll aaO 266), hat der VfGH keine gleichheitsrechtlichen Bedenken gegen die von der Behörde gewählte Interpretation.
c) Daß die belangte Behörde bei Erlassung des angefochtenen Bescheides willkürlich vorgegangen wäre, wurde von den Beschwerdeführern nicht vorgebracht; auch beim VfGH sind keinerlei Anhaltspunkte für ein derartiges Fehlverhalten der Behörde hervorgekommen.
d) Die Beschwerdeführer sind somit durch den angefochtenen Bescheid auch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nicht verletzt worden.
3. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts ist von den Beschwerdeführern weder behauptet worden, noch sonst im Verfahren hervorgekommen. Angesichts der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlagen ist es auch ausgeschlossen, daß die Beschwerdeführer durch Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
Schlagworte
Einkommensteuer, Gewinnermittlung (Einkommensteuer), Renten, Bewertung Gewinn (Einkommensteuer), Bewertung BetriebsvermögenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1982:B621.1978Dokumentnummer
JFT_10179077_78B00621_00